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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 30.04.2008
Aktenzeichen: 32 Wx 35/08
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 1004
WEG § 15
1. Aus der Bezeichnung eines Teileigentums als Laden kann nicht abgeleitet werden, dass die Öffnungszeiten auf die zulässigen Öffnungszeiten zum Zeitpunkt der Eintragung der Teilungserklärung im Grundbuch beschränkt sind.

2. Ein Aufstellen von Tischen vor dem Geschäft zum Verzehr dort gekaufter Waren ist mit einer Zweckbestimmung als Laden nicht vereinbar.

3. In einem als Laden bezeichneten Raum kann eine Postfiliale betrieben werden.


Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Nutzung einer als Laden bezeichneten Teileigentumseinheit.

Das Amtsgericht hat es der Antragsgegnerin untersagt, vor dem Teileigentum Tische aufzustellen zum Zwecke des Verzehrs von Speisen und Getränken, die im Laden gekauft wurden, das Ladengeschäft am Sonntag zu öffnen und in dem Laden eine Postfiliale bzw. die Vornahme von Postbankgeschäften zu betreiben. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Landgericht mit Beschluss vom 5.2.2008 die amtsgerichtliche Entscheidung dahin abgeändert, dass entsprechend dem gestellten Antrag die Öffnung des Ladens am Sonntag von 8 -11 Uhr untersagt wird und dass das Verbot zur Vornahme von Post und Postbankgeschäften aufgehoben wird. Gegen die Entscheidung des Landgerichts haben die Antragsteller und die Antragsgegnerin weitere Beschwerde eingelegt.

II.

Die Rechtsmittel sind zulässig. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin ist teilweise begründet, die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller ist unbegründet.

1. Der Senat teilt die auch von dem Beteiligten nicht in Zweifel gezogene Auffassung des Landgerichts, dass es sich bei der Bezeichnung als Laden um eine Vereinbarung mit Zweckbestimmungscharakter und damit zur zulässigen Nutzung handelt.

2. Entgegen der Auffassung des Landgerichts verbietet die Zweckbestimmung als Laden jedoch nicht, dass das Geschäft auch sonntags von 8 - 11 Uhr geöffnet ist. Der Senat vermag sich der Auffassung des Landgerichts nicht anzuschließen, dass die Bezeichnung als Laden statischen Charakter in dem Sinne entwickelt, dass die zum Zeitpunkt der Abfassung der Teilungserklärung geltenden Ladenschlusszeiten eingehalten werden müssen.

Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt des Landgerichts, dass bei der Auslegung einer Grundbucheintragung im Grundsatz von den Verhältnissen im Zeitpunkt der Eintragung auszugehen ist (OLG Hamburg MDR 1998, 1156). Das klärt aber nicht die Frage, welche Bedeutung Ladenöffnungszeiten und ihre Veränderung für die wohnungseigentumsrechtlich zulässige Nutzung haben.

Ein Laden gestattet den Verkauf von Waren an Endverbraucher innerhalb der gesetzlichen Öffnungszeiten (vgl. z.B. OLG München NZM 2008, 44; Schmid/Kahlen, Wohnungseigentumsgesetz, § 14 Rn. 96). Soweit der Begriff Laden impliziert, dass dieser nur während der gesetzlichen Öffnungszeit geöffnet ist, beruht dies darauf, dass eine weitergehende Nutzung schon aus öffentlich-rechtlichen Gründen nicht zulässig ist. Bereits das schließt es aber nicht aus, dass in dem Laden auch außerhalb der gesetzlichen Öffnungszeiten Tätigkeiten entwickelt werden, wie etwa das Auffüllen der Regale. Das Merkmal der Öffnungszeiten wird vor allem auch dann herangezogen, wenn es darum geht, andere Nutzungsarten zu beurteilen im Hinblick darauf, ob sie mehr stören als die Nutzung als Laden. All dies beantwortet jedoch nicht die Frage, welche Nutzungsmöglichkeiten gegeben sind, wenn sich die rechtlichen Rahmenbedingungen ändern.

Dabei bedarf die Frage keiner Entscheidung, ob sich die Wohnungseigentümer über § 14 Nr. 1 WEG hinaus auf die Nichteinhaltung gesetzlich vorgeschriebener Ladenschließungszeiten berufen können. Ein solcher Fall liegt nicht vor. Jedenfalls dann, wenn sich die Nutzung des Ladens in zeitlicher Hinsicht innerhalb der gesetzlichen Vorschriften hält, steht die Bezeichnung als Laden einer Öffnung innerhalb der gesetzlichen Ladenöffnungszeiten auch dann nicht entgegen, wenn diese gegenüber dem Zeitpunkt der Abfassung der Teilungserklärung erweitert worden sind (OLG Hamm NZM 2007, 805). Das ergibt sich zunächst daraus, dass es eine erhebliche Erschwerung sowohl der Selbstnutzung als auch der Vermietung für ein Ladengeschäft bedeuten würde, wenn dieses gegenüber vergleichbaren Geschäften einen Wettbewerbsnachteil dadurch hätte, dass es gesetzliche Ladenöffnungszeiten nicht ausnutzen darf. Ein derart erheblicher Eingriff in die Nutzungsmöglichkeit wäre nur dann zu rechtfertigen, wenn die Teilungserklärung (Gemeinschaftsordnung) oder eine sonstige Vereinbarung hierzu eine ausdrückliche Regelung enthalten würden. Hinzu kommt, dass sich der Begriff Laden auf die bauliche Ausgestaltung und den Betrieb mit Schwerpunkt Einzelhandel bezieht (BayObLGZ 1980, 159). Ein Laden ist auch dann ein Laden, wenn er geschlossen oder über die gesetzlichen Öffnungszeiten hinaus geöffnet ist. Maßgeblich für den Begriff des Ladens ist nicht die konkrete Nutzung in der jeweiligen Situation, sondern die allgemeine Nutzung nach baulicher Gestaltung und typischer Nutzung. Selbst bei Nutzungsarten eines Ladens, die über das Zulässige hinausgehen, bleibt ein Laden ein Laden. Es kommen dann nur einzelne Unterlassungsansprüche in Betracht.

3. Zu Recht hat das Landgericht die Entscheidung des Amtsgerichts gebilligt, dass das Aufstellen von Tischen außerhalb des Ladens zu unterlassen ist. Der Anspruch ergibt sich aus § 1004 Abs. 1 BGB, § 15 Abs. 3 WEG. Die Vorinstanzen haben keine tatsächlichen Feststellungen dazu getroffen, ob die Tische auf einer Fläche aufgestellt werden, die zum Grundstück der Eigentumsanlage gehört, oder auf öffentlichem Straßengrund. Dies nötigt indes nicht zur Zurückverweisung, da in beiden Fällen ein so enger Bezug zum Laden bestehen würde, dass dessen Charakter dadurch geprägt wurde. Das Aufstellen von Tischen zum sofortigen Verzehr von Waren an Ort und Stelle geht über den Begriff eines Ladens hinaus und begründet die Annahme eines zumindest teilweisen Betriebs gaststättenähnlicher Art. Da maßgeblich die Art des Betriebes für die Charakterisierung als Laden ist, kommt es auf das Gesamtgepräge des Betriebs und nicht darauf an, in wessen Eigentum das Grundstück steht, auf dem die Tische aufgestellt werden.

Ob das Aufstellen von Tischen sozialadäquat oder gar im allgemeinen Interesse wünschenswert ist, wie die Rechtsbeschwerde meint, mag dahinstehen. Beides ist jedenfalls nicht geeignet, über die Beschränkungen in der Teilungserklärung hinwegzuhelfen.

Völlig unschlüssig ist die Behauptung der Antragsgegnerin, dass das Unterlassungsbegehren der Antragsteller mutwillig ist. Eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht des Landgerichts (§ 12 FGG) ist nicht erkennbar. Der Vortrag der Antragsgegnerin ist unsubstaniiert und außerdem in sich widersprüchlich. Die Antragsgegnerin hat nicht einmal den Versuch gemacht zu erklären, warum sie einerseits vorträgt, dass nur einige Kunden einmal eine Tasse Kaffee trinken und eine Butterbreze essen, während andererseits behauptet wird, dass das Aufstellen von Tischen die Kommunikation der Bürger fördert und eine gewisse Annehmlichkeit für die Kundschaft bietet. Selbst dem eigenen Vortrag der Antragsgegnerin ist deshalb nicht zu entnehmen, dass die Belästigung, die von den Tischen ausgeht, nur unerheblich ist. Im Übrigen macht es einen Unterschied, ob Straßenlärm vorhanden ist oder ob der Lärm von der nach Meinung der Antragsgegnerin förderungswürdigen Kommunikation der Bürger ausgeht. Gerade ein Gespräch erregt besondere Aufmerksamkeit und wirkt deshalb besonders störend.

4. Unbegründet ist die Beschwerde der Antragsteller. Sie haben keinen Anspruch darauf, dass der Betrieb einer Postfiliale unterlassen wird. Soweit es um den Verkauf von Briefmarken und anderen postüblichen Sortimenten geht, ist dieser Verkauf ohne weiteres von der Bezeichnung als Laden gedeckt. Soweit weitere Postgeschäfte und Postbankgeschäfte abgewickelt werden, ist nicht erkennbar, dass dies mehr stört als die Benutzung als Laden. Anlieferungen und Abfahrten sind auch bei anderen Ladengeschäften hinzunehmen. In welcher Weise und wie häufig dies erfolgt, ist eine Frage des Einzelfalls. Jedenfalls ist der Hin- und Abtransportverkehr keine Beeinträchtigung, die für einen Laden untypisch wäre.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 47 WEG a.F. Angesichts des teilweisen Obsiegens und Unterliegens von Antragstellern und Antragsgegnerin erscheint es angemessen, die Gerichtskosten zwischen diesen aufzuteilen und eine Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht anzuordnen. Die Festsetzung des Geschäftswerts folgt aus § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG a.F.



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