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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 10.04.2007
Aktenzeichen: 32 Wx 58/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 883
Ein Rückforderungsrecht des Schenkers, das nach den schuldrechtlichen Vereinbarungen des Vertrages bei einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Beschenkten entstehen soll, kann durch eine Vormerkung gesichert werden.
Gründe:

I.

Die Beteiligte zu 1 überließ zu Urkunde ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 13.12.2006 an die Beteiligten zu 2 bis 4 den verfahrensgegenständlichen Grundbesitz zu Miteigentum zu je einem Drittel. In Abschnitt IV der notariellen Urkunde behielt sich die Beteiligte zu 1 einen Nießbrauch an dem Vertragsgegenstand vor. In Abschnitt VI vereinbarten die Parteien folgendes:

1) Der Übergeber ist berechtigt, von dem schuldrechtlichen Teil des Vertrages zurückzutreten und die Rückauflassung des Vertragsgegenstandes zu verlangen, wenn

a. der Erwerber den Vertragsgegenstand ohne schriftliche Zustimmung des Übergebers veräußert oder belastet,

b. der Erwerber vor dem Übergeber verstirbt,

c. eine wesentliche Verschlechterung in den Vermögensverhältnissen des Erwerbers eintritt oder die Zwangsvollstreckung in den Vermögensgegenstand betrieben wird, ohne dass der Erwerber diese Maßnahme innerhalb von drei Monaten abwendet, oder

d. der Erwerber oder dessen Ehegatte Scheidungsantrag stellt und der Ehegatte zu Lasten des Vertragsgegenstandes Ansprüche aus Zugewinngemeinschaft geltend macht.

4) Zur Sicherung des aufschiebend bedingten Rückerwerbsanspruchs bestellen die Erwerber zu Gunsten der Übergeberin und aufschiebend bedingt auf deren Vorableben zu Gunsten von Herrn XX (im Rang danach) eine Rückauflassungsvormerkung gemäß § 883 BGB an dem Vertragsgegenstand und bewilligen und beantragen die Eintragung im Grundbuch.

Auf den Vollzugsantrag des Urkundsnotars erließ das Amtsgericht - Grundbuchamt - am 16.1.2007 eine Zwischenverfügung. Dieser zufolge sollte der vereinbarte Inhalt der Rückauflassungsvormerkung teilweise nicht dem grundbuchrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz entsprechen. Der Passus, dass dann, wenn zu Lebzeiten der Veräußererin eine wesentliche Verschlechterung in den Vermögensverhältnissen der Erwerber eintrete, diese verpflichtet seien, den erworbenen Grundbesitz auf die Veräußerin zurück zu übertragen, entspreche nicht dem sachen- und grundbuchrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz.

Die Beschwerde der Beteiligten gegen diesen Beschluss wies das Landgericht als unbegründet zurück. Mit der weiteren Beschwerde verfolgen die Beteiligten das Ziel der Eintragung der Rückauflassungsvormerkung weiter.

II.

Die weitere Beschwerde ist gemäß § 78 GBO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie hat in der Sache Erfolg:

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

a) Die beantragte Eintragung verstößt insoweit gegen den sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz, als mit einer Vormerkung nach § 883 BGB ein bedingter Rückübereignungsanspruch des Berechtigten für den Fall gesichert werden soll, dass zu Lebzeiten des Berechtigten eine wesentliche Verschlechterung in den Vermögensverhältnissen des Erwerbers eintritt. Dieser Grundsatz erfordere, dass der zu sichernde Anspruch nach Inhalt und Gegenstand genügend bestimmt oder bestimmbar ist. Es sei zwar ausreichend, dass das Ereignis, mit dessen Ende der bedingte Rückübertragungsanspruch wirksam werden soll, aufgrund objektiver Umstände bestimmbar ist. Diese könnten auch außerhalb des Grundbuchs liegen, sofern sie nachprüfbar und wenigstens in den Eintragungsbewilligungen angedeutet seien. Die Bestimmbarkeit werde nicht bereits dadurch in Frage gestellt, dass der Eintritt der Bedingung möglicherweise erst durch eine richterliche Entscheidung festgestellt werden kann.

b) Der Begriff der "wesentlichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Erwerbers" habe jedoch keinen objektiv bestimmbaren Bedeutungsinhalt. Er kennzeichne nur eine Veränderung des Vermögensumfangs. Zweifelhaft sei aber, ob jede nicht nur unwesentliche Verschlechterung des Vermögens unabhängig vom Vermögensumfang nach der Verschlechterung zum Bedingungseintritt führen soll. Es bleibe auch offen, ob und inwieweit die Einkommensverhältnisse hierbei zu berücksichtigen sein. Schließlich sei der Fall der wesentlichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse auch nicht wegen Vorliegens einer gesicherten Rechtsprechung bestimmbar.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand:

a) Die Eintragungsbewilligung kann der Senat selbst ohne Bindung an die Auslegung durch das Landgericht auslegen (BayObLGZ 1984, 158). Es ergibt sich schon aus dem Begriff der "wesentlichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse", dass die Veränderung in Richtung einer Verminderung des Vermögens in Relation zum Gesamtvermögen stehen und insofern eine erkennbare Bedeutung haben muss. Eine wesentliche Verschlechterung liegt daher nur dann vor, wenn die Größenordnung des Vermögens sich sichtbar ändert. Dabei spielt es keine Rolle, ob nach der Veränderung noch ein ansehnliches Vermögen vorhanden ist oder nicht. Die Parteien des Vertrages wollten auf eine Veränderung in der Vermögenssituation abstellen und nicht auf die Fähigkeit, das Vermögen zur Deckung von Verbindlichkeiten oder ähnlichem heranzuziehen.

b) Die Einkommensverhältnisse des Erwerbers sind schon dem Wortlaut der Erklärung nach nicht zu berücksichtigen. Hat beim Erwerber eine erhebliche Verschiebung der Vermögensverhältnisse stattgefunden, die zu einer drastischen Minderung derselben führte, so soll nach dem Parteiwillen der Bedingungseintritt erfolgen, unabhängig davon, ob die Einkommensverhältnisse die Hoffnung tragen, dass sich der Vermögenszustand kurzfristig wieder bessert.

c) Zwar genießen bedingte und künftige Ansprüche nur dann Vormerkungsschutz, wenn für die künftige Gestaltung des Anspruchs nicht lediglich eine bloße mehr oder weniger aussichtsreiche tatsächliche Möglichkeit besteht, sondern bereits eine feste, die Gestaltung des Anspruchs bestimmende Grundlage vorhanden ist (BGH NJW 2002, 2461/2462 m.w.N.). Ansonsten würde das Grundbuch mit einer unübersehbaren Zahl gesicherter Ansprüche überlastet, die möglicherweise nie zur Entstehung gelangten. Dies hätte eine faktische Sperre des Grundbuchs auf ungewisse Zeit zur Folge und beeinträchtigte zudem die Verkehrsfähigkeit des betroffenen Grundstücks. Die aufgezeigten Eintragungsvoraussetzungen werden von bedingten Ansprüchen jedoch regelmäßig erfüllt. Im Gegensatz zu künftigen Rechten entstehen bedingte Ansprüche nämlich bereits im Zeitpunkt der Vereinbarung und nicht erst mit dem Eintritt der vorgesehenen Bedingung (BGH a.a.O.).

d) Beim gesetzlichen Rückforderungsrecht des groben Undanks in § 530 BGB ist die Rechtsprechung mittlerweile der Ansicht des Bayerischen Obersten Landesgerichts (DNotZ 2001, 803, bestätigt durch BGHZ 151, 116, gegen OLG Hamm RPfleger 2000, 449) gefolgt, dass dieses Recht vormerkbar ist. Das OLG Düsseldorf (FGPrax 2002, 203) erstreckte diese Ansicht auf die Verarmung des Schenkers.

e) Der Senat ist weiter der Auffassung, dass der Begriff der wesentlichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse in der Rechtsprechung zu den Vorschriften der §§ 321 (vgl. Palandt/Grüneberg, 66.Auflage, RN.5 zu § 321 BGB), 490, 775 Abs.1 Nr.1 BGB - wenn auch nicht in gleichem Umfang wie der des groben Undanks in § 530 BGB - geklärt ist (vgl. MüKo/Berger, Rn. 4 zu § 490 BGB). Dass § 490 BGB als Auslöser für das Recht des Darlehensgebers, die Auszahlung des Darlehens zu verweigern, neben der wesentlichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse noch eine weitere Voraussetzung hat, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. In Rechtsprechung und Literatur ist nämlich jedenfalls unumstritten, was unter einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse im Sinne des § 490 BGB zu verstehen ist. Es besteht daher keine Veranlassung, die hier vereinbarte Voraussetzung eines Rückübertragungsanspruches anders zu behandeln als die des "groben Undankes". In beiden Fällen wird in der Regel davon auszugehen sein, dass nicht ohne weiteres nach außen hin erkennbar ist, ob die vertraglich festgelegte Voraussetzung vorliegt. Sofern Streit darüber besteht, wird sich auch eine gerichtliche Auseinandersetzung wohl nicht ohne weiteres vermeiden lassen. Darauf kommt es jedoch in diesem Zusammenhang nicht an. Der Sinn einer eine Rückübertragung sichernden Auflassungsvormerkung besteht nur darin, dem Berechtigten die grundbuchrechtliche Position zu verschaffen, ohne die sein Rückübertragungsanspruch wirtschaftlich sinnlos wäre. Auf die Vermeidung künftiger Rechtsstreitigkeiten soll die Vormerkung nicht zwingend hinwirken.

f) Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Begriff der "Vermögensverschlechterung" eigentlich der Auslegung deswegen nicht bedarf, weil er jede Minderung der Aktiva und jede Mehrung der Passiva erfasst. Der Begriff "wesentlich" hingegen wird im BGB und zahlreichen anderen Gesetzen vielfach gebraucht und erfuhr ausreichend Klärung durch die Rechtsprechung.

g) Es ist schließlich auch nicht zu besorgen, dass durch die Gestattung derartiger Vormerkungen die Gefahr einer faktischen Grundbuchsperre geschaffen wird. Die Alternative zur Eintragung einer derartigen Vormerkung ist erfahrungsgemäß lediglich das Verbleiben des Grundvermögens in der Hand des Übergebers bis zum Eintritt des Erbfalls. Eine längerfristige Bindung wird durch die Vormerkung auch nicht geschaffen.

h) Es kann auch nicht übersehen werden, dass die gewählte Formulierung durchaus praxisüblich ist (vgl. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 13.Auflage, RN. 917 - Muster § 3c).

3. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, da sich die Kostenfolge direkt aus dem Gesetz ergibt.

Ende der Entscheidung

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