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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 08.02.2006
Aktenzeichen: 32 Wx 10/06
Rechtsgebiete: KostO
Vorschriften:
KostO § 19 Abs. 3 | |
KostO § 20 Abs. 2 | |
KostO § 21 Abs. 1 | |
KostO § 24 | |
KostO § 30 Abs. 1 |
2. Ist nämlich der der Grundstückseigentümer mit dem Vorkaufberechtigten am Erbbaurecht identisch, ist die Wahrscheinlichkeit einer Ausübung des Vorkaufsrechtes nach den getroffenen vertraglichen Regelungen und den tatsächlichen Umständen gegenüber durchschnittlichen Fällen nicht so deutlich verringert, dass aus Rechtsgründen ein Abweichen vom Regelgeschäftswert des § 20 Abs. 2 KostO geboten ist.
3. Geben die Vertragsparteien im Vertrag einen höheren Grundstückswert an, als sich aus den Bodenrichtwerten ergeben würde, ist dieser bei der Bewertung in der Regel maßgebend.
Gründe:
I.
Gegenstand des Verfahrens ist die Festsetzung des Geschäftswerts für den grundbuchamtlichen Vollzug der Notarsurkunden vom 9.2.2001 (UR-Nr. ) und 3.5.2003 (UR-Nr. ), mit denen u.a. der Beteiligten zu 1 ein Erbbaurecht bestellt wurde, eine Wertsicherungsklausel für den Erbbauzins und Vorkaufsrechte für das Erbbaurecht zugunsten des Grundstückseigentümers und für das Grundstück zugunsten der Beteiligten zu 1 vereinbart wurden. Eine Veräußerung des Erbbaurechts bedarf demnach nur im Falle der Veräußerung an ein nicht mit der Beteiligten zu 1 verbundenes Unternehmen der Zustimmung des Grundstückseigentümers. Die Wertsicherungsklausel lautet:
"Verändert sich der vom statistischen Bundesamt festgestellte Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte in der Bundesrepublik Deutschland (Basis 1995 = 100 Punkte) im Vergleich zum Index des 25. Monats nach Zustandekommen dieses Vertrags oder im Vergleich zur letzten Änderung um mehr als 10 %, so ändert sich die Höhe des jährlichen Erbbauzinses um 67 % der Indexveränderung nach oben oder unten. Eine Angleichung erfolgt jedoch frühestens 2 Jahre nach der Anpassung."
Nach Erinnerung gegen die Kostenrechnung setzte das Amtsgericht mit Beschluss vom 10.1.2005 den Geschäftswert für die Eintragung des Erbbaurechts auf 2.882.459,10 EUR, des Vorkaufsrechts am Erbbaurecht auf 2.080.344,40 EUR und des Vorkaufsrechts am Grundstück auf 527.257,50 EUR fest.
Das Landgericht bestätigte am 9.12.2005 diese Entscheidung und ließ die weitere Beschwerde zu. Die Beteiligte zu 1 wendet sich mit der weiteren Beschwerde vom 5.1.2006 gegen die Zurückweisung ihrer Beschwerde mit den Anträgen, unter Abänderung des landgerichtlichen Beschlusses den Geschäftswert
a) für die wertgesicherte Erbbaurechtsreallast um 10 % herabzusetzen,
b) für das Vorkaufsrecht am Erbbaurecht auf 10 % des Wertes des Erbaurechts, bestehend aus den voraussichtlichen Baukosten von 1.278.229,70 EUR, 2.402.049,25 kapitalisierten Erbbauzins zuzüglich 10 %, festzusetzen,
c) den Wert des Vorkaufsrecht am Grundstück auf Grundlage des Bodenrichtwerts neu zu berechnen.
II.
Die zulässige weitere Beschwerde ist unbegründet.
1. Das Landgericht hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:
a) Dem sich aus der Notarurkunde ergebenden Erbbauzins von 162.000 DM pro Jahr sei die Umsatzsteuer von 16 % hinzuzurechnen, so dass sich ein Betrag von 187.920 DM, also 96.081,97 EUR ergebe. Nach § 24 Abs. 1a KostO sei der 25-fache Betrag festzusetzen; wegen der Wertsicherungsklausel sei ein Zuschlag von 20 % zu machen. Damit ergebe sich insoweit ein Geschäftswert von 2.882.459,10 EUR.
b) Nach § 20 Abs. 2 KostO sei für das Vorkaufsrecht am Erbbaurecht der Regelwert, nämlich die Hälfte des Wertes des Erbbaurechts nach Buchst. a zuzüglich der voraussichtlichen Baukosten von 1.278.229,70 EUR maßgebend, also 2.080.344,40 EUR. Ein Anlass für die Abweichung von dem Regelwert bestünde nicht.
c) Im Erbbaurechtsvertrag vom 9.2.2001 sei auf S. 16 bestimmt, dass im Falle des Ankaufs des Grundstücks von einem Preis von 250 DM/m² auszugehen sei. Es sei davon auszugehen, dass sowohl der Notar, als auch die Beteiligten einen gemeinen Wert von 250 DM/m² zugrunde gelegt hätten. Die Richtwerttabelle könne daher nicht mehr herangezogen werden. Damit errechne sich der Geschäftswert insoweit wie folgt: 250 DM/m² : 1,95583 EUR/DM x 8.250 m² : 2 = 527.257,50 EUR.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand (§ 31 Abs. 3 Satz 5, § 14 Abs. 5 Satz 2 KostO, § 546 ZPO).
a) Zu Recht hat das Landgericht den Geschäftswert für den Erbbaurechtsvertrag mit der Wertsicherungsklausel auf 2.882.459,10 EUR festgesetzt.
aa) Nach § 21 Abs. 1 Satz 2, § 24 Abs. 1 Buchst. a KostO ist vorliegend der 25-fache Betrag des jährlichen Erbbauzinses zur Berechnung des Geschäftswert maßgebend, da dieser Betrag den Wert von 80 % des Grundstückswert übersteigt. Dies sieht auch die beschwerdeführende Beteiligte zu 1 nicht anders.
bb) Nicht zu beanstanden ist, dass das Landgericht die Umsatzsteuer dem Erbbauzins hinzugerechnet hat. Die Erbbauberechtigte optiert zur Umsatzsteuer. Die Umsatzsteuer ist dann ein Teil des die Gegenleistung für die Bestellung des Erbbaurechts darstellenden Erbbauzinses und damit Hauptgegenstand, auch wenn sie gesondert ausgewiesen wird und von der Erbbauberechtigten zum Vorsteuerabzug verwendet werden kann (vgl. Korintenberg/Schwarz KostO 16. Aufl. § 18 Rn. 6 m.w.N.). Da der Besitzübergang vor dem 1.4.2004 stattfand, führt auch § 13b Abs. 1 Nr. 3 UStG n.F. zu keinem anderen Ergebnis (vgl. Korintenberg/Schwarz aaO § 20 Rn. 29a).
cc) Das Landgericht hat auch zu Recht wegen der Wertsicherungsklausel für den Erbbauzins einen Zuschlag zum Erbbauzins gemacht (vgl. auch Korintenberg/ Schwarz aaO § 24 Rn. 25; Rohs/Wedewer KostO Stand Dezember 2005 § 24 Rn. 15). Die Kapitalisierung des Erbbauzinses für 25 Jahre nach der gegenwärtigen Höhe umfasst noch nicht die vereinbarte bedingte Erhöhung, basierend auf der Wertsicherungsklausel. Es ist daher angebracht, den Wert dieser bedingten Erhöhung nach einem Prozentsatz des kapitalisierten Betrages des Erbbauzinses zu bemessen, wobei für die Höhe des Prozentsatzes die wahrscheinliche prozentuale Veränderung der Bezugsgröße im Kapitalisierungszeitraum einen Anhaltspunkt bietet (BayObLGZ 1975, 173/176 = DNotZ 1975, 750; OLG Hamm DNotZ 1973, 48). Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 24 Abs. 1 Buchst. a KostO, der die Summe der Jahreswerte für maßgebend erklärt und nur eine Beschränkung auf 25 Jahreswerte vornimmt. Dabei geht auch der Gesetzgeber nicht notwendiger Weise von gleichen Jahreswerten aus. Sind die Jahreswerte unterschiedlich, sind diese unterschiedlichen Jahreswerte zu addieren. Auch § 18 Abs. 1 KostO führt zu keinem anderen Ergebnis. Da nach den bindenden Feststellungen des Landgerichts eine echte Wertsicherungsklausel vorliegt, war bereits von Anfang an eine Erhöhung nach einem konkreten, wenngleich erst noch zu ermittelnden Maßstab vereinbart; im Zeitpunkt der Fälligkeit der Gebühr ist damit ein um die Inflationsrate erhöhter Wert maßgebend. Auszugehen bei der Berechnung des Zuschlags ist daher von der Summe der voraussichtlichen Jahresbeträge für 25 Raten.
Die Höhe der einzelnen Raten ist unter Berücksichtigung der vertraglichen Vereinbarung und der voraussichtlichen jährlichen Anpassungsquote auf Grund der Wertsicherungsklausel nach § 30 Abs. 1 KostO zu schätzen (BayObLG aaO; BayObLGZ 1975, 288/291). Dabei ist auf bisherige statistische Erfahrungswerte und volkswirtschaftliche Prognosen zurückzugreifen. Bei der Schätzung steht dem Gericht der weiteren Beschwerde nur die Nachprüfung zu, ob das Landgericht von seinem Ermessen keinen Gebrauch gemacht hat, ob es von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Feststellungen ausgegangen ist, ob es sich mit den Denkgesetzen oder allgemeinen Grundsätzen der Lebenserfahrung in Widerspruch gesetzt hat, oder ob es sonst von seinem Ermessen einen dem Sinn und Zweck des Gesetzes zuwiderlaufenden und mithin rechtsfehlerhaften Gebrauch gemacht hat; die Angemessenheit und Zweckmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung ist dagegen der Nachprüfung durch das Gericht der weiteren Beschwerde entzogen (Rohs/Wedewer/Waldner aaO § 31 Rn. 30).
Der jährliche durchschnittliche Anstieg des Lebenshaltungskostenindexes aller privaten Haushalte bzw. des Verbraucherpreisindexes betrug in den letzten 5 Jahren ca. je 1,6 %, in den letzten 10 Jahren ca. 1,4 %. und in den letzten 25 Jahren sogar ca. 2,3 % (Quelle für Grundlagen der Berechnung hierfür: Statistisches Bundesamt, siehe: www.destatis.de/download/d/preis/jahr_ab_1948). Da auch weiterhin mit einem erheblichen Anstieg der Energiekosten zu rechnen ist, ist nicht zu erwarten, dass die Teuerungsraten merklich unter die bisherigen Werte fallen. In dem damit abgesteckten Rahmen (also zwischen 1,4 % und 2,3 %) ist eine Schätzung der jährlichen Teuerungsrate aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, da das Landgericht dann die richtigen Grundsätze seiner Schätzung zugrunde legt. Wie sich aus der nachstehenden Tabelle ergibt, ging das Gericht bei Bemessung des Zuschlags von 20 % im Rahmen der Schätzung von einem noch in einem zulässigen Rahmen liegenden jährlichen Anstieg der Lebenshaltungskosten von 2,19 % aus:
Jahr n | Lebenshaltungskosten im Jahre n entsprechen dem ...-fachen der des Jahres 1 | Erbauzins, berechnet nach der Wertsicherungsklausel im Jahre n in dem ...-fachen des Jahres 1 |
1 | 1,000 | 1,000 |
2 | 1,022 | 1,000 |
3 | 1,044 | 1,000 |
4 | 1,067 | 1,000 |
5 | 1,090 | 1,000 |
6 | 1,114 | 1,077 |
7 | 1,139 | 1,077 |
8 | 1,164 | 1,077 |
9 | 1,189 | 1,127 |
10 | 1,215 | 1,127 |
11 | 1,242 | 1,162 |
12 | 1,269 | 1,162 |
13 | 1,297 | 1,199 |
14 | 1,325 | 1,218 |
15 | 1,354 | 1,237 |
16 | 1,384 | 1,257 |
17 | 1,414 | 1,277 |
18 | 1,445 | 1,298 |
19 | 1,477 | 1,319 |
20 | 1,509 | 1,341 |
21 | 1,542 | 1,363 |
22 | 1,576 | 1,386 |
23 | 1,610 | 1,409 |
24 | 1,645 | 1,432 |
25 | 1,681 | 1,457 |
30,000 |
In 25 Jahren wird damit das 30-fache des jährlichen Erbbauzinses bezahlt. Es ergibt sich also ein Zuschlag von 20 % zum 25-fachen Jahreswert.
b) Auch die Bewertung des Vorkaufsrechts für das Erbbaurecht hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. In der Regel ist der Wert des auf ein Erbbaurecht bezogenen Vorkaufsrechts in Höhe des halben Wertes der Erbbaurechts zuzüglich der voraussichtlichen Baukosten anzusetzen (§ 20 Abs. 2 KostO). Der Grund dieser gesetzlichen Regelung wird überwiegend darin gesehen, dass die wirtschaftliche Bedeutung eines Vorkaufsrechtes gegenüber dem Erwerb geringer zu veranschlagen ist, weil noch nicht feststeht, ob dieses jemals ausgeübt wird. Es liegt daher auch nahe, darüber hinaus eine Abweichung vom Regelfall dann anzunehmen und einen ermäßigten Wert anzusetzen, wenn die Wahrscheinlichkeit einer Ausübung des Vorkaufsrechtes nach den getroffenen vertraglichen Regelungen und den tatsächlichen Umständen gegenüber durchschnittlichen Fällen deutlich verringert ist (OLG Zweibrücken JurBüro 2000, 427/428, BayObLG JurBüro 1997,487, Korintenberg/Bengel, aaO § 20 Rn. 40 a). Dies ist insbesondere dann angenommen worden, wenn der Eigentümer auch dadurch gesichert ist, dass die Veräußerung des Erbbaurechtes seiner Zustimmung bedarf (OLG Braunschweig, Beschluss vom 6.08.1968, in Lappe KostRspr KostO § 20 Abs. 2 Nr. 18). Demgegenüber haben das OLG Celle in einer älteren Entscheidung (DtNotZ 1960, 51 ff., 52) und das OLG Schleswig (JurBüro 1982, 1867 ff.) den Regelgegenstandswert für zutreffend gehalten. Welcher Ansicht der Vorzug zu geben ist, bedarf jedoch deshalb keiner Entscheidung, weil der Wertansatz des Landgerichts jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden ist, auch wenn man der Auffassung des OLG Zweibrücken und des BayObLG folgt.
Ist nämlich - wie hier - der Grundstückseigentümer mit dem Vorkaufsberechtigten am Erbbaurecht identisch, wird er gerade in den Fällen, in denen ihm die Ausübung des Vorkaufsrechts günstig erscheint, die Zustimmung zur Veräußerung nicht versagen, sondern das Vorkaufsrecht ausüben. Zudem bedarf nach dem Vertrag die Veräußerung an ein mit der Beteiligten zu 1 verbundenes Unternehmen nicht der Zustimmung des Grundstückeigentümers. Im kaufmännischen Bereich kommen Vermögensumschichtungen innerhalb von Konzernen durchaus häufig vor, wobei im Einzelfall auch Kaufverträge geschlossen werden. Insgesamt ist im vorliegenden Fall die Wahrscheinlichkeit einer Ausübung des Vorkaufsrechtes nach den getroffenen vertraglichen Regelungen und den tatsächlichen Umständen gegenüber durchschnittlichen Fällen nicht so deutlich verringert, dass aus Rechtsgründen ein Abweichen vom Regelgeschäftswert des § 20 Abs. 2 KostO geboten ist. Die Angemessenheit und Zweckmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung ist auch hier der Nachprüfung durch das Gericht der weiteren Beschwerde entzogen.
c) Zu Recht geht das Landgericht bei der Bewertung des Vorkaufsrechts für das Grundstück von einem Geschäftswert von 527.257,50 EUR aus. Die eigenen Angaben der Vertragsparteien sind zu beachten. Geben die Vertragsparteien einen höheren Wert an als sich aus den Bodenrichtwerten ergeben würde, ist dieser bei der Bewertung in der Regel maßgebend: Die Vertragsparteien haben sich in diesem Fall über den Wert eines Grundstücks selbst eine konkrete Vorstellung gemacht, die gerade das vom Vertrag betroffene Grundstück betrifft. Die Bodenrichtwerte beruhen dagegen auf Vergleichswerten von Grundstücken in der gleichen Lage und Gegend: Die Vorstellungen einer Partei, die auch in die Kaufpreisfindung eingehen, haben dem gegenüber größere Richtigkeitsgewähr.
Ende der Entscheidung
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