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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 13.09.2005
Aktenzeichen: 32 Wx 71/05
Rechtsgebiete: BGB, FGG, WEG
Vorschriften:
BGB § 922 | |
FGG § 12 | |
WEG § 5 | |
WEG § 14 |
2. Der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet ein Gericht nicht, bei einer umstrittenen Rechtslage auf alle vertretbaren Rechtsansichten hinzuweisen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten sind Wohnungseigentümer in einer Wohnanlage mit 6 Wohnungen. Das Kellergeschoß der Wohnanlage ist durch gemauerte Wände in mehrere Räume unterteilt. In einem dieser Räume, die in sich abgeschlossen sind, befinden sich die Kellerabteile der Antragstellerin und der Antragsgegnerin. Seit der Errichtung der Wohnanlage sind diese beiden Kellerabteile durch Lattenroste voneinander abgegrenzt. Eine Belüftungsmöglichkeit für den gesamten Raum besteht nur über ein Fenster im Kellerabteil der Antragsgegnerin. Das zweite Kellerabteil ist fensterlos.
In der Teilungserklärung vom 11.7.1986 sind die beiden Kellerabteile den jeweiligen Eigentümern der Wohnungen Nr. 2 und Nr. 3 als Sondereigentum zugewiesen. Die in derselben Urkunde festgelegte Gemeinschaftsordnung enthält unter dem Titel "I. Verhältnis der Gemeinschafter untereinander" in § 2 folgende Regelung:
" 1. Sondereigentum
Als Sondereigentum gilt der gesamte umschlossene Raum des zugewiesenen Sonderbereichs mit allen innerhalb der Umgrenzungslinie liegenden Mauern, soweit es sich nicht um tragende oder stützende Mauern handelt, ..."
§ 3 trifft für das Sondereigentum folgende Bestimmung:
" Nutzung des Sondereigentums
1. Jeder Wohnungseigentümer darf seine Sondereigentumsräume ungehindert nutzen, soweit er die Rechte der anderen Wohnungseigentümer nicht beeinträchtigt und nichts tut, was den Bestand, die Sicherheit, die Zweckbestimmung und das architektonische sowie ästhetische Bild des Gebäudes beeinträchtigt."
Die Antragsgegnerin hat ihre Wohnung ihren Eltern überlassen. Zwischen diesen und der Antragstellerin kam es bereits seit 1999 zu Unstimmigkeiten über die ordnungsgemäße Belüftung des Kellerraumes. Im Winter des Jahres 2002 versahen die Eltern der Antragsgegnerin die Lattenroste ihres Kellerabteils auf der Innenseite vom Boden bis etwa 35 cm unterhalb der Decke mit Holzspanplatten und im oberen Bereich mit Glaseinsätzen. Parallel zur vorhandenen Lattenrosttüre wurde innen eine geschlossene Holzschiebetüre angebracht.
Die Antragstellerin hat beantragt, die Antragsgegnerin zur Entfernung der Trennwände und zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes zu verpflichten. Mit Beschluss vom 16.4.2004 hat das Amtsgericht den Antrag abgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat das Landgericht mit Beschluss vom 8.6.2005 den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und die Antragsgegnerin verpflichtet, die Beplankung der Lattenroste durch Holzspanplatten und Glaseinsätze zu entfernen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin.
II.
Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Die trennenden Lattenroste seien gemeinsames Sondereigentum der Beteiligten, für deren Verhältnis untereinander insoweit § 922 BGB entsprechend anzuwenden sei. Da die Grenzeinrichtung zwischen den beiden Kellerabteilen ohne die Zustimmung der Antragstellerin verändert worden sei, stehe dieser aus § 1004 BGB ein Anspruch auf Beseitigung zu.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Das Landgericht hat zu Recht entgegen § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG die übrigen Wohnungseigentümer nicht am Verfahren beteiligt, da diese vom Verfahrensausgang nicht betroffen sind. Daran ändert auch die vom Bundesgerichtshof anerkannte Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft nichts. Diese ist nicht umfassend, sondern auf die Teilbereiche des Rechtslebens beschränkt, bei denen die Wohnungseigentümer im Rahmen der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums als Gemeinschaft am Rechtsverkehr teilnehmen (BGH ZMR 2005, 547/555). Die Abwehr von Störungen unter einzelnen Wohnungseigentümern betrifft nicht den Rechtsverkehr des Verbandes. Verfahrensbeteiligte sind daher nur die betroffenen Wohnungseigentümer. Auch der Senat hat deshalb von einer Beteiligung der übrigen Wohnungseigentümer abgesehen.
b) Zutreffend hat das Landgericht die Antragsgegnerin zur Beseitigung der Beplankung nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB verpflichtet. Auch wenn die Antragsgegnerin ihre Wohnung an ihre Eltern überlassen hat und die Beplankung von diesen angebracht worden ist, so ist sie doch Störerin im Sinne von § 1004 BGB (BayObLG NJW-RR 1991, 658).
c) Die Entscheidung des Landgerichts beruht auch nicht auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 12 FGG).
Aus Art. 103 Abs. 1 GG entspringt grundsätzlich die Verpflichtung eines Gerichts, seiner Entscheidung nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse zum Nachteil eines Verfahrensbeteiligten zugrunde zu legen, zu denen er sich vorher äußern konnte (BVerfGE 6, 121/14). Dies bedeutet im Einzelnen, dass die Verfahrensbeteiligten von dem Verfahrensstoff zu unterrichten sind, dass sie vorher zu Tatsachen und Beweisergebnissen gehört werden müssen, die verwertet werden sollen, und dass ihr Vorbringen zur Kenntnis genommen und bei der Entscheidung in Erwägung gezogen werden muss (vgl. Schmidt in Keidel/Kunze/Winkler FGG 15. Aufl. § 12 Rn. 147). Der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet nicht nur, sich zu Tatsachen, sondern auch, sich zur Rechtslage äußern zu können (BGH NJW 2003, 3550/3551).
Bereits im Schriftsatz der Antragstellervertreter vom 17.9.2004, der den Antragsgegnervertretern auch zugegangen ist, sind die Fragen des Sondereigentums an einer gemeinschaftlichen Trennwand angesprochen. Die Antragsgegnerin hatte damit ausreichend Gelegenheit, sich zu dieser Rechtsfrage vor und in der mündlichen Verhandlung vom 23.9.2004 zu äußern. Andererseits ergibt sich aus der Verpflichtung zur Gewährung rechtlichen Gehörs keine umfassende Frage-, Aufklärungs- und Informationspflicht des Gerichts (BVerfGE 67, 90/95). Insbesondere war das Gericht nicht verpflichtet, ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass allgemeine nachbarschaftsrechtliche Vorschriften zur entsprechenden Anwendung kommen können, wenn die Lattenrostabtrennung als Mitsondereigentum zu behandeln ist, da diese Rechtsfolge in Rechtsprechung und Literatur allgemein diskutiert wird (vgl. Pick in Bärmann/Pick/Merle WEG 9.Auflage § 5 Rn. 66 m.w.N.). Es kann folglich dahingestellt bleiben, ob diese rechtlichen Folgen, wie von der Antragstellerin vorgetragen, Gegenstand einer ausführlichen Erörterung in der Verhandlung vom 23.9.2005 gewesen sind. Unbestritten ist jedenfalls, dass das Landgericht keinen entgegengesetzten rechtlichen Hinweis erteilt hat. Nur in diesem Falle wäre es bei einer nachträglichen Änderung seiner Auffassung zur nochmaligen Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet gewesen.
d) Der Anspruch der Antragstellerin auf Beseitigung beruht auf §§ 1004 Abs. 1 Satz 1, 922 BGB, da mangels anderweitiger Regelungen die nachbarrechtlichen Vorschriften des BGB entsprechend zur Anwendung kommen.
aa) Nach der Gemeinschaftsordnung stehen die Lattenrostabtrennungen, die unzweifelhaft keine tragenden Funktionen haben, im gemeinsamen Sondereigentum von Antragstellerin und Antragsgegnerin (vgl. BGH NJW 2001, 1212/1214). Für das Verhältnis der Beteiligten bezüglich dieses Sondereigentums enthält das Wohnungseigentumsgesetz keine ausdrücklichen Bestimmungen. Es ist daher § 922 BGB im Rahmen des § 14 WEG entsprechend anzuwenden, soweit die Gemeinschaftsordnung nicht besondere Regelungen enthält, die der allgemeinen gesetzlichen Regelung vorgehen.
bb) Die in § 3.1 der Gemeinschaftsordnung zur Nutzung des Sondereigentums getroffene Bestimmung ist, wie jede Grundbucherklärung, vom Senat selbständig auszulegen. Dabei ist auf den Wortlaut und Sinn abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der Erklärungen ergibt (st. Rspr.; vgl. z.B. BayObLG ZMR 2001, 832/833).
Die hiernach geltenden Regelungen enthalten keinerlei Bestimmungen für gemeinschaftliches Sondereigentum unterschiedlicher Wohnungseigentümer, sondern beziehen sich lediglich auf das im Alleineigentum stehende Sondereigentum. Für die Lattenrostabtrennung sind daher die allgemeinen nachbarrechtlichen Vorschriften des Privatrechts und des öffentlichen Rechts entsprechend anzuwenden (vgl. BayObLGZ 2001, 41/45).
cc) Damit kommt § 922 BGB zur entsprechenden Anwendung, der die trennenden Lattenroste vor Beeinträchtigungen durch einen der Nachbarn schützt.
Zwar wird der Lattenrost selbst durch die Anbringung von Spanplatten und Glaseinsätzen nicht in seiner körperlichen Substanz verändert. Mit der Verschalung liegt aber eine Beeinträchtigung vor, die der konkreten Funktion des Lattenrostes als Grenzeinrichtung widerspricht. Aus der Beschaffenheit des Kelleraumes, insbesondere aus dem Vorhandensein eines einzigen Fensters als Luft- und Tageslichtquelle ergibt sich, dass die Abtrennung durch Lattenroste auch dem Zweck dient, den fensterlosen Kellerabschnitt mit zu beleuchten und mit zu belüften. Die vollständige Beplankung der Holzlatten auf einer Kellerseite verhindert diese Zwecksbestimmung der Grenzeinrichtung (vgl. BGH NJW 1985, 1458/1459). Der Antragstellerin, die dieser Veränderung nicht zugestimmt hat, steht somit ein Anspruch auf Beseitigung aus § 1004 BGB zu (Palandt BGB 64. Aufl. § 922 Rn. 4).
Auch eine Verbretterung/Verglasung, die nicht am Lattenrost selbst angebracht, sondern unmittelbar dahinter aufgestellt würde, hätte eine derartige Beeinträchtigung des Zwecks der Grenzeinrichtung zur Folge, dass sie zu beseitigen wäre.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten wird wegen der unterschiedlichen Entscheidungen der Instanzgerichte abgesehen.
Der Geschäftswert wird, in Übereinstimmung mit der Vorinstanz, gemäß § 48 Abs. 3 festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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