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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 27.09.2005
Aktenzeichen: 32 Wx 65/05
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 14 Nr. 1
Das gezielte Hineinschauen in die Fenster einer im Sondereigentum stehenden Wohnung von einer im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Grünfläche aus übersteigt regelmäßig das zulässige Maß des Gebrauchs.
Gründe:

I.

Die Antragsteller und die Antragsgegnerin sind Wohnungseigentümer in einer Wohnanlage, die von der Zustellungsvertreterin der weiteren Beteiligten verwaltet wird.

Das Anwesen ist im Süden, Westen und Osten von einer Gartenfläche umgeben, die zum Gemeinschaftseigentum gehört. Am südöstlichen Rand ist die Grünfläche zu den Parkplätzen hin derzeit durch eine Staudenrabatte abgegrenzt. In der Gemeinschaftsordnung, die als Teil IV in der Teilungserklärung vom 22.4.1976 enthalten ist, ist keine Gebrauchsregelung für diese Gartenfläche bezüglich ihrer Nutzung und des Zugangs zu ihr getroffen worden. Lediglich Nr. 4 der Hausordnung enthält zur Rasenfläche folgende Regelung:

" ... ist untersagt, ebenso das Fußballspielen auf der Parkfläche und im angelegten Rasen."

Den Antragstellern gehört eine Wohnung im Erdgeschoss des Hauses, die im Süden und Westen an die Gartenfläche angrenzt. Die Antragsgegnerin, sowie einige ihrer Familienmitglieder und Besucher benutzen die Gartenfläche als Durchgangsweg, wozu sie die Staudenrabatten übersteigen. Die Antragsteller tragen vor, der Enkel der Antragsgegnerin und dessen Freund hätten darüber hinaus mehrmals von der Grünfläche aus durch die Fenster der Wohnung der Antragsteller geschaut und dabei Grimassen geschnitten.

Die Antragsteller haben, soweit dies für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung ist, beantragt, der Antragsgegnerin unter Androhung eines Zwangsgeldes zu verbieten, die im Süden des Anwesens gelegene Rasenfläche als Durchgangsweg zu benutzen und/oder über die im Südosten gelegene Blumenrabatte zu steigen, sowie die Antragsgegnerin zu verpflichten, dafür zu sorgen, dass auch Familienangehörige und Besucher dieses Verbot einhalten und es ferner unterlassen, von außen durch die Fenster der Wohnung der Antragsteller zu schauen. Das Amtsgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme mit Beschluss vom 18.10.2004 den Anträgen stattgegeben. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Landgericht nach weiterer Beweisaufnahme mit Beschluss vom 1.6.2005 die Entscheidung des Amtsgerichts teilweise aufgehoben und die Anträge bezüglich des Verbots, die Rasenfläche als Durchgangsweg zu benutzen und die Rabatten zu übersteigen, abgewiesen. Im Übrigen hat das Landgericht die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richten sich die sofortigen weiteren Beschwerden von Antragstellern und Antragsgegnerin.

II.

Die zulässigen Rechtsmittel sind nicht begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die verfahrensgegenständliche Grünfläche einschließlich der Blumenrabatte sei Gemeinschaftseigentum, zu dessen Mitgebrauch jeder Wohnungseigentümer nach Maßgabe der §§ 13 Abs. 2, 14, 15 WEG berechtigt sei. Da sich weder in der Teilungserklärung noch in der Hausordnung eine Zugangsregelung finde, und auch die örtlichen Gegebenheiten nicht grundsätzlich den Zugang über den südöstlichen Rand ausschließen würden, sei der Zugang zu der Gartenfläche über die Rabatten allein nach §§ 13 Abs. 2, 14 Nr. 1 WEG zu beurteilen. Danach stelle die Nutzung der südöstlichen Grenze als Zugang zum gemeinschaftlichen Garten keine Beeinträchtigung dar, die über das von den Antragstellern hinzunehmende Maß hinausgehe. Bezüglich der Einzelheiten wird auf die ausführliche und sorgfältige Begründung im Beschluss des Landgerichts verwiesen.

Anders verhalte es sich mit dem gezielten Hineinschauen in die Wohnung der Antragsteller. Dieses beeinträchtige die Antragsteller in ihrem Eigentumsrecht, so dass ihnen für den Fall der Wiederholungsgefahr ein Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. §§ 13, Abs. 2 Satz 1, 14 Nr. 1 WEG zustehe. Auf Grund der Zeugenaussagen bestehe eine derartige Wiederholungsgefahr. Damit sei der Unterlassungsanspruch der Antragsteller begründet. Auch insoweit wird bezüglich der Einzelheiten auf den Beschluss des Landgerichts verwiesen.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Zu Recht hat das Landgericht gemäß § 43 Abs. 4 Nr. 1 WEG die übrigen Wohnungseigentümer am Verfahren beteiligt, da die Frage des Zugangs zu der streitgegenständlichen Rasenfläche und ihrer Nutzung auch diese in ihren Rechten unmittelbar berührt.

b) In zutreffender Weise hat die Vorinstanz einen Anspruch der Antragsteller auf Unterlassung des Zugangs zur Grünfläche über den südöstlichen Rand verneint.

aa) Die Gartenfläche gehört unstreitig zum gemeinschaftlichen Eigentum. Bezüglich ihrer Nutzung sind weder durch Vereinbarung (§ 15 Abs. 1 WEG) noch durch Mehrheitsbeschluss (§ 15 Abs. 2 WEG), mit Ausnahme des Verbots des Fußballspielens, irgendwelche Regelungen getroffen worden.

bb) Umfang und Grenzen des Gebrauchs der Grünfläche sind daher nach §§ 13 Abs. 1, 14 Nr. 1, 15 Abs. 3 WEG zu bestimmen.

Nach den Feststellungen des Landgerichts ist aus den örtlichen Gegebenheiten kein ausschließlich geplanter und eingerichteter Weg zur Grünfläche erkennbar. Bei der Ermittlung dieser entscheidungserheblichen Tatsache ist ein der Rechtsbeschwerde zugänglicher Rechtsfehler nicht zu erkennen. Der Senat hat lediglich zu überprüfen, ob das Landgericht den maßgebenden Sachverhalt genügend erforscht und alle wesentlichen Gesichtspunkte berücksichtigt hat, nicht gegen gesetzliche Beweisregeln, gegen Denkgesetze und feststehende Erfahrungssätze verstoßen hat, ob es die Beweisanforderungen zu hoch oder zu niedrig angesetzt hat und ob die getroffenen Schlussfolgerungen rechtlich möglich sind (BayObLGZ 1999, 1/4).

Weder bei der Ermittlung des Beweisstoffes durch Inaugenscheinnahme der vorgelegten Lichtbilder noch bei dessen Beurteilung sind Rechtsfehler erkennbar. Insbesondere wird aus dem von den Antragstellern als Anlage A 5 beigebrachten Foto aus dem Jahre 1986 deutlich, dass in der Blumenrabatte eine Aussperrung angelegt war, die mit Rasen bepflanzt war und so, neben anderen Zugangsmöglichkeiten auch hier ein Betreten der restlichen Grünfläche gestattete. Aus der Anlage des Hauses und den Gemeinschaftsflächen ist daher kein eindeutiger, geplanter und angelegter Zugang zu der Grünfläche zu erkennen. Es bedürfte daher nicht der Einnahme eines weiteren Augenscheins vor Ort, um sämtliche Zugangsmöglichkeiten zu ermitteln.

cc) Der Zugang zur Grünfläche von Südosten unter Übersteigen der Rabatte stellt keinen Mitgebrauch dar, aus dem für die Antragsteller ein Nachteil erwächst, der über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgeht (§ 14 Nr. 1 WEG). Diese Generalklausel gibt Raum für eine die betroffenen Grundrechte berücksichtigende Auslegung. Bei sich gegenüberstehenden Grundrechten der Wohnungseigentümer ist eine fallbezogene Abwägung der beiderseits grundrechtlich geschützten Interessen erforderlich (BGH NZM 2005, 182/183).

Konkret ist hier das Eigentumsrecht der Antragsteller als Wohnungseigentümer aus Art. 14 GG mit dem der Antragsgegnerin, bzw. der übrigen Wohnungseigentümer, abzuwägen.

Auf Grund der beschriebenen örtlichen Gegebenheiten steht grundsätzlich die gesamte Grünfläche allen Wohnungseigentümern bis hin zur Terrasse der Antragsteller zum Mitgebrauch offen. Diese Tatsache war für die Antragsteller bei Erwerb ihrer Wohnung auch aus der Teilungserklärung zu entnehmen. Ein Zugang zur Gartenfläche, der sich nahe an dieser Terrasse befindet, hält sich damit ebenfalls im Rahmen des zulässigen Gemeingebrauchs, sofern er nicht lediglich dazu benutzt wird, die Antragsteller zu provozieren. Im Übrigen wird auf die zutreffende Begründung des Landgerichts verwiesen.

c) Anderes gilt aber für das gezielte Hineinschauen von der Gartenfläche in die Wohnung der Antragsteller. Ein solches Verhalten geht über den nach § 14 Nr. 1 WEG zulässigen Gebrauch hinaus, da es die Antragsteller in ihrem Eigentumsrecht verletzt. Diese können daher nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG Unterlassung verlangen, wenn weitere derartige Störungen zu befürchten sind.

aa) Hierzu hat das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass durch Angehörige und Besucher der Antragsgegnerin mehrmals solche beeinträchtigenden Störungen stattgefunden haben.

Wie bereits oben dargelegt, sind Tatsachenfeststellungen durch das Rechtsbeschwerdegericht nur beschränkt nachprüfbar. Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit bestimmt das Gericht nach § 12 FGG nach pflichtgemäßem Ermessen nicht nur über den Umfang der Beweisaufnahme, sondern auch über die Auswahl der Beweismittel (Schmidt in Keidel/Kuntze/Winkler FGG 15. Aufl. § 12 Rn. 195). Der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährt weder das Recht auf ein bestimmtes Beweismittel noch auf bestimmte Arten von Beweismitteln (BVerfG NJW 1996, 3145). Das Landgericht war demnach nicht gehalten, sämtliche angebotenen Zeugen zu vernehmen, wenn es sich nach dem Ergebnis der bereits durchgeführten Beweisaufnahme eine Überzeugung bilden konnte.

Die Würdigung der erhobenen Beweise durch das Landgericht ist als Teil der Tatsachenfeststellung im Rechtsbeschwerdeverfahren ebenfalls nur eingeschränkt nachprüfbar. Insbesondere die Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Zeugen und der Glaubhaftigkeit von Aussagen obliegt allein dem Tatrichter (BayObLG NJW-RR 2004, 939/940 = FGPrax 2004, 38/39). Die Beurteilungen der Zeugenaussagen durch das Landgericht sind gedanklich nachvollziehbar. Verstöße gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze sind nicht erkennbar. Die Vernehmung weiterer Zeugen war somit nicht erforderlich.

bb) Zwar hat im vorliegenden Fall nicht die Antragsgegnerin selbst ihre Pflicht zum maßvollen Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums verletzt. Sie ist aber als Wohnungseigentümerin mittelbare Störerin und damit verpflichtet, für die Einhaltung der Verpflichtung durch Personen zu sorgen, die zu ihrem Hausstand gehören (vgl. Palandt/Bassenge BGB 64. Aufl. § 1004 Rn. 17).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Es entspricht der Billigkeit, den Beteiligten, die jeweils mit ihren Rechtsmitteln keinen Erfolg hatten, die Gerichtskosten je zur Hälfte aufzuerlegen. Von der Erstattung außergerichtlicher Kosten sieht der Senat ab.

Die Geschäftswertfestsetzung erfolgt in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG für die hier noch maßgeblichen Anträge.

Ende der Entscheidung

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