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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 07.04.2009
Aktenzeichen: 31 Wx 95/08
Rechtsgebiete: HGB


Vorschriften:

HGB § 166 Abs. 3
Das außerordentliche Informationsrecht des Kommanditisten wird grundsätzlich nicht allein dadurch ausgeschlossen, dass die Gesellschaft eine Publikums-KG mit einer Vielzahl von Kapitalanlegern ist. Die Annahme eines wichtigen Grundes i.S.v. § 166 Abs. 3 HGB setzt jedoch regelmäßig die Darlegung konkreter Umstände voraus, aus denen sich Erforderlichkeit und Bedeutung der beantragten, über den Rahmen des § 166 Abs. 1 HGB hinausgehenden Information ergeben (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 5.9.2008, 31 Wx 63/07; DB 2008, 2132).
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN BESCHLUSS

Aktenzeichen: 31 Wx 95/08

Der 31. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Rojahn, der Richterin am Oberlandesgericht Klotz und des Richters am Oberlandesgericht Wimmer

am 7. April 2009

in der Handelssache

wegen Auskunft und Einsicht gemäß § 166 Abs. 1 und Abs. 3 HGB,

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die weitere Beschwerde der Antragsgegnerin werden der Beschluss des Landgerichts München I vom 19. Juni 2008 und der Beschluss des Amtsgerichts München vom 15. November 2007 aufgehoben.

II. Der vom Antragsteller erhobene Auskunftsanspruch aus § 166 HGB wird zurückgewiesen.

III. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 10.000 € festgesetzt.

Gründe:

I. 1. Der Antragsteller hat sich im Jahre 2001 mit nominal 2 Mio. € als Kommanditist an der Antragsgegnerin, einer Publikums-KG, beteiligt. Der Fonds war von der weiteren Beteiligten, der C-Bank, konzipiert, aufgelegt und als Kapitalanlage vertrieben worden; auf deren Angebot hin hatte sich der Antragsteller zur Anlage entschlossen. Nach dem der Beteiligung zugrunde liegenden Prospekt sollten nach der Einwerbung von Kommanditbeteiligungen Filme produziert und Nebenprodukte vermarktet werden.

Im Gesellschaftsvertrag der KG ist bestimmt, dass die Kommanditisten ihr Kontrollrecht nach § 166 Abs. 3 HGB nur durch Einsichtsbevollmächtigte ausüben dürfen.

2. Der Antragsteller begehrt Einsicht in ein noch vor Gründung der Antragsgegnerin von der weiteren Beteiligten in Auftrag gegebenes Gutachten, welches Grundlage der steuerrechtlichen Beurteilung des Fonds sei. Er befürchtet, dass die von der Gesellschaft eingeworbenen Gelder statt - wie im Prospekt zugesagt - zumindest teilweise nicht zur Produktion von Filmen, sondern für andere Zwecke, insbesondere zur Bezahlung von Garantien, die die weitere Beteiligte selbst gegeben habe, verwendet werden. Der Antragsteller hat sowohl die Antragsgegnerin, als auch die weitere Beteiligte mehrfach erfolglos um Herausgabe einer Ausfertigung dieses Gutachtens ersucht.

Die Antragsgegnerin hat ihre Weigerung damit begründet, dass das Gutachten von der weiteren Beteiligten in Auftrag gegeben worden sei und daher von der Antragsgegnerin nicht herausgegeben werden könne. Die weitere Beteiligte hat den Antragsteller an die Antragsgegnerin verwiesen, da zwischen dem Antragsteller und ihr kein Vertragsverhältnis bestehe. Zudem habe der Antragsteller als Anleger keinen Anspruch auf interne Unterlagen, die im Rahmen der Fonds-Konzeption angefertigt worden seien.

3. Der Antragsteller hatte die Antragsgegnerin zunächst vor dem Landgericht - Streitgericht - auf Herausgabe einer Ausfertigung bzw. einer Kopie des Steuergutachtens in Anspruch genommen, wobei er der weiteren Beteiligten den Streit verkündete. Seiner Ansicht nach war die Zuständigkeit des Streitgerichts eröffnet, da der Auskunftsanspruch des Kommanditisten aus § 166 Abs. 3 HGB neben dem Anspruch aus § 166 Abs. 1 HGB geltend gemacht wurde; hilfsweise hatte er Verweisung an das Registergericht beantragt. Das Landgericht erklärte sich mit Beschluss vom 3.9.2007 für funktional unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Amtsgericht, Abt. Registergericht.

Dieses deutete den Klageantrag in ein Auskunftsersuchen nach § 166 Abs. 3 HGB um und gab diesem mit Beschluss vom 15.11.2007 in folgendem Umfang statt:

Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, dem Antragsteller oder einem von diesem beauftragten und zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Wirtschaftsprüfer gemeinsam mit einem Steuerberater oder Rechtsanwalt Einsichtnahme in das von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft K. erstellte Steuergutachten, welches Grundlage der steuerrechtlichen Beurteilung [der Antragsgegnerin] gewesen ist, zu gewähren.

Die hiergegen von der Antragsgegnerin am 22.11.2007 eingelegte sofortige Beschwerde wies das Landgericht mit Beschluss vom 19.6.2008 zurück. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin.

II. Die sofortige weitere Beschwerde ist gemäß §§ 27, 29 Abs. 2, §§ 145, 146 Abs. 2 Satz 1 FGG, § 166 Abs. 3 HGB zulässig; sie wurde insbesondere rechtzeitig eingelegt, § 29 Abs. 4 i.V.m. § 22 Abs. 1 FGG. Sie führt zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und zur Zurückweisung des Antrags.

1. Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

Vor dem Hintergrund der möglicherweise zweckwidrigen Mittelverwendungen der eingeworbenen Gelder sei es für den Antragsteller von entscheidendem Interesse zu wissen, wie das ganze Beteiligungskonzept bei Auflegung des Fonds vom Gutachter gewürdigt worden sei. Dazu gehöre auch, dass der Antragsteller Kenntnis vom Inhalt des Steuergutachtens erlange. Zutreffend habe das Registergericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 166 Abs. 1 HGB verneint, wonach der Kommanditist die Richtigkeit des Jahresabschlusses unter Einsicht der Bücher und Papiere der Gesellschaft prüfen kann. Zu den Büchern und Papieren der KG gehörten alle Unterlagen der Gesellschaft, auch Prüfungsberichte. Das Einsichtsrecht sei dabei aber auf die Kontrolle des Rechnungsabschlusses beschränkt. Ein solcher Zusammenhang läge hier nicht vor. Der Antragsteller begehre vielmehr Einsicht in das Gutachten, um das steuerliche Konzept des Fonds und die Erreichbarkeit der steuerlichen Ziele für die Anleger überprüfen zu können. Das Registergericht habe zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 166 Abs. 3 HGB bejaht; insbesondere läge ein wichtiger Grund vor, an die Darlegung des Gefährdungstatbestandes dürften keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Der Antragsteller habe einen möglichen Gefährdungstatbestand hinreichend dargelegt. Aus den von ihm vorgelegten Unterlagen sei zu entnehmen, dass "gegebenenfalls" Risiken für Anleger bestehen könnten. Auch eine möglicherweise drohende Schädigung der Rechte des Kommanditisten sei ausreichend dargelegt.

Das Auskunftsrecht des Kommanditisten nach § 166 Abs. 3 HGB erstrecke sich auch auf das vor Gründung der KG erholte Gutachten. Die Auskunftserteilung sei der Antragsgegnerin rechtlich und tatsächlich möglich. Da sie das Gutachten von der weiteren Beteiligten erhalten habe, sei es Teil ihrer Geschäftsunterlagen; es handle sich nicht um interne Unterlagen. Die vom Registergericht mit Beschluss vom 15.11.2007 getroffene Anordnung sei auch erforderlich und angemessen, um dem Informationsbedürfnis des Antragstellers gerecht zu werden.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

a) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht einen Anspruch auf Einsicht in das Gutachten nach § 166 Abs. 1 HGB verneint hat. Diesbezüglich wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen. Es besteht jedoch auch nach § 166 Abs. 3 HGB kein Anspruch auf Einsicht in das verfahrensgegenständliche Gutachten.

b) Nach § 166 Abs. 3 HGB kann das Gericht auf Antrag eines Kommanditisten neben der Mitteilung einer Bilanz oder eines Jahresabschlusses auch die Vorlage der Bücher oder sonstiger Geschäftsunterlagen sowie die Erteilung von Auskünften anordnen, wenn wichtige Gründe vorliegen. Zu den Büchern und Papieren einer KG gehören alle Geschäftsunterlagen, auch Prüfungsberichte und "Geheimbücher" (BGH WM 1989, 878). Grundsätzlich kann der Kommanditist unter den Schriftstücken wählen; der konkrete Umfang der zu treffenden Anordnungen richtet sich aber nach der Lage des Falles (vgl. Baumbach/Hopt HGB 33. Aufl. § 166 Rn. 4 und 10). Das Antragsrecht des Kommanditisten nach § 166 Abs. 3 HGB dient der Durchsetzung seines ihm zustehenden Informationsrechts, das - wie der Zusammenhang mit § 166 Abs. 1 HGB zeigt - nicht lediglich auf die Prüfung der Richtigkeit des Jahresabschlusses beschränkt ist, sondern sich bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, insbesondere einer Gefährdung der Interessen des Kommanditisten, auch auf die Geschäftsführung des Komplementärs allgemein und die damit in Zusammenhang stehenden Unterlagen der Gesellschaft erstreckt (vgl. Röhricht/Graf v. Westphalen/v. Gerkan HGB 2. Aufl. § 166 Rn. 19). Der Auskunftsanspruch nach § 166 Abs. 3 HGB steht grundsätzlich auch den Kommanditisten einer kapitalistisch strukturierten GmbH & Co. KG zu. Auch der Typus der Publikums KG schließt die Geltendmachung des außerordentlichen Informationsrechts nach § 166 Abs. 3 HGB nicht aus (vgl. Senatsbeschluss vom 5.9.2008 DB 2008, 2132 m.w.N.). Dem Antragsteller steht daher grundsätzlich das Einsichts- und Auskunftsrecht nach § 166 HGB zu, allerdings kann er es vorliegend wegen der entsprechenden Regelung im Gesellschaftsvertrag nicht selbst, sondern nur durch die dort vorgesehenen Personen wahrnehmen (vgl. hierzu BGH NJW 1984, 2470/2471; MünchKommHGB/Grunewald § 166 Rn. 50).

c) Entgegen der Ansicht des Landgerichts liegt jedoch ein wichtiger Grund i.S.v. § 166 Abs. 3 HGB nicht vor. Ein solcher ist nur anzunehmen, wenn die sofortige Überwachung der Geschäftsführung im Interesse des Kommanditisten geboten ist, z.B. bei drohender Schädigung von Gesellschaft oder Kommanditist, bei begründetem Verdacht nicht ordnungsgemäßer Geschäfts- oder Buchführung, bei Verweigerung oder längerer Verzögerung der Kontrolle nach Abs. 1 (vgl. Baumbach/Hopt HGB 33. Aufl. § 166 Rn. 9), wenn also wegen einer konkreten Gefährdung der Interessen des Kommanditisten eine Regelung getroffen werden muss (Röhricht/Graf von Westphalen/von Gerkan § 166 Rn. 19; Baumbach/Hopt § 166 Rn. 9; Schlegelberger/Martens HGB § 166 Rn. 26).

Ob die zur Begründung des Einsichtsanspruchs vorgetragenen Tatsachen den unbestimmten Rechtsbegriff des wichtigen Grundes erfüllen, ist Rechtsfrage und daher der Prüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht in vollem Umfang zugänglich. Unter Zugrundelegung des Vortrags des Antragstellers ist das Vorliegen eines wichtigen Grundes zu verneinen. Er hat keine ausreichend konkrete Gefährdung seiner Interessen dargelegt, der nur durch die beantragte Einsicht begegnet werden kann. Der Antragsteller stützt sich auf negative Berichterstattungen in den Medien, die weitestgehend andere Filmfonds betreffen. Dass bei anderen Filmfonds ein solcher konkreter Verdacht besteht (vgl. Senatsbeschluss vom 5.9.2008 DB 2008, 2132), reicht als Begründung des Einsichtsanspruchs im vorliegenden Verfahren nicht aus. Soweit sich die vorgelegten Presseartikel vereinzelt auf den hier inmitten stehenden Filmfonds beziehen, handelt es sich um äußerst vage Verdachtsäußerungen ohne konkrete Tatsachenbasis.

Schließlich greift auch nicht das Argument, dass die Verweigerung der Einsicht durch die Antragsgegnerin den Verdacht erhärte, diese habe etwas zu verbergen.

Steht dem Kommanditisten, wie hier, ein Einsichtsrecht nicht zu, so können aus der Verweigerung selbstverständlich keine für die Gesellschaft nachteiligen Schlussfolgerungen gezogen werden.

d) Ob die begehrten Informationen geeignet und erforderlich sind, hängt zudem von dem geltend gemachten wichtigen Grund ab (vgl. OLG Hamm NZG 2006, 620). Auch wenn - wie nicht - ein wichtiger Grund vorliegen würde, wäre die beantragte Einsicht abzulehnen, da weder dargetan, noch sonst ersichtlich ist, inwiefern der Antragsteller einer zweckwidrigen Verwendung der eingeworbenen Gelder besser begegnen kann, wenn er durch Einsicht in das Steuergutachten Kenntnis von der steuerlichen Beurteilung des Fonds-Modells vor dessen Gründung gewinnen würde. Hierfür wäre die Einsicht in andere Geschäftsunterlagen viel erfolgversprechender. Daher würde hier im Übrigen die immer vorzunehmende Abwägung zwischen dem zunächst zu gewichtenden Informationsbedürfnis des Kommanditisten einerseits und den Interessen der auf Auskunft in Anspruch genommenen KG (vgl. Heimann HGB 2. Aufl. § 166 Rn. 12 und MünchKommHGB/Grunewald § 166 Rn. 34) ergeben, dass die Antragsgegnerin eine Einsicht in das Gutachten im Rahmen des § 166 Abs. 3 HGB verweigern durfte.

3. Von der Anordnung der Erstattung der außergerichtlichen Kosten nach § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG hat der Senat abgesehen. Die Verpflichtung zur Tragung der Gerichtskosten folgt aus dem Gesetz. Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 131 Abs. 2 i.V.m. § 30 Abs. 1 KostO. Der Senat hat den Geschäftswert in Übereinstimmung mit der Geschäftswertfestsetzung des Landgerichts auf 10.000 € festgesetzt.

Entsprechend seiner Praxis in ähnlichen Informationserzwingungsverfahren, in denen das hinter dem Informationsbegehren stehende konkrete wirtschaftliche Interesse nicht zuverlässig abschätzbar ist, hält der Senat einen Geschäftswert in Höhe von 10.000 € für angemessen.

Ende der Entscheidung

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