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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 28.06.2005
Aktenzeichen: 32 Wx 46/05
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB §§ 741 ff.
BGB §§ 1008 ff.
BGB § 280
WEG § 10 Abs. 1 Satz 2
Aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis der Bruchteilsgemeinschaft erwächst dem einzelnen Wohnungseigentümer in der Regel nicht die Verpflichtung, sich bereits im Vorfeld einer Wohnungseigentümerversammlung zu seinem Kommen und/oder zu seinem Abstimmungsverhalten zu äußern.
Tatbestand:

Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage, in der den Antragsgegnern Tiefgaragenstellplätze gehören.

Mit Schreiben der damaligen Verwalterin vom 1.6.2001 wurden sämtliche Eigentümer zu einer ordentlichen Eigentümerversammlung am 5.7.2001 eingeladen. In dem Einladungsschreiben war unter Tagesordnungspunkt (TOP) 3 eine "Änderung des Verteilerschlüssels" und unter TOP 4 eine "Änderung der Gemeinschaftsordnung durch Mehrheitsbeschluss - Einfügung einer Öffnungsklausel" angekündigt. Der Einladung beigefügt war ein Informationsschreiben bezüglich der Änderung der Rechtsprechung zur Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer durch Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20.9.2000 (Az. V ZB 58/99). In diesem Schreiben wurde auf die hieraus folgende Notwendigkeit der Änderung der Gemeinschaftsordnung hingewiesen:

"Die Verwaltung wird aufgrund des Urteils des BGH, nach Rücksprache mit den Beiratsmitgliedern, die Abrechnung 2000 streng nach den Vorgaben der Teilungserklärung durchführen. Hieraus ergeben sich folglich in der Abrechnung Änderungen bei der Verteilung der Kosten.

...

Sollten die Eigentümer mit dieser Verteilung der Kosten (siehe Abrechnung 2000) gemäß Teilungserklärung für die Zukunft nicht einverstanden sein, schlägt die Verwaltung vor, durch eine Änderung der Teilungserklärung die Vorgaben der Gemeinschaftsordnung (Teilungserklärung) zur Kostenverteilung nachträglich durch Vereinbarung zu ändern.

Eine Änderung der Gemeinschaftsordnung muss jedoch per Vereinbarung allstimmig erfolgen. Dies bedeutet, dass wirklich alle Eigentümer einer Änderung zustimmen. Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch, dass eine Änderung der Gemeinschaftsordnung für einen Rechtsnachfolger - ... - Gültigkeit besitzt. Aus diesem Grunde muss eine Vereinbarung, versehen mit den Unterschriften der Eigentümer, zusätzlich von einem Notar beglaubigt werden.

Um Kosten und Mühen zu sparen, hat die Verwaltung veranlasst, dass zur Eigentümerversammlung ein Notar anwesend sein wird.

...

Sollten Sie jedoch der vorstehend erwähnten Änderung der Teilungserklärung und damit einer Änderung von Verteilerschlüsseln sowie der Verteilung von Kosten nicht zustimmen wollen, bitten wir Sie, dies der Verwaltung rechtzeitig vor der Eigentümerversammlung mitzuteilen, da sich dann die Anwesenheit eines Notars erübrigen würde.

...

Sollten Sie sich an der Versammlung vertreten lassen, bitten wir Sie, gleichzeitig mit der Vollmacht ihren Zustimmungswillen zur Änderung der Teilungserklärung schriftlich mitzuteilen. Dies ist für die Gültigkeit der Vereinbarung notwendig."

Für den Fall des Nichterscheinens bzw. der Nichterteilung einer Stimmrechtsvollmacht enthielt die Einladung folgenden Hinweis:

"Bedenken Sie bitte, dass im Falle Ihres Nichterscheinens bzw. nicht erteilter Stimmrechtsvollmacht die Beschlussfähigkeit der Versammlung in Frage gestellt sein könnte. Die Folge hiervon wäre, dass eine neuerliche Ladung für eine Versammlung zwingend notwendig würde, in der dann wirksame Beschlüsse gegebenenfalls von einer Eigentümer-Minderheit gefasst werden können. Ein neuer Versammlungstermin würde u.U. auch zu finanziellen Mehrbelastungen aller Eigentümer führen und notwendige Beschlussfassungen zeitlich verzögern."

Die Antragsgegner gaben nach Erhalt der Schreiben keinerlei Stellungnahme ab, erschienen nicht zu der Eigentümerversammlung und ließen sich auch nicht vertreten.

Nach längerer Diskussion über die beabsichtigte Änderung des Verteilerschlüssels stimmten bei der Eigentümerversammlung vom 5.7.2001 die 13 persönlich anwesenden sowie die 20 vertretenen Eigentümer unter TOP 3 der Änderung einstimmig zu. Nach der Beschlussfassung wurden die Unterschriften der anwesenden Wohnungseigentümer von dem hierzu zu der Versammlung eingeladenen Notar beglaubigt.

Die Antragsgegner stimmten der Änderung des Verteilerschlüssels, im Gegensatz zu den übrigen bei der Versammlung vom 5.7.2001 nicht anwesenden Eigentümern, auch nachträglich nicht zu. Eine wirksame Abänderung der bestehenden Gemeinschaftsordnung kam daher nicht zustande.

Für die Beglaubigung der Unterschriften der anwesenden Wohnungseigentümer stellte der Notar Kosten in Höhe von 2.194,57 EUR in Rechnung, deren Erstattung die Antragsteller von den Antragsgegnern begehren. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 19.10.2004 den Antrag abgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Antragsteller hat das Landgericht mit Beschluss vom 5.4.2005 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller. Das zulässige Rechtsmittel erwies sich als unbegründet.

Gründe:

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Ein Schadensersatzanspruch gegen die Antragsgegner bestehe nicht. Zwar treffe es zu, dass unter allen Wohnungseigentümern ein gesetzliches Schuldverhältnis gegeben sei, das den Regelungen des Wohnungseigentumsgesetzes und gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 WEG den ergänzend anwendbaren Bestimmungen des BGB zur Bruchteilsgemeinschaft unterliege. Die hieraus folgende Treuepflicht der Antragsgegner zur Mitwirkung an einer ordnungsmäßigen Verwaltung gehe aber nicht so weit, dass die Antragsgegner sich auf die Schreiben der Verwaltung hätten äußern müssen. Ihrem Schweigen könne kein Erklärungswert zugemessen werden und ihre Weigerung, der Änderung der Gemeinschaftsordnung später zuzustimmen, stelle keine Treuepflichtverletzung dar.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

a) Die Wohnungseigentümergemeinschaft begründet als Bruchteilsgemeinschaft (vgl. BGHZ 99, 90/93 = JZ 1987, 463/464) ein gesetzliches Schuldverhältnis, für dessen Ausgestaltung § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG von den Vorschriften des WEG abweichende oder diese ergänzende Vereinbarungen der Wohnungseigentümer zulässt. Soweit, wie hier, anderweitige Vereinbarungen der Wohnungseigentümer nicht vorliegen, finden ergänzend die Vorschriften des BGB zur Bruchteilsgemeinschaft Anwendung (BGHZ 115, 151/155) und damit auch die für Schuldverhältnisse allgemein geltenden Bestimmungen (BGH aaO).

Aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis der Bruchteilsgemeinschaft erwächst daher u.a. die Pflicht der einzelnen Wohnungseigentümer, zur ordnungsgemäßen Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zusammenzuwirken (BGH NJW 1999, 2108/2109). Dies bedeutet jedoch nicht, dass Wohnungseigentümer bereits im Vorfeld einer Wohnungseigentümerversammlung verpflichtet sind, sich über ihr Kommen und/oder über ihr Abstimmungsverhalten zu äußern, um damit möglicherweise anfallende Kosten zu vermeiden. Es muss nämlich jedem Wohnungseigentümer freigestellt bleiben, kurzfristig über sein Kommen zu entscheiden und sich auch noch im Laufe der Eigentümerversammlung seine endgültige Meinung zu bilden. Das Verhalten der Antragsgegner stellt somit keine Verletzung von Treuepflichten dar, die eine Schadensersatzverpflichtung auslösen könnte (§ 280 BGB). Auf die Frage des Verschuldens kommt es daher nicht mehr an.

b) Auch kann das Schweigen der Antragsgegner nicht als Zustimmung zu der beabsichtigten Änderung gewertet werden, mit der Folge, dass eine wirksame Vereinbarung zustande gekommen wäre, die aber wegen der fehlenden Beurkundungen der fingierten Zustimmungen nicht in das Grundbuch eingetragen werden könnte. Damit scheidet auch ein Schadensersatzanspruch wegen einer Verletzung sich aus der Vereinbarung ergebender Pflichten aus.

c) Aus § 683 BGB ergibt sich ebenfalls kein Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen, da die Zuziehung des Notars dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen der Antragsgegner gerade nicht entsprach. Die Voraussetzungen für eine Notgeschäftsführung lagen erkennbar nicht vor.

Andere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist eine Bereicherung der Antragsgegner nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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