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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 06.09.2005
Aktenzeichen: 32 Wx 60/05
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 130
WEG § 26
Erklärt ein Verwalter in einer Eigentümerversammlung die Niederlegung der Verwaltungstätigkeit und die Kündigung des Verwaltervertrags, so wird diese Erklärung erst wirksam, wenn sie auch den an der Versammlung nicht teilnehmenden Wohnungseigentümern zugegangen ist. Dieser Zugang muss vom Verwalter veranlasst sein. Es genügt nicht, dass die abwesenden Wohnungseigentümer zufällige Kenntnis erlangen.
Tatbestand:

Die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die früher von der Antragstellerin verwaltet wurde und nunmehr von der weiteren Beteiligten verwaltet wird.

Am 16.9.2003 fand eine Eigentümerversammlung statt, in der nicht alle Wohnungseigentümer anwesend oder vertreten waren. In dieser Versammlung kam es zu verbalen Auseinandersetzungen zwischen den Geschäftsführern der Antragstellerin sowie einzelnen Miteigentümern, wobei über den genauen Inhalt der Äußerungen Streit besteht.

Ausweislich des Protokolls erklärte der Geschäftsführer der Antragstellerin in dieser Versammlung Folgendes:

Aufgrund der massiven Beleidigungen erklärte der Geschäftsführer der Verwaltung, dass das Vertrauensverhältnis zerstört ist und legt das Verwalteramt nieder, gleichzeitig kündigt er fristlos den bestehenden Verwaltervertrag.

In dieser Eigentümerversammlung legten auch der Verwaltungsbeiratsvorsitzende sowie ein weiteres Beiratsmitglied ihre Ämter nieder, so dass lediglich ein weiteres Verwaltungsbeiratsmitglied im Amt blieb. Das Protokoll über die Versammlung vom 16.9.2003 wurde nach Angaben der Antragstellerin am 27.10.2003 an die Wohnungseigentümer übersandt.

Von dem verbleibenden Verwaltungsbeiratsmitglied wurde für den 14.10.2003 eine weitere Eigentümerversammlung einberufen. Auf dieser Versammlung wurde mit 22 Ja-Stimmen und drei Enthaltungen beschlossen, die bisherige Hausverwaltung abzuberufen und die fristlose Kündigung des Verwaltervertrags auszusprechen. Das Protokoll dieser Eigentümerversammlung wurde unter anderem an die Antragstellerin übersandt, die es am 16.10.2003 erhielt.

Die Antragstellerin begehrt die Feststellung, dass die Niederlegung ihres Verwaltungsamtes wirksam war. Deshalb sei der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 14.10.2003 für ungültig zu erklären. Im Übrigen liege auch kein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung des Verwalterverhältnisses auf Seiten der Antragsgegner vor.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 4.6.2004 den Anträgen der Antragstellerin vollumfänglich stattgegeben. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegner hat das Landgericht am 9.5.2005 den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und die Anträge abgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin. Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.

Gründe:

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Feststellungsantrag der Antragstellerin sei zulässig, da die Feststellung für etwaige Schadensersatzansprüche gegen einzelne Miteigentümer von Bedeutung sei und die Antragstellerin zudem ein wirtschaftliches Interesse an der Feststellung habe, dass sie selbst das Verwaltungsverhältnis beendet habe und nicht durch die Wohnungseigentümer abberufen worden sei.

Der Antrag sei jedoch unbegründet, da die Niederlegung der Antragstellerin in der Eigentümerversammlung vom 16.9.2003 nicht vor der Abberufung und der fristlosen Kündigung des Verwalterverhältnisses durch die Wohnungseigentümer wirksam geworden sei. Bei der Niederlegung handle es sich um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die gegenüber allen Wohnungseigentümern erklärt werden müsse. Diese Erklärung sei in der Eigentümerversammlung vom 16.9.2003 nicht allen Miteigentümern zugegangen, da nicht alle anwesend gewesen seien. Nach dem eigenen Vorbringen habe die Antragstellerin das Versammlungsprotokoll erst am 27.10.2003 versandt. Zu diesem Zeitpunkt sei das Verwalterverhältnis jedoch bereits durch die außerordentliche Abberufung und fristlose Kündigung des Verwaltervertrags seitens der Antragsgegner beendet gewesen.

Der Eigentümerbeschluss vom 14.10.2003 sei nicht für ungültig zu erklären und habe das Verwalterverhältnis und den Verwaltervertrag wirksam beendet.

Ein Einberufungsmangel liege nicht vor, da das einzige verbleibende Verwaltungsbeiratsmitglied zur Einberufung berechtigt gewesen sei und es eine unnötige Förmelei darstellen würde, wenn der einzig Verbliebene sich selbst zunächst zum Vorsitzenden wählen müsste, um dann die Versammlung einzuberufen. Der angefochtene Beschluss entspreche auch inhaltlich ordnungsmäßiger Verwaltung. Ein wichtiger Grund liege vor, da die Antragstellerin in der Versammlung vom 16.9.2003 die Erklärung abgegeben habe, dass das Vertrauensverhältnis zu den Miteigentümern zerstört sei. Außerdem habe die Antragstellerin eindeutig zum Ausdruck gebracht, ihre Verwaltertätigkeit nicht weiter ausüben zu wollen. Bereits aus Rechtssicherheitsgesichtspunkten sei es zwingend geboten gewesen, rasch Klarheit dahingehend herbeizuführen, dass das Verwalterverhältnis zwischen der Antragstellerin und den Antragsgegnern beendet wird. Durch Übersendung des Protokolls der Eigentümerversammlung vom 14.10.2003 an die Antragstellerin sei die Abberufungs- und Kündigungserklärung gegenüber diesen wirksam geworden. Nach den Angaben der Antragstellerin sei ihr dieses Protokoll am 16.10.2003 zugegangen. Zu diesem Zeitpunkt habe mithin das Verwaltungsverhältnis geendet.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

Der Senat nimmt zunächst Bezug auf die ausführlichen und rechtlich zutreffenden Ausführungen des Landgerichts.

Ergänzend und in Würdigung des Vorbringens im Rechtsbeschwerdeverfahren ist Folgendes auszuführen:

Rechtlich zutreffend hat das Landgericht erkannt, dass die Niederlegung des Verwalteramtes und die Kündigung des Verwaltervertrags nicht bereits in der Eigentümerversammlung vom 16.9.2003 wirksam geworden sind, da die Erklärung nicht allen Wohnungseigentümern zugegangen ist. Die Meinung der Rechtsbeschwerde, dass damit dem Verwalter die Möglichkeit genommen werde, das Amt niederzulegen und den Verwaltervertrag zu kündigen, wenn die Wohnungseigentümer schnell genug in einer neuen Versammlung die Abberufung beschließen würden, ist nicht zutreffend. Bei der Amtsniederlegung und der Kündigung des Verwaltervertrags handelt es sich nämlich um eine einseitige formlos mögliche Willenserklärung. Der Verwalter, der Wert darauf legt, dass diese Erklärung rasch wirksam wird, braucht nicht die Erstellung und Gegenzeichnung des Protokolls durch den Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats und einen Wohnungseigentümer abwarten, sondern kann die Erklärung unabhängig vom Protokoll an alle Wohnungseigentümer oder auch nur an diejenigen, die in der Eigentümerversammlung nicht anwesend waren, versenden. Dies ist in aller Regel innerhalb einer wesentlich kürzeren Frist möglich als die Einberufung einer weiteren Eigentümerversammlung.

Das Landgericht konnte es ohne Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 12 FGG) dahingestellt sein lassen, ob in der Einladung zur Eigentümerversammlung vom 14.10.2003 auf die Amtsniederlegung und Kündigung seitens der Antragstellerin hingewiesen wurde oder nicht. Es kann durchaus zugunsten der Antragstellerin davon ausgegangen werden, dass das Einladungsschreiben eine entsprechende Information enthielt. Hierauf kommt es aber aus Rechtsgründen nicht an. Eine empfangsbedürftige Willenserklärung muss dem Erklärungsempfänger zugehen, um wirksam zu werden (§ 130 BGB). Dabei genügt es nicht, dass der Erklärungsempfänger von der Willenserklärung irgendwie Kenntnis erlangt. Die Kenntnis muss vielmehr durch den Erklärenden vermittelt werden, d.h. sie muss mit dem Willen des Erklärenden in den Verkehr gebracht worden sein (BGH NJW-RR 2003, 384). Hier ist die Willenserklärung nur gegenüber den anwesenden Wohnungseigentümern abgegeben worden. Sie ist zwar in gewisser Weise dadurch in den Verkehr gebracht worden, dass nach der Lebenserfahrung damit gerechnet werden kann, dass zumindest ein Teil der Wohnungseigentümer auch ohne Versendung des Protokolls von dieser Erklärung Kenntnis erlangt. Dies reicht jedoch nicht aus, um eine Abgabe gegenüber den Abwesenden anzunehmen. Insbesondere waren die anwesenden Wohnungseigentümer nicht gehalten, die übrigen Wohnungseigentümer zu informieren. Zum anderen ist nicht sichergestellt, dass auch jeder der abwesenden Wohnungseigentümer von der Willenserklärung Kenntnis erhält. Ob ein abwesender Wohnungseigentümer von den Äußerungen in der Versammlung Kenntnis erhält, ist vielmehr zufallsbedingt. Mit einer Äußerung in der Eigentümerversammlung ist deshalb noch nicht alles getan, um die Willenserklärung dem Abwesenden zur Kenntnis zu bringen. Die Antragstellerin hätte eine Unterrichtung der übrigen Wohnungseigentümer theoretisch auch unterlassen können, um damit das Wirksamwerden ihrer Erklärung zu verhindern. Eine eventuelle Information der Wohnungseigentümer durch das Einladungsschreiben zur Versammlung vom 14.10.2003 stellt deshalb keinen von der Antragstellerin veranlassten Zugang der Willenserklärung an die abwesenden Wohnungseigentümer dar, sondern lediglich eine tatsächliche Information. Es ist nicht erkennbar, dass der Einladende eine eventuell gemachte Mitteilung als Erklärungsbote der Antragstellerin den übrigen Miteigentümern übermitteln wollte. Sofern das Einladungsschreiben tatsächlich eine Information enthielt, war diese lediglich tatsächlicher Art und nicht geeignet, den Zugang der Willenserklärung zu bewirken. Dass die Antragstellerin das einladende Mitglied des Verwaltungsbeirats beauftragt hätte, ihre Willenserklärung den abwesenden Wohnungseigentümern zu übermitteln, wird von der Antragstellerin weder selbst behauptet noch sind hierfür irgendwelche Umstände ersichtlich.

Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 14.10.2003 ist nicht wegen formeller Mängel für ungültig zu erklären. Der Senat folgt dem Landgericht darin, dass es eine unnötige Förmelei wäre, wenn das einzige (verbliebene) Mitglied des Verwaltungsbeirats sich zunächst selbst zum Vorsitzenden bestellen müsste, um dann Befugnisse des Vorsitzenden auszuüben. Im Übrigen ist die Bestellung eines Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats formlos möglich und kann in Ermangelung eines abweichenden Eigentümerbeschlusses auch durch den Verwaltungsbeirat selbst erfolgen (OLG Köln NZM 2000, 675). Wenn das einzig vorhandene Mitglied des Verwaltungsbeirats Befugnisse des Vorsitzenden ausübt, so bestellt es sich damit schlüssig selbst zum Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats. Ob die Antragstellerin zur Versammlung hätte eingeladen werden müssen, kann dahinstehen. Ein Einladungsmangel führt nämlich dann nicht zur Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses, wenn ausgeschlossen werden kann, dass die Beschlussfassung hierauf beruht (vgl. Palandt/Bassenge BGB § 23 WEG Rn. 21 m.w.N.). Hier kann ausgeschlossen werden, dass eine Teilnahme der Antragstellerin an der Versammlung zu einem anderen Ergebnis geführt hätte. Dies ergibt sich bereits aus dem Abstimmungsergebnis von 22 Ja-Stimmen bei drei Enthaltungen. Hinzu kommt, dass es nach der Lebenserfahrung höchst unwahrscheinlich wäre, dass die Wohnungseigentümer einen Verwalter im Amt halten wollen, der selbst zur Fortführung der Verwaltung nicht mehr bereit ist.

Wie das Landgericht im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat, sind Abberufung und Kündigung auch rechtzeitig erfolgt. Lediglich ergänzend ist auszuführen, dass eine Verfristung hier auch deshalb nicht eingetreten ist, weil die Weigerung der Antragstellerin, die Verwaltungstätigkeit fortzusetzen, fortbestand.

Nach dem Beschluss der Wohnungseigentümer vom 14.10.2003 wird sowohl die Verwaltung abberufen als auch die fristlose Kündigung des Verwaltervertrags ausgesprochen. Mit dem Zugang des Protokolls bei der Antragstellerin sind beide Erklärungen der Wohnungseigentümer wirksam geworden. Warum das Landgericht gegen den Grundsatz der Trennung zwischen Abberufung und Kündigung verstoßen haben soll, ist bei dieser eindeutigen Formulierung des Eigentümerbeschlusses nicht erkennbar.

Schließlich hat das Landgericht auch rechtlich zutreffend das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Abberufung und die fristlose Kündigung bejaht. Die Feststellung, ob ein wichtiger Grund vorliegt, obliegt in erster Linie dem Tatrichter und ist vom Rechtsbeschwerdegericht nur eingeschränkt nachprüfbar. Dass dem Landgericht bei seiner Würdigung Rechtsfehler unterlaufen sind, ist jedoch nicht erkennbar. Das Landgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass es für die Beendigung des Verwaltervertrags ausreicht, wenn das Vertrauensverhältnis zerstört ist, ohne dass geklärt werden muss, wer an der Zerstörung des Vertrauensverhältnisses eine eventuelle Schuld trägt. Wenn einerseits die Verwaltung erklärt, dass sie zur Fortführung der Verwaltungstätigkeit nicht mehr bereit ist, und andererseits die Wohnungseigentümer die Abberufung der Verwaltung und die Kündigung des Verwaltungsvertrags ohne Gegenstimmen beschließen, so drängt es sich geradezu auf, dass auf beiden Seiten kein gegenseitiges Vertrauen mehr besteht.

3. Es entspricht der Billigkeit, der unterlegenen Antragstellerin die Gerichtkosten aufzuerlegen und von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten abzusehen (§ 47 WEG). Die Geschäftswertfestsetzung folgt aus § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG, wobei der Senat auch insoweit den nicht angegriffenen Erwägungen des Landgerichts folgt.

Ende der Entscheidung

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