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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 03.11.2005
Aktenzeichen: 32 Wx 111/05
Rechtsgebiete: KostO
Vorschriften:
KostO § 30 Abs. 1 | |
KostO § 154 |
Entscheidung wurde am 30.11.2005 korrigiert: Fehler im Tabellenaufbau wurde behoben
2. Bei der Bemessung des Geschäftswerts für einen Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag ist im Rahmen der durchzuführenden Schätzung nach § 30 Abs. 1 KostO auch die Wahrscheinlichkeit zu berücksichtigen, dass der Verzichtende ohne den Verzicht gesetzlicher Erbe wird. Insbesondere muss, wenn der Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag im Rahmen einer Scheidungsvereinbarung getroffen wird berücksichtigt werden, dass die Vertragsparteien die Scheidung beabsichtigen bzw. in Scheidung leben.
Tatbestand:
Der Beschwerdeführer beurkundete am 2. Februar 2002 eine Scheidungsvereinbarung (URNr. .../2002), in der unter Buchstabe G b ein Erb- und Pflichtteilsverzicht enthalten war. Am 20.02.2002 stellte er folgende Kostenrechnung:
Paragraphen der Kostenordnung | Gegenstand der Gebühr | Gebühr | |
660.001,93 | § 36 II, 39 II, 20 | Vertrag | 2.124,00 EUR |
§ 136, 152 I | Dokumentenpauschale | 50,35 EUR | |
§ 137, 152 II | Auslagen | 42,00 EUR | |
Netto-Gesamtsumme | 2.116,35 EUR | ||
§ 151 a | 16 % Umsatzsteuer | 354,62 EUR | |
Gesamtbetrag | 2.570,97 EUR |
Es folgte die Berechnung des Geschäftswerts für die einzelnen Punkte der Scheidungsvereinbarung. Für den Erb- und Pflichtteilsverzicht setzte der Beschwerdeführer hierbei einen Geschäftswert von EUR 3.000,00 an, da er der Auffassung ist, dass auch der Grad der Wahrscheinlichkeit des Überlebens des Verzichtenden und die Änderung der Vermögensverhältnisse zu berücksichtigen sei und im Hinblick auf die bevorstehende Scheidung nur der Auffangwert des § 30 Abs. 2 KostO von EUR 3000,00 in Betracht komme. Die Gesamthöhe des Geschäftswerts betrug EUR 660.001,93.
Nach Beanstandung der Bewertung für den Erb- und Pflichtteilsverzicht durch die Notarkasse wies der Präsident des Landgerichts Regensburg den Beschwerdeführer zur Einlegung der Beschwerde ein.
Auf die daraufhin eingelegte Beschwerde stellte das Landgericht fest, dass es bei der Kostenrechnung verbleibe und ließ die weitere Beschwerde zu.
Hiergegen richtet sich die auf Weisung des Präsidenten des Landgerichts Regensburg eingelegte weitere Beschwerde; sie hatte Erfolg.
Gründe:
Das Landgericht hat nicht beachtet, dass mangels Zitierung der genauen Auslagenvorschriften keine ordnungsgemäße, dem § 154 KostO entsprechende Notarrechnung vorliegt. Der Notar muss nämlich die seine Kosten rechtfertigenden Kostenvorschriften in der Kostenberechnung vollständig angeben. Regelt eine Vorschrift mehrere Gebührentatbestände, so sind auch die maßgebenden Absätze und eventuelle weitere Untergliederungen aufzuführen (OLG Hamm, 11. September 1980, 15 W 164/80 = JurBüro 1981, 419; OLG Düsseldorf, 3. Juni 1983, 10 W 55/83 = JurBüro 1983, 1244; BayObLG Beschluss vom 18. April 1984, Az: BReg 3 Z 130/83 = JurBüro 1984, 1228). Dies gilt auch für Auslagen (BayObLG Beschluss vom 13. März 1984, Az: 3 Z 165 - 166/83, 3 Z 165/83, 3 Z 166/83 = DNotZ 1984, 646) jedenfalls dann, wenn sich der angewendete Gebührentatbestand nicht aus den Gesamtumständen ergibt (OLG Hamm Beschluss vom 31. Oktober 1991, Az: 15 W 187/91 = JurBüro 1992, 343). Ei-ne nicht dem Zitiergebot entsprechende Kostenberechnung ist ohne Bindung an Anträge ohne weiteres aufzuheben; dem steht auch das Verbot der Schlechterstellung nicht entgegen (BayObLG Beschluss vom 25. Juni 1987, Az: BReg 3 Z 49/87, RReg 3 Z 89/87).
Aus den Gesamtumständen lässt sich nicht entnehmen, wie sich die sonstigen Auslagen nach § 152 Abs. 2 KostO zusammensetzen. Die Höhe der Beträge legt nicht nahe, dass es sich um solche nach § 152 Abs. 2 Nr. 1 a KostO handelt. Was die Grundlage für Auslagen in Höhe von EUR 42,00 sein könnte, ist nicht ersichtlich.
Hierauf hätte aber das Landgericht hinweisen und dem Notar Gelegenheit geben müssen, eine ordnungsgemäße Rechnung nachzureichen (so auch OLG Düsseldorf Beschluss vom 28. September 2000, Az: 10 W 54/00 = MDR 2001, 175). Dies gilt umso mehr, als die Frage der ordnungsgemäßen Rechnung auch von der Aufsichtsbehörde oder der Notarkasse nicht angesprochen war.
Der Beschluss war daher aufzuheben und das Verfahren an das Landgericht zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen.
III.
Der Senat weist für das weitere Verfahren auf folgendes hin:
1. Zu Recht hat das Landgericht entschieden, dass bei der Bemessung des Geschäftswerts für einen Erbverzicht der Grad der Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Verzichtende Erbe geworden wäre, mit zu berücksichtigen ist. Nach der wohl überwiegenden Meinung ist dann, wenn keine Gegenleistung vereinbart ist, der Wert des Verzichtsvertrags nach § 30 Abs. 1 KostO zu schätzen, wobei der Wert des gegenwärtigen reinen Vermögens des Erblassers und des dem Verzichtenden daran zustehenden Anteils sowie der Grad der Wahrscheinlichkeit des Überlebens des Verzichtenden und der Erhöhung oder Verminderung des Vermögens des Erblassers bis zu seinem Tod zu berücksichtigen sind (Rohs/Wedewer, Kostenordnung § 39 Randziffer 14; Beushausen/Küntzel/Kersten/Bühling Kostenordnung § 39 Anmerkung 23; Schmidt JurBüro 62, 326; Schalhorn JurBüro 69, 211).
Dieser Meinung ist zu folgen. Ausgangspunkt für die Bewertung ist der Wert, den der Gegenstand des Geschäfts zur Zeit der Fälligkeit hat (§ 18 KostO). Hierbei ist es bei einem Verzichtvertrag von Bedeutung, auf was letztlich verzichtet wurde. Es ist allgemein anerkannt, dass bei Bewertung von Forderungen die Frage der Beitreibbarkeit mit von Bedeutung ist (Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann KostO 16. Aufl. § 18 RdNr. 20 m.w.N.) und damit eine Schätzung nach § 30 Abs. 1 KostO vorzunehmen ist. Damit wäre die fehlende Beitreibbarkeit auch bei dem Gegenstandswert eines Forderungsverzichts zu berücksichtigen. Ebenso ist die Bewertung des Verzichts auf ein vertraglich vereinbartes Rücktrittsrecht gem. § 30 Abs. 1 KostO nach freiem Ermessen vorzunehmen, wobei die Frage maßgebend ist, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Ausübung des Rücktritts zu erwarten ist (OLG Zweibrücken FGPrax 2000, 43). Nichts anderes kann bei einem Erb- und Pflichtteilsverzicht gelten.
Es kann bei der Schätzung nach § 30 Abs. 1 KostO auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Ehegatten die Scheidung beabsichtigen. Gemäß § 1933 BGB ist das Erbrecht des überlebenden Ehegatten (und damit sein Pflichtteilsrecht) ausgeschlossen, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte. Dies bedeutet, dass der Geschäftswert eines Erb- und Pflichtteilsverzichts, den ein in Scheidung lebender Ehegatte abgibt, erheblich geringer ist als wenn bei denselben Ehegatten eine Scheidung nicht in Aussicht stünde. Mit Rechtskraft der Scheidung entfällt das Erb- (und Pflichtteils-)recht des Überlebenden ohnehin. Ab Zustellung des Scheidungsantrags ist wegen § 1933 BGB die Beurkundung des Erbverzichts nur für den Fall von Bedeutung, dass der Scheidungsantrag nicht begründet sein oder zurückgenommen werden sollte oder ein Ehegatte vor rechtskräftiger Scheidung stirbt, weil der beurkundete Erbverzicht dann die Erben gegenüber dem überlebenden Ehegatten des Nachweises der Scheidungsvoraussetzungen gemäß § 1933 BGB enthebt.
Da § 1933 BGB erst ab Zustellung des Scheidungsantrags eingreift, ist die Beurkundung des Erbverzichts zwar von größerer Bedeutung, wenn die scheidungswilligen Ehegatten einen Scheidungsantrag noch nicht gestellt haben, doch ist die ernsthafte Scheidungsabsicht auch in solchen Fällen geschäftswertmindernd zu berücksichtigen, insbesondere dann, wenn die Beurkundung zur Vorbereitung des Scheidungsverfahrens erfolgt. Durch die Beurkundung des gegenseitigen Erb- und Pflichtteilsverzichts begeben sich die Ehegatten bei bestehender Scheidungsabsicht also nicht der Chance des Erbes in Höhe ihres gesetzlichen Anteils am Reinvermögen des anderen Ehegatten. Vielmehr verzichteten sie auf ein wegen der Wirkungen des Scheidungsverfahrens sehr wertgemindertes Erbrecht. Es wäre deshalb unbillig, wenn der Geschäftswert in Höhe des gesetzlichen Erbteils am Reinvermögen festgesetzt würde. (OLG Stuttgart DNotZ 1992, 750 f).
Soweit in der Kommentarliteratur (Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann KostO 16. Aufl. § 30 RdNr. 33) die Gegenmeinung vertreten wird, ist dem aus den oben genannten Gründen nicht zu folgen, zumal der gleiche Kommentar an anderer Stelle die Meinung vertritt, dass - soweit lediglich die Höhe der Leistungen bedingt ist - der Wert unter Berücksichtigung aller Umstände, besonders der Wahrscheinlichkeit des Bedingungseintritts nach freiem Ermessen zu bestimmen ist (KostO § 18 RdNr. 31).
Die Kommentarmeinung kann sich auch nicht auf eine Entscheidung des OLG München vom 29.03.1939 (DNotZ 1939, 683 f) stützen, da sich die Entscheidung auf die Vorgängernorm der KostO bezog. Ferner betrifft die Frage der Wahrscheinlichkeit der Erbenstellung nicht nur persönliche Verhältnisse der Beteiligten, auf die sich die Entscheidung bezog, sondern die Frage des Bestands des gesetzlichen Erbrechts als solchen.
Soweit der Notar unter Berücksichtigung oben genannter Grundsätze einen Geschäftswert in Höhe des Auffangswerts nach § 30 Abs. 2 KostO von EUR 3000,00 ansetzt, hält sich dies im Rahmen des Ermessens, das der Notar hat und in das auch das Landgericht zu Recht nicht eingegriffen hat (Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann KostO 16. Aufl. § 156 RdNr. 65 m.w.N.; OLG Zweibrücken JurBüro 1981, 1059 f; OLG Düsseldorf JurBüro 1996, 901).
Das Landgericht wird daher die Beschwerde nach Vorliegen einer dem § 154 KostO entsprechenden Rechnung zurückzuweisen haben. Dagegen erweist sich die bisherige Formulierung des Tenors nicht als richtig, da auch eine Weisungsbeschwerde eine echte Beschwerde ist, über die zu befinden ist.
2. Zum Verfahren sei noch bemerkt, dass der Beschluss vom 27.09.2005, mit dem das Verfahren an die Kammer verwiesen wurde, überflüssig war. Nach § 156 Abs. 4 Satz 4 KostO finden die für die Beschwerde geltenden Vorschriften des Gesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit Anwendung. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 FGG ist anders als nach § 568 ZPO Spruchkörper die Zivilkammer (in Besetzung mit 3 Richtern), es sei denn, es finde eine Übertragung nach § 30 Abs. 1 Satz 3 FGG i. V. m. § 526 ZPO auf den Einzelrichter statt.
Ende der Entscheidung
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