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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 04.01.2008
Aktenzeichen: 31 Wx 76/07
Rechtsgebiete: PStG, BGB, EGBGB, FGG


Vorschriften:

PStG § 21
PStG § 47
BGB § 1592
EGBGB Art. 11
EGBGB Art. 13
FGG § 12
Zur Berichtigung des Geburtseintrags, wenn sich die im Ausland (hier: Indien) geschlossene Ehe der Eltern des Kindes als nichtig erweist.
Gründe:

I.

Die Beteiligte zu 1 ist indische Staatsangehörige. Der Beteiligte zu 2 ist indischer Abstammung und seit April 2006 deutscher Staatsangehöriger. Beide leben in Deutschland, wo am 10.10.2006 ihr Sohn A geboren wurde. Im Geburtenbuch wurde als Vater der Beteiligte zu 2 und als Familienname der Geburtsname des Vaters eingetragen. Diesen Familiennamen führt auch das erste Kind der Beteiligten zu 1 und 2, das am 4.7.2004 in Indien geboren wurde. Der Beteiligte zu 2 war seit 1995 mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet; diese Ehe ist seit 8.11.2004 rechtskräftig geschieden. Die Beteiligten zu 1 und 2 haben nach ihren Angaben am 14.11.2004 in Ambala City/Indien die Ehe geschlossen, die am 4.2.2005 im Hindu - Heiratsregister eingetragen wurde. Das von den Beteiligten zu 1 und 2 vorgelegte "Hindu Marriage Certificate", das einen Auszug aus dem Hindu - Heiratsregister darstellt, wurde auf Veranlassung des Standesamtes durch die deutsche Botschaft in Neu Dehli überprüft. Diese teilte als Ergebnis der Ermittlungen mit, dass die Urkunde weder formal echt noch inhaltlich richtig sei. Die Befragung der Schwägerin der Beteiligten zu 1 und der Schwester des Beteiligten zu 2 habe ergeben, dass die Ehe am 9.3.2003 geschlossen worden sei; am 14.11.2004 sei keine Eheschließung erfolgt. Die Registrierung der angeblich am 14.11.2004 geschlossenen Ehe sei außerdem beim unzuständigen Standesamt erfolgt.

Der Beteiligte zu 2 hat die Vaterschaft am 30.1.2007 zur Niederschrift des Standesbeamten anerkannt; die Beteiligte zu 2 hat am selben Tag dem Kind den Familiennamen des Vaters erteilt.

Auf Antrag des Standesbeamten hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 4.6.2007 die Berichtigung des Geburtenbuchs dahingehend angeordnet, dass die Angaben über den Vater gegenstandslos sind und Mutter und Kind jeweils den Familiennamen C. (Geburtsname der Mutter) führen. Die Beteiligten zu 1 und 2 haben mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 19.6.2007 sofortige Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, die vorliegende Heiratsurkunde sei formal echt und inhaltlich richtig. Es sei eine beglaubigte Abschrift beim zuständigen Standesamt in Indien angefordert worden, die dies bestätigen werde. Nach Fristverlängerung wurde mit Schriftsatz vom 19.9.2007 ein Auszug aus dem Hindu - Heiratsregister vorgelegt, der inhaltlich vollständig mit dem bereits bei den Akten befindlichen übereinstimmt und auf dem zusätzlich mit Datum 13.7.2007 die Echtheit der Abschrift bestätigt wird. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 21.9.2007 die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

Die Ermittlungen der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Neu Delhi hätten ergeben, dass entgegen der Angaben im Heiratsregister die Ehe der Beteiligten zu 1 und 2 nicht am 14.11.2004, sondern bereits am 9.3.2003 geschlossen worden sei. Es bestünde kein Anlass, am Ergebnis der Ermittlungen zu zweifeln. Die von den Beteiligten im Beschwerdeverfahren vorgelegte beglaubigte Abschrift aus dem Heiratsregister sage nichts über deren inhaltliche Richtigkeit aus. Die Urkunde befinde sich bereits bei den Akten und sei von der deutschen Botschaft überprüft worden. Zum Zeitpunkt der Eheschließung am 9.3.2003 sei der Beteiligte zu 2 noch verheiratet gewesen. Die Ehe mit der Beteiligten zu 1 sei deshalb nach dem maßgeblichen indischen Recht nichtig. Die Beteiligte zu 1 führe deshalb weiterhin ihren Geburtsnamen C. Diesen habe bei der Geburt auch das Kind erhalten. Bei der Beurkundung der Geburt habe der Beteiligte zu 2 noch nicht als Vater eingetragen werden können.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 48 Abs. 1, § 49 Abs. 1 Satz 1 PStG, § 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

Die Vorinstanzen haben zu Recht die Berichtigung des Geburtseintrags angeordnet. Sie sind in nicht zu beanstandender Würdigung der vorliegenden Urkunden und Ermittlungsergebnisse zu der Überzeugung gelangt, dass eine gültige Ehe zwischen den Beteiligten zu 1 und 2 nicht geschlossen worden ist und deshalb die auf der vermeintlichen Eheschließung beruhenden Angaben hinsichtlich des Vaters sowie des Familiennamens von Mutter und Kind unrichtig sind. Maßgeblich für den Inhalt des Geburtseintrags sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Beurkundung (vgl. Hepting/Gaaz PStG Bearbeitungsstand 2001 § 29 Rn. 29), die am 23.10.2006 vorgenommen wurde. Das Vaterschaftsanerkenntnis und die Erklärung über die Namenserteilung stehen deshalb einer Berichtigung nicht entgegen, da sie jeweils erst am 30.1.2007 wirksam wurden und keine Rückwirkung entfalten (vgl. § 1594 Abs. 1 BGB; Palandt/ Diederichsen BGB 67. Aufl. § 1617 a Rn. 14). Die auf diesen Erklärungen beruhenden Eintragungen zum Vater und zum Familiennamen des Kindes sind nach der Berichtigung vorzunehmen, worauf bereits die Vorinstanzen hingewiesen haben.

3. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass hinsichtlich der Vaterschaft deutsches Recht zugrunde zu legen ist. Nach Art 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unterliegt die Abstammung eines Kindes dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Das ist hier Deutschland. Maßgeblich ist deshalb § 1592 BGB. Vater im Rechtssinne ist danach der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist, der die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt ist.

a) Ob der Beteiligte zu 2 zum Zeitpunkt der Geburt mit der Beteiligten zu 1 verheiratet war, richtet sich gemäß Art. 11 Abs. 1, Art 13 Abs. 1 EGBGB nach indischem Recht, da die Eheschließung in Indien erfolgt ist und zu den fraglichen Zeitpunkten beide Beteiligte noch indische Staatsangehörige waren. Maßgeblich ist das Hindu-Ehegesetz Nr. 25 vom 18.5.1955 (im Folgenden zitiert nach Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Abschnitt "Indien"), da die Beteiligten zu 1 und 2 dieser Religionsgemeinschaft angehören. Nach Sec 5 (i) dieses Gesetzes kann eine Ehe nur unter der Voraussetzung geschlossen werden, dass keine Partei zur Zeit der Eheschließung einen lebenden Ehegatten hat. Eine entgegen dieser Bestimmung geschlossene Ehe ist gemäß Sec.11 "voll und ganz nichtig" ("null and void"). Sie kann auf Antrag einer Partei gegen die andere durch Urteil für nichtig erklärt werden, wobei das Urteil deklaratorische Bedeutung hat. Sec. 8 sieht vor, dass zur Erleichterung des Beweises der Hindu - Eheschließung die Ehegatten die einzelnen Angaben über ihre Eheschließung in ein Hindu - Eheregister eintragen lassen können, aus dem auf Antrag beglaubigte Auszüge erteilt werden. Durch die Unterlassung der Eintragung im Register wird die Gültigkeit einer Hindu Ehe nicht berührt (Sec. 8 Abs. 5).

b) Das Landgericht konnte rechtsfehlerfrei annehmen, dass die Eheschließung zwischen den Beteiligten zu 1 und 2 bereits am 9.3.2003 erfolgt und deshalb nach Sec. 5 (i) des Hindu - Ehegesetzes nichtig ist. Die Frage, wann die Eheschließung erfolgt ist, liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet. Die Überprüfung in der Rechtsbeschwerdeinstanz ist auf Rechtsfehler beschränkt. Die vom Tatsachengericht getroffenen Feststellungen sind im Verfahren der weiteren Beschwerde nur daraufhin zu überprüfen, ob der Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde (§ 12 FGG), ob Verfahrensvorschriften verletzt wurden und ob die Beweiswürdigung fehlerhaft ist. Diese ist nur im beschränkten Umfang nachprüfbar, nämlich dahin, ob das Beschwerdegericht alle wesentlichen Umstände berücksichtigt, nicht gegen gesetzliche Beweisregeln, gegen die Denkgesetze oder feststehende Erfahrungssätze verstoßen und ob es die Beweisanforderungen zu hoch oder zu niedrig angesetzt hat (st. Rspr., vgl. BayObLG NJW-RR 1996, 583; OLG Hamm StAZ 2007, 18/19; Keidel/Meyer-Holz FGG 15. Aufl. § 27 Rn. 42 m.w.N.).

Nach diesen Kriterien ist die Würdigung des Landgerichts nicht zu beanstanden, dass entgegen dem vorgelegten Auszug aus dem Hindu - Heiratsregister die Eheschließung zwischen den Beteiligten zu 1 und 2 bereits am 9.3.2003 erfolgt ist. Das Landgericht durfte aus den Angaben der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Neu Delhi zum Urkundenwesen in Indien und aus dem Ergebnis der von dieser veranlassten Ermittlungen den Schluss ziehen, dass die Angaben im Heiratsregister zum Datum die Eheschließung unzutreffend sind. Es konnte ohne Rechtsfehler den Angaben der Verwandten der Beteiligten zu 1 und 2 gegenüber dem Beauftragten der deutschen Botschaft höheres Gewicht beimessen als den im Heiratsregister niedergelegten Daten.

c) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeführer hat das Landgericht ihr rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG; Art. 91 Abs. 1 BayVerf) nicht verletzt. Aus dem durch die Verfassung garantierten Anspruch auf rechtliches Gehör folgt, dass das Gericht die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis nehmen und erwägen muss, bevor es seine Entscheidung erlässt (BVerfGE 63, 80/85 m.w.N.; BayObLGZ 1989, 116/122 f.). Der Beschluss des Beschwerdegerichts war zwar nicht schon damit erlassen, dass ihn die Richter am 21.9.2007 unterschrieben haben, sondern erst, als der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle am 25.9.2007 die für die Verfahrensbeteiligten bestimmten Ausfertigungen zur Aushändigung an die Post hinausgegeben hat (vgl. BVerfGE 63, 80/87; Keidel/Schmid § 18 Rn. 3 m.w.N.). Der Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführer vom 25.9.2007 ist jedoch erst am 27.9.2007 bei Gericht eingegangen, also erst nach Erlass des Beschlusses. Er war deshalb bei der Entscheidung nicht zu berücksichtigen.

Das Landgericht war nicht gehalten, im Hinblick auf den Schriftsatz vom 19.9.2007 mit seiner Entscheidung noch weiter zuzuwarten. Das Landgericht hatte bereits die Frist zur Vorlage der angekündigten Heiratsurkunde antragsgemäß bis zum 14.9.2007 verlängert. Mit dem Schriftsatz vom 19.9.2007 wurde eine beglaubigte Abschrift vom 13.7.2007 aus dem Hindu Heiratsregister vorgelegt, die - abgesehen vom Datum der Beglaubigung der Abschrift - dem bereits bei den Akten befindlichen Auszug entspricht. Es bestand deshalb kein Anlass, wegen des Hinweises "das Original wird in den nächsten Tagen bei uns eingehen" die Vorlage des Originals abzuwarten.

d) Ohne Rechtsfehler konnte das Landgericht von weiteren Ermittlungen absehen. Der Grundsatz der Amtsermittlung verpflichtet das Gericht nicht dazu, allen nur denkbaren Möglichkeiten nachzugehen. Eine Ermittlungs- und Aufklärungspflicht besteht vielmehr nur so weit, wie das Vorbringen der Beteiligten und der schon feststehende Sachverhalt dazu Anlass geben (Keidel/Schmidt § 12 Rn. 118 m.w.N.). Hier drängten sich jedoch weder aufgrund des Akteninhalts noch aufgrund des Vorbringens der Beteiligten weitere Ermittlungen auf. Die Beteiligten zu 1 und 2 haben vielmehr ihre Beschwerde allein darauf gestützt, dass sich die Richtigkeit des Heiratsdatums 14.11.2004 aus der noch vorzulegenden Heiratsurkunde ergeben werde. Das Landgericht konnte sich deshalb darauf beschränken, die Vorlage dieser Urkunde abzuwarten. Dass es nach Eingang einer beglaubigten Abschrift der Urkunde im Hinblick auf deren bereits bekannten Inhalt nicht gehalten war, auch noch das Original abzuwarten, wurde oben bereits ausgeführt.

Insbesondere musste das Landgericht nicht die Akten des Strafverfahrens wegen Urkundenfälschung beiziehen, das gegen den Beteiligten zu 2 anhängig ist. Dieses Verfahren wurde erstmals im Schriftsatz vom 25.9.2007 erwähnt mit dem Hinweis, dass sich dort das Original der Urkunde vom 13.7.2007 befinde. Diesen Schriftsatz musste das Landgericht bei seiner Entscheidung vom 19.9.2007 nicht mehr berücksichtigen. Einwände gegen die von der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland veranlassten Ermittlungen wurden erstmals in der sofortigen weiteren Beschwerde vom 11.10.2007 vorgetragen. Im Rechtsbeschwerdeverfahren kann dieses Vorbringen keine Berücksichtigung finden.

4. Der Familienname des Kindes richtet sich nach deutschem Recht (Art. 10 Abs. 1, Art. 5 Abs. 2 EGBGB). Nach § 1617 a Abs. 1, § 1626 Abs. 2 BGB hat es zunächst als Familiennahmen den Geburtsnamen der Mutter erhalten. Als Familienname der Mutter ist ebenfalls ihr Geburtsname einzutragen, weil nicht von einer gültigen Eheschließung ausgegangen werden kann. Auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts wird ergänzend Bezug genommen.

5. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 131 Abs. 1 Satz 2, § 30 Abs. 2 KostO.

Ende der Entscheidung

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