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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 11.06.2008
Aktenzeichen: 31 Wx 26/08
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 15
1. Der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme gilt im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nur insoweit, als das Gericht förmliche Beweiserhebungen durchführt.

2. Ein Wechsel in der Besetzung des Gerichts hindert die Verwertung der förmlich erhobenen Beweise grundsätzlich dann nicht, wenn die an der Entscheidung mitwirkenden Richter nur das berücksichtigen, was aktenkundig ist.


Gründe:

I.

Der ledige, kinderlose Erblasser ist am 19.5.2003 im Alter von 75 Jahren verstorben. Die Beteiligte zu 1 ist seine Schwester. Die Beteiligte zu 2 ist mit notariellem Erbvertrag vom 18.6.1998 erbvertraglich bindend zur Alleinerbin eingesetzt. Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus einer Eigentumswohnung im Wert von rund 141.000 EUR und Bankguthaben in Höhe von etwa 72.000 EUR.

Für den Erblasser wurde mit Beschluss des Vormundschaftsgerichts vom 21.10.1998 eine Betreuung angeordnet, nachdem der Sachverständige Dr. Rn. aufgrund der Untersuchung vom 15.8.1998 in seinem Gutachten vom 20.8.1998 ein weit fortgeschrittenes demenzielles Syndrom mit schwerster Beeinträchtigung des Gedächtnisses, der Orientierung und des Denkens, wahrscheinlich aufgrund einer Alzheimer Krankheit, festgestellt hatte. Die Beteiligte zu 1 beantragte die Erteilung eines Alleinerbscheins aufgrund gesetzlicher Erbfolge; der Erblasser sei bei Abschluss des Erbvertrages am 18.6.1998 geschäftsunfähig gewesen. Die Beteiligte zu 2 bestritt dies und trat dem Antrag entgegen.

Das Nachlassgericht zog die Betreuungsakten bei, holte zahlreiche Stellungnahmen behandelnder Ärzte sowie des Urkundsnotars ein, ließ von der Beteiligten zu 2, die den Erblasser zwischen 1997 und 1999 hausärztlich betreut hatte, die Behandlungsunterlagen vorlegen und erholte ein psychiatrisches Gutachten des Medizinaldirektors Dr. Ho., eines Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie und Schwerpunktarztes für Forensische Psychiatrie. Dieser legte ein schriftliches Gutachten vom 26.11.2004 vor und erstattete in der Folge im Hinblick auf weitere ärztliche Unterlagen und Vorbringen der Beteiligten fünf ergänzende Stellungnahmen. Er kam zu dem Ergebnis, dass eine fortgeschrittene und chronisch verlaufende Demenz im Zeitpunkt zur Errichtung der letztwilligen Verfügung sicher belegt sei; der Erblasser sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit am 18.6.1998 nicht testierfähig gewesen.

Mit Beschluss vom 22.1.2007 kündigte das Nachlassgericht die Erteilung des von der Beteiligten zu 1 beantragten Erbscheins an. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2 hörte das Landgericht die Beteiligten zu 1 und 2 in Gegenwart des Sachverständigen persönlich an, insbesondere zum gesundheitlichen Zustand des Erblassers im Zeitraum Juni bis August 1998. Mit Beschluss vom 16.1.2008 wies das Landgericht die Beschwerde zurück. Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet.

1. Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

Aufgrund der Beweisaufnahme sei von Geschäftsunfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der Erbvertragserrichtung am 18.6.1998 aufgrund einer zumindest mittelgradigen Demenz mit kontinuierlichem Verlauf auszugehen. Dafür sprächen die Feststellungen aus der Betreuungsakte. Bei der richterlichen Anhörung im Betreuungsverfahren am 15.10.1998 sei der Erblasser vollständig desorientiert und hilflos erschienen. Der Sachverständige Dr. Rn., der den Erblasser am 15.8.1998 gezielt auf die Frage der Notwendigkeit einer Betreuung untersucht hat, sei zu dem Ergebnis gelangt, dass durch das weit fortgeschrittene demenzielle Syndrom die intellektuelle Leistungsfähigkeit praktisch aufgehoben sei, allerdings eine ausgeprägte Fähigkeit festzustellen sei, eine Fassade aufrechtzuerhalten. Dieses Ergebnis werde bestätigt durch den Arztbrief des Prof. F., Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 5.11.1999, der aufgrund der Untersuchung am 11.10.1999 von einer mittel- bis schwergradigen Altersdemenz mit frühem Beginn ausgehe und schwerste intellektuelle Ausfälle beschreibe. Aufgrund der Stellungnahme von Prof. N., Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität M., stehe fest, dass der Erblasser bereits am 11.4.1995 in der Gedächtnissprechstunde vorstellig geworden sei, wobei eine leichte Demenz mit starken Wortfindungsstörungen festgestellt worden sei. Auch der Facharzt für Chirurgie Dr. C. habe bei seinen Untersuchungen am 11.5.1998 und 26.5.1998 die bestehende Erkrankung "Morbus Alzheimer" vermerkt, wobei er von einem Anfangsstadium ausgegangen sei. Der Facharzt für innere und psychotherapeutische Medizin Dr. Ha. habe bei der Behandlung des Erblassers ab 15.12.1999 einen fortgeschrittenen schweren Verlauf der Alzheimer Krankheit mit ausgeprägter Demenz festgestellt. Im Gegensatz dazu habe der Urkundsnotar in seiner Stellungnahme erklärt, er habe keine Zweifel an der Testierfähigkeit gehabt, der Erblasser sei etwas schüchtern gewesen, habe jedoch seine Wünsche und Vorstellungen darlegen und seinen Willen ohne Fremdbestimmung äußern können. Auch der Neurologe Dr. E. sei aufgrund der einmaligen Untersuchung am 6.3.2000 von Testierfähigkeit zum 18.6.1998 ausgegangen. Der Urologe Dr. V. habe bei den Behandlungen am 3.7.1996 und 28.10.1999 keine Auffälligkeiten festgestellt, ebenso wenig der Internist und Kardiologe Dr. St.. Diese Zeugen hätten den Erblasser jedoch nur bei ein- oder zweimaligen Terminen kennengelernt und gezielte Fragen oder Untersuchungen im Hinblick auf das Vorliegen einer demenziellen Symptomatik soweit ersichtlich unterlassen. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Erblasser ausweislich der gutachterlichen Stellungnahme von Dr. Rn. gut in der Lage gewesen sei, eine Fassade aufrecht zu erhalten. Der langjährig behandelnde Neurologe Dr. Rt. habe den Erblasser am 11.8.1998 untersucht. In seiner Stellungnahme gegenüber dem Nachlassgericht vom 19.8.2004 gehe er zum fraglichen Zeitpunkt von einer Minderung des Auffassungsvermögens und des Kurzzeitgedächtnisses und leichten Orientierungsstörungen aus und vertrete die Auffassung, der Erblasser sei noch testierfähig gewesen. Hierzu im Widerspruch stünden seine Angaben im Arztbrief vom 29.9.1998 über diese Untersuchung, wonach die Gedächtnisstörungen seit der Erstdiagnose langsam fortgeschritten und in den letzten Monaten Orientierungsstörungen hinzugekommen seien. In Übereinstimmung mit dem Sachverständigen Dr. Ho. sehe das Gericht hierin die Bestätigung einer Symptomatik, die die Annahme einer zumindest mittelgradigen Demenz rechtfertige. Der Sachverständige Dr. Ho. habe bei der mündlichen Anhörung vor der Beschwerdekammer seine im schriftlichen Gutachten und den ergänzenden Stellungnahmen festgehaltene Auffassung nochmals bestätigt, wobei er auch die Angaben der Beteiligten zum Gesundheitszustand des Erblassers im Sommer 1998 zugrunde gelegt habe. Die teilweise widersprüchlichen Aussagen der beiden Beteiligten stimmten insofern überein, als keine von ihnen auffällige Schwankungen im Verhalten des Erblassers berichtet habe. Das habe den Sachverständigen in seiner Meinung bestätigt, dass die Erkrankung progredient verlaufen sei und sich nicht schubweise verschlechtert habe. Der von der Beteiligten zu 2 behauptete Krankheitsverlauf mit einer Entgleisung des Diabetes mellitus im Juli/August 1998 sei nach den Ausführungen des Sachverständigen zwar grundsätzlich geeignet, eine schubweise Verschlechterung hervorzurufen, eine solche werde aber von keiner der vorliegenden Aussagen bestätigt. Gleiches gelte für die vorgetragene Gefäßerkrankung mit wechselndem Blutdruck sowie die behauptete Epilepsie.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

a) Das Landgericht hat zutreffend geprüft, ob der Erblasser bei Abschluss des Erbvertrags vom 18.6.1998 geschäftsfähig war (§ 2275 Abs. 1 BGB). Gemäß § 104 Nr. 2 BGB ist die Geschäftsfähigkeit ausgeschlossen (und damit die Willenserklärung nichtig, § 105 Abs. 1 BGB), wenn sich der Erblasser bei Vertragsabschluss in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist. Nichtig ist auch eine Willenserklärung, die der Erblasser im Zustand vorübergehender Störung der Geistestätigkeit abgibt (§ 105 Abs. 2 BGB). Sowohl die Geschäftsunfähigkeit als auch die Testierunfähigkeit, auf die sich entsprechend dem Auftrag des Nachlassgerichts die Begutachtung des Sachverständigen zunächst gerichtet hat, setzen eine Störung der Geistestätigkeit im Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung voraus, die ein Handeln in freier Willensbestimmung ausschließt (BayObLG FamRZ 2002, 62/63). Die Frage, ob die Voraussetzungen der Geschäftsunfähigkeit im Sinne des § 104 Nr. 2 BGB gegeben sind, liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet. Der Senat hat die dazu getroffenen Feststellungen des Landgerichts nur daraufhin zu überprüfen, ob das Landgericht den maßgebenden Sachverhalt ausreichend erforscht hat (§§ 12 FGG, 2358 Abs. 1 BGB), ob die Vorschriften über die Beweisaufnahme (§ 15 FGG) verletzt wurden und die Beweiswürdigung im Verfahren der weiteren Beschwerde zu berücksichtigende Fehler aufweisen. Nach diesen Kriterien ist die Entscheidung des Landgerichts nicht zu beanstanden.

b) Die Vorinstanzen haben den für die Beurteilung der Geschäftsfähigkeit maßgeblichen Sachverhalt hinreichend aufgeklärt. Sie haben insbesondere die Betreuungsakten beigezogen, zahlreiche Stellungnahmen behandelnder Ärzte, Äußerungen von Kontaktpersonen und eine Auskunft des Urkundsnotars eingeholt sowie das Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen eingeholt. Das Landgericht hat zudem die Beteiligten persönlich in Gegenwart des Sachverständigen angehört und diesen ergänzend befragt. Von weitergehenden Ermittlungen konnte das Landgericht rechtsfehlerfrei absehen.

Über Art und Umfang seiner Ermittlungen entscheidet das Tatsachengericht im Erbscheinsverfahren nach pflichtgemäßem Ermessen. Das Gericht der weiteren Beschwerde hat nicht die Ermessensausübung als solche nachzuprüfen, sondern nur, ob das Landgericht die Voraussetzungen und Grenzen seines Ermessens eingehalten hat (Keidel/Meyer-Holz FGG 15. Aufl. § 27 Rn. 23 f.). Das ist hier der Fall. Ohne Rechtsfehler haben die Vorinstanzen hinsichtlich des Urkundsnotars, der behandelnden Ärzte und Kliniken sowie mehrerer Kontaktpersonen schriftliche Stellungnahmen als ausreichend angesehen. Die Annahme des Landgerichts, dass von einer persönlichen Anhörung dieser Personen keine entscheidungserheblichen weitergehenden Erkenntnisse zu erwarten seien, hält sich in den Grenzen tatrichterlichen Ermessens. Insbesondere war das Landgericht nicht gehalten, den Neurologen Dr. E. und den Betreuungsgutachter Dr. Rn. im Hinblick auf deren unterschiedliche Einschätzungen des Krankheitsbildes persönlich anzuhören, sondern konnte deren schriftlich niedergelegte Feststellungen zur Grundlage seiner Beurteilung machen. Im Hinblick auf die vom Sachverständigen Dr. Rn. festgestellte ausgeprägte Fähigkeit des Erblassers, auch bei schweren intellektuellen Ausfällen eine Fassade aufrechtzuerhalten, brauchte das Landgericht von den Beobachtungen weiterer Kontaktpersonen keine über das bereits vorliegende Ermittlungsergebnis hinausgehenden und entscheidungserheblichen Erkenntnisse zu erwarten.

c) Die Feststellung des Landgerichts, der Erblasser sei bei Errichtung des Erbvertrags am 18.6.1998 geschäftsunfähig gewesen, beruht auf einer möglichen tatrichterlichen Würdigung des Beweisergebnisses. Sie ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat ausführlich und sorgfältig die vorliegenden umfangreichen ärztlichen Befunde, die Angaben des Urkundsnotars und einiger Kontaktpersonen, die Schilderungen der Beteiligten und das Gutachten des Sachverständigen Dr. Ho. gewürdigt und sich dabei eingehend mit dem Beschwerdevorbringen auseinandergesetzt.

aa) Zu Unrecht beanstandet die weitere Beschwerde, das Landgericht habe die Stellungnahme des Dr. E. nicht berücksichtigt, dessen Befund aufgrund der Untersuchung am 6.3.2000 nicht mit einem progredienten Verlauf der Erkrankung zu vereinbaren sei. Das Landgericht hat vielmehr in seine Gesamtwürdigung einbezogen, dass dieser Befund insbesondere zum Gutachten des Sachverständigen Dr. Rn. im Betreuungsverfahren und zu dem Ergebnis der Untersuchung vom 11.10.1999 in der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der TU München in Widerspruch steht, und dargelegt, weshalb es den von Dr. E. mitgeteilten Befund (ebenso wie diejenigen von Dr. V. und Dr. St.) sowie die Beobachtung des Urkundsnotars für weniger aussagekräftig erachtet als die Befunde, die aufgrund gezielter Untersuchungen zum Vorliegen einer dementiellen Symptomatik erhoben wurden. Das stellt eine zulässige tatrichterliche Würdigung des Beweisergebnisses dar. Auch mit den Einwänden der Beschwerdeführerin gegen das im Betreuungsverfahren erstattete Gutachten des Dr. Rn. hat sich das Landgericht auseinandergesetzt und darauf hingewiesen, dass die wörtliche Wiedergabe des Gesprächs ein deutliches Bild von der Orientierungslosigkeit des Erblassers zeichne. Den Mutmaßungen der Beteiligten zu 2, der Erblasser habe bei dieser Untersuchung an Unterzucker oder an den Folgen eines vorausgegangenen epileptischen Anfalls gelitten, ist das Landgericht zu Recht nicht nachgegangen, zumal der Gutachter ausdrücklich festgehalten hat, der Untersuchte erscheine "körperlich durchtrainiert, sonnengebräunt, flink und spannkräftig" und mache "körperlich keinen kranken Eindruck".

bb) Die Stellungnahme des langjährig behandelnden Neurologen Dr. Rt. gegenüber dem Nachlassgericht vom 19.8.2004 und dessen von der Beteiligten zu 2 vorgelegten Arztbrief vom 29.9.1998 hat das Landgericht rechtsfehlerfrei unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen Dr. Ho. dahin gewürdigt, dass die Feststellungen im Arztbrief vom 29.9.1998 betreffend die Untersuchung am 11.8.1998 eine Symptomatik bestätigen, die für eine zumindest mittelgradige Demenz sprächen. Im Arztbrief vom 29.9.1998 an die Beteiligte zu 2 als damalige Hausärztin des Erblassers sind "erhebliche" Auffassungs- und Gedächtnisstörungen und wechselnde Orientierungsstörungen vermerkt, während in der Stellungnahme vom 19.8.2004 eine "Minderung des Auffassungsvermögens, leichte Orientierungsstörungen sowie eine Minderung des Kurzzeitgedächtnisses" berichtet werden mit der Einschätzung, der Erblasser sei in einer vertrauten und ruhigen sowie freundlich zugewandten Situation in der Lage gewesen, seinen Willen zum Ausdruck zu bringen, so dass unter diesen Voraussetzungen Testierfähigkeit bestanden habe. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht ebenso wie der Sachverständige Dr. Ho. dem zeitnah zur Untersuchung niedergelegten Befund höheres Gewicht beigemessen hat als der im Nachlassverfahren abgegebenen Stellungnahme, die den früher festgehaltenen Befund etwas abschwächt. Hierzu war angesichts der schriftlich vorliegenden Befunde auch keine persönliche Befragung des Dr. Rt. erforderlich. Die in der Stellungnahme vom 19.8.2004 festgehaltene Einschätzung von Dr. Rt., der Erblasser sei zum Zeitpunkt der Untersuchung testierfähig gewesen, musste sich das Landgericht nicht zu eigen machen. Zur Beurteilung der Geschäfts- bzw. Testierfähigkeit ist regelmäßig das Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen erforderlich. Die Stellungnahmen der behandelnden Ärzte dienen vorrangig der Ermittlung der hierfür erforderlichen Anknüpfungstatsachen, nicht aber einer abschließenden Beantwortung dieser Frage. Im Übrigen hat das Landgericht zu Recht hervorgehoben, dass Dr. Rt. ersichtlich auf die Fähigkeit zur Äußerung eines Willens - unter günstigen äußeren Voraussetzungen - abstellt, nicht aber auf die entscheidende Frage der Willensbildung.

Soweit die weitere Beschwerde rügt, die Stellungsnahme von Dr. Rt. vom 19.8.2004 nicht erhalten zu haben, ist dazu anzumerken, dass diese bereits im Gutachten des Sachverständigen Dr. Ho. vom 26.11.2004 wiedergegeben ist (mit dem Datum der Zuleitung des Nachlassgerichts an den Sachverständigen am 24.8.2004), zu dem die Beschwerdeführerin nach Bewilligung von Akteneinsicht eingehend Stellung genommen hat. Im Ergänzungsgutachten vom 6.6.2005 wird das Schreiben von Dr. Rt. an das Nachlassgericht erneut erwähnt und hinsichtlich der Abweichungen zu dem von der Beteiligten zu 2 selbst vorgelegten Arztbrief vom 29.9.1998 gewürdigt. Der Inhalt der Stellungnahme des Dr. Rt. war der Beteiligten zu 2 somit bereits im Verfahren erster Instanz bekannt, sie hatte hinreichend Gelegenheit, sich dazu zu äußern.

cc) Das Landgericht konnte sich auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. Ho. stützen, die es sich unter kritischer Würdigung zu Eigen gemacht hat. Neben der Sache liegen die Einwände der Beteiligten zu 2 gegen die fachliche Qualifikation des Sachverständigen, eines Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie und Schwerpunktarztes für Forensische Psychiatrie, der - wie das Landgericht bereits dargelegt hat - im Rahmen seiner langjährigen Tätigkeit als gerichtlicher Gutachter auch in Nachlassverfahren bereits zahlreiche Gutachten zur Geschäfts- und Testierfähigkeit erstattet hat.

Sowohl der Sachverständige als auch das Gericht haben umfassend die Erkenntnisse aus den umfangreichen Ermittlungen in ihre Überlegungen einbezogen. Zu Unrecht bemängelt die weitere Beschwerde, das Landgericht habe den "Pick-Komplex" zwar im Tatbestand erwähnt, dann jedoch übergangen. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hat die wesentlichen Gründe wiederzugeben, nicht aber jede im Lauf des Verfahrens angesprochene Frage zu behandeln. Nachdem der Sachverständige bereits in seinem Ergänzungsgutachten vom 11.12.2006 zu dem von der Beteiligten zu 2 angesprochenen "Pick-Komplex" erläutert hat, dass entsprechende Symptome beim Erblasser von niemandem beobachtet oder beschrieben worden seien, bestand kein Anlass für das Beschwerdegericht, sich in seiner Entscheidung mit dieser Frage auseinanderzusetzen. Der Möglichkeit eines etwaigen "lichten Intervalls" am Tag der Urkundserrichtung musste das Landgericht mangels hinreichender konkreter Anhaltspunkte nicht weiter nachgehen. Nicht zu beanstanden ist auch die Würdigung des Untersuchungsergebnisses der Gedächtnissprechstunde der Universität München am 11.4.1995, bei der eine leichte Demenz festgestellt wurde, wobei der Erblasser in der Mini-Mental-State-Untersuchung 22 von 30 Punkten erzielte.

Die weitere Beschwerde versucht im Wesentlichen, die eigene Würdigung des Beweisergebnisses an die Stelle der Würdigung des Beschwerdegerichts zu setzen. Damit kann sie im Rechtsbeschwerdeverfahren keinen Erfolg haben.

d) Die von der weiteren Beschwerde gerügten Verfahrensmängel liegen nicht vor.

aa) An der Entscheidung des Landgerichts vom 16.1.2008 haben die hierzu nach der Geschäftsverteilung berufenen Richter - an Stelle der dienstunfähig erkrankten Vorsitzenden das Mitglied der Kammer Richter am Landgericht W. - mitgewirkt. Verfahrensrechtlich ist nicht zu beanstanden, dass an der abschließenden Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht dieselben Kammermitglieder wie im Termin zur Beweisaufnahme mitgewirkt haben. Denn im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit steht es grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, mit den Beteiligten mündlich zu verhandeln. Das gilt auch für das Beschwerdegericht. Grundlage seiner Entscheidung ist aber nicht nur eine mündliche Verhandlung, sondern das gesamte Ermittlungsergebnis sowie der ganze Akteninhalt. Die abschließende Entscheidung kann deshalb auch von anderen Richtern getroffen werden als denjenigen, die bei der mündlichen Verhandlung, hier der Beweisaufnahme im Termin am 12.12.2007 zugegen waren.

bb) Der Verwertung des Ergebnisses der Beweisaufnahme steht der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme nicht entgegen. Dieser gilt im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nur insoweit, als das Gericht förmliche Beweiserhebungen gemäß § 15 FGG durchführt (BayObLGZ 1982, 384/387). Das war hier hinsichtlich der Anhörung des Sachverständigen der Fall; die Befragung der Beteiligten zum Gesundheitszustand des Erblassers erfolgte im Wege formloser Anhörung (§ 12 FGG). Der Wechsel in der Besetzung des Gerichts nach Abschluss der Beweisaufnahme hindert die Verwertung der erhobenen Beweise grundsätzlich dann nicht, wenn die bei der Entscheidung Mitwirkenden nur das berücksichtigen, was aktenkundig ist. Ist der persönliche Eindruck von einer Beweisperson erheblich, so muss dieser in einem Protokoll niedergelegt sein. Hier wurden sowohl die Angaben der beiden Beteiligten bei ihrer Anhörung vor der Beschwerdekammer als auch die ergänzenden Ausführungen des Sachverständigen im Protokoll festgehalten und konnten deshalb auch nach dem Wechsel in der Besetzung des Gerichts bei der Entscheidung berücksichtig werden.

cc) Soweit in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit mündlich verhandelt wird, gilt der Grundsatz der Öffentlichkeit (§ 169 S. 1 GVG) nicht (Keidel/Meyer-Holz Vor § 8 Rn. 7). Die Beteiligte zu 2, die mit ihrem Verfahrensbevollmächtigten am Termin am 12.12.2007 teilgenommen hat, rügt deshalb zu Unrecht, dass weitere Begleitpersonen im Hinblick auf die Nichtöffentlichkeit nicht zugegen sein durften.

dd) Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 91 Abs. 1 BayVerf) liegt nicht vor. Die Beteiligten hatten sowohl im Verfahren erster Instanz als auch im Beschwerdeverfahren ausreichend Gelegenheit sich zu äußern. Der Vorwurf, das Gericht habe es versäumt, den Beteiligten Hinweise zu erteilen und eine Überraschungsentscheidung gefällt, entbehrt jeder Grundlage. Gegenstand des Verfahrens war von Anfang an die Frage der Testier- bzw. Geschäftsfähigkeit des Erblassers. Neue Gesichtspunkte, die dem Verfahren eine für die Beteiligten unerwartete Wendung gegeben hätten, sind nicht aufgetreten. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin war das Gericht nicht gehalten, sich vor seiner Entscheidung im Wege eines Hinweises dazu zu äußern, wie es entscheiden wolle.

3. Die Entscheidung über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten beruht auf § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG, die Festsetzung des Geschäftswerts auf § 30 Abs. 1 KostO. Die Kostenentscheidung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden.

Ende der Entscheidung

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