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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 28.09.2006
Aktenzeichen: 32 Wx 115/06
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 29
WEG § 43
Ein Antrag auf gerichtliche Abberufung der Mitglieder des Verwaltungsbeirats ist ohne vorherige Anrufung der Wohnungseigentümerversammlung zulässig, wenn feststeht, dass ein entsprechender Antrag abgelehnt werden würde.
Gründe:

I.

Die Beteiligten sind die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft, in der ein Verwaltungsbeirat besteht.

Die Antragsteller haben beim Amtsgericht beantragt, die Mitglieder des Verwaltungsbeirats aus wichtigem Grund abzuberufen. Wegen der behaupteten Abberufungsgründe wird auf die Schriftsätze der Antragsteller Bezug genommen. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 17.3.2006 den Antrag als unbegründet abgewiesen. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde der Antragsteller hat das Landgericht am 14.6.2006 wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller, mit der sie ihr Begehren auf Abberufung der Mitglieder des Verwaltungsbeirats weiter verfolgen.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Den Antragstellern fehle für die sofortige Beschwerde das Rechtsschutzbedürfnis. Eine Abberufung ohne vorherige Einschaltung der Wohnungseigentümergemeinschaft im Rahmen einer Beschlussfassung durch das Gericht würde eine besondere Eilbedürftigkeit für ein gerichtliches Tätigwerden voraussetzen. An einer solchen Eilbedürftigkeit fehle es.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Die Erstbeschwerde ist nicht unzulässig. Insbesondere fehlt den Antragstellern für die Beschwerde nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Die Antragsteller sind durch die Entscheidung des Amtsgerichts beschwert, da ihr Antrag zurückgewiesen wurde. Einer der Fälle, in denen trotzdem für das Rechtsmittel das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, insbesondere ein Rechtsmissbrauch oder eine prozessuale Überholung (vgl. Thomas/ Putzo/Reichold ZPO 27.Aufl. § 572 Rn.18) liegt nicht vor.

b) Der Antrag als solcher ist zulässig. Auch insoweit fehlt es nicht am Rechtsschutzbedürfnis. Zwar ist es richtig, dass über die Abberufung der Mitglieder des Verwaltungsbeirats grundsätzlich die Eigentümergemeinschaft zu entscheiden hat. Daher ist eine Anrufung des Gerichts ohne vorherigen Beschluss der Eigentümerversammlung grundsätzlich nicht möglich. Jedenfalls im vorliegenden Fall führen diese Grundsätze aber nicht zu einer Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses. Die Beteiligten tragen übereinstimmend und glaubhaft vor, dass diejenigen Wohnungseigentümer, die auf der Eigentümerversammlung die Stimmenmehrheit repräsentieren, anderer Auffassung sind als die Antragsteller. Es kann deshalb mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass ein Antrag der Antragsteller auf Abberufung der Mitglieder des Verwaltungsbeirats nicht die erforderliche Mehrheit finden würde. Es wäre deshalb die Befassung der Eigentümerversammlung eine unnötige Förmelei. In solchen Fällen ist die Anrufung des Gerichts auch ohne vorherige Befassung der Eigentümerversammlung möglich (vgl. Weitnauer/Lüke WEG 9.Aufl. § 26 WEG Rn.29).

c) Der Senat sieht sich an einer abschließenden Entscheidung gehindert, da noch weitere tatsächliche Feststellungen zu treffen sind. Die Antragsteller haben Tatsachen vorgetragen, die - ihre Richtigkeit unterstellt - einen wichtigen Grund für die Abberufung der Mitglieder des Verwaltungsbeirats darstellen können. Zwar stellt bei Mitgliedern des Verwaltungsbeirats, die über eine besondere Qualifikation nicht verfügen müssen, nicht bereits jede Fehleinschätzung einen wichtigen Grund zur Abberufung dar. Die Antragsteller haben jedoch u.a. in der Begründung der sofortigen Beschwerde eine vorsätzliche Pflichtverletzung des Verwaltungsbeirats behauptet. So werfen sie dem Verwaltungsbeirat vor, dass ein wichtiger Sachverhalt auf sein Betreiben hin nicht im Protokoll erschienen sei. Sie behaupten ferner, dass die Mitglieder des Verwaltungsbeirats die Wohnungseigentümer über die Korrektheit der Jahresabrechnungen 2000 bis 2004 getäuscht haben. Außerdem werfen sie dem Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats vor, in einem Wohnungseigentumsverfahren vor Gericht die Unwahrheit gesagt und das Gericht bewusst getäuscht zu haben. Zudem legen sie dem Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats zur Last, dass er der früheren Hausverwaltung die Möglichkeit verschaffen wollte, vermögensschädigende Handlungen zu Lasten der Wohnungseigentümer fortzusetzen. Schließlich werfen sie dem Verwaltungsbeiratsvorsitzenden vor, er handle eigenmächtig und offensichtlich zur Vorteilsverschaffung zu Gunsten der früheren Verwalterin und die übrigen Beiratsmitglieder würden diese Handlungen billigen.

Sollten diese Vorwürfe tatsächlich zutreffen, so lägen darin so schwerwiegende Pflichtverletzungen, dass es ordnungsgemäßer Verwaltung (§ 21 Abs.4 WEG) entsprechen würde, die Mitglieder des Verwaltungsbeirats abzuberufen.

Da hierzu tatsächliche Feststellungen nicht getroffen sind, ist die Sache unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

3. Die Kostenentscheidung ist dem Landgericht vorzubehalten. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs.3 Satz 1 WEG.



Ende der Entscheidung

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