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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 07.11.2006
Aktenzeichen: 32 Wx 151/06
Rechtsgebiete: KostO


Vorschriften:

KostO § 14 Abs. 7
KostO § 16
Über die Anordnung der Nichterhebung der Kosten wegen unrichtiger Sachbehandlung hat jedenfalls dann der Einzelrichter zu entscheiden, wenn die Entscheidung nicht zusammen mit der Hauptsacheentscheidung erfolgt.
32 Wx 150/06 32 Wx 151/06

Gründe:

I.

Im Ausgangsverfahren wandte sich die Beteiligte zu 1 mit ihren erfolglosen Beschwerden gegen 2 Beschlüsse des Amtsgerichts, in denen die Betreuerbestellung für die Betroffene teilweise wegen Vorliegens einer Vollmacht aufgehoben und eine Freiheitsentziehung genehmigt wurde.

Das Landgericht brachte im Beschwerdeverfahren der Beteiligten zu 1 mit Kostenrechnungen vom 18.4.2006 und vom 12.6.2006 Sachverständigen- und Zeugenauslagen in Höhe von insgesamt 2.519,40 EUR in Ansatz.

Auf die dagegen erhobene Erinnerung lehnte das Landgericht in Kammerbesetzung zunächst am 12.7.2006 die Niederschlagung der Kosten ab. Ferner wies es am 26.7.2006 die Erinnerung zurück. Gegen diese Beschlüsse richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

Beide angefochtenen Beschlüsse waren aufzuheben, da die Entscheidung durch die Kammer und nicht durch den Einzelrichter unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ergangen ist. Über die Erinnerung hat mangels Übertragung der Entscheidung auf die Kammer nach § 14 Abs. 7, § 163 KostO der Einzelrichter zu befinden, da die Kosten für das Beschwerdeverfahren nach dem 1.7.2004 angesetzt wurden. Dies gilt auch, soweit die Beschwerdeführerin die Nichterhebung der Kosten nach § 16 KostO beantragte. Anträge des Kostenschuldners auf Anordnung der Nichterhebung der Kosten wegen unrichtiger Sachbehandlung sind als Erinnerungen gegen den Kostenansatz nach § 14 KostO anzusehen (BayObLG Beschluss vom 8.7.1993 - 3Z BR 95/93; Rohs/Wedewer/Waldner KostO Stand Mai 2006 § 16 Rn. 17). Damit bestimmt sich auch die Zuständigkeit für die Entscheidung über die Nichterhebung von Kosten wegen unrichtiger Sachbehandlung nach § 14 Abs. 7 KostO.

III.

Für das weitere Verfahren wird auf folgendes hingewiesen:

1. Der Erlass von 2 Beschlüssen ist nicht erforderlich, da über den Antrag nach § 16 KostO im Rahmen der Erinnerung zu entscheiden ist (s. o.).

2. Da das Beschwerdeverfahren über die teilweise Aufhebung der Betreuung konkludent mit dem Verfahren über die Genehmigung von freiheitsentziehenden Maßnahmen verbunden war, war entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 1 keine Aufschlüsselung der Auslagen nach den einzelnen Verfahren vorzunehmen.

3. Sachlich zu Recht hat das Landgericht die Anwendung des § 16 Abs. 1 KostO verneint. Eine unrichtige Sachbehandlung i.S. dieser Vorschrift liegt nach h.M. nur vor, wenn dem Gericht ein offen zutage tretender Verstoß gegen eindeutige gesetzliche Vorschriften oder ein offensichtliches Versehen unterlaufen ist (vgl. BGH NJW 1962, 2107; BayObLGZ 1981, 165; BayObLG JurBüro 1983, 592; Korintenberg/Bengel/ Tiedke KostO 16.Aufl. § 16 Rn.2). Ferner ist Voraussetzung für die Nichterhebung der Kosten, dass diese bei richtiger Sachbehandlung nicht zu erheben wären, d.h, dass diese trotz fehlerhafter Sachbehandlung im obigen Sinne zu erheben sind, soweit diese auch bei richtiger Sachbehandlung zu erheben gewesen wären. Dies kann jedoch hier nicht angenommen werden.

a) Weder die Einholung des Sachverständigengutachtens noch die Durchführung einer Zeugeneinvernahme beinhalten einen derartigen Verstoß oder ein derartiges Versehen. Gemäß § 12 FGG ist das Tatsachengericht verpflichtet, von Amts wegen den für seine Sachentscheidung wesentlichen Sachverhalt zu ermitteln. Art und Umfang der Ermittlungen des Vormundschaftsgerichts richten sich nach der Lage des Einzelfalls. Die Richter der Tatsacheninstanzen entscheiden hierüber nach pflichtgemäßem Ermessen. Das Landgericht hat bei der Auswahl der Maßnahme die Grenzen des Ermessens gemäß § 12 FGG nicht überschritten, zumal die Beteiligte ausdrücklich die Einholung eines Gutachtens beantragte.

b) Auch soweit sich die Beteiligte zu 1 darauf beruft, dass nur durch die unrichtige Sachbehandlung des Amtsgerichts Kosten im Beschwerdeverfahren angefallen sind, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Richtig ist zwar, dass, wenn das Amtsgericht von Amts wegen Beweis über die Geschäftsfähigkeit der Betroffenen im Zeitpunkt der Vollmachtserteilung erhoben hätte, die dort anfallenden Auslagen der Beteiligten zu 1 nach § 2 KostO nicht in Rechnung gestellt werden hätten können. Das Unterlassen der Beweisaufnahme von Amts stellt jedoch im vorliegenden Fall keinen offen zutage tretenden Verstoß gegen eindeutige gesetzliche Vorschriften und kein offensichtliches Versehen dar. Immerhin attestierte die Hausärztin am 11.10.2004, dass die Betroffene detailliert über ihre Vermögensverhältnisse Auskunft geben, sinnvolle Entscheidungen treffen und Vollmachten erteilen konnte. Auch die die Vollmacht beurkundende Notarin hatte den Eindruck, die Betroffene sei geschäftsfähig. Durch die Nichtdurchführung einer Beweisaufnahme in erster Instanz hat sich daher das Amtsgericht noch im Rahmen des ihm eingeräumten pflichtgemäßen Ermessen bewegt. Gleiches gilt auch für das Unterbringungsverfahren.

c) Soweit sich die Beteiligte zu 1 auf die unterlassene Zustellung und die Verletzung rechtlichen Gehörs beruft, wären die in Rechnung gestellten Auslagen auch entstanden, wenn diese von der Beteiligten zu 1 gerügten etwaigen Fehler nicht stattgefunden hätten.

d) Auch soweit die Beteiligte zu 1 rügt, dass eine Zeugin auf 13.00 Uhr geladen und erst zu Ende der mehrstündigen Verhandlung vernommen wurde, liegt keine unrichtige Sachbehandlung durch Unterlassen einer gestaffelten Ladung von Zeugen vor, da das Gericht den Verlauf einer Sitzung nicht genau vorhersehen kann.

3. Bei der erneuten Entscheidung wird das Landgericht auch zu prüfen haben, ob von der Erhebung von Kosten nach § 130 Abs. 5 KostO abzusehen ist. Diese Vorschrift ist nämlich auch im Beschwerdeverfahren anwendbar (Senatsentscheidung vom 3.8.2006 - 32 Wx 122/06, veröffentlicht bei juris; BayObLG NJW 1964, 1474). Die bisherige Aktenlage rechtfertigt allerdings derzeit nicht den Schluss, dass die Beschwerde in unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen Verhältnisse erfolgt ist. Hatte nämlich die Beschwerdeführerin, wie die Betroffene in ihrer Vollmachtbestellung äußerte, kaum Kontakt zur Betroffenen, hätte sie die Behauptung in der Beschwerdeschrift, die Betroffene sei im Zeitpunkt der Vollmachtserteilung geschäftsunfähig, ohne tatsächliche Erkenntnisse "in das Blaue hinein" aufgestellt. Ohne den Erhalt konkreter Hinweise dafür, dass die Betroffene zu einem Zeitpunkt nahe dem 8.11.2004 möglicherweise geschäftsunfähig war, ist die Unkenntnis der Beteiligen jedenfalls nicht unverschuldet.

4. Das Landgericht wird bei der erneuten Entscheidung auch kurz auf die im Schriftsatz vom 15. August 2006 (Bl. 1403/1410 d. A.) unter III (Bl. 1409 f. d.A.) enthaltenen Einwendungen gegen die Höhe der Kosten einzugehen haben.



Ende der Entscheidung

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