Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 02.05.2006
Aktenzeichen: 31 Wx 9/06
Rechtsgebiete: HGB, UmwG


Vorschriften:

HGB § 13d ff
UmwG § 16 Abs. 1
Die Eintragung der Verschmelzung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in Deutschland als übertragender Gesellschaft auf eine Private Limited Company als aufnehmende Gesellschaft, die ihren statuarischen Sitz in England und eine Zweigniederlassung in Deutschland hat, kann nicht erstmalig konstitutiv im Register der Zweigniederlassung vorgenommen werden.
Gründe:

I.

Die Beteiligte, die M. Limited, ist eine Gesellschaft (private limited company) mit Sitz in Birmingham/England. Sie hat eine Zweigniederlassung in G./Deutschland, die im Handelsregister M. eingetragen ist. Die beteiligte Gesellschaft ist alleinige Gesellschafterin der F. GmbH mit Sitz in M./Deutschland.

Die beteiligte Gesellschaft hat am 26.7.2005 unter Vorlage der entsprechenden notariellen Urkunden zum Handelsregister ihrer Zweigniederlassung angemeldet, dass die F. GmbH auf Grund des Verschmelzungsvertrags und der Verschmelzungsbeschlüsse vom 21.6.2005 durch Aufnahme mit der M. Limited "mit dem effektiven Verwaltungssitz in G. und dem statuarischen Sitz in England und Wales" durch Aufnahme verschmolzen ist. Das Registergericht hat mit Beschluss vom 8.11.2005 die Anmeldung zurückgewiesen mit der Begründung, die Verschmelzung einer Gesellschaft mit dem statuarischen Sitz im Ausland sei nach deutschem Recht nicht möglich, da das Umwandlungsgesetz einen numerus clausus der umwandlungsfähigen Rechtsträger vorsehe. Die Beschwerde der Gesellschaft hat das Landgericht mit Beschluss vom 12.1.2006 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der beteiligten Gesellschaft.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die Vorinstanzen haben im Ergebnis zu Recht die beantragte Eintragung im Register der Zweigniederlassung abgelehnt.

1. Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

Das Amtsgericht habe zu Recht die Anwendung des Umwandlungsgesetzes auf eine grenzüberschreitende Verschmelzung wie die vorliegende verneint. Dieses Gesetz gelte nach § 1 Abs. 1 UmwG nur für "Rechtsträger mit Sitz im Inland". Die übertragende F. GmbH habe ihren Sitz im Inland, die übernehmende Gesellschaft sei aber eine englische Limited mit statuarischem Sitz in England, so dass eine "Heraus-Verschmelzung" vorliege. Die Verschmelzung erfolge mit der Gesellschaft als Rechtsträgerin, nicht mit der Zweigniederlassung, was im Übrigen auch nicht möglich wäre. Für grenzüberschreitende Umwandlungen gelte das Umwandlungsgesetz nicht; es verbiete sie nicht, regle und kläre sie aber auch nicht. Die Frage der Eintragung der Umwandlung bei der übernehmenden Gesellschaft richte sich deshalb nicht nach dem UmwG. In dieser europarechtskonformen Auslegung verstoße § 1 Abs. 1 UmwG auch nicht gegen das Gebot der Niederlassungsfreiheit nach Art. 48 und 43 EGV. Die Entscheidung des EuGH vom 13.12.2005 bewirke nicht, dass das Umwandlungsgesetz als originäres nationales Gesetz, das die grenzüberschreitende Verschmelzung gerade nicht regle, nun auch auf diese anzuwenden sei. Die Richtlinie 2005/56/EG vom 26.10.2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten enthalte kein unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht, sondern verpflichte nur die Mitgliedstaaten zur Umsetzung bis Dezember 2007. Im Übrigen schreibe Art. 4 der Richtlinie nur vor, dass grenzüberschreitende Verschmelzungen zwischen Gesellschaften solcher Rechtsformen möglich sein müssen, die sich nach dem innerstaatlichen Recht der jeweiligen Mitgliedstaaten verschmelzen dürfen. Nach Art. 13 der Richtlinie bestimme sich nach dem Recht jedes Mitgliedstaates, dem die sich verschmelzenden Gesellschaften unterliegen, in welcher Form der Abschluss der Verschmelzung bei dem öffentlichen Register offen zu legen sei. Die Frage, ob eine Verschmelzung für eine übernehmende Gesellschaft in deren Register eingetragen werden müsse, richte sich nach dem Recht an ihrem statutarischen Sitz/Gründungssitz. Nach dem Vortrag der Beschwerdeführerin sehe das englische Recht bisher zwar keine solche Eintragung vor. Es könne aber nicht ersatzweise das deutsche Handelsregister verpflichtet werden, die Verschmelzung am Sitz der deutschen Zweigniederlassung der englischen Limited einzutragen.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

a) Der Eintragung steht nicht grundsätzlich entgegen, dass an der Verschmelzung eine Gesellschaft beteiligt ist, die ihren Sitz nicht in Deutschland, sondern in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union hat. Wie der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 13.12.2005 - C 411/03 (Sevic - NJW 2006, 425) dargestellt hat, gehören grenzüberschreitende Verschmelzungen wie andere Gesellschaftsumwandlungen zu den wirtschaftlichen Tätigkeiten, hinsichtlich derer die Mitgliedstaaten die Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 EG beachten müssen. Der EuGH hat deshalb befunden, dass die Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister der aufnehmenden deutschen GmbH (so genannte Hineinverschmelzung) nicht deshalb verweigert werden kann, weil die aufgenommene Gesellschaft ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat. Zur Frage der "Herausverschmelzung", bei der - wie hier - die aufnehmende Gesellschaft ihren statuarischen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, während die übertragende Gesellschaft in Deutschland ansässig ist, hat sich der Gerichtshof jedoch nicht geäußert (vgl. dazu Oechsler NJW 2006, 812; Ringe DB 2005, 2806; Sedemund BB 2006, 519/520 f; Meilicke/Rabback GmbHR 2006, 123/125 f; Bayer/J. Schmidt ZIP 2006, 210; C. Schmidt/Maul BB 2006, 13).

Offen bleibt nach der Entscheidung des EuGH vom 13.12.2005 ferner, welchen Regeln grenzüberschreitende Verschmelzungen unterworfen sind, solange die Richtlinie 2005/56/EG über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten vom 26.10.2005 (ABl. EU L 310 vom 25.11.2005, S. 1) noch nicht in nationales Recht umgesetzt ist (zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 13.2.2006 vgl. Neye/Timm DB 2006, 488; Bayer/J. Schmidt NJW 2006, 401; Drinhausen/Keinath BB 2006, 725).

Nach der wohl herrschenden Vereinigungstheorie ist bei einer transnationalen Verschmelzung das Recht aller beteiligten Unternehmen zu berücksichtigen (vgl. Widmann/Meyer/Heckschen UmwG Bearbeitungsstand Juli 2005 § 1 Rn. 270; Eidenmüller/Engert Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht § 4 Rn. 100ff; Louven/Dettmeier/Pöschke/Weng BB 2006, 1/5; C. Schmidt/Maul BB 2006, 13; Wenglorz BB 2006, 1061; Gottschalk EuZW 2006, 83). Danach ist für jede der beteiligten Gesellschaften nach dem für sie geltenden Recht zunächst zu prüfen, ob sie aktiv und passiv verschmelzungsfähig ist, was bei der dem englischen Recht unterliegenden Private Limited Company zweifelhaft ist (vgl. Widmann/Mayer/Heckschen § 1 UmwG Rn. 278). Ferner wird den Belangen des Allgemeininteresses, zu dem insbesondere der Gläubigerschutz zählt, Rechnung zu tragen sein (vgl. Oechsler NJW 2006, 812/814).

b) Diese Fragen können hier jedoch offen bleiben. Insbesondere bedarf es keiner Prüfung des englischen Gesellschaftsrechts, dessen Inhalt grundsätzlich der Tatrichter festzustellen hat. Die beantragte Eintragung ist nämlich schon deshalb abzulehnen, weil die Verschmelzung - unterstellt, die formellen und materiellen Voraussetzungen seien erfüllt - jedenfalls nicht erstmalig konstitutiv im Handelsregister der Zweigniederlassung der aufnehmenden Gesellschaft eingetragen werden kann.

(1) Die Eintragung der Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung, wie der englischen Private Limited Company, in das deutsche Handelsregister richtet sich nach §§ 13 d, 13 e, 13 g HGB. Die Eintragung hat deklaratorische Bedeutung (KG FGPrax 2004, 45). Die Vorschriften der §§ 13 ff. HGB, mit denen die Elfte gesellschaftsrechtliche Richtlinie über die Offenlegung von Zweigniederlassungen (89/666/EWG) in nationales Recht umgesetzt wurde, legen auch fest, welche Angaben bezüglich der Zweigniederlassung in das Handelsregister einzutragen sind. Dazu zählt nicht die Eintragung einer Verschmelzung.

(2) Daran ändert auch der Umstand nichts, dass es sich bei der M. Limited nach ihrem eigenen Vortrag um eine "Scheinauslandsgesellschaft" handelt, die zwar nach englischem Recht gegründet ist, jedoch nur in Deutschland durch die Zweigniederlassung eine Tätigkeit entfaltet und hier auch ihren Verwaltungssitz hat. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist die in einem Vertragsstaat nach dessen Vorschriften wirksam gegründete Gesellschaft in einem anderen Vertragsstaat - unabhängig von dem Ort ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes - in der Rechtsform anzuerkennen, in der sie gegründet wurde (vgl. EuGH NJW 2002, 3614 - Überseering; EuGH ZIP 2003, 1885 - Inspire Art; BGHZ 154, 185/189). Die beteiligte Gesellschaft wurde nach englischem Recht als Private Limited Company mit Sitz in England gegründet. Dass sie ihre geschäftliche Tätigkeit ausschließlich in Deutschland entfaltet, ist für die Beurteilung ihres Statuts und ihres Satzungssitzes und damit auch für die Einordnung der deutschen Niederlassung als Zweigniederlassung ohne Belang.

(3) Auch wenn das Register am Satzungssitz der Gesellschaft die Eintragung der Verschmelzung nicht vorsehen sollte, führt das nicht dazu, dass die Eintragung im Register der Zweigniederlassung vorzunehmen ist. Die Eintragungen für die Zweigniederlassung einer Kapitalgesellschaft stellen grundsätzlich ein Spiegelbild des Registers der Hauptniederlassung dar (Keidel/Krafka/Willer Registerrecht 6. Aufl. Rn. 322). Das entspricht der rechtlichen Stellung der Zweigniederlassung als unselbständiger Teil des Gesamtunternehmens der Hauptniederlassung, die weder über eine eigene Rechtspersönlichkeit (vgl. Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht Rn. 127) noch über rechtlich selbständiges Vermögen verfügt (vgl. Baumbach/ Hopt HGB 32. Aufl. § 13 Rn. 4). Es wäre deshalb systemwidrig, die nach § 20 Abs. 1 UmwG konstitutiv wirkende Eintragung einer Verschmelzung im Register der Zweigniederlassung der aufnehmenden Gesellschaft vorzunehmen. Darüber hinaus wäre eine derartige Eintragung irreführend, weil sie den unzutreffenden Eindruck erweckte, die Verschmelzung erfolgte nicht auf die Gesellschaft selbst, sondern auf die Zweigniederlassung, die aber - mangels eigenen Vermögens und eigener Rechtspersönlichkeit - nicht verschmelzungsfähig ist (vgl. Widmann/Meyer/Heckschen § 1 Rn. 87; vgl. auch Art. 2 Ziffer 1 der Richtlinie 2005/56/EG).

3. Einer Geschäftswertfestsetzung bedarf es nicht (Festgebühr nach § 131 c KostO, § 4 HRegGebV, Gebührenverzeichnis Nr. 2403).



Ende der Entscheidung

Zurück