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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 08.05.2009
Aktenzeichen: 31 Wx 147/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1772
BGB § 1767
Ablehnung einer Volljährigenadoption, die als Adoption mit den Wirkungen der Minderjährigenannahme beantragt ist, wegen überwiegender Interessen des leiblichen Vaters der erwachsenen Anzunehmenden.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN BESCHLUSS

Aktenzeichen: 31 Wx 147/08

Der 31. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Rojahn und der Richterinnen am Oberlandesgericht Förth und Klotz

am 8. Mai 2009

in dem Adoptionsverfahren

wegen Annahme als Kind (Volljährigenadoption mit Wirkung einer Minderjährigenadoption),

beschlossen:

Tenor:

I. Die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 1 und 2 gegen den Beschluss des Landgerichts Ansbach vom 10. November 2008 werden zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe:

I. Mit notarieller Urkunde vom 22.8.2007 beantragten die Beteiligten zu 1 und 2 die Annahme der Beteiligten zu 2 (geb. 1978) als Kind durch den Beteiligten zu 1 (geb. 1946), dem Ehemann von deren leiblicher Mutter, der Beteiligten zu 4, welche ihre Einwilligung zur beantragten Adoption erteilt hat. Beantragt wurde die Adoption mit den Wirkungen der Minderjährigenannahme (Volladoption). Das Amtsgericht hörte das zuständige Jugendamt schriftlich und den leiblichen Vater der Anzunehmenden (Beteiligter zu 3) zunächst schriftlich und am 29.4.2008 mündlich an. Dieser ist mit einer Adoption seiner erwachsenen, nichtehelichen Tochter durch den Beteiligten zu 1 grundsätzlich einverstanden; allerdings habe der Ausspruch, dass die beantragte Adoption die Wirkung einer Minderjährigenadoption hat, zu unterbleiben, da dies seine Interessen gefährde. Durch die Volladoption verliere er seinen grundsätzlich bestehenden Unterhaltsanspruch gegenüber der Beteiligten zu 2, der er - mit einer Unterbrechung von zwei Jahren - bis zur Vollendung des 28. Lebensjahrs Unterhalt geleistet habe.

Mit Beschluss vom 14.8.2008 lehnte das Amtsgericht die Adoption der Beteiligten zu 2 durch den Beteiligten zu 1 ab. Gegen diesen Beschluss legten die Beteiligten zu 1 und 2 Beschwerde ein. Diese wies das Landgericht mit Beschluss vom 10.11.2008 zurück. Hiergegen richten sich die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 1 und 2.

II. Die zulässigen Rechtsmittel haben in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

Die Voraussetzungen für eine Volljährigenadoption lägen vor, insbesondere sei zwischen den Beteiligten zu 1 und 2 ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden. Die Annahme der Beteiligten zu 2 als Kind durch den Beteiligten zu 1 sei für sich genommen sittlich gerechtfertigt, nicht jedoch eine Annahme mit den Wirkungen einer Minderjährigenadoption (§ 1772 Abs. 1 BGB).

Zwar sei die Anzunehmende die Tochter der Ehefrau des Annehmenden und sei auch bereits als Minderjährige in die Familie des Annehmenden aufgenommen worden, sodass nach § 1772 Abs. 1 Satz 1 BGB eine Volladoption grundsätzlich möglich sei; zusätzlich sei jedoch eine umfassende Abwägung der Interessen der am Adoptionsverfahren Beteiligten vorzunehmen, wobei Prüfungsmaßstab der Zweck der Volladoption und das Verbot des § 1772 Abs. 1 Satz 2 BGB seien. Ein Kind, dessen Verbindung zur leiblichen Verwandtschaft faktisch oder rechtlich abgebrochen wurde, solle durch Volladoption eine vollwertige Ersatzfamilie erhalten, die eine ungestörte Entwicklung sichere. Bestehe dagegen noch Verbindung zur leiblichen Familie, so sei der Abbruch dieser Beziehung auch nach Erreichung der Volljährigkeit grundsätzlich nicht gerechtfertigt. Vorliegend bestehe faktisch keine Verbindung der Anzunehmenden zu ihrem leiblichen Vater. Abgesehen von den Unterhaltsleistungen, die der leiblich Vater für die Anzunehmende bis zur Vollendung von deren 28. Lebensjahr (mit einer Unterbrechung von ca. 2 Jahren) geleistet habe, habe auch früher kein sozialer Kontakt zwischen der Anzunehmenden und ihrem leiblichen Vater bestanden. Dies spreche für eine Volladoption. Eine solche sei jedoch dann sittlich nicht gerechtfertigt, wenn sich damit das inzwischen volljährige Kind faktisch seiner gegenüber dem leiblichen Elternteil bestehenden gesetzlichen Unterhaltspflicht entziehe, während es seinerseits während der Zeit seiner Bedürftigkeit von diesem Elternteil versorgt worden sei. Gemäß § 1772 Abs. 1 Satz 2 BGB dürfe einem Antrag auf Volladoption nicht entsprochen werden, wenn überwiegende Interessen der Eltern des Anzunehmenden entgegenstünden. Dies sei hier der Fall. Zwar sei der leibliche Vater der Anzunehmenden gegenwärtig berufstätig und niemandem zu Unterhalt verpflichtet, so dass er derzeit für sich selber sorgen könne; angesichts seines niedrigen Einkommens könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass er - etwa wenn sich seine Verdienstmöglichkeiten krankheits- oder altersbedingt weiter verschlechtern sollten - auf Unterhaltsansprüche gegen die Beteiligte zu 2 angewiesen sein könnte.

Weiter sei zu berücksichtigen, dass die beantragte Volladoption nicht erforderlich sei, um eine weitere ungestörte Entwicklung der Anzunehmenden sicherzustellen. Bereits durch eine Adoption nach den Vorschriften über die Annahme Volljähriger ohne den beantragten Ausspruch würde der Beteiligte zu 1 die Beteiligte zu 2 als Kind mit allen Rechten und Pflichten annehmen und der Beteiligte zu 1 für die Beteiligte zu 2 deren Vater mit allen Rechten und Pflichten werden, auch den Familiennamen des Beteiligten zu 1 könne die Beteiligte zu 2 infolge einer solchen Adoption tragen. Es sei daher nicht ersichtlich, weswegen stattdessen eine Volladoption gem. § 1772 Abs. 1 BGB für die weitere Entwicklung der Anzunehmenden erforderlich sein sollte. Ein objektiv über die Wirkungen der Volljährigenadoption hinausgehender Zweck werde vorliegend durch die Adoption mit den Wirkungen der Minderjährigenannahme nur insofern erreicht, als hierdurch eine zukünftige Unterhaltspflicht der Beteiligten zu 2 gegenüber ihrem leiblichen Vater ausgeschlossen werden würde. Im Rahmen des § 1772 Abs. 1 BGB sei das Verbot widersprüchlichen Verhaltens als spezieller Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB zu berücksichtigen. Das widersprüchliche Verhalten läge darin, dass die Anzunehmende bereits seit 1984 mit dem Annehmenden und der Beteiligten zu 4, ihrer leiblichen Mutter, als Familie zusammenlebe, während des gesamten Zeitraums - auch deutlich über den Zeitpunkt der Volljährigkeit hinaus - die Unterhaltsleistungen des leiblichen Vaters in Anspruch genommen habe und jetzt, nachdem dieser seiner Tochter nicht mehr zu Unterhalt verpflichtet sei, die Volladoption beantragt werde, wodurch der leibliche Vater seine grundsätzlich gegenüber seiner Tochter bestehenden Unterhaltsansprüche verlieren würde. Auch wenn dies nicht der Grund für den Antrag auf Volladoption sein sollte, so sei deren Ausspruch aufgrund der objektiv vorliegenden Umstände jedenfalls nicht gerechtfertigt.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Überprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) stand.

a) Gemäß § 1767 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB kann ein Volljähriger als Kind angenommen werden, wenn die Annahme sittlich gerechtfertigt ist. § 1767 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB bestimmt, dass die sittliche Rechtfertigung der Annahme eines Volljährigen als Kind insbesondere dann anzunehmen ist, wenn zwischen dem Annehmenden und der Anzunehmenden ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits entstanden ist (vgl. BayObLG FamRZ 2005, 131). Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht vorliegend die Adoption der Beteiligten zu 2 durch den Beteiligten zu 1 - abgesehen von der Frage des Eintritts der Wirkungen der Minderjährigenannahme - für sittlich gerechtfertigt gehalten.

b) Den Ausspruch einer Annahme mit den Wirkungen der Minderjährigenadoption gemäß § 1772 Abs. 1 BGB hat es mit rechtlich nicht zu beanstandender Begründung abgelehnt.

aa) Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass die Voraussetzungen von § 1772 Abs. 1 lit. b und c BGB kumulativ vorliegen, woraus jedoch nicht zwingend folgt, dass die beantragte Volladoption auszusprechen, sondern zu prüfen ist, ob nicht gewichtige Gründe einer Volladoption entgegenstehen. Nach § 1772 Abs. 1 Satz 2 BGB darf der Ausspruch nicht erfolgen, wenn überwiegende Interessen der leiblichen Eltern des Anzunehmenden entgegenstehen. Hierfür reichen unterhaltsrechtliche ebenso wie erbrechtliche Interessen aus (vgl. nur Staudinger/Frank BGB Neubearbeitung 2007, § 1772 Rn. 6).

bb) Wird der Ausspruch der Adoption eines Volljährigen mit den Wirkungen der Minderjährigenannahme beantragt (Volladoption), erstreckt sich die Prüfung der sittlichen Rechtfertigung auch auf die mit einer Volladoption einhergehenden Folgen. Durch die Volladoption wird - anders als bei der normalen (sog. schwachen) Adoption eines Volljährigen, vgl. § 1770 BGB - wie bei der Adoption eines Minderjährigen das rechtliche Band zwischen der Anzunehmenden und ihrem leiblichen Vater unwiderruflich zerschnitten; das Verwandtschaftsverhältnis und die sich aus ihm ergebenden Rechte und Pflichten wie Unterhaltsansprüche und das gesetzliche Erbrecht erlöschen. Ob die Volladoption sittlich gerechtfertigt ist, ist Tat- und Rechtsfrage; hierbei ist eine umfassende Abwägung der Interessen der von der Adoption betroffenen Personen vorzunehmen. Die Feststellung der einzelnen Tatumstände ist dem Tatrichter vorbehalten. Nur wenn er zu der Überzeugung gelangt, dass die Volladoption sittlich gerechtfertigt ist (vgl. MünchKommBGB/Maurer 4. Aufl. § 1772 Rn. 8; Staudinger/Frank BGB § 1772 Rn. 6), darf er sie aussprechen.

cc) Das Landgericht hat den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt ausreichend aufgeklärt. Es hat sich mit den Argumenten der Beschwerdeführer und denjenigen des leiblichen Vaters auseinander gesetzt, die Interessen der Beteiligten sorgfältig gegeneinander abgewogen und hierbei die Gründe, die gegen den Ausspruch einer Volladoption sprechen, für gewichtiger gehalten. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere durfte das Landgericht den Umstand, dass der Adoptionsantrag erst gestellt wurde, als die Anzunehmende nicht mehr in unterhaltsrechtlich relevanter Ausbildung stand und daher keine Unterhaltsansprüche mehr gegenüber ihrem leiblichen Vater geltend machen konnte, als gewichtigen Grund werten, von dem Ausspruch einer Annahme mit den Wirkungen der Minderjährigenadoption abzusehen. Denn der leibliche Vater würde bei antragsgemäßer Entscheidung seine gesetzlichen Unterhaltsansprüche gegenüber seiner Tochter verlieren. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer muss die Unterhaltsverpflichtung des anzunehmenden Volljährigen gegenüber dem leiblichen Elternteil zum Zeitpunkt des Adoptionsantrags nicht schon konkret bestehen oder sich abzeichnen, insbesondere dann nicht, wenn der leibliche Elternteil, wie hier, seinerseits langjährig Unterhalt geleistet hat (vgl. auch LG Heidelberg FamRZ 2001, 120; MünchKommBGB/Maurer § 1772 Rn. 8 a. E.). Das Landgericht durfte daher den Umstand, dass der leibliche Vater potentiell bedürftig werden und dann auf Unterhaltsansprüche gegenüber der Anzunehmenden angewiesen sein könnte, ebenso in die Interessenabwägung einbeziehen wie den Umstand, dass dieser seinerseits der Anzunehmenden viele Jahre lang Unterhalt geleistet hat.

dd) Wenn sich das Landgericht nach Abwägung aller maßgeblichen Aspekte vorliegend aufgrund der Gesamtumstände nicht von der sittlichen Rechtfertigung einer Volladoption überzeugen konnte, ist dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Das Vorbringen der Rechtsbeschwerdeführer läuft im Wesentlichen darauf hinaus, die eigene Tatsachenwürdigung an die Stelle derjenigen des Landgerichts zu setzen. Damit können sie im Rechtsbeschwerdeverfahren keinen Erfolg haben.

Da die Beteiligten zu 1 und 2 Antrag auf Volladoption gestellt haben und eine Adoption mit den schwächeren Wirkungen der Volljährigenadoption von ihnen auch nicht hilfsweise beantragt wurde, hat das Amtsgericht den Adoptionsantrag und das Landgericht die Beschwerde zu Recht in vollem Umfang zurückgewiesen.

3. Die Verpflichtung zur Tragung der Gerichtskosten ergibt sich aus dem Gesetz. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 131 Abs. 2, § 31 Abs. 1 Satz 1 und § 30 Abs. 2 und 3 KostO.

Ende der Entscheidung

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