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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 04.09.2007
Aktenzeichen: 32 Wx 104/07
Rechtsgebiete: FGG, KostO


Vorschriften:

FGG § 28 Abs. 2
KostO § 18 Abs. 2 Satz 2
KostO § 20 Abs. 1
KostO § 156
1. Das Oberlandesgericht München muss eine Sache nicht dem Bundesgerichtshof vorlegen, wenn es von einer Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts abweichen will. Die Pflicht zur Vorlegung entfällt nämlich, wenn das Gericht, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, nicht mehr besteht aus dem Reichsgebiet ausgeschieden ist oder wenn die Zuständigkeit auf das jetzt entscheidende Oberlandesgericht übergegangen ist.

2. Dient die Beurkundung eines Kaufvertrags ausdrücklich der Vermeidung der Enteignung, so bleiben in den Kaufvertrag aufgenommene Nutzungsentschädigungen für die Zeit der vorzeitigen Besitzeinweisung oder vorzeitigen Besitzüberlassung, die durch Verzinsung der Entschädigung ab dem Zeitpunkt des Besitzübergangs auf den Enteignungsbegünstigten geleistet werden, bei der Bemessung des Geschäftswert nach § 18 Abs. 2 KostO außer Betracht.


32 Wx 104/07

Beschluss

Der 32. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht, Vorsitzenden Richters am Bayerischen Obersten Landesgericht a.D. Joachimski, der Richterin am Oberlandesgericht Dr. Wiringer-Seiler und des Richters am Oberlandesgericht Wimmer

am 4. September 2007

in der Notarkostensache

auf die weitere Beschwerde der Kostenschuldnerin

beschlossen:

Tenor:

Auf die weitere Beschwerde wird der Beschluss des Landgerichts Regensburg vom 20. Juni 2007 dahingehend abgeändert, dass die dem Kostengläubiger zustehenden Kosten auf 671,00 EUR festgesetzt werden.

Gründe:

I.

Der Kostengläubiger beurkundete am 11.10.2006 einen Kaufvertrag, mit dem ein Grundabtreter zur Vermeidung der Enteignung und zur Durchführung einer Baumaßnahme für eine Bundesautobahn verschiedene Grundstücksflächen an die Kostenschuldnerin verkaufte. In diesem Vertrag verpflichtete sich die Kostenschuldnerin, eine vorläufige Gesamtentschädigung von 142.358,70 EUR, eine vorläufige Verzinsung von 172.857,58 EUR für die Zeit vom 1.6.1985 bis 30.10.2006, die auf Grundlage des BGH-Urteils vom 28.11.1997 (V ZR 240/96) berechnet wurde, sowie Anwaltskosten in Höhe einer 30/10 Gebühr nach § 11 BRAGO zu zahlen.

Der Kostengläubiger legte seiner Tätigkeit einen Geschäftwert von

vorläufige Gesamtentschädigung 142.358,70 EUR

vorläufige Verzinsung 172.857,58 EUR

Rechtsanwaltkosten geschätzt 2.000,00 EUR

Geschäftswert 317.216,28 EUR

zugrunde und stellte nach entsprechendem Hinweis im Verfahren der weiteren Beschwerde folgende Rechnung:

...

Gegen diese Rechnung wandte sich die Kostenschuldnerin mit der Begründung, Zinsen und Rechtsanwaltskosten seien bei der Bemessung des Geschäftswerts nach § 18 Abs. 2 Satz 2 KostO nicht zu berücksichtigen.

Das Landgericht wies die Beschwerde mit Beschluss vom 20.6.2007 zurück. Hiergegen wendet sich die Kostenschuldnerin mit der vom Landgericht zugelassenen weiteren Beschwerde, die beim Gericht am 3.7.2007 eingegangen ist.

II.

Die Akten waren nicht gemäß § 28 Abs.2 FGG dem Bundesgerichtshof vorzulegen.

1. Die Abweichung von der Entscheidung des BayObLG vom 21.9.1966 (MittBayNot 1966, 365) führt nicht zur Vorlage, da das BayObLG nicht mehr besteht. Die Pflicht zur Vorlegung entfällt, wenn das Gericht, von dessen Entscheidung abgewichen wird, nicht mehr besteht, aus dem Reichsgebiet ausgeschieden ist, oder wenn die Zuständigkeit auf das jetzt entscheidende Oberlandesgericht übergegangen ist (Jansen FGG 2. Auflage § 28 Rn. 11 m.w.N.; Keidel/Meyer-Holz FGG 15. Aufl. § 28 Rn. 22).

2. Die Entscheidungen BGH MDR 1971, 2003, OLG Hamm JurBüro 1973, 145, OLG Köln MDR 1969, 771 und OLG Koblenz JurBüro 1999, 197 betreffen entweder andere Rechtsfragen oder sind nicht in einem Verfahren über die weitere Beschwerde ergangen (§ 28 Abs. 2 FGG).

III.

Die zugelassene weitere Beschwerde ist begründet.

1. Die Entscheidung ist nicht schon deshalb aufzuheben, weil das Landgericht nicht beachtet hat, dass mangels Zitierung der genauen Auslagenvorschriften keine ordnungsgemäße, dem § 154 KostO entsprechende Notarrechnung vorliegt.

Der Notar muss zwar die seine Kosten rechtfertigenden Kostenvorschriften in der Kostenberechnung vollständig angeben. Regelt eine Vorschrift mehrere Gebührentatbestände, so sind auch die maßgebenden Absätze und eventuelle weitere Untergliederungen aufzuführen (OLG Hamm JurBüro 1981, 419; OLG Düsseldorf JurBüro 1983, 1244; BayObLG JurBüro 1984, 1228). Dies gilt auch für Auslagen (BayObLG DNotZ 1984, 646; Senatsentscheidung vom 3.11.2005 - 32 Wx 111/05) jedenfalls dann, wenn sich der angewendete Gebührentatbestand nicht aus den Gesamtumständen ergibt (OLG Hamm JurBüro 1992, 343; BGH NJW-RR 2007, 784 f.). Die erforderlichen Untergliederungen haben sich an der zu zitierenden gesetzlichen Vorschrift zu orientieren. Nennt eine gesetzliche Vorschrift neben Absätzen auch Nummern und sind diese weiter nach Buchstaben unterteilt, sind auch letztere zu zitieren.

Der Beschwerdegegner hat jedoch eine dem Zitiergebot genügende Rechnung im Laufe des Verfahrens der weiteren Beschwerde nachgereicht. Wenngleich in diesem Verfahren in der Regel keine neuen Tatsachen vorgetragen werden können, macht die Rechtsprechung aus Gründen der Prozessökonomie dann eine Ausnahme, wenn die neuen Tatsachen ohne weitere Ermittlungen feststehen, weil sie sich unzweideutig aus den Akten ergeben (Keidel/Meyer-Holz FGG 15. Aufl. § 27 Rn. 45 m.w.N.). Dies ist bei der Vorlage der neuen Rechnung der Fall (vgl. auch Senatsentscheidung vom 6.6.2006 FGPrax 2006, 180).

2. Das Landgericht hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:

Zwar sei nach § 18 Abs. 2 KostO nur der Hauptgegenstand für die Bewertung maßgebend. Nach § 20 Abs. 1 KostO sei in jedem Falle der Kaufpreis maßgebend, also der Nennbetrag der Geldleistung ohne Rücksicht auf Fälligkeit und Verzinsung. Die nach Kaufvertrag zu leistenden "Zinsen" seien jedoch keine Zinsen im Sinne des § 18 Abs. 2 Satz 2 KostO, deshalb sei maßgebend die Gesamtentschädigung. Auch die zu erstattenden Rechtsanwaltskosten seien zusätzlich zu bewerten.

3. Die Ausführungen des Landgerichts halten der rechtlichen Nachprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand (§ 156 Abs. 4 Satz 4 KostO, § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 546 ZPO).

a) Für die Bestimmung des Geschäftswerts ist auf § 20 Abs. 1 KostO abzustellen: Maßgebend ist danach der Kaufpreis bzw. der höhere Wert des Grundstücks. Zwar sind vom Käufer übernommene oder zusätzlich infolge der Veräußerung obliegende Leistungen hinzuzurechnen, doch haben auch hier Früchte, Nutzungen, Zinsen, Vertragstrafen und Kosten nach § 18 Abs. 2 Satz 2 KostO außer Betracht zu bleiben, sofern sie nicht Gegenstand eines besonderen Geschäfts sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (WM 1969, 101 ff.; BauR 1970, 168 f.) fallen nach Verzinsungsregeln berechnete Nutzungsentschädigungen für die vorzeitige Besitzeinweisung (vgl. Art. 13 Abs. 2, Art. 39 Abs. 4 BayEG) oder vorzeitige Besitzüberlassung unter diese Vorschrift, weil der Gesetzgeber diesen Anspruch als Nebenanspruch ausgestattet hat.

Diese Rechtsanwaltsgebühren und Gerichtskosten betreffende Entscheidungen sind auf Beurkundungsgebühren dann zu übertragen, wenn der beurkundete Abschluss des Kaufvertrags, wie hier, ausdrücklich zur Vermeidung der Enteignung erfolgt (vgl. auch OLG Zweibrücken MDR 1987, 334).

b) Gleiches gilt für die nach dem Vertrag zu erstattenden Rechtsanwaltskosten von 2000 EUR. Im Übrigen würden auch diese bei Hinzurechnung keine höhere Gebühr zum Anfall bringen.

c) Die Bemessung des Geschäftswerts für die nach § 147 Abs. 2 KostO berechneten Tätigkeiten ist nicht angefochten.

d) Damit ergibt sich folgende Berechnung:

 Gebührenvorschrift Geschäftswert Kostenbetrag
36 Abs. 2 KostO 142.358,70 EUR 564,00 EUR
Ermäßigung nach § 144 KostO um 40 %  225,60 EUR
ermäßigte Gebühr  338,40 EUR
§ 147 Abs. 2 KostO Fälligkeit 94.964,88 EUR 103,50 EUR
§ 147 Abs. 2 KostO Anweisung 63.043,26 EUR 81,00 EUR
§ 152 Abs. 1, § 136 KostO Dokumentenpauschale  30,55 EUR
§ 137, § 152 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 KostO Auslagen  25,00 EUR
Zwischensumme  578,45 EUR
§ 151 Abs. 1 a KostO Umsatzsteuer 16 %  92,55 EUR
Gesamtbetrag  671,00 EUR

4. Eine Kostenentscheidung und eine Entscheidung über den Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde waren nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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