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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 09.10.2006
Aktenzeichen: 32 Wx 116/06
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 906 Abs. 2 Satz 2
WEG § 14
WEG § 15
1. Der in der Teilungserklärung vorgesehene Betrieb einer Gaststätte in einem offenen Einkaufszentrum wird nicht dadurch unzulässig, dass in angrenzenden anderen Gewerbebetrieben Geruchsbelästigungen auftreten, die nicht auf einen bestimmungswidrigen Gebrauch der Gaststätte zurückzuführen sind.

2. Ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist zwischen Teileigentümern jedenfalls dann nicht gegeben, wenn die Immissionen Folge einer nach Vereinbarung und Teilungserklärung zulässigen Nutzung sind.


Gründe:

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind Teileigentümer einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Der Antragsteller hat sein Teileigentum zum Betrieb eines Geschäfts mit Damenoberbekleidung und Accessoires vermietet. Die Antragsgegnerin hat ihr Teileigentum zum Betrieb einer Pizzeria vermietet.

Das Teileigentum ist in der Weise konzipiert, dass Geschäfte und Gaststätte zur gemeinsamen Fläche hin geöffnet sind. Als Abschluss der Räumlichkeiten dienen Glasschiebetüren, die außerhalb der Geschäftszeit geschlossen werden.

Der Antragsteller macht Schadensersatzansprüche, u.a. Mietausfall, geltend mit der Behauptung, dass Imissionen aus der Gaststätte der Antragsgegnerin in die Räume des Antragstellers gedrungen seien. Zwischen dem Antragsteller und seiner Mieterin kam es deshalb zu einem Vergleich, in dem der Antragsteller u.a. eine Mietminderung und die Beendigung des Mietverhältnisses akzeptiert hat.

Das Amtsgericht hat dem Antrag voll umfänglich stattgegeben. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Landgericht den Gesamtbetrag um nicht abgerechnete Nebenkosten gekürzt und im Übrigen die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zurückgewiesen. Von den Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz hat es dem Antragsteller 1/10 und der Antragsgegnerin 9/10 auferlegt. Mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde erstrebt die Antragsgegnerin die vollständige Abweisung des Antrags. Der Antragsteller begehrt mit seiner Anschlussbeschwerde die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils hinsichtlich der Nebenkosten und eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zu Tragung aller gerichtlicher und außergerichtlicher Kosten.

II.

Beide Rechtsmittel sind zulässig. Das Rechtsmittel der Antragsgegnerin ist begründet. Das Rechtsmittel des Antragstellers ist unbegründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Betrieb der Pizzeria als solcher sei nach der Gemeinschaftsordnung zulässig. In der Aufteilung als solcher sei zwar die Bezeichnung Bistro/Cafe enthalten, die Gemeinschaftsordnung erlaube jedoch den Betrieb eines Gewerbes jeder Art. Eine Schadensersatzpflicht der Antragsgegnerin bestehe jedoch deshalb, weil sie den nach § 14 Nr. 1 WEG zulässigen Gebrauch überschritten habe. Dies ergebe sich aus den Feststellungen des Sachverständigen, dass Gerüche aus der Pizzeria in das Kleidergeschäft gedrungen seien und sich dort niedergeschlagen hätten. Sollten Mängel am Gemeinschaftseigentum ursächlich dafür sein, dass diese Immissionen stattgefunden hätten, so ändere dieser Umstand nichts an der Störereigenschaft der Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin sei zwar zu einem eigenmächtigen Eingriff in das Gemeinschaftseigentum nicht berechtigt gewesen. Ein Schließen der Glaswand hätte aber die Immissionen verhindert. Dies wäre der Antragsgegnerin auch zumutbar gewesen. Gegebenenfalls hätte der Betrieb der Pizzeria sogar eingestellt werden müssen.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Betrieb einer Pizzeria in den Räumlichkeiten des Antragsgegners nach den Regelungen in der Teilungserklärung und der Gemeinschaftsordnung an sich zulässig ist. Der Senat sieht insoweit keine Veranlassung zu einer anderen Auslegung; er nimmt auf die Entscheidung des Landgerichts insoweit Bezug.

Der Senat vermag dem Landgericht jedoch nicht darin zu folgen, dass der Antragsgegner von seinem Teileigentum einen über das nach § 14 Nr. 1 WEG zulässige Maß hinausgehenden Gebrauch gemacht hat.

Das zulässige Maß im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG wird in erster Linie durch Gebrauchsregelungen nach § 15 Abs. 1 und 2 WEG bestimmt (Weitnauer/Lüke Wohnungseigentumsgesetz, 9. Aufl. § 14 Rn. 3). Wie festgestellt hält sich der Gebrauch des Teileigentums durch die Antragsgegnerin bzw. deren Mieter im Rahmen des von der Gemeinschaftsordnung vorgegebenen Gebrauchs.

Liegt ein solcher zulässiger Gebrauch vor, so haben die übrigen Wohnungs- bzw. Teileigentümer die sich hieraus ergebenden Beeinträchtigungen grundsätzlich zu dulden. Dies gilt selbst dann, wenn dadurch die sich aus Normen oder Richtlinien ergebenen Standards nicht eingehalten werden (Lüke aaO; Ricke/Schmid/Abramenko KK-WEG, § 14 Rn.8 jeweils m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen war die Antragsgegnerin nicht gehalten, den Gaststättenbetrieb einzustellen oder die Glastore auch tagsüber zu schließen.

Nach den tatrichterlichen Feststellungen ist die Erheblichkeit der Immissionen im Bereich des Ladens des Antragstellers auf ein unzureichendes Funktionieren des Lüftungssystems zurückzuführen. Es entsteht ein Abluftstau im Laden des Antragstellers, so dass die Gerüche dort stärker wahrzunehmen sind, als unmittelbar vor der Pizzeria.

Das hat der Antragsgegner nicht zu vertreten. Er ist insoweit zu einseitigen Eingriffen in das Gemeinschaftseigentum nicht berechtigt. Der Antragsteller könnte sich möglicherweise an die Eigentümergemeinschaft, den Verwalter oder den Bauträger halten, was jedoch in diesem Verfahren nicht zu entscheiden ist. Hinzu kommt, dass bei Gaststätten immer mit Immissionen zu rechnen ist. Die Kombination einer Pizzeria und eines nahe liegenden Kleidergeschäftes ist deshalb an sich schon nicht optimal. Dies gilt erst recht, wenn das Einkaufszentrum als "offen" konzipiert ist, mit der Folge, dass während des Geschäftsbetriebs praktisch keine Trennwände zwischen den einzelnen Betrieben vorhanden sind. Soweit das Landgericht darauf hinweist, dass der Mieter des Antragsgegners auch tagsüber die Glastüren hätten schließen müssen, ist die Feststellung, dass dadurch die Immissionen vermieden worden wären, nicht durch tatsächliche Feststellungen des Landgerichts untermauert. Außerdem könnte mit gleichem Recht der Mieterin des Antragstellers angesonnen werden, ihrerseits die Glastür zu schließen und damit das Eindringen von Immissionen in den Ladenraum zu vermeiden bzw. zu verringern. Entsprechendes gilt für eine völlige Schließung der Pizzeria bzw. des Bekleidungsgeschäftes. Dass die Antragsgegnerin bzw. deren Mieter zumutbare Maßnahmen zum Abstellen oder zur Verringerung der Immission unterlassen hätten, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insbesondere kann angesichts der mangelhaften Be- und Entlüftung insgesamt nicht davon ausgegangen werden, dass eine zusätzliche Entlüftungsanlage über dem Pizzaofen die gesamten Immissionen aus der Gaststätte so vermindert hätte, dass eine störungsfreie Nutzung des Bekleidungsgeschäftes möglich gewesen wäre. Ebenso ist nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass der Mieter der Antragsgegnerin beim Betrieb der Pizzeria eine besondere Rücksichtslosigkeit gegenüber den Belangen des Antragstellers oder deren Mieterin an den Tag gelegt hätte oder dass öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt worden wären. Es hat sich hier ein Risiko verwirklicht, das sich aus der Konzeption des Einkaufszentrums und dem engen Beieinanderliegen von tagsüber nicht abgeschlossenen Gewerbebetrieben ergibt. Dieses Risiko kann nicht der Antragsgegnerin auferlegt werden. Ebenso wenig sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Antragsgegnerin die schlechte Klimatechnik zu vertreten hätte.

Dahinstehen kann, ob die Grundsätze des nachbarlichen Ausgleichsanspruchs entsprechend § 906 BGB auf das Verhältnis der Wohnungseigentümer zu einander anwendbar sind (vgl. hierzu OLG Stuttgart ZMR 2006, 391 m. Anm. Dötsch). Ein Ausgleichsanspruch kommt nämlich dann nicht zum Tragen, wenn der Teileigentümer von dem Teileigentum einen Gebrauch macht, der ihm nach Vereinbarungs-/Teilungserklärung zusteht und dabei das sich hieraus ergebende notwendige Maß von Beeinträchtigungen der übrigen Wohnungseigentümer nicht überschritten wird. Der störende Teileigentümer handelt nämlich in solchen Fällen nicht rechtswidrig, da er von seinem Teileigentum einen gegenüber den anderen Wohnungs- und Teileigentümern zulässigen Gebrauch macht.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Antragsgegnerin auch keine rechtliche Möglichkeit gehabt hätte, gegenüber ihrem Mieter irgendwelche einschränkende Maßnahmen durchzusetzen. Dass der Mieter gegen den Mietvertrag verstoßen hat, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Es ist auch nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass der Mieter zu seinen Betrieb einschränkenden Maßnahmen, gegebenenfalls auch bei Zahlung einer Entschädigung, bereit gewesen wäre.

3. Es entspricht der Billigkeit, dass der Antragsteller als Unterlegener die Gerichtskosten trägt (§ 47 Satz 1 WEG). Von der Anordnung einer Erstattung außergerichtlicher Kosten hat der Senat schon im Hinblick auf die unterschiedlichen Entscheidungen in den Instanzen abgesehen (§ 47 Satz 2 WEG).

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.



Ende der Entscheidung

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