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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 25.01.2005
Aktenzeichen: 32 Wx 3/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1018
Eine Grunddienstbarkeit ist nicht schon deswegen inhaltlich unzulässig, weil die Einhaltung der in ihr festgeschriebenen Unterlassungsverpflichtung den Eigentümer wirtschaftlich zu einem bestimmten Tun (Wärmebezug von einem Unternehmen) zwingt.
Tatbestand:

Der Beteiligte ist Eigentümer eines Grundstücks. In Abteilung II des Grundbuchs ist unter lfd. Nr. 2 Folgendes vorgetragen:

"Grunddienstbarkeit (Unterlassen des Errichtens, Betreibens, Bereitstellens und Beziehens von Wärme zur Raumheizung und Brauchwarmwasser sowie Heizanlagenbetreibungsrecht) für den jeweiligen Eigentümer von BV Nr. 1 in Band ..., Blatt ...; gemäß Bewilligung vom 29. Mai 1992 und 5. Juni 1996 (UR ....); eingetragen am ... ."

Die im Grundbuch bezeichnete Bewilligung lautet wie folgt:

"Der jeweilige Eigentümer des dienenden Grundstücks hat es zu unterlassen:

a) auf dem dienenden Grundstück Anlagen zu errichten oder zu betreiben oder errichten und betreiben zu lassen, die der Erzeugung von Wärme zur Raumheizung und von Wärme zur Bereitung von Brauchwarmwasser dienen;

b) auf dem dienenden Grundstück von Dritten Wärme oder Brauchwarmwasser zu beziehen oder beziehen zu lassen."

Mit Schriftsatz vom 15.3.2004 legte der Beschwerdeführer beim Amtsgericht eine "Grundbuchbeschwerde" ein und beantragte, die bezeichnete Grunddienstbarkeit zu löschen. Dieser Antrag wurde vom Grundbuchamt zurückgewiesen. Eine gegen die Zurückweisung eingelegte sofortige Beschwerde wies das Landgericht zurück. Gegen den Beschluss des Landgerichts wandte sich die weitere Beschwerde des Beteiligten, mit welcher er sein Löschungsbegehren weiterverfolgte. Das zulässige Rechtsmittel erwies sich als nicht begründet.

Gründe:

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Die Beschwerde sei zulässig, jedoch unbegründet, weil eine Löschung im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO nicht vorzunehmen sei; die Eintragung im Grundbuch sei nämlich inhaltlich zulässig. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.

2. Die sorgfältig und ausführlich begründete Entscheidung des Landgerichts hält rechtlicher Nachprüfung stand:

a. Gemäß § 1918 BGB kann Inhalt einer Grunddienstbarkeit unter anderem sein, dass der Eigentümer des Grundstücks bestimmte Handlungen nicht vornehmen darf. Unstreitig ist es in der Rechtsprechung, dass eine positive Leistungspflicht nicht Gegenstand einer Grunddienstbarkeit sein kann (vgl. hierzu BGH WM 1984, 820/821; 1985, 808/809; 1985, 1003/1004). Dies wird überwiegend aus dem Wortlaut und dem Kontext der Norm gefolgert (vgl. Walter, NJW 1988, 377/387).

Daneben besteht Einigkeit darüber, dass die Dienstbarkeit keine Beschränkung der rechtlichen Verfügungsfreiheit des Eigentümers des belasteten Grundstücks enthalten darf. Es darf durch die Grunddienstbarkeit nur eine Unterlassungspflicht im Hinblick auf eine Beschränkung im tatsächlichen Gebrauch des Grundstücks normiert werden (vgl. BGHZ 29, 244/248).

b. Beide Gründe für die Unzulässigkeit einer Dienstbarkeit liegen nicht vor: Gestaltungen wie die in der eingetragenen Grunddienstbarkeit vorgenommene können zwar als lediglich formelle Unterlassungsdienstbarkeiten bezeichnet werden, da sie materiell im Ergebnis die gleiche Wirkung äußern wie eine positive Verpflichtung zur Vornahme der nach dem Umfang des Verbots allein noch erlaubten Handlung. Aus diesem Grund hat das Bayerische Oberste Landesgericht auch in früheren Entscheidungen (BayObLGZ 1976, 218; MittBayNot 1978, 213; 1982, 242) derartige Grunddienstbarkeiten regelmäßig für unzulässig gehalten. Das Oberlandesgericht Düsseldorf (MDR 1979, 758) hatte damals schon eine entgegen gesetzte Auffassung vertreten.

Zu Recht hebt der Bundesgerichtshof (WM 1984, 820/821) aber hervor, dass eine derartige Differenzierung zwischen einer materiellen und einer lediglich formellen Unterlassungsdienstbarkeit dem Gesetz fremd ist. Eine unmittelbare Rechtspflicht zur Unterlassung ist qualitativ etwas ganz anderes als ein faktischer Zwang zu einem positiven Tun, der sich erst aufgrund der tatsächlichen Besonderheiten des dienenden Grundstücks mittelbar ergibt, etwa weil der Eigentümer eines Gaststättengrundstücks, das mit einem Verbot zum Ausschank von Bier belastet ist, aus wirtschaftlichen Gründen zum Bezug solcher Getränke bei der dienstbarkeitsberechtigten Brauerei gezwungen ist (Staudinger/Mayer, Kommentar zum BGB, Überarbeitung 2002, Rn. 83 zu § 1118). Unter diesen Umständen hat der Bundesgerichtshof gerade die mittelbare dingliche Absicherung von Fernwärmebezugspflichten durch eine Grunddienstbarkeit für zulässig gehalten und auch auf deren wirtschaftliche Bedeutung zur dinglichen Absicherung von Investitionen hingewiesen (BGH a.a.O.).

In gleicher Weise wurde ein Ferienparkbetriebsrecht, wonach eine Eigentumswohnung nur als Ferienwohnung bewirtschaftet und einem wechselnden Personenkreis zur Erholung zur Verfügung gestellt werden darf und wonach allein dem Berechtigten die Verwaltung und Vermietung der Wohnung, die Wärmeversorgung, der Betrieb einer Kabelfernseh- und einer Telefonanlage obliegt, als zulässiger Inhalt einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit angesehen (BGH NJW-RR 2003, 733/735).

c. Die eingetragene Grunddienstbarkeit enthält auch keine unzulässige Beschränkung der rechtlichen Verfügungsfreiheit des Beteiligten, weil dieser nicht in seinen Eigentümerrechten am Grundstück selbst, sondern lediglich in seiner rechtsgeschäftlichen Freiheit durch die Dienstbarkeit beschränkt wird. Es ist zwar dem Beschwerdeführer zuzugeben, dass angesichts der tatsächlichen Verhältnisse in Deutschland die Nutzung eines Grundstücks ohne Wärmebereitung in sehr hohem Maße eingeschränkt ist. Aus diesem Grund läuft wohl auch die in der Dienstbarkeit normierte Verpflichtung im Ergebnis darauf hinaus, dass der Eigentümer in seinen rechtlichen Möglichkeiten eingeengt ist. Dies genügt aber nicht zur inhaltlichen Unzulässigkeit einer solchen Grunddienstbarkeit, weil jede Unterlassungsverpflichtung den Handlungsspielraum des Verpflichteten mehr oder weniger einschränkt. Der entscheidende Gesichtspunkt ist vielmehr die Unmöglichkeit einer sachgerechten Abgrenzung zwischen der noch ausreichenden Entscheidungsmöglichkeit und der Situation, in welcher der Eigentümer zwangsläufig in eine bestimmte Richtung gedrängt wird.

d. Schließlich verstößt die eingetragene Dienstbarkeit nicht gegen die guten Sitten, weil sie lediglich die Sicherung schuldrechtlicher Beziehungen über die damaligen subjektiven Vertragsgrenzen hinaus bezweckte. Ihre Bestellung war aus diesem Grund weder eine Gesetzesumgehung noch ein Scheingeschäft im Sinne des § 117 BGB.

e. Der Senat folgt daher nicht den zitierten Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts. Eine Vorlageverpflichtung nach § 79 Abs. 2 Satz 1 GBO resultiert hieraus nicht: Es kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob das Gesetz zur Auflösung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 25.10.2004 (GVBl S. 400) auch dahingehend auszulegen ist, dass das Oberlandesgericht München im zivilrechtlichen Zuständigkeitsbereich des Bayerischen Obersten Landesgerichts dessen Rechtsnachfolger ist. Jedenfalls folgt der Senat mit seiner Entscheidung aber einer solchen des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 2.3.1984 (WM 1984, 820), so dass keine Verpflichtung zur Vorlage an den Bundesgerichtshof besteht (vgl. hierzu Kuntze/Ertl/Hermann/Eickmann Grundbuchrecht 5. Aufl. 1999, Fn. 40 zu § 79, Rn. 14). Dass der Bundesgerichtshof im Urteil vom 2.3.1984 nicht in einer Grundbuchsache entschieden hat, ist dabei unschädlich. Es kommt lediglich darauf an, dass die Auslegung einer das Grundbuchrecht berührenden Vorschrift Gegenstand des Urteils war (vgl. hierzu Kuntze/Ertl/Herrmann/Eickmann a.a.O. Rn. 18 zu § 79, Fn. 53 m.w.N.).

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