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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 06.06.2006
Aktenzeichen: 32 Wx 74/06
Rechtsgebiete: KostO, FGG


Vorschriften:

KostO § 156
KostO § 19 Abs. 4
FGG § 27
1. Eine vom Notar im Rechtsbeschwerdeverfahren zu den Akten gegebene Kostenrechnung kann aus Gründen der Verfahrensökonomie ausnahmsweise auch im Verfahren der weiteren Beschwerde berücksichtigt werden.

2. Gibt der Übernehmer eines landwirtschaftlichen Betriebs mangels Kenntnis des § 19 Abs. 4 KostO keine Erklärung zu seiner Fortführungsabsicht ab und ist das Fehlen derselben nicht schon aus dem Vertragsinhalt offensichtlich, hat der Notar bei der Beurkundung und das Gericht im Beschwerdeverfahren nachzufragen.


Gründe:

I.

Mit Übergabevertrag vom 25.11.2002 (URNr. ) wurden die im Grundbuch für D. und E. eingetragenen forst- und landwirtschaftlichen Grundstücke sowie der auf dem Anwesen befindliche Betrieb samt allen Aktiven und Passiven und Gerätschaften - jedoch ohne das bewegliche Inventar im Schlossgebäude - an den Beschwerdeführer übertragen. Verschiedene Gegenleistungen, u. a. eine wertgesicherte Leibrente, wurden vereinbart. Ausgehend von einem Verkehrswert von 1.861.338,30 EUR als Geschäftswert stellte der Beschwerdegegner am 14.6.2005 folgende verfahrensgegenständliche Rechnung:

Gegen diese Rechnung hat sich der Beschwerdeführer mit der Begründung gewandt, es sei § 19 Abs. 4 KostO anzuwenden. Deshalb betrage der Geschäftswert nur 218.832,92 EUR. Ferner hat er mit einem Schadenersatzanspruch wegen zu hoher Gerichtskosten für die Grundbucheintragung, die er im April 2003 bezahlt hatte, aufgerechnet.

Das Landgericht wies mit Beschluss vom 14.3.2006 die Beschwerde zurück. Hiergegen richtet sich die zugelassene weitere Beschwerde, mit der das Beschwerdebegehren weiterverfolgt wird. Im Laufe des Verfahrens der weiteren Beschwerde berichtigte der Beschwerdegegner am 24.5.2006 nach gerichtlichem Hinweis die Rechnung erneut, indem er bei den Auslagen als Rechtvorschriften § 8, § 137 Abs. 1 Nr. 1, § 152 Abs. 2 Nr. 1 a und b und Nr. 2 KostO zitierte und diese aufschlüsselte.

II.

Die zugelassene weitere Beschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der Entscheidung und zur Zurückverweisung an das Landgericht.

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:

Der Notar habe zu Recht den Geschäftwert nicht nach § 19 Abs. 4 KostO bemessen. Da die Felder verpachtet seien, sei die Fortführung des landwirtschaftlichen Betriebes nicht beabsichtigt. Der übergebene Grundbesitz müsse eine wirtschaftliche und organisatorische Einheit bilden, woran es fehle, wenn die landwirtschaftlichen Nutzflächen parzelliert für längere Zeit fremdverpachtet seien. Der Vertrag spiegle nicht notwendig die Fortführungsabsicht wieder. Auch die forstwirtschaftlichen Flächen könnten nicht nach § 19 Abs. 4 KostO bewertet werden, da der forstwirtschaftliche Teil keinen eigenständigen Betrieb gebildet habe. Der Wertansatz des Verkehrwerts sei nicht zu beanstanden.

Aufrechenbare Schadensersatzansprüche seien nicht ersichtlich. Es sei nicht dargelegt, dass der Beschwerdeführer bei ordnungsgemäßer Belehrung von dem Geschäft abgesehen hätte.

2. Die Entscheidung ist nicht schon deshalb aufzuheben, weil das Landgericht nicht beachtet hat, dass mangels Zitierung der genauen Auslagenvorschriften keine ordnungsgemäße, dem § 154 KostO entsprechende Notarrechnung vorliegt.

Der Notar muss zwar die seine Kosten rechtfertigenden Kostenvorschriften in der Kostenberechnung vollständig angeben. Regelt eine Vorschrift mehrere Gebührentatbestände, so sind auch die maßgebenden Absätze und eventuelle weitere Untergliederungen aufzuführen (OLG Hamm, 11. September 1980, 15 W 164/80 = JurBüro 1981, 419; OLG Düsseldorf, 3. Juni 1983, 10 W 55/83 = JurBüro 1983, 1244; BayObLG Beschluss vom 18. April 1984, Az: BReg 3 Z 130/83 = JurBüro 1984, 1228). Dies gilt auch für Auslagen (BayObLG Beschluss vom 13. März 1984, Az: 3 Z 165 - 166/83, 3 Z 165/83, 3 Z 166/83 = DNotZ 1984, 646; Senatsentscheidung vom 3.11.2005 - 32 Wx 111/05) jedenfalls dann, wenn sich der angewendete Gebührentatbestand nicht aus den Gesamtumständen ergibt (OLG Hamm Beschluss vom 31. Oktober 1991, Az: 15 W 187/91 = JurBüro 1992, 343 ). Die erforderlichen Untergliederungen haben sich an der zu zitierenden gesetzlichen Vorschrift zu orientieren. Nennt eine gesetzliche Vorschrift neben Absätzen auch Nummern und sind diese weiter nach Buchstaben unterteilt, sind auch letztere zu zitieren.

Der Beschwerdegegner hat jedoch eine dem Zitiergebot genügende Rechnung im Laufe des Verfahrens der weiteren Beschwerde nachgereicht. Wenngleich in diesem Verfahren in der Regel keine neuen Tatsachen vorgetragen werden können, macht die Rechtsprechung aus Gründen der Prozessökonomie dann eine Ausnahme, wenn die neuen Tatsachen ohne weitere Ermittlungen feststehen, weil sie sich unzweideutig aus den Akten ergeben (Keidel/Meyer-Holz FGG 15. Aufl. § 27 Rn. 45 m.w.N.). Dies ist bei der Vorlage der neuen Rechnung der Fall.

3. Die Ausführungen des Landgerichts zur Frage der Anwendung des § 19 Abs. 4 KostO halten der rechtlichen Nachprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 546 ZPO).

a) Zu Unrecht hat das Landgericht schon die Existenz eines bestehenden forstwirtschaftlichen Betriebs mit Hofstelle im Zeitpunkt der Übergabe verneint.

Die Waldflächen waren unbestritten nicht verpachtet. Die Größe der im Übergabezeitpunkt nicht verpachteten Fläche (ca. 73,8 ha forstwirtschaftliche Fläche) reicht aus, um den Unterhalt einer bäuerlichen Familie ganz oder teilweise sichern zu können (BayObLGZ 1992, 231/233; BayObLG NJW-RR 2001, 1366 f; Senatsentscheidung v. 24.10.2005 RNotZ 2005, 622). Dabei ist, da diese Bestimmung auf die Leistungsfähigkeit des Betriebes als solchen abstellt und dessen Fortbestand sichern will, ein objektiver Maßstab anzulegen. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob der Betrieb zum konkreten je nach den persönlichen Umständen unterschiedlichen Lebensbedarf seines derzeitigen Inhabers wesentlich beiträgt. Maßgebend ist vielmehr, ob der Betrieb geeignet ist, einen wesentlichen Beitrag zum Unterhalt einer bäuerlichen Durchschnittsfamilie zu leisten. Dem entspricht es, dass die Rechtsprechung in diesem Zusammenhang auf die objektiven Abgrenzungskriterien in landwirtschaftlichen Gesetzen gleicher Zielsetzung wie das Gesetz zur Förderung der bäuerlichen Landwirtschaft und das Gesetz über die Altershilfe für Landwirte zurückgreift (OLG Zweibrücken MittBayNot 1996, 401; BayObLG NJW-RR 2001, 1366; OLG Hamm NJW-RR 2001, 1367; BayObLG NJW-RR 2003, 1295), wobei diese Mindestgrößen jedoch nur Anhaltspunkte für die Anwendung des § 19 Abs. 4 KostO geben, aber keine strikte Bindung bewirken (BayObLG FamRZ 1997, 831; BayObLG NJW-RR 2001,1366). Da nach dem Willen des Gesetzgebers gegebenenfalls auch die nebenberufliche Führung des Betriebes genügen soll (vgl. BT-Drucks. 11/2343 S. 7), kann hinsichtlich der Höhe dieses Beitrags nicht auf den vollen Unterhaltsbedarf einer bäuerlichen Durchschnittsfamilie abgestellt werden.

b) Auch die Fortführungsabsicht kann nach den bisherigen Feststellungen des Landgerichts nicht verneint werden. Maßgebend ist die Absicht des Übernehmers im Zeitpunkt der Übergabe. Eine entscheidende Bedeutung kommt hierbei, da es sich um eine innere Tatsache handelt, der Erklärung des Übernehmers zu. Gibt der Übernehmer mangels Kenntnis des § 19 Abs. 4 KostO keine Erklärung ab und ist das Fehlen der Fortführungsabsicht nicht schon aus dem Vertragsinhalt offensichtlich, hat der Notar bei der Beurkundung und das Gericht im Beschwerdeverfahren nachzufragen. Die nachträgliche Entwicklung kann zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben der Beteiligten und bei Klärung der Frage, welche Angaben der Übernehmer bei gehöriger Aufklärung durch den Notar gemacht hätte, nicht außer Betracht bleiben.

aa) Abweichend von der Ansicht des Landgerichts kann dem Vertrag nicht ohne weiteres die fehlende Fortführungsabsicht entnommen werden. Die Präambel des Vertrages, die von einer "ungeteilten Fortführung" spricht, der Umstand, dass nach Ziff. I Nr. 4 des Vertrages das Land- und forstwirtschaftliche Inventar mit übergeben wird, und die zusätzliche Ausgleichpflicht nach Ziff. III Nr. 7 des Vertrages sprechen eher für eine Fortführung des gesamten Betriebs.

Wenn das Landgericht den Hinweis in der Präambel dahingehend versteht, dass auf Dauer die Fortführung in der teilverpachteten Form gemeint sei, hätte es hierauf hinweisen und auf entsprechende Erklärungen der Beteiligten hinwirken müssen.

bb) Auch die Gesamtumstände führen nicht zu der zwingenden Annahme, dass der Beschwerdeführer die Betriebsfortführung nicht beabsichtige. Nach seinen noch im Beschwerdeverfahren unwidersprochen gebliebenen Angaben im Schriftsatz vom 27.7.2005 betreibt der Beschwerdeführer eine Rechtsanwaltskanzlei nebenberuflich. Für seine Absicht, den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb weiterhin zu betreiben, spricht auch die Ausbildung des Beschwerdeführers auf der Waldbauernschule und der Umstand, dass im Anschluss an die Übergabe Pachtverhältnisse aufgelöst wurden. Andererseits kann als entgegenstehender Umstand nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Beschwerdeführer offenbar seinen Wohnsitz noch in B. hat.

cc) Insoweit wird das Landgericht weitere Feststellungen zu treffen haben. Insbesondere wird es den Beschwerdeführer dazu Stellung nehmen lassen müssen bzw. anzuhören haben, auf welche Weise er die Ausübung der Landwirtschaft zu betreiben gedenke. Ebenso wird das Gericht den Beschwerdeführer zu den Ausführungen des Beschwerdegegners im Schriftsatz vom 30.5.2006, der Beschwerdeführer aus Broterwerbsgründen seine Betätigung als Rechtsanwalt noch lange beibehalten werde, anhören und unter Berücksichtigung aller Umstande die Glaubhaftigkeit der Fortführungsabsicht beurteilen müssen.

c) Nicht rechtsfehlerfrei sind auch die Ausführungen des Beschwerdegerichts, soweit es die Fortführungstendenz hinsichtlich der verpachteten Felder in Frage stellt:

aa) Zu Recht hat zwar das Landgericht angenommen, dass das Kriterium der Fortführung einen im Zeitpunkt der Übergabe noch bestehenden Betrieb samt Hofstelle voraussetze. Richtig ist auch, dass auf Dauer verpachtete Flächen dem landwirtschaftlichen Betrieb nicht zur Verfügung stehen und daher der Privilegierung des § 19 Abs. 4 KostO (BayObLGZ 1994, 110 = MittBayNot 1994, 359) nicht unterliegen.

bb) Maßgeblich für die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts war jedoch (BayObLGZ 1994, 110/112), dass die Fortführung des Betriebes der Erwerberin weder möglich noch von ihr beabsichtigt war. Anders ist es jedoch, wenn die Fortführung des landwirtschaftlichen Betriebes durch die Erwerberin als solche nicht im Zweifel steht, sondern ausschließlich deren Zeitpunkt (BayObLGZ 1997, 240 ff = MittBayNot 1997, 311 f; Senatsentscheidung v. 24.10.2005 RNotZ 2005, 622).

cc) Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer im Schriftsatz vom 27. Juli 2005 vorgetragen, dass er nach Beendigung der Pachtverhältnisse beabsichtige, die landwirtschaftlichen Flächen wieder dem Betrieb zuzuführen und dass zudem Flächen bereits zurückgegeben seien und weitere folgen würden. Wenn das Landgericht diese Angaben nicht für ausreichend oder glaubwürdig hält, hat es auf weitere Angaben oder Beweisangebote hinzuwirken. Dies kann es im weiteren Verfahren nachholen.

4. Im Rahmen der erneuten Entscheidung wird das Landgericht auch über den Geschäftwert und die Frage der Kostenerstattungspflicht zu entscheiden haben.

III.

Das Landgericht wird ferner bei seiner Entscheidung folgende Erwägungen zu berücksichtigen haben:

1. Folgt man der Auffassung des Landgerichts und der beteiligten Notarkasse, dass der forstwirtschaftliche Betriebsteil keinen eigenständigen Betrieb bildet, so ist die Privilegierung des § 19 Abs. 4 KostO einheitlich zu gewähren. Dies ist jedenfalls dann erforderlich, wenn man - wofür die Aktenlage spricht - davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer die Beendigung der Pachtverhältnisse und damit die Fortführung auch des landwirtschaftlichen Betriebsteiles anstrebe. Damit sind die Felder nicht gesondert zu bewerten.

Wäre aber bezüglich der landwirtschaftlichen Flächen die Fortführung nicht beabsichtigt, müsste wohl hinsichtlich des forstwirtschaftlichen Betriebsteils ein eigenständiger Betrieb bejaht werden. In diesem Falle wären die forstwirtschaftlichen Flächen nach § 19 Abs. 4 KostO und die landwirtschaftlichen Flächen nach dem Verkehrswert anzusetzen.

2. Soweit Gegenleistungen (Wohnrecht und Nießbrauch am Inventar, Leibrente und Schuldübernahme, Ausgleichsbetrag an Schwestern) enthalten sind, ist § 39 Abs. 2 KostO zu beachten. Bei der Bewertung der Gegenleistungen ist folgendermaßen zu verfahren:

a) Für das Wohnrecht und den Nießbrauch am Inventar ist der Wert der jährlichen Nutzung zu schätzen (§ 30 Abs. 1 KostO) und nach § 24 Abs. 3 KostO der 5-fache Wert des jährlichen Betrages zu Grunde zu legen. Der Wert des jährlichen Bezuges ist zu schätzen. Hierbei sind die Größe der zur Verfügung gestellten Fläche und die Ausstattung der Wohnräume sowie der genauere Umfang des Inventars maßgebend.

b) Der Wert der Leibrente beträgt nach § 24 Abs. 3 KostO 5.000 EUR. Ferner ist wegen der Wertsicherungsklausel nach den vom Senat im Beschluss vom 8.2.2006 (32 Wx 10/06) aufgestellten Grundsätzen ein Zuschlag von ca. 2 % zu machen, so dass sich ein Wert von 5.100 EUR ergibt.

c) Der Wert der Schuldübernahme bestimmt sich nach der Valutierung des Darlehens, also ca. 7.000 EUR.

d) Der Ausgleichsbetrag für die weichenden Pflichtteilsberechtigten beträgt insgesamt 45.000 EUR.

3. Zu Recht hat das Landgericht im Ergebnis den zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzanspruch abgelehnt. Im Rahmen des Verfahrens nach § 156 KostO kann mit Schadenersatzansprüchen gegen den Notar aufgerechnet werden (BayObLGZ 2005, 278 ff. = MittBayNot 2005, 304 ff.).

Dem Beschwerdeführer steht jedoch kein Schadenersatzanspruch nach § 19 BNotO zu, da der Beschwerdeführer das endgültige Entstehen des Schadens durch einen Rechtsbehelf abwenden kann (§ 19 Abs. 1 Satz 3 BNotO i.V.m. § 839 Abs. 3 BGB). Er kann nämlich Geschäftswertfestsetzung für die Kosten des Grundbuchamts nach § 31 KostO beantragen. Die Abänderung des bislang zu Grunde gelegten Geschäftswerts ist mangels ergangenen Geschäftswertbeschlusses nicht nach § 31 Abs. 1 Satz 2 KostO ausgeschlossen (Hartmann, Kostengesetze 36. Aufl. § 31 Rn. 33 KostO).

Nach Festsetzung des Geschäftswerts sind eine neue Gerichtskostenrechnung zu erstellen und der Mehrbetrag seitens der Staatskasse zu erstatten. Verjährung des Rückerstattungsanspruches nach § 17 Abs. 2 KostO tritt erst am 31.12.2007 ein.



Ende der Entscheidung

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