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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 21.09.2006
Aktenzeichen: 32 Wx 108/06
Rechtsgebiete: GBO


Vorschriften:

GBO § 19
1. Entspricht die rechtliche Bezeichnung einer in notarieller Urkunde enthaltenen Eintragungsbewilligung für eine Grundstücksbelastung nicht dem tatsächlichen Inhalt der Verpflichtung, so bedarf die gesamte Erklärung der Auslegung.

2. Bei dieser Auslegung kann das Grundbuchamt statt der in der Urkunde fehlerhaft bezeichneten Belastung für die Eintragung die zutreffende wählen.


Gründe:

I.

Die Rechtsvorgänger des Beteiligten zu 1 - seine Eltern - erwarben zu notarieller Urkunde vom 19.8.1958 von der Beteiligten zu 2 den verfahrensgegenständlichen Grundbesitz. In dem Kaufvertrag räumte die Beteiligte zu 2 den Erwerbern auf ihren angrenzenden Grundstücken je ein unentgeltliches Geh- und Fahrrecht ein. An diesen Grundstücken wurde zu Gunsten der Käufer je eine Grunddienstbarkeit bestellt. Die Käufer verpflichteten sich ihrerseits als Eigentümer in "für sich und ihre Besitz- und Rechtsnachfolger im Eigentum dieses Grundstückes verbindlicher Weise den jeweiligen Eigentümern der zuvor verpflichteten Grundstücke gegenüber, das in Frage kommende Wegegrundstück auf eigene Kosten in gut befahrbaren Zustand zu erhalten und zwar die Wegflächen von der Abzweigung eines Weges bis zum verfahrensgegenständlichen Grundstück. Zur Sicherung dieser Verpflichtung räumten die Käufer in der notariellen Urkunde den jeweiligen Eigentümern der vorgenannten Grundstücke eine Grunddienstbarkeit ein und bewilligten und beantragten den Eintrag derselben an dem dienenden Grundstück.

Im Grundbuch des verfahrensgegenständlichen Grundstücks wurde in Abteilung 2 unter laufender Nummer 1 ohne weitere Überschrift folgendes eingetragen:

"Verpflichtung zur Unterhaltung eines Wegestückes für jeweilige Eigentümer von FlstNr. XXX, YYY und ZZZ je Gemarkung A; gemäß Bewilligung vom 19.8.58 - ..."

Der Beteiligte zu 1 erwarb 1995 den verfahrensgegenständlichen Grundbesitz gegen Einräumung eines Wohnungs- und Benutzungsrechts zu Gunsten seiner Eltern von diesen. Er beantragte am 14.9.2005 die Löschung der oben bezeichneten Eintragung. Die Beteiligte zu 3 stimmte diesem Antrag zu, die Beteiligte zu 2 jedoch nicht. Das Amtsgericht - Grundbuchamt - erließ am 14.3.2006 folgenden Beschluss.

"Es wird festgestellt, dass die im Grundbuch in Abteilung II unter Nr. 1 eingetragene Verpflichtung zur Unterhaltung eines Wegstückes gegenstandslos ist, § 87 Buchst. c) GBO".

Zur Begründung wurde festgestellt, dass die bezeichneten Wegflächen nunmehr zu einer öffentlichen Straße gehören, die im Eigentum der Beteiligten zu 3 steht. Gegen diesen Beschluss legte die Beteiligte zu 2 Beschwerde ein, welche das Landgericht mit Beschluss vom 18.5.2006 zurückwies. Gegen diesen ihr am 1.6.2006 zugestellten Beschluss legte die Beteiligte zu 2 mit Anwaltsschriftsatz am 14.6.2006 weitere Beschwerde ein.

II.

Die weitere Beschwerde ist gemäß § 78 GBO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 2 ergibt sich schon daraus, dass diese eine Grundbuchposition zu verlieren droht (vgl. auch Kuntze/Ertl/Herrmann/Eickmann, GBO, 5.Auflage, RN 4 zu § 89 GBO). Ob die Grundbuchposition hier tatsächlich einen rechtlichen Vorteil bietet, ist Frage der Begründetheit der Beschwerde. Die Frist des § 89 Abs.1 GBO ist gewahrt. In der Sache bleibt der weiteren Beschwerde ein Erfolg versagt.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die im verfahrensgegenständlichen Grundbuch eingetragene Belastung in Ziffer 1 sei schon deswegen zu löschen, weil sie die Verpflichtung zu einem positiven Tun enthalte. Diese Verpflichtung könne jedoch nicht Gegenstand einer Grunddienstbarkeit sein (BayObLG MittBayNot 2005, 307).

2. Diese Ausführungen halten - jedoch nur im Ergebnis - rechtlicher Nachprüfung stand.

a) Der Senat ist mit dem Bayerischen Obersten Landesgericht (Beschluss vom 25.2.2005, a.a.O.) der Auffassung, dass eine Grunddienstbarkeit, die eine positive Leistungspflicht des Verpflichteten enthält, einen unzulässigen Inhalt hat und deswegen zu löschen ist. Diese Voraussetzungen liegen jedoch nach Ansicht des Senats nicht vor:

Der Grundbucheintrag bezeichnet die Art der Belastung nicht. Dies ist an sich nicht schädlich, weil lediglich der wesentliche Inhalt der Verpflichtung sich aus der Eintragung ergeben muss. Der wesentliche Inhalt der Verpflichtung spricht nach dem Wortlaut der Eintragung eher für eine Reallast als für eine Grunddienstbarkeit. Auch sie ist in Abteilung II des Grundbuchs einzutragen und kann zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks bestellt werden (§ 1105 Abs. 2 BGB). Die inhaltliche Unzulässigkeit der Eintragung ergibt sich demnach nicht direkt aus ihrem im Grundbuch verlautbarten Inhalt.

Sie ergibt sich auch nicht aus einem durch Auslegung nicht aufzulösenden Widerspruch zwischen dem Eintragungsvermerk und der dort in zulässiger Weise in Bezug genommenen Bewilligungsurkunde. Die Bewilligung in der Urkunde enthält zwei Teile: Zum einen wird die Verpflichtung der jeweiligen Eigentümer zur Wegeunterhaltung wiedergegeben, zum anderen wird dies als Grunddienstbarkeit bezeichnet und als solche zur Eintragung bewilligt. Der Senat ist der Auffassung, dass dieser zweite Teil der Erklärung auslegungsfähig ist, weil er nur die rechtliche Bewertung der Verpflichtung seitens des Notars enthält.

Die Auslegung von Eintragungsbewilligungen ist grundsätzlich möglich und kann auch vom Gericht der weiteren Beschwerde vorgenommen werden, da es sich um eine Grundbucherklärung handelt (vgl. BayObLGZ 1984, 158). Bei der Auslegung ist - wie bei der von Grundbucheintragungen - auf Wortlaut und Sinn der Erklärung abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der Erklärung ergibt (vgl. hierzu Demharter, GBO, Rn. 28 zu § 19 m.w.N.). Wie der beurkundende Notar die rechtliche Natur der Eintragungsbewilligung auslegt, ist unerheblich (vgl. hierzu BayObLGZ 2002, 263/265). Auch der Umstand, dass die Erklärung gegenüber einem Notar abgegeben und von diesem aufgenommen wurde, hindert nicht eine Auslegung dahingehend, dass eigentlich eine Reallast gewollt war und nicht eine Grunddienstbarkeit. Dass auch Notare rechtlichen Fehlern unterliegen, ergibt sich aus dem vorliegenden Fall ohne weiteres.

Die Auslegung der Erklärung hat in der Weise zu erfolgen, dass dem wirklichen Willen der Beteiligten Rechnung getragen wird und demgegenüber die rechtliche Bezeichnung der Belastung in den Hintergrund tritt. Gewollt war eine Verpflichtung der Eigentümer zu positivem Tun. Dies hat das Grundbuchamt so auslegen und im Eintragungsvermerk - mit dem auch für eine Reallast geeigneten Eintragungstext - wiedergeben können. Eine inhaltliche unzulässige Eintragung ist demnach entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht vorhanden.

b) Die zunächst wirksame Reallast ist jedoch nachträglich durch eine Veränderung der Eigentumsverhältnisse an den begünstigten Grundstücken im Sinne des § 87 Buchstabe a) GBO gegenstandslos geworden. Sie stand nämlich im Gegenseitigkeitsverhältnis zur Dienstbarkeit zu Gunsten der Eigentümer ihrerseits per Dienstbarkeit verpflichteten Grundstück, die ihnen ein Geh- und Fahrrecht sicherte. Diese Grunddienstbarkeit wurde dadurch gegenstandslos, dass diejenige Fläche, auf die sie sich bezog, Teil einer öffentlichen Straße wurde und in das Eigentum der Gemeinde gelangte (OLG Düsseldorf MDR 1995, 471; die in BayObLGZ 1971, 1 genannte Ausnahme liegt hier nicht vor, weil der Eigentumsübergang durch das Grundbuchamt im Amtsverfahren wirksam festgestellt wurde).

Es kann nun dahinstehen, ob die Reallast wegen des Wegfalls der mit ihr korrespondierenden Grunddienstbarkeit gegenstandslos wurde oder ob insoweit § 1109 Abs. 3 BGB eingreift. Die Beteiligte zu 3 hat der Löschung der Belastung zugestimmt. Sie ist diejenige, die allein aus der Wegeunterhaltsverpflichtung Vorteile ziehen könnte. Die Beteiligte zu 2 kann dies deswegen nicht, weil der Teil des jetzigen Grundstücks, dem die Reallast zum Vorteil gereichen sollte - der Weg also - nunmehr im Eigentum der Beteiligten zu 3 steht. Hinsichtlich des restlichen Teils ist jedenfalls die Reallast gegenstandslos geworden.

Da festzustellen ist, dass die Voraussetzungen des § 87 Buchstabe a) GBO vorliegen, erweist sich die weitere Beschwerde im Ergebnis als unbegründet. Die Alternativen des § 87 GBO stehen zueinander in einem Subsidiaritätsverhältnis (Bauer/von Oefele/Kohler, GBO, RN. 8 zu § 87 GBO). Die Alternative des § 87 Buchst. c ist vor allem für den Fall gedacht, dass der Betroffene unbekannt ist (Kuntze/Ertl/Herrmann/Eickmann, GBO, RN 1 zu § 87 GBO) oder der Löschung widerspricht. Prüfungsmaßstab für die Begründetheit der Beschwerde ist aber immer die Gegenstandslosigkeit im Sinne des Buchst. a).

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst.



Ende der Entscheidung

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