Judicialis Rechtsprechung
Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:
Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 09.05.2008
Aktenzeichen: 31 Wx 31/08
Rechtsgebiete: BeurkG, BNotO
Vorschriften:
BeurkG § 54 | |
BNotO § 15 Abs. 2 |
Gründe:
I.
Mit notarieller Urkunde vom 28.3.2006 haben die Beteiligten einen Grundstückskaufvertrag geschlossen. Darin verpflichtete sich die Beteiligte zu 2 (Verkäuferin) zur Eigentumsverschaffung frei von durch die Beteiligte zu 1 (Käuferin) nicht übernommenen Belastungen und Beschränkungen. Die Fälligkeit des vereinbarten Kaufpreises von 620.000 EUR wurde für den 31.8.2006 vereinbart.
Am 18.7.2006 wurden aufgrund Bewilligung der Verkäuferin ein Wohnungsbesetzungsrecht und eine Grundschuld zugunsten Dritter im Grundbuch eingetragen. Mit Schreiben vom 25.1.2007 teilte der Vertreter des Urkundsnotars (im Folgenden kurz: der Notar) der Käuferin mit, dass der Kaufpreis seit 31.8.2006 zur Zahlung fällig sei. Das Wohnungsbesetzungsrecht und die Grundschuld wurden im Juli 2007 im Grundbuch gelöscht.
Die Käuferin ist der Auffassung, dass die von der Verkäuferin nach Vertragsschluss vorgenommenen Belastungen vertragswidrig waren. Sie hat gegenüber dem Anspruch der Verkäuferin auf Kaufpreiszahlung die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen aus entgangenem Gewinn erklärt.
Die Verkäuferin hat durch eine von ihr bevollmächtigte Gesellschaft mit Schreiben vom 4.9.2007 die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung der Urkunde wegen Nichtzahlung des Kaufpreises beantragt. Die Käuferin wendet sich dagegen. Sie hat den Notar aufgefordert, die Eigentumsumschreibung im Grundbuch zu veranlassen.
Mit Vorbescheid vom 11.9.2007 kündigte der Notar an, er werde dem Antrag der Verkäuferin auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung nachkommen, wenn nicht binnen gesetzter Frist Beschwerde nach § 15 Abs. 2 BNotO eingelegt wird. Die Eigentumsumschreibung könne noch nicht erfolgen, da die Kaufpreiszahlung nicht nachgewiesen sei.
Gegen diesen Vorbescheid legte die Käuferin Beschwerde ein, die das Landgericht zurückgewiesen hat. Hiergegen hat die Käuferin weitere Beschwerde eingelegt.
II.
Die weitere Beschwerde ist zulässig (§ 27 FGG), bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
1. Zutreffend hat das Landgericht die Erstbeschwerde dahin ausgelegt, dass sie sich gegen den Vorbescheid insgesamt richtet; denn die Beschwerdeführerin hat sich in ihrem Beschwerdeschriftsatz sowohl gegen die Ankündigung der Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung für die Verkäuferin als auch gegen die im Vorbescheid ebenfalls enthaltene Weigerung des Urkundsnotars, die Eigentumsumschreibung zu veranlassen, gewandt. Insoweit liegen zwei verschiedene Verfahrensgegenstände vor, die, wie das Landgericht richtig gesehen hat, getrennt zu prüfen sind, weil es um zwei verschiedene Amtshandlungen des Notars geht.
Dagegen sind nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens die weiteren Vorwürfe, welche die Käuferin gegen Verhaltensweisen des Notars insbesondere im Zusammenhang mit verschiedenen, als verfrüht und unrichtig gerügten Fälligkeitsmitteilungen erhebt. Das Verfahren der Notarbeschwerde ist kein Amtshaftungsprozess; es kann einzig darauf gerichtet sein, dass der Notar zu einer bestimmten Amtshandlung (oder deren Unterlassen) angewiesen werden soll. Die weiteren Vorwürfe der Käuferin waren auch nicht Gegenstand des mit der Beschwerde angegriffenen Vorbescheids.
2. Das Landgericht hat es abgelehnt, die von der Käuferin gegen die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung geltend gemachten Einwendungen im Rahmen des Notarbeschwerdeverfahrens zu prüfen. Das ist im Ergebnis zutreffend; richtigerweise hätte das Landgericht die Erstbeschwerde insoweit bereits als unzulässig verwerfen müssen (vgl. OLG Köln Rpfleger 2007, 154). Denn für diesen Verfahrensgegenstand ist das Notarbeschwerdeverfahren weder nach § 54 BeurkG noch nach § 15 Abs. 2 BNotO eröffnet.
a) Nach § 54 Abs. 1 BeurkG ist gegen die Ablehnung der Erteilung der Vollstreckungsklausel - darunter fällt auch die Ablehnung der Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung (§ 52 BeurkG) - die Beschwerde gegeben. Die Vorschrift gibt dem Gläubiger, der eine vollstreckbare Ausfertigung begehrt, ein Beschwerderecht, wenn der Notar dem Antrag auf Erteilung nicht nachkommt. Dieser Fall liegt hier nicht vor; der Notar beabsichtigt, dem Antrag stattzugeben. Hier will gerade umgekehrt der Schuldner die angekündigte Erteilung verhindern. Für diesen Fall sieht § 54 BeurkG kein Beschwerderecht des Schuldners vor; diesem stehen insoweit die allgemeinen vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfe der Zivilprozessordnung zur Verfügung (vgl. BayObLGZ 1971, 89; BayObLG MittBayNot 1998, 272; OLG Hamm NJW-RR 1999, 861; OLG Köln aaO; Schippel/Bracker/Reithmann BNotO 8. Aufl. § 15 Rn. 85; Winkler BeurkG 16. Aufl. § 54 Rn. 15 m.w.N.).
b) Auch der Weg der Notarbeschwerde nach § 15 Abs. 2 BNotO ist nicht eröffnet. § 54 BeurkG stellt für die Erteilung der Vollstreckungsklausel eine abschließende Sonderregelung dar, die den Rückgriff auf die Generalklausel des § 15 Abs. 2 BNotO ausschließt (vgl. OLG Köln aaO; Winkler § 54 Rn. 5 Fußn. 10; Wolfsteiner MittBayNot 1999, 89). Dass der Vorbescheid selbst den Eindruck erweckt, er könne mit dem Rechtsmittel der Beschwerde nach § 15 Abs. 2 BNotO angefochten werden, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt der allgemeine Grundsatz, dass ein von Gesetzes wegen nicht eröffnetes Rechtsmittel durch eine unrichtige Belehrung nicht statthaft werden kann.
c) Im Übrigen wäre die Beschwerde, wollte man ihre Zulässigkeit bejahen, nach dem im Notarbeschwerdeverfahren nach § 54 BeurkG oder § 15 Abs. 2 BNotO anzulegenden Prüfungsmaßstab auch unbegründet. Das Verfahren der Klauselerteilung ist streng formalisiert. Zutreffend hat der Notar seine Prüfung auf die formelle Rechtslage beschränkt und in diesem Rahmen auch die von der Käuferin bestrittene Vertretungsmacht der für die Verkäuferin den Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung stellenden Gesellschaft geprüft. Der hier von der Käuferin vorgebrachte Haupteinwand, der Anspruch der Verkäuferin auf Kaufpreiszahlung sei durch Aufrechnung erloschen, ist materiell-rechtlicher Natur und kann im Klauselerteilungsverfahren keine Berücksichtigung finden. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn das Erlöschen des Anspruchs evident wäre (vgl. BayObLG MittBayNot 2005, 63). Dies hat der Notar zutreffend verneint (siehe insoweit noch unten).
3. Bezüglich der Weigerung des Notars, die Eigentumsumschreibung zu veranlassen, hat das Landgericht die Erstbeschwerde zu Recht als zulässig aber unbegründet angesehen (§ 15 Abs. 2 BNotO).
a) Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: Die Beschwerdeführerin gehe selbst davon aus, dass der Notar keine Prüfung der materiellen Rechtslage schulde; sie beanstande lediglich, dass der Notar wegen des Eintritts der Tilgungswirkung bei der Verkäuferin hätte nachfragen müssen. Aus der Beantragung einer vollstreckbaren Ausfertigung habe sich jedoch bereits ergeben, dass die Verkäuferin gerade nicht von einer Tilgung der Kaufpreisforderung durch Aufrechnung ausgegangen sei. Ein Erlöschen der Kaufpreisforderung sei im Übrigen keineswegs offensichtlich und zweifelsfrei.
b) Diese Würdigung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Gerichtliche Entscheidungen nach § 15 Abs. 2 BNotO haben ausschließlich darüber zu befinden, ob der Notar seine Amtstätigkeit pflichtwidrig verweigert. Hier haben die Vertragsparteien den Notar mit dem Vollzug der Urkunde beauftragt. In § 8 Abs. 1 der Urkunde wird der Notar angewiesen, von der ihm erteilten Vollmacht zur Abgabe der Eintragungsbewilligung zum Grundbuch wegen des Eigentumsübergangs erst Gebrauch zu machen, wenn die Kaufpreiszahlung durch Bestätigung des Verkäufers oder Bankbelege nachgewiesen ist. Beides ist offensichtlich nicht der Fall. Ein Erlöschen der Kaufpreisforderung durch Aufrechnung ist zwischen den Parteien des Kaufvertrags streitig und hängt vom Bestehen und der Höhe des zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzanspruchs der Käuferin ab. Über diese keineswegs eindeutige materielle Rechtslage zu entscheiden ist nicht Sache des Notars. Das kann abschließend nur im Zivilprozess geklärt werden; eine entsprechende Klage hat die Käuferin auch bereits erhoben. Die Weigerung des Notars, im derzeitigen Verfahrensstadium die Eigentumsumschreibung zu veranlassen, war rechtmäßig.
4. Die von der Beschwerdeführerin beantragte Aussetzung des Verfahrens analog § 148 ZPO im Hinblick auf die vor der streitigen Zivilgerichtsbarkeit anhängige Klage kam nicht in Betracht. Es fehlt an der Vorgreiflichkeit des anderen Verfahrens für die hier zu treffende Entscheidung. Denn diese hängt wegen des ganz anders gearteten Verfahrensgegenstands gerade nicht vom Ergebnis der zivilgerichtlichen Klärung der materiellen Rechtslage ab. Wie sich der Notar zu verhalten hat, wenn später einmal die materielle Rechtslage geklärt sein wird, ist hier nicht Prüfungsgegenstand. Zu entscheiden war nur, ob seine Weigerung, die Eigentumsumschreibung zu veranlassen, weil nach seinem derzeitigen Erkenntnisstand die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen - und die zwischen den Parteien streitige Rechtslage von ihm selbst mit seinen Mitteln und Erkenntnismöglichkeiten nicht geklärt werden kann - , rechtmäßig war. Dies ist unabhängig davon zu bejahen, wie der anderweitige Zivilprozess dereinst ausgehen mag.
5. Dass die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten des Verfahrens zu tragen hat, ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG. Eine Auferlegung von gerichtlichen oder außergerichtlichen Kosten auf den Notar, wie von der Beschwerdeführerin beantragt, ist ausgeschlossen; denn der Notar, dessen Bescheid im Verfahren der Notarbeschwerde die Wirkung einer erstinstanziellen Entscheidung hat, ist selbst nicht Verfahrensbeteiligter (vgl. BayObLGZ 1998, 6/8; OLG München vom 14.3.2008 - 31 Wx 010/08; Arndt/Lerch/Sandkühler BNotO 6. Aufl. § 15 Rn. 119; Schippel/Bracker/-Reithmann § 15 Rn. 78).
Der Senat hält es für angemessen, den Geschäftswert auf die Hälfte des verbrieften Kaufpreises festzusetzen (§ 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1 KostO).
Ende der Entscheidung
Bestellung eines bestimmten Dokumentenformates:
Sofern Sie eine Entscheidung in einem bestimmten Format benötigen, können Sie sich auch per E-Mail an info@protecting.net unter Nennung des Gerichtes, des Aktenzeichens, des Entscheidungsdatums und Ihrer Rechnungsanschrift wenden. Wir erstellen Ihnen eine Rechnung über den Bruttobetrag von € 4,- mit ausgewiesener Mehrwertsteuer und übersenden diese zusammen mit der gewünschten Entscheidung im PDF- oder einem anderen Format an Ihre E-Mail Adresse. Die Bearbeitungsdauer beträgt während der üblichen Geschäftszeiten in der Regel nur wenige Stunden.