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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 04.08.2009
Aktenzeichen: 31 Wx 60/09
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 119 Abs. 1 | |
BGB § 1955 |
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN BESCHLUSS
Aktenzeichen: 31 Wx 060/09
Der 31. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Rojahn, der Richterin am Oberlandesgericht Förth und des Richters am Oberlandesgericht Gierl
am 4. August 2009
in der Nachlasssache
...
wegen Erbscheins,
beschlossen:
Tenor:
I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 8. April 2009 wird zurückgewiesen.
II. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 24.375 € festgesetzt.
Gründe:
I. Der Erblasser ist am 19.12.2005 im Alter von 65 Jahren verstorben. Eine letztwillige Verfügung ist nicht vorhanden. Der Erblasser war seit 1966 mit der Beteiligten zu 1 im gesetzlichen Güterstand verheiratet. Ihrem Sohn erteilte er seinen Familiennamen, nahm ihn jedoch nicht als Kind an. Eigene Kinder hatte er nicht. Der im März 2009 nachverstorbene Beteiligte zu 2 und die Beteiligte zu 3 sind Geschwister des Erblasses, die Beteiligten zu 4 und 5 sowie die Beteiligten zu 6 und 7 die Kinder von zwei vorverstorbenen Geschwistern. Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus Bankguthaben, Wertpapieren und einem Hausgrundstück; der Reinnachlasswert beträgt rund 104.000 €.
Am 23.3.2006 schlugen die Beteiligten zu 2, 3, 4, 5 und 7 sowie einer der Söhne des Beteiligten zu 2 nach Belehrung über "die Wirkung und die Unwiderruflichkeit der Erbschaftsausschlagung" zur Niederschrift des Nachlassgerichts die Erbschaft aus. Mit Ausnahme des Beteiligten zu 2 erklärten sie ferner, keine Kinder zu haben. Der Beteiligte zu 6 schlug mit notarieller Erklärung vom 24.2.2006 die Erbschaft für sich und gemeinsam mit seiner Ehefrau auch für seine beiden minderjährigen Kinder aus. Die beiden anderen Söhne des Beteiligten zu 2 erklärten am 2.3.2006 (zugleich durch beide gesetzlichen Vertreter auch für die minderjährige Tochter) bzw. am 6.3.2006 die Ausschlagung.
Am 8.3.2006 wurde der Beteiligten zu 1 antragsgemäß ein Erbschein als Alleinerbin erteilt. Dieser wurde im Oktober 2008 eingezogen, nachdem die zwischenzeitlich an Stelle der Beteiligten zu 1 bestellten Betreuer des Beteiligten zu 2 (einer seiner Söhne sowie dessen Ehefrau) auf dessen Geschäftsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Ausschlagungserklärung hingewiesen hatten. Im Rahmen des im Oktober 2005 eingeleiteten Betreuungsverfahrens war durch das ärztliche Gutachten vom 28.3.2006 aufgrund der Untersuchung am 3.2.2006 festgestellt worden, der Beteiligte zu 2 sei nicht mehr geschäftsfähig.
Mit gleichlautenden Schreiben jeweils vom 10.10.2008 an das Nachlassgericht erklärten die Beteiligten zu 3 bis 7 jeweils: "Wie ich soeben von (der Beteiligten zu 1) erfahren habe, soll Ergebnis meines Verzichts auf das Erbe ... nun sein, dass der Verzicht (dem Beteiligten zu 2) zuwächst, weil die Wirksamkeit seines Verzichts nicht gegeben sein soll. Absicht meines Verzichts war, dass mein Anteil (der Beteiligten zu 1) zufließt.
Dies war auch Absicht der übrigen Erben, die verzichtet haben. Wenn dieser Effekt nun nicht mehr erzielbar sein sollte, fechte ich hiermit meine Verzichtserklärung wegen Irrtums an." Nach Hinweis auf die erforderliche Form fochten die Beteiligten zu 3, 4, 5 und 7 am 21.11.2008 zur Niederschrift des Nachlassgerichts ihre Ausschlagungserklärungen an, der Beteiligte zu 6 am 26.11.2008 mit notarieller Urkunde. Zur Begründung führten sie aus, nicht gewusst zu haben, dass hinsichtlich des Beteiligten zu 2 ein Gutachten zur Anordnung einer Betreuung erstellt und dessen Geschäftsunfähigkeit festgestellt worden sei.
Die Beteiligte zu 1 beantragte am 23.10.2008 einen Erbschein, der sie und die Beteiligten zu 2 bis 7 als Miterben aufgrund gesetzlicher Erbfolge ausweist. Diesen Antrag wies das Nachlassgericht mit Beschluss vom 11.2.2009 zurück. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 blieb erfolglos. Gegen die Entscheidung des Landgerichts vom 8.4.2009 richtet sich ihre weitere Beschwerde, mit der sie insbesondere geltend macht, den Ausschlagungserklärungen sei in Verbindung mit den Anfechtungserklärungen deutlich die Absicht sämtlicher Beteiligter zu entnehmen, auszuschlagen, um die Erbschaft in ihrer Person zu konzentrieren. Es sei demnach von einem beachtlichen Inhaltsirrtum auszugehen.
II. Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Das Amtsgericht habe zu Recht den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.
Die Beteiligten zu 3 bis 7 sowie - soweit vorhanden - deren Abkömmlinge hätten wirksam die Ausschlagung der Erbschaft erklärt. Die Ausschlagungserklärung des Beteiligten zu 2 sei unwirksam, denn aus dem Gutachten vom 28.3.2006 ergebe sich, dass dieser geschäftsunfähig gewesen sei. Die form- und fristgerechten Anfechtungen der Ausschlagungserklärungen der Beteiligten zu 3 bis 7 führten nicht zum Erfolg, denn es liege kein zur Anfechtung berechtigender Irrtum vor. Die Geschäftsfähigkeit des Beteiligten zu 2 sei nicht Inhalt der Erklärungen der übrigen Beteiligten. Die irrige Annahme, der Erbanteil der Ausschlagenden fließe der Beteiligten zu 1 zu, auf die sich der Beteiligte zu 6 in seiner Anfechtungserklärung und die anderen Beteiligten in ihrem Schreiben vom 10.10.2008 berufen hätten, stelle einen unbeachtlichen Motivirrtum über die Rechtsfolgen der Ausschlagungserklärung dar. Die Vorstellung, der gesamte Nachlass komme infolge der Ausschlagung der Beteiligten zu 1 zu, stelle auch keine Eigenschaft des Nachlasses dar.
2. Die Entscheidung des Landgerichts ist aus Rechtsgründen (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) nicht zu beanstanden.
a) Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass die Beteiligten zu 3 bis 7 die Erbschaft wirksam, insbesondere form- und fristgerecht (§ 1945 Abs. 1, § 1944 Abs. 1 BGB) ausgeschlagen haben. Es hat ferner ohne Rechtsfehler die Ausschlagungserklärung des Beteiligten zu 2 als unwirksam angesehen, weil dieser nicht geschäftsfähig war (§ 105 Abs. 1, § 104 Nr. 2 BGB). Das wird von der weiteren Beschwerde auch nicht angegriffen.
b) Rechtsfehlerfrei ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, es liege kein rechtlich erheblicher Irrtum in Sinne des § 119 BGB vor, auf den mit Erfolg die Anfechtung der Ausschlagungen gestützt werden könnte.
(1) Das Landgericht hat entgegen der Auffassung der weiteren Beschwerde keineswegs verkannt, dass die Beteiligten zu 3 bis 7 mit ihren Ausschlagungserklärungen die Absicht verfolgten, die Konzentration des Nachlasses in der Person der Beteiligten zu 1 herbeizuführen. Der Umstand, dass diese Absicht nicht verwirklicht werden konnte, stellt aber keinen zur Anfechtung der Ausschlagung berechtigenden Irrtum dar.
Wie in dem angefochtenen Beschuss eingehend und zutreffend dargelegt, besteht ein Unterschied zwischen dem Inhalt einer Willenserklärung, nämlich der Ausschlagung der Erbschaft durch den Erklärenden selbst, und dem damit in Absprache mit den übrigen als gesetzliche Erben berufenen Personen verfolgten weitergehenden Ziel, durch Wegfall aller anderen gesetzlichen Erben aufgrund wirksamer Ausschlagungserklärungen der Witwe des Erblassers zur Stellung als Alleinerbin zu verhelfen. In Betracht kommt hier ein Irrtum über den Inhalt der Erklärung (§ 119 Abs. 1 Alternative 1 BGB). Ein solcher Inhaltsirrtum kann auch darin gesehen werden, dass der Erklärende über Rechtsfolgen seiner Willenserklärung irrt, weil das Rechtsgeschäft nicht nur die von ihm erstrebten Rechtswirkungen erzeugt, sondern solche, die sich davon unterscheiden.
Ein derartiger Rechtsirrtum berechtigt aber nach ständiger Rechtsprechung nur dann zur Anfechtung, wenn das vorgenommene Rechtsgeschäft wesentlich andere als die beabsichtigten Wirkungen erzeugt. Dagegen ist der nicht erkannte Eintritt zusätzlicher oder mittelbarer Rechtswirkungen, die zu den gewollten und eingetretenen Rechtsfolgen hinzutreten, kein Irrtum über den Inhalt der Erklärung mehr, sondern ein unbeachtlichter Motivirrtum (BGH NJW 2006, 3353/3355 m.w.N.).
(2) Dass die Beteiligten zu 3 bis 7 sich über den Inhalt der Ausschlagungserklärung als solcher und der mit ihr unmittelbar verbundenen Rechtsfolge, nämlich den Verlust des eigenen Erbrechts und den rückwirkenden Anfall an den Nächstberufenen (§ 1953 BGB), geirrt hätten, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich. Ihnen war bei der Abgabe ihrer Ausschlagungserklärung bewusst, dass das angestrebte Ziel - der Beteiligten zu 1 die Stellung als Alleinerbin zu verschaffen - nicht bereits allein durch ihre jeweilige Erklärung erreicht werden konnte, sondern nur durch weitere Schritte, nämlich die Ausschlagung durch alle anderen Geschwister der Erblassers und deren Abkömmlinge, denn es waren entsprechende Absprachen in der Familie getroffen worden, wie sich aus dem Schreiben der Beteiligten zu 4 und 5 sowie den Äußerungen der Beteiligten zu 1 im Erbscheinsantrag vom 23.10.2008 ergibt.
Geirrt haben sich die Beteiligten zu 3 bis 7 darüber, dass von allen diesen Personen wirksame Ausschlagungserklärungen abgegeben werden würden, denn die Erklärung des Beteiligten zu 2 war wegen dessen Geschäftsunfähigkeit unwirksam. Infolgedessen wurde das erstrebte Ziel nicht erreicht, den Nachlass in der Hand der Beteiligten zu 1 zu konzentrieren. Der Irrtum darüber, wem der Erbteil in Folge der Ausschlagung anfällt, ist aber ein Irrtum über mittelbare Rechtsfolgen, der nicht zur Anfechtung berechtigt (OLG Düsseldorf FamRZ 1997, 905; OLG Schleswig ZEV 2005, 526; Soergel/Stein BGB 13. Aufl. § 1954 Rn. 2; MünchKommBGB/Leipold 4. Aufl. Rn. 7; Staudinger/Otte BGB Bearbeitungsstand 2007 § 1954 Rn. 6 a.E.; Keim RNotZ 2006, 602/607; Kraiß BwNotZ 1992, 31/34).
3. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1 KostO.
Eine Entscheidung über außergerichtliche Kosten ist nicht veranlasst.
Ende der Entscheidung
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