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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 05.04.2005
Aktenzeichen: 32 Wx 19/05
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 14
WEG § 22
Ist in einer Gemeinschaftsordnung vorgesehen, dass bauliche Veränderungen nur zulässig sind, wenn ein einstimmiger Beschluss der Eigentümerversammlung vorliegt, so kommt es für die Zulässigkeit einer Maßnahme nicht darauf an, ob diese die übrigen Wohnungseigentümer über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt.
Gründe:

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage.

Über der Wohnung des Antragsgegners befindet sich ein Dachboden, der im gemeinschaftlichen Eigentum steht und nur über eine Zugtreppe aus dem Sondereigentum des Antragsgegners zu erreichen ist. Der Antragsgegner hat die baulichen Veränderungen teils vom Rechtsvorgänger übernommen, teils selbst vorgenommen, deren Rückbau die Antragsteller in diesem Verfahren begehren.

In § 2 der im Grundbuch eingetragenen Gemeinschaftsordnung ist unter anderem Folgendes geregelt:

Die Sondereigentümer dürfen die im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Räume und Gebäude und das Grundstück nicht eigenmächtig verändern, es sei denn, es liegt ein einstimmiger Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vor.

Die Nutzung des Dachbodens war Gegenstand von Erörterungen in der Eigentümerversammlung vom 11.8.2003. In dieser Versammlung beschlossen die Eigentümer mehrheitlich, dass die Familie des Antragsgegners den Dachboden weiterhin unentgeltlich zu Abstellzwecken (nicht zu Wohnzwecken) benutzen dürfe. Voraussetzung sei allerdings, dass die Hausverwaltung zusammen mit einem beliebigen Eigentümer den Dachboden einmal im Jahr auf unerlaubte bauliche Veränderung überprüfe und der Eigentümergemeinschaft bei der Versammlung darüber berichte.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 9.2.2004 dem Antragsgegner aufgegeben, die am Dachboden im Spitzdachbereich eingebrachten Isoliermatten nebst Unterbau zu entfernen und die am Dachboden auf der Grenze zur Nachbarwohnung angebrachte Ytongwand nebst Holztüre zu entfernen. Im Übrigen hat es den Antrag zurückgewiesen. Das Landgericht hat am 21.12.2004 die sofortige Beschwerde der Antragsteller zurückgewiesen und auf die Beschwerde des Antragsgegners den Beschluss des Amtsgerichts abgeändert und den Antrag insgesamt zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig und begründet.

1. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig. Insbesondere ist davon auszugehen, dass die Beschwerdefrist (§ 45 WEG, § 29 Abs. 4, § 22 Abs. 1 FGG) eingehalten ist. Das Empfangsbekenntnis über die Zustellung des Beschlusses des Landgerichts trägt kein Datum und ist am 17.1.2005 bei Gericht eingegangen. Die sofortige weitere Beschwerde wurde mit Telefax vom 26.1.2005 eingelegt.

2. Das Rechtsmittel ist begründet.

a) Das Landgericht hat ausgeführt:

Zwar könnten die Antragsteller grundsätzlich die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Dem Beseitigungsanspruch stehe jedoch entgegen, dass die Rechte der Antragsteller nicht über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt würden. Ohne die baulichen Veränderungen durch die Antragsgegner wäre der Dachbodenbereich für die Zwecke der Antragsgegner ebenso ungeeignet wie für eine gemeinschaftliche Nutzung durch die übrigen Wohnungseigentümer. Die Antragsteller würden durch die Nutzung des Dachbodenbereichs in der Art eines Sondernutzungsrechts durch die Antragsgegner nicht weiter in ihren Rechten, insbesondere in ihrem Sondereigentum berührt.

b) Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

aa) Die Zulässigkeit der baulichen Veränderungen beurteilt sich nicht nach §§ 22, 14 WEG. Nach einhelliger Auffassung (vgl. z.B. Palandt/Bassenge 64. Aufl. § 22 WEG Rn. 23) ist § 22 WEG in allen Punkten durch Vereinbarung abdingbar. Insbesondere kann ein völliges Änderungsverbot oder eine Abhängigmachung der Änderung von der Zustimmung aller Wohnungseigentümer vereinbart werden. Auf eine Beeinträchtigung im Sinn von § 14 Nr. 1 WEG kommt es bei einer solchen Vereinbarung nicht an (BayObLG WuM 2004, 495).

Ein einstimmiger Beschluss, der die baulichen Veränderungen genehmigt hätte, liegt nicht vor. Der Beschluss vom 11.8.2003 wurde zum einen nicht einstimmig gefasst, zum anderen betrifft er nicht die baulichen Veränderungen, sondern die Nutzungsbefugnis. Vielmehr ist in dem Beschluss ausdrücklich festgehalten, dass der Dachboden auf unerlaubte bauliche Veränderung zu überprüfen ist.

bb) Dem Beseitigungsverlangen der Antragsteller stehen weder Treu und Glauben (§ 242 BGB) noch das Schikaneverbot (§ 226 BGB) entgegen.

Der Antragsgegner kann sich insbesondere nicht darauf berufen, dass sämtliche übrigen Wohnungseigentümer verpflichtet sind, die in § 2 der Gemeinschaftsordnung vorgesehene Zustimmung zu erteilen. Es kann dahinstehen, ob § 2 der Gemeinschaftsordnung dahin auszulegen ist, dass die übrigen Wohnungseigentümer willkürlich über die Zustimmung entscheiden können oder ob sie an ein freies oder pflichtgemäßes Ermessen gebunden sind. In jedem Fall ist zunächst eine Entscheidung der Eigentümerversammlung über die Zulässigkeit der baulichen Maßnahmen herbeizuführen. Das dabei den Wohnungseigentümern in jedem Fall zustehende Ermessen ist von den Gerichten zu respektieren und kann nicht durch eine gerichtliche Entscheidung im Beseitigungsverfahren ersetzt werden. Dass es nur eine richtige Entscheidung, nämlich die Zustimmung, gäbe, ist nicht ersichtlich. Vielmehr ist es grundsätzlich so, dass der Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums allen Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zusteht und eine ausschließliche Nutzung durch einen bestimmten Wohnungseigentümer und damit verbunden auch eine ausschließliche Entscheidung über bauliche Veränderungen in der Regel nicht in Betracht kommt (vgl. BayObLGZ 2001, 25/28). Davon abgesehen dient die Regelung des § 2 der Gemeinschaftsordnung auch dazu, dass von vornherein geklärt ist, ob die bauliche Veränderung erfolgen darf. Dieser Zweck würde unterlaufen, wenn unzulässige bauliche Veränderungen nachträglich dadurch sanktioniert werden könnten, dass im Beseitigungsverfahren über den Zustimmungsanspruch gestritten wird.

Das Beseitigungsverlangen ist auch nicht aus anderen Gründen rechtsmissbräuchlich. Es besteht ein Interesse der Wohnungseigentümer daran, dass die Bestimmungen der Gemeinschaftsordnung eingehalten werden. Die Antragsteller und die übrigen Wohnungseigentümer müssen es nicht hinnehmen, dass der Antragsgegner so verfährt, als stünde ihm ein Recht an dem Dachboden zu. Die künftige Entwicklung und eine eventuelle gemeinschaftliche Nutzung des Dachbodens durch alle Wohnungseigentümer sind derzeit noch nicht absehbar. Auf Zusicherungen seines Verkäufers kann sich der Antragsgegner wegen der Relativität der Schuldverhältnisse nicht berufen. Das durch Art. 14 GG geschützte Miteigentumsrecht der übrigen Wohnungseigentümer hat deshalb Vorrang vor dem Nutzungsinteresse des Antragsgegners und den damit verbundenen baulichen Veränderungen.

3. Es entspricht der Billigkeit (§ 47 Satz 1 WEG) den unterlegenen Antragsgegner mit den Gerichtskosten zu belasten. Für die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten besteht schon im Hinblick auf die unterschiedlichen Entscheidungen der Vorinstanzen keine Veranlassung (§ 47 Satz 2 WEG).

Die in Übereinstimmung mit den unbeanstandeten Festsetzungen der Vorinstanzen getroffene Geschäftswertfestsetzung folgt aus § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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