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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 21.12.2005
Aktenzeichen: 31 Wx 80/05
Rechtsgebiete: BGB, GmbHG


Vorschriften:

BGB § 242
GmbHG § 51a Abs. 1
GmbHG § 51a Abs. 3
1. Macht ein Gesellschafter, der im Zeitraum, auf welchen sich sein Auskunfts- und Einsichtsbegehren bezieht, einer der Geschäftsführer der Gesellschaft war, Informationsrechte nach § 51a Abs. 1 GmbHG geltend, bedarf deren Ausübung besonderer Begründung.

2. Schließen die Gesellschafter mit einem ausscheidenden Gesellschaftergeschäftsführer eine Vereinbarung, wonach dieser u.a. auf Auskunfts- und Einsichtsrechte verzichtet, so kommt ein solcher Verzicht dann nicht zum Tragen, wenn der Ausscheidende keine vertraglich eingeräumte Möglichkeit hat, sich einen Überblick über die Berechnungsgrundlagen des ihm noch zustehenden Gewinnanteils zu verschaffen.


Tatbestand:

Die Antragsgegnerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Der Antragsteller ist einer ihrer Gründungsgesellschafter und war bis 31.12.2004 einer der Geschäftsführer der Gesellschaft. Der Antragsteller hält an der Gesellschaft zwei Geschäftsanteile in Höhe von 6.500 EUR und in Höhe von 4.700 EUR. Zwischen dem Antragsteller und Mitgesellschaftern bestand Streit. Zu dessen Beilegung schlossen die Verfahrensbeteiligten und die übrigen Mitgesellschafter den umfangreichen notariellen Vertrag vom 18.2.2005. Im Rahmen des vertraglich vereinbarten Ausscheidens des Antragstellers aus der Gesellschaft trat dieser seine beiden Geschäftsanteile an die Antragsgegnerin ab. Dabei stand die Wirksamkeit der Abtretung des Geschäftsanteils in Höhe von 4.700 EUR unter der aufschiebenden Bedingung der Bezahlung der ersten Rate des Kaufpreises. Diese ist zwischenzeitlich beglichen. Die Wirksamkeit der Abtretung des weiteren Geschäftsanteils in Höhe von 6.500 EUR stand unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung. Diese ist bis heute nicht bewirkt. Der Wert der veräußerten Anteile war nach dem notariellen Vertrag vom 18.2.2005 von einem Wirtschaftsprüfer festzustellen. Für die Bewertung und das zu erstellende Gutachten war vereinbart, dass die Verfahrensbeteiligten jeweils Einsicht nehmen und Zugang zu sämtlichen Informationen bekommen sollten, welche die jeweils andere Partei dem Sachverständigen in Bezug auf die Bewertung zukommen lässt. Der vom Sachverständigen für die beiden Geschäftsanteile festgestellte Wert sollte zwischen den Parteien verbindlich gemäß § 317 BGB sein. Festgelegt wurde in Bezug auf die Anteilsabtretung ferner, dass schuldrechtlich Nutzen und Lasten mit Wirkung vom 18.2.2005 auf die Gesellschaft übergehen. Die Verfahrensbeteiligten und sämtliche Gesellschafter vereinbarten ferner, dass bis zur dinglichen Wirksamkeit der Abtretung sämtliche Gesellschafterrechte aus den Geschäftsanteilen der Gesellschaft zustehen und damit in entsprechender Anwendung der gesetzlichen Bestimmung für eigene Geschäftsanteile ruhen sollten. Der Antragsteller verzichtete insoweit - vorsorglich und soweit rechtlich zulässig - auf die Ausübung solcher Rechte, insbesondere auf Stimmrecht, Gewinnberechtigung, etwaige Auskunfts- und Einsichtsrechte und die Teilnahme an Gesellschafterversammlungen; hilfsweise ermächtigte er hiermit widerruflich einen Mitgesellschafter, sämtliche Rechte, auf deren Ausübung nicht verzichtet werden kann, für ihn auszuüben.

Mit Anwaltsschreiben vom 24.5.2005 beantragte der Antragsteller, die Verpflichtung der Gesellschaft auszusprechen, dass sie ihm zum Jahresabschluss 2004 Auskunft zu einer Vielzahl von Buchhaltungskonten der Gesellschaft geben und die einzelnen Buchungen aufschlüsseln solle. Ferner beantragte er Einsicht in die Buchungsunterlagen, die dem Jahresabschluss 2004 zugrunde gelegt worden sind. Hilfsweise beantragte der Antragsteller für den Fall, dass das Gericht ein Verfahren gemäß § 51b GmbHG für unzulässig erachten sollte, die Durchführung eines Klageverfahrens mit entsprechenden Anträgen. Äußerer Anlass für den gestellten Antrag war, dass die Gesellschaft für das Jahr 2004 einen erheblich geringeren Jahresüberschuss als im Vorjahr ausgewiesen hat. Der Antragsteller vermutet, dass das geringere Ergebnis auf die Rechnungsposten zurückzuführen ist, die Gegenstand seines Auskunftsbegehrens sind, sowie auf ein angebliches Darlehen für den Geschäftsführer der Gesellschaft. Das Landgericht hat dem Antragsteller ein Auskunfts- und Einsichtsrecht nach § 51a GmbHG zugestanden und die Gesellschaft antragsgemäß verpflichtet, Auskunft zu erteilen und Einsicht zu gewähren. Es hat ferner die sofortige Beschwerde zugelassen.

Gegen den landgerichtlichen Beschluss hat die Gesellschaft mit Schriftsatz vom 10.9.2005 sofortige Beschwerde eingelegt. Die zulässige sofortige Beschwerde hatte in der Sache keinen Erfolg.

Gründe:

1. Das Rechtsmittel ist statthaft (§ 51b Satz 1 GmbHG i.V.m. § 132 Abs. 3, § 99 Abs. 3 Satz 2 AktG), es wurde insbesondere vom Landgericht in dem angefochtenen Beschluss zugelassen (§ 132 Abs. 3 Satz 2 AktG). Auch im Übrigen bestehen gegen die Zulässigkeit des Rechtsmittels keine Einwendungen.

2. Das Landgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

Dem Antragsteller stehe ein Anspruch auf Gewährung von Auskunft und Einsicht nach den Vorschriften über die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, da er weiterhin Gesellschafter der Antragsgegnerin sei. Die Bedingung für die dingliche Wirksamkeit der Übertragung sämtlicher Geschäftsanteile auf die Antragsgegnerin sei mangels vollständiger Kaufpreiszahlung noch nicht eingetreten. Der im notariellen Vertrag vom 18.2.2005 enthaltene Verzicht stehe dem Anspruch nicht entgegen, weil er gegen § 51a Abs. 3 GmbHG verstoße und daher unwirksam sei. Nach dieser Vorschrift sei es unzulässig, im Gesellschaftsvertrag Bestimmungen zu treffen, die das Einsichts- und das Auskunftsrecht des Gesellschafters ausschließen. Daran ändere auch nichts, dass die Verfahrensbeteiligten hier eine Regelung für die Vergangenheit getroffen hätten. Die Verbotsregelung des § 51a Abs. 3 GmbHG sei umfassend zu verstehen. Sie sei Bestandteil des verfassungsrechtlich geschützten Eigentumsrechts des Gesellschafters, weshalb nicht durch vertragliche Vereinbarung darüber disponiert werden könne. Auch verbiete die Schutzvorschrift, dass die persönliche Ausübung des Auskunfts- und Einsichtsrechts ausgeschlossen sein solle. Schließlich gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Befürchtung der übrigen Gesellschafter zuträfe, der Antragsteller könnte Firmenunterlagen manipulieren oder gar zerstören.

3. Die sofortige Beschwerde ist nicht begründet.

a) Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass der Antragsteller nach wie vor Gesellschafter der Antragsgegnerin ist und er somit ein Auskunfts- und Einsichtsrecht nach § 51a GmbHG hat (vgl. BayObLG GmbHR 1999, 296/297). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Antragsteller seine beiden Geschäftsanteile mit notariellem Vertrag vom 18.2.2005 an die Antragsgegnerin abgetreten hat und die schuldrechtlichen Wirkungen der Veräußerungen ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses eingetreten sind. Denn der Antragsteller ist mangels des fehlenden dinglichen Übergangs seines Geschäftsanteils in Höhe von 6.500 EUR nach wie vor Gesellschafter der Antragsgegnerin mit sämtlichen Rechten und Pflichten (vgl. BayObLG aaO).

b) Dem Antragsteller ist auch nicht entgegen zu halten, dass sein konkretes Auskunfts- und Einsichtsbegehren über Vorgänge des Jahres 2004 rechtsmissbräuchlich ist. Es trifft zu, dass das Recht aus § 51a Abs. 1 GmbHG unter dem Verbot rechtsmissbräuchlicher Ausübung steht (vgl. BGHZ 135, 48/50; BayObLG 1988, 349/354; BayObLG GmbHR 1989, 201; Baumbach/Zöllner GmbHG 17. Aufl. § 51a Rn. 32; Roth/Altmeppen GmbHG 5. Aufl. § 51a Rn. 36). Für die Beurteilung, ob hier die Ausübung des Auskunfts- und Einsichtsrecht eine unzulässige Rechtsausübung darstellt, bedarf es des Rückgriffes auf Sinn und Zweck des genannten Rechts aus § 51a GmbHG. Dabei handelt es sich um ein aus der Mitgliedschaft fließendes höchstpersönliches Individualrecht des Gesellschafters (BayObLGZ 1988, 349/355), das im Verhältnis zur Geschäftsführung die unbeschränkte Aufsichts-, Weisungs- und Personalkompetenz der Gesellschaftergesamtheit aktualisiert (so Roth/Altmeppen § 51a Rn. 4). Bei der hier zu treffenden Entscheidung kann daher nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Antragsteller Auskunft und Einsicht zu Vorgängen verlangt, die in eine Zeit fallen, zu welcher er selbst Geschäftsführer der Gesellschaft war. Der Antragsteller war unbestritten das gesamte Jahr 2004 einer der Geschäftsführer der Antragsgegnerin. Deshalb bezieht sich die beantragte Auskunft ausschließlich auf Vorgänge, die in seine Zeit als Organ der Gesellschaft fallen. Eine unzulässige Rechtsausübung könnte darin gesehen werden, dass das Begehren des Antragstellers als schikanös oder wegen fehlenden Informationsinteresses als unzulässig zu bezeichnen ist (vgl. Baumbach/Zöllner § 51a Rn. 20). Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass ein Gesellschafter, der zu der Zeit, auf welche sich sein Einsichtsbegehren bezieht, Geschäftsführer war, kein Informationsinteresse haben könnte. Jedenfalls bedarf es für die Wahrnehmung des Rechts aus § 51a GmbHG in einer solchen Situation der besonderen Rechtfertigung.

Der Senat hält hier das Begehren des Antragstellers auch unter Berücksichtigung des umfassenden Regelungsgehalts der notariellen Vereinbarung vom 18.2.2005 für nicht ungerechtfertigt. Denn auch wenn er als Geschäftsführer im Jahr 2004 grundsätzlich Zugang zu den einzelnen Buchungspositionen gehabt haben kann, ergibt erst die Zusammenschau aller Buchungspositionen zum Abschluss des Geschäftsjahres einen tragfähigen Überblick über die Vermögensentwicklung der Gesellschaft. Eine Gesamtbeurteilung aller Buchungspositionen konnte somit frühestens zu Beginn des Jahres 2005 erfolgen. Dieser Zeitpunkt liegt aber nach der Beendigung der organschaftlichen Funktion des Antragstellers als Geschäftsführer. Somit kann dem Antragsteller eine unzulässige Rechtsausübung für das geltend gemachte Informationsbegehren nicht zur Last gelegt werden.

c) Der Antragsteller ist ferner nicht durch die Vereinbarung vom 18.2.2005 gehindert, sein Auskunfts- und Einsichtsrecht in der beantragten Art und Weise geltend zu machen. Es trifft zu, dass er in dieser Vereinbarung umfassend auf seine Auskunfts- und Einsichtsrechte verzichtet und er hilfsweise - für den Fall der Unwirksamkeit des Verzichts - die Ausübung einem in der Gesellschaft verbliebenen Mitgesellschafter übertragen hat. Nach § 51a Abs. 3 GmbHG ist das Auskunfts- und Einsichtsrecht des § 51a Abs. 1 GmbHG satzungsfest. Der Gesellschaftsvertrag kann dieses Recht nicht ausschließen (BayObLGZ 1988, 349/352; Baumbach/Zöllner § 51a Rn. 2; Roth/Altmeppen § 51a Rn. 41). Zu Recht weist die Beschwerdeführerin darauf hin, dass die Vereinbarung vom 18.2.2005 keine generelle, in die Zukunft gerichtete Änderung des Gesellschaftsvertrages darstellt, sondern eine individuelle Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern und der Antragsgegnerin über das Ausscheiden des Antragstellers ist. Es bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung, ob und gegebenenfalls inwieweit Auskunfts- und Einsichtsrechte unter Berücksichtigung von § 51a Abs. 3 GmbHG durch solche konkret-individuelle Vereinbarungen zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern anlässlich des Ausscheidens eines Gesellschafters ausgeschlossen werden können. In dem hier zu entscheidenden Fall bezieht sich jedoch das Auskunfts- und Einsichtsbegehren des Antragstellers auf einen Sachverhalt vor Abschluss der notariellen Vereinbarung vom 18.2.2005. Die Vereinbarung sieht ferner ausdrücklich vor, dass der Antragsteller seinen ihm aufgrund seines Geschäftsanteils zustehenden Gewinnanteil für das Geschäftsjahr 2004 regulär ausbezahlt erhält. Ein Informationsrecht zu den berechnungserheblichen Tatsachen des Gewinnanteils wird ihm vertraglich jedoch nicht mehr zugestanden. Vielmehr wird er in der Vereinbarung darauf verwiesen, dass noch bestehende Auskunfts- und Einsichtsrechte nur von einem ermächtigten Mitgesellschafter wahrgenommen werden können. Der Antragsteller hat auch versucht, diesen Weg der Einsichtnahme zu gehen; der ermächtigte Gesellschafter lehnte jedoch die Weitergabe detaillierter Auskünfte ab. Insoweit hat die Ausübung des Auskunfts- und Einsichtsrechts über einen Bevollmächtigten nicht zu dem Ergebnis geführt, welches dem Antragsteller von Rechts wegen zusteht. Daher leben die dem Antragsteller von Gesetzes wegen zustehenden Gesellschafterrechte wieder auf; sie rechtfertigen die gestellten Anträge.

Ende der Entscheidung

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