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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 02.07.2009
Aktenzeichen: 31 Wx 24/09
Rechtsgebiete: AktG
Vorschriften:
AktG § 57 | |
AktG § 104 Abs. 1 |
2. Sind wegen der Streitigkeiten von zwei jeweils über eine Sperrminorität verfügenden Aktionären sämtliche Aufsichtsratsmitglieder durch das Gericht zu bestellen, kann es angezeigt sein, zumindest einen Außenstehenden zu bestellen.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN BESCHLUSS
Aktenzeichen: 31 Wx 24/09
Der 31. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Rojahn, der Richterin am Oberlandesgericht Förth und des Richters am Oberlandesgericht Gierl
am 02. Juli 2009
in der Handelssache
wegen Bestellung von Mitgliedern des Aufsichtsrats,
beschlossen:
Tenor:
I. Auf die sofortigen Beschwerden der Beteiligten zu 2, 3, 4, 5 und 6 wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 29. Januar 2009 in Ziffer I des Tenors (Aufhebung der Bestellung von L., Bestellung von Sch. zum Mitglied des Aufsichtsrats) aufgehoben.
II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu anderer Behandlung und neuer Entscheidung an das Landgericht München I zurückverwiesen.
III. Der Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe:
I. Gegenstand des Verfahrens ist die Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern der beteiligten, nicht börsennotierten Aktiengesellschaft. Gegenstand der Gesellschaft, die 1990 als GmbH gegründet und 1998 in eine AG umgewandelt wurde, sind Entwicklung, Herstellung und Vertrieb von optischen Galvanometerscanner und Scannerköpfen.
Das Grundkapital der Gesellschaft ist in 103.704 auf den Namen lautende, vinkulierte Stückaktien eingeteilt, die derzeit von insgesamt fünfzehn Aktionären gehalten werden. 28.008 Aktien (27 %) hält die Beteiligte zu 1, eine niederländische Beteiligungsgesellschaft.
Die L. GmbH (Beteiligte zu 3) hält 29.619 Aktien; ihr Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer ist Gründungsgesellschafter und bisheriger Vorsitzender des Aufsichtsrats der beteiligten Gesellschaft. Die T. GmbH (Beteiligte zu 4) ist Inhaberin von 16.723 Aktien, ihr Geschäftsführer, der Beteiligte zu 5, hält 79 Aktien.
Dem D. Trust (Beteiligter zu 6) gehören 14.728 Aktien. Weitere Aktionäre sind Ba. (3.018 Aktien) sowie dessen Tochter (7.062 Aktien), die Vorstände sowie Familienangehörige.
2007 erzielte die Gesellschaft, die etwa 90 Mitarbeiter beschäftigt, bei Umsatzerlösen von rund 35 Mio. € einen Jahresüberschuss von rund 13 Mio. €. Die Satzung sieht in § 9 Abs .5 vor, dass den Mitgliedern des Aufsichtsrats eine pauschale Aufwandsentschädigung gewährt wird, die 7.500 € bzw. für den Vorsitzenden 11.500 € beträgt.
Der Aufsichtsrat der Gesellschaft besteht aus drei Mitgliedern. Von der ordentlichen Hauptversammlung am 28.7.2003 waren als Aufsichtsratsmitglieder L., Str. und H. gewählt worden für die Zeit bis zur Beendigung der Hauptversammlung, die über ihre Entlastung für das Jahr 2007 beschließt. Diese Beschlussfassung fand in der ordentlichen Hauptversammlung am 15.7.2008 statt. Eine Neubestellung von Aufsichtsratsmitgliedern erfolgte nicht; keiner der zur Wahl stehenden Kandidaten erreichte die nach der Satzung erforderliche Mehrheit von 75 % des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals. Mit Schriftsatz vom 15.7.2008 beantragte der Vorstand, drei Aufsichtsratsmitglieder gerichtlich zu bestellen, und schlug wie in der Hauptversammlung L., Str. und Sta. (Beteiligter zu 5), hilfsweise R. vor. Entsprechende Anträge stellten weitere vier Aktionäre (Beteiligte zu 3, 4, 5, 6). Die Beteiligte zu 1 beantragte entsprechend dem Wahlvorschlag in der Hauptversammlung die Bestellung von Sch., Ba. und Bo. zu Aufsichtsratsmitgliedern.
Mit Schriftsatz vom 28.7.2008 änderte der Vorstand seinen Antrag dahin, dass L., Sta. und Ba. bestellt werden sollten. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 5.8.2008 wurden letztere zu Mitgliedern des Aufsichtsrats bestellt. Auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1 hob das Landgericht den Beschluss des Amtsgerichts insoweit auf, als L. bestellt wurde, bestellte an dessen Stelle Sch. zum Mitglied des Aufsichtsrats und wies im Übrigen (Bestellung von Sta. und Ba.) die sofortige Beschwerde zurück.
Gegen die Bestellung von Sch. anstelle von L. richten sich die weiteren Beschwerden des Vorstands der beteiligten Gesellschaft und der Beteiligten zu 3, 4, 5 und 6.
II. Die zulässigen sofortigen weiteren Beschwerden sind begründet.
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Die sofortige Beschwerde sei begründet, soweit das Registergericht als Mitglied des Aufsichtsrats L. bestellt habe. Eine Bestellung zum Aufsichtsratsmitglied könne dann nicht als sachgerecht angesehen werden, wenn dem zu Bestellenden Rechtsverletzungen vorzuwerfen seien, insbesondere, wenn der zu Bestellende in einer früheren Amtszeit gegen Pflichtverletzungen des Vorstands nicht eingegriffen habe. Die Beteiligte zu 1 habe gegen die Gesellschaft sowie achtzehn Aktionäre Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Zweiten Zusatzvereinbarung erhoben gehabt. In diesem Verfahren sei im Januar 2007 von der Landesjustizkasse eine Zahlungsaufforderung an die Gesellschaft gerichtet worden. Die Gesellschaft habe den gesamten Betrag bezahlt.
Diese Rechnung habe sich jedoch auf das gesamte Verfahren, also auch auf die achtzehn anderen mitverklagten Aktionäre bezogen. Die Gesellschaft habe auch die gesamten Kosten aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts München I vom 2.1.2007 an die Beteiligte zu 1 bezahlt. Vor der Zahlung an die Gerichtskasse und an die Beteiligte zu 1 habe die Gesellschaft von den mitbeklagten achtzehn Aktionären keinerlei Anteile eingefordert, habe mit diesen auch nicht einen einem Drittvergleich standhaltenden Darlehensvertrag mit angemessener Verzinsung und mit ausreichenden Sicherheiten abgeschlossen. Auch wenn nach dem Vortrag der Gesellschaft hinsichtlich der von ihr zu tragenden Quote eine Unsicherheit bestanden habe, sei jedenfalls klar gewesen, dass nicht alleine die Gesellschaft die gesamten Gerichtskosten würde tragen müssen. Dass sie diese dennoch in voller Höhe bezahlt habe, stelle einen Verstoß gegen § 57 Abs. 1 AktG dar. Danach sei jede Leistung aus dem Vermögen der Aktiengesellschaft unzulässig, die an einen Aktionär erbracht werde, wenn sie außerhalb der ordnungsgemäßen Ausschüttung des Bilanzgewinns oder im Rahmen einer zulässigen Abschlagzahlung nach § 59 AktG erfolge, es sei denn, dass sie unter drittgleichen Bedingungen erfolge. Bei Gewährung von Darlehen seitens der Aktiengesellschaft an Aktionäre greife § 57 AktG ein, weil die Bereitstellung von Geld- oder Sachmitteln aus dem Gesellschaftsvermögen dessen wertmäßige Integrität betreffe. Durch die erfolgte vollständige Bezahlung desjenigen Teiles der Gerichtskosten, der die mitbeklagten Aktionäre betroffen habe, habe die Gesellschaft im Ergebnis den mitbeklagten Aktionären ein Darlehen gewährt. Eine Vereinbarung zwischen der Gesellschaft und den mitbeklagten Aktionären betreffend eine Verzinsung sei nicht erfolgt, ebenso wenig eine Besicherung des Erstattungsanspruches. Der Vorstand habe diese Zahlung veranlasst, der damalige Aufsichtsrat unter Vorsitz von L. dies nicht beanstandet und damit die nach § 57 Abs. 1 AktG rechtswidrige Lage fortgesetzt, anstatt dafür zu sorgen, dass diese sofort durch Ausgleichszahlungen der mitbeklagten Aktionäre an die Gesellschaft beendet werde. Wegen dieser Pflichtverletzung erweise sich L. als ungeeignet.
Die Kammer erachte Sch. als geeignet. Dieser sei 15 Jahre als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater tätig gewesen und habe Konzerne und Konzernunternehmen verschiedener Branchen und Größen betreut. 1972 sei er dem Ruf in die Industrie als Finanzvorstand gefolgt, vier Jahre später Vorstandsmitglied einer konzernleitenden Holding geworden und 1995 wieder zum Wirtschaftsprüfer bestellt worden. Seit 1978 nehme er nebenberuflich einen Lehrauftrag mit den Schwerpunkten Unternehmensführung, Konzernmanagement, Controlling und Rechnungslegung wahr. Er verfüge über langjährige Erfahrung als Aufsichtsratsmitglied zahlreicher namhafter Unternehmen. Ein fehlendes persönliches Interesse an der beteiligten Gesellschaft spreche ihm die Geeignetheit nicht ab, sondern sei gerade Gewähr für die Objektivität der Überwachung des Vorstands. Der Umstand, dass er über die Untermiete eines Büros und gelegentliche Zusammenarbeit mit den anwaltlichen Vertretern der Beteiligten zu 1 verbunden sei, sei nicht so gewichtig, dass er ihm die Geeignetheit zur neutralen Wahrnehmung des Amtes als Aufsichtsrat absprechen würde.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO) nicht stand.
a) Die gerichtliche Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds nach § 104 Abs. 2 Satz 1 AktG erfolgt grundsätzlich ohne Bindung an den Antrag der Beteiligten nach pflichtgemäßen Ermessen. Das Landgericht entscheidet als Tatsachengericht nach seinem eigenen pflichtgemäßen Ermessen und setzt, wenn der Sachverhalt dazu Anlass bietet, sein eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens des Amtsgerichts (OLG Dresden NJW-RR 1998, 830). Ermessensentscheidungen sind auf weitere Beschwerde nur begrenzt nachprüfbar. Zu überprüfen ist lediglich, ob das bestellende Gericht die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen einen Sinn und Zweck des Gesetzes zuwiderlaufenden Gebrauch gemacht hat, von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Tatsachenfeststellungen ausgegangen ist, wesentliche Umstände unerörtert gelassen oder Umstände mitberücksichtigt hat, die nach der ermächtigenden Norm nicht maßgebend sind (OLG München FGPrax 2006, 228/229; OLG Schleswig NZG 2004, 669; Keidel/Meyer-Holz FGG 15. Aufl. § 27 Rn. 23).
Solche Fehler liegen hier vor. Die vom Landgericht festgestellten Tatsachen tragen nicht den Vorwurf, L. habe in seiner früheren Amtszeit als Aufsichtsrat Pflichtverletzungen begangen, die ihn als ungeeignet für das Amt erscheinen ließen. Darüber hinaus hat das Landgericht hinsichtlich der Eignung des Sch. als Aufsichtsratsmitglied der beteiligten Gesellschaft wesentliche Gesichtspunkte nicht erörtert.
a) Soweit das Landgericht eine - vom Aufsichtsrat pflichtwidrig nicht beanstandete - Pflichtverletzung des Vorstands darin sieht, dass dieser die Bezahlung der Gerichtskosten erster Instanz für das Feststellungsverfahren (durch Zahlung an die Landesjustizkasse aufgrund der Rechnung vom Januar 2007 und an die Gegenseite aufgrund des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 2.1.2007) durch die Gesellschaft ohne vorherigen Rückgriff auf die mitverklagten Aktionäre veranlasst hat, kann dem nicht gefolgt werden.
(1) Sowohl für die von der Landesjustizkasse angeforderten Kosten in Höhe von 114.000 €, für die eine Zahlungsfrist von zwei Wochen gesetzt war, als auch für den Kostenausgleichsbetrag aufgrund des vollstreckbaren Kostenfestsetzungsbeschlusses in Höhe von rund 70.000 € (Gerichtskostenvorschuss der Klagepartei) haftete die Gesellschaft gegenüber den Gläubigern als Gesamtschuldnerin und konnte von diesen auf Zahlung des gesamten Betrages in Anspruch genommen werden. Der Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB kann zwar bereits vor der Befriedigung des Gläubigers als Befreiungsanspruch geltend gemacht werden (vgl. BGH NJW 2006, 1718). Das bedeutet jedoch nicht, dass der Vorstand grundsätzlich verpflichtet wäre, stets von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Vielmehr hat er im Rahmen der ihm obliegenden Geschäftsführung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob eine solche Vorgehensweise zweckmäßig ist. Angesichts der kurzen Zahlungsfrist, der Möglichkeit der Zwangsvollstreckung gegen die Gesellschaft sowie der vorhandenen liquiden Mittel und der Zahlungsfähigkeit der zahlreichen als Gesamtschuldner haftenden Streitgenossen kann es nicht als pflichtwidrig angesehen werden, dass die gegen die Gesellschaft erhobenen Forderungen vor Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs erfüllt wurden.
Zu Unrecht sieht das Landgericht in dem von ihm festgestellten Sachverhalt - Zahlung der von Landesjustizkasse und Gegenseite geforderten Gerichtskosten durch die Gesellschaft - eine nach § 57 AktG unzulässige Einlagenrückgewähr. Die als Gesamtschuldnerin für die gesamte Forderung haftende Gesellschaft hat mit dieser Zahlung eine eigene Schuld erfüllt. Die Tatsache allein, dass ein fälliger Ausgleichsanspruch gegen die übrigen Streitgenossen nicht unverzüglich geltend gemacht wird, kann entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht mit der Gewährung eines Darlehens gleichgestellt werden. Die Hingabe eines Darlehens ist dadurch gekennzeichnet, dass die Rückforderung des Darlehensbetrages zeitlich hinausgeschoben wird (vgl. BGH NJW 2004, 1111). Ähnlich liegt der Fall bei der Stundung, bei der die Fälligkeit der Forderung hinausgeschoben wird. Den Feststellungen des Landgerichts ist auch nicht ansatzweise zu entnehmen, dass - ausdrücklich oder konkludent - eine solche, die Fälligkeit der Ausgleichsforderung hinausschiebende Vereinbarung zwischen der Gesellschaft und den als Streitgenossen mithaftenden Aktionären getroffen worden wäre.
Auf die Frage der Besicherung und Verzinsung kommt es schon mangels Darlehensabrede nicht an.
Auch nach erfolgter Zahlung an den Gläubiger mag es im Einzelfall zweckmäßig sein, mit der Geltendmachung der Ausgleichsansprüche gegen die übrigen Gesamtschuldner noch zuzuwarten, etwa im Hinblick auf eine absehbare Änderung in der Höhe der Forderung, wie sie sich hier durch die Abänderung der Streitwertfestsetzung durch Beschluss des Landgerichts München II vom 16.3.2007 und die anschließende Rückzahlung eines Betrages von 87.000 € durch die Landesjustizkasse ergeben hat. Eine Pflichtverletzung des Vorstands kann allerdings dann vorliegen, wenn die Ausgleichsansprüche der Gesellschaft gegen die übrigen Streitgenossen über einen unangemessen langen Zeitraum hin nicht geltend gemacht werden. Ob das hier der Fall ist, kann der Senat nicht abschließend beurteilen; hierzu bedürfte es weiterer tatsächlicher Feststellungen. Soweit ersichtlich, wurde über die Streitwertbeschwerde der Beklagten (also der Gesellschaft und der mitverklagten Aktionäre) erst mit Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 1.2.2008 entschieden. Ob Anlass bestand, vor der rechtskräftigen Festsetzung des für die Höhe der Gebühren maßgeblichen Streitwerts Ausgleichsansprüche gegen die übrigen Streitgenossen geltend zu machen, kann aufgrund des bisher festgestellten Sachverhalts nicht abschließend beurteilt werden.
(2) Die Entscheidung des Landgerichts greift auch insoweit zu kurz, als sie eine etwaige Pflichtverletzung des Vorstands zugleich als eine Pflichtverletzung auch des Aufsichtsrats wertet. Das wird der gesetzlich vorgegebenen Aufgabenverteilung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat nicht gerecht.
Dem Aufsichtsrat obliegt es, die Geschäftsführung zu überwachen (§ 111 Abs. 1 AktG). Gegenstand der Überwachungspflicht durch den Aufsichtsrat sind jedoch nicht sämtliche Angelegenheiten der Gesellschaft unter Einschluss des Tagesgeschäfts - letzteres ist allein vom Vorstand zu verantworten -, sondern die für die Lage und die Entwicklung des Unternehmens bedeutsamen Geschäftsführungsmaßnahmen (MünchKommAktG/Habersack 3. Aufl. § 111 Rn. 19; Schmidt/Lutter/Drygala AktG § 111 Rn. 8; GroßKommAktG/Hopt/Roth 4. Aufl. § 111 Rn. 162 f.). Im Allgemeinen genügt der Aufsichtsrat seiner Überwachungspflicht dadurch, dass er neben dem Jahres- und Konzernabschluss nebst Lageberichten die Regelberichte des Vorstands nach § 90 Abs. 1 AktG sorgfältig prüft und mit dem Vorstand erörtert, mithin die Geschäftsführung kritisch begleitet (MünchKommAktG/Habersack § 111 Rn. 44). Im Einzelfall, etwa bei sich verschlechternder Lage des Unternehmens, kann der Aufsichtsrat gehalten sein, seine Überwachungstätigkeit zu intensivieren (MünchKommAktG/Habersack § 111 Rn. 45). Der Beschluss des Landgerichts enthält keinerlei Feststellungen dazu, aufgrund welcher Umstände und zu welchem Zeitpunkt für den Aufsichtsrat Anlass bestand, sich mit dem Vorgang zu befassen. Das ist aber Voraussetzung für die Folgerung des Landgerichts, der Aufsichtsrat habe pflichtwidrig nicht eingegriffen und damit eine durch den Vorstand geschaffene rechtswidrige Lage fortgesetzt.
(3) Folgerichtig hat sich das Landgericht mit den weiteren umfangreichen Vorwürfen der Beteiligten zu 1 gegen L. nicht befasst. Diese betreffen zum einen die Zahlung der Kosten des von den Streitgenossen gemeinsam beauftragten Prozessbevollmächtigten durch die Gesellschaft, wofür im Grundsatz die gleichen Überlegungen gelten wie für die Zahlung der Gerichtskosten.
Zum anderen beziehen sie sich auf den Sachverhalt, der den gerichtlichen Verfahren zugrunde liegt, nämlich die Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung für den 12.10.2005 durch L. als Vorsitzender des Aufsichtsrats, bei der eine Beschlussfassung über die Einziehung der Aktien der Beteiligten zu 1 wegen Verstoßes gegen die Kontrollwechselklausel der Zweiten Zusatzvereinbarung erfolgen sollte. Ob das "rechts-, gesetz- und sittenwidrig" war, wie die Beteiligte zu 1 meint, bedürfte näherer Prüfung. Das Landgericht und das Oberlandesgericht haben die Zweite Zusatzvereinbarung hinsichtlich der darin vereinbarten Sanktion - der entschädigungslosen Einziehung der Aktien des gegen sie verstoßenden Aktionärs - für nichtig erachtet, sind im Übrigen aber von der Wirksamkeit der Klausel bis zum 22.9.2005 ausgegangen.
Wegen dieser Frage hat die Beteiligte zu 1 Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof eingelegt, über die noch nicht entschieden ist.
d) Hinsichtlich der Eignung des Sch. als Mitglied des Aufsichtsrats hat sich das Landgericht im Wesentlichen auf die Darstellung dessen bisheriger beruflicher Tätigkeiten und Funktionen, insbesondere in den Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen, gestützt. Mit dem Umstand, dass Sch. (geboren 1935) aus Altersgründen aus diesen Aufsichtsräten ausgeschieden ist, hat sich das Landgericht ebenso wenig auseinandergesetzt wie mit der sich aufdrängenden Frage, ob dieser vor Erreichen des Rentenalters seine Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer in der Sozietät der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 ausgeübt hat, was über "eine gewisse Verbundenheit", die das Landgericht als unschädlich ansieht, hinausgeht. Es widerspricht jeder Lebenserfahrung, dass eine renommierte überregional tätige Kanzlei gänzlich Außenstehenden Büroräume und e-mail-Adresse zur Verfügung stellt. Auch wenn sich heute die Verbindung von Sch. zur Sozietät L. auf die Untermiete eines Büros und die Nutzung der Informationstechnologie sowie die Fertigung einiger Gutachten beschränken mag, darf nicht außer acht gelassen werden, dass die Nutzung der e-mail-Adresse der Sozietät L. jedenfalls nach außen die Zugehörigkeit zu derselben zum Ausdruck bringt, die im Übrigen jedenfalls noch vor wenigen Jahren auch bei seinen Veröffentlichungen in Fachzeitschriften angegeben wurde (vgl. etwa AG-Report 2004, R 278).
Das kann ungeachtet der fachlichen Kompetenz und der Absicht unparteiischer Wahrnehmung des Amtes nicht außer Acht gelassen werden, wenn das Landgericht die Auswahl von Sch. wesentlich auf seine Eigenschaft als "neutrale Person" stützt, was als Auswahlkriterium im vorliegenden Fall aufgrund der besonderen Fallgestaltung im Übrigen keineswegs verfehlt ist.
3. Der Senat kann nicht abschließend in der Sache selbst entscheiden, weil noch weitere Ermittlungen erforderlich sind. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
a) Bei der Auswahl des zu bestellenden Aufsichtsratsmitglieds ist das Gericht nicht an die Vorschläge der Beteiligten gebunden, sondern entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl. BayObLGZ 1997, 262/264). In der Regel wird es zweckmäßig sein, die Auswahl unter den von den Antragsberechtigten vorgeschlagenen Personen zu treffen, wie es die Vorinstanzen getan haben. Das Gericht ist jedoch nicht gehindert, andere Personen zu bestellen (vgl. auch GroßKommAktG/Hopt/Roth § 104 Rn. 83). Die Bestellung eines "neutralen" Aufsichtsratsmitglieds kann dann angezeigt sein, wenn erhebliche Interessengegensätze und nachhaltige Streitigkeiten im Aktionärskreis vorliegen.
Hier besteht zwischen den beiden größten, jeweils über eine Sperrminorität verfügenden Aktionären ein tiefgreifendes Zerwürfnis, das in gegensätzlichen Interessen - etwa hinsichtlich der Ausschüttungspolitik - und unterschiedlichen Interpretationen gesellschaftsvertraglicher Regelungen begründet ist und zu mehreren gerichtlichen Verfahren geführt hat. Die Beteiligte zu 1 wirft den anderen Aktionären, insbesondere der Beteiligten zu 3, vor, sie sei als Risikokapitalgeberin nach günstiger Geschäftsentwicklung lästig geworden und solle aus der Gesellschaft gedrängt werden.
Diese wiederum meinen, die Beteiligte zu 1 wolle ihren Ausstieg aus der Gesellschaft zu einem erhöhten Preis erzwingen. Bei den - nunmehr rechtskräftig - bereits bestellten Aufsichtsratsmitgliedern wurde mit Ba. ein von der Beteiligten zu 1, mit Str. ein von den übrigen Antragstellern vorgeschlagener Kandidat berücksichtigt; aus welchen Gründen die Vorschläge erfolgt sind, ist dabei nicht entscheidend. Es bietet sich deshalb an, als weiteres Mitglied einen Außenstehenden zu bestellen, der gegebenenfalls mit Hilfe der Organe des Handelsstandes ermittelt werden kann, wenn nicht die Beteiligten sich auf einen Kandidaten einigen, was angesichts der mit Nachdruck geführten Auseinandersetzungen allerdings kaum zu erwarten ist.
Zu dem Hinweis der Beteiligten zu 1 auf den zum 29.5.2009 in Kraft getretenen § 100 Abs. 5 AktG ist anzumerken, dass diese Vorschrift nicht einschlägig ist, weil die beteiligte Gesellschaft - soweit ersichtlich - keine kapitalmarktorientierte Gesellschaft im Sinne des § 264 d HGB ist.
b) Die verfahrensrechtlichen Rügen greifen nicht durch. Insbesondere war das Landgericht nicht gehalten, die vom Amtsgericht bestellten Mitglieder des Aufsichtsrats als solche anzuhören, denn deren Bestellung war gerade Gegenstand der Überprüfung durch das Beschwerdegericht. Nachforschungen über die Einschätzungen der Beteiligten dazu, welchen Mitaktionären sich Ba. verbunden fühlt bzw. wer von den Aktionären meint, von ihm vertreten zu sein, musste und muss das Landgericht nicht anstellen.
Nachdem die Bestellung von Sta. und Ba. formell rechtskräftig ist, wird das Landgericht diese nunmehr - auch im Hinblick auf Vorschläge für das noch zu bestellende weitere Mitglied des Aufsichtsrats - zu beteiligen haben.
Soweit die Unzulässigkeit der sofortigen Beschwerde der Beteiligten zu 1 bezüglich der Bestellung des von ihr vorgeschlagenen Ba. gerügt wird, ist darauf hinzuweisen, dass die Bestellung von Ba. als Mitglied des Aufsichtsrats nicht Verfahrensgegenstand der sofortigen weiteren Beschwerde ist.
4. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 30 Abs. 2 KostO. Die Erstattung außergerichtlicher Kosten wird nicht angeordnet (§ 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG).
Ende der Entscheidung
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