Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 26.07.2006
Aktenzeichen: 32 Wx 88/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 2084
Die ergänzende Auslegung eines im Ausland errichteten Testaments kann ergeben, dass an die Stelle des am Ort der Testamentserrichtung vorhandenen und den Gegenstand eines Vorausvermächtnisses zu Gunsten der Ehefrau des Erblassers bildenden Wohnhauses das zum Erbfallzeitpunkt im Inland gemeinsam genutzte Wohnhaus tritt, wenn der Erblasser nach Testamentserrichtung wieder dauerhaft nach Deutschland zurückkehrte.
Tenor:

Die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Memmingen vom 15.1.2002 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Der später verstorbene Ehemann der Beteiligten zu 2 wohnte bis Anfang 1996 mit seiner Ehefrau in Kansas/USA. 1992 errichtete er in formgültiger Weise vor einem amerikanischen Rechtsanwalt ein Testament. In diesem setzte er u. a. seine Ehefrau zum "executor" dieses Testaments ein. In Artikel III verfügte er wie folgt:

"Wenn ich von meiner Gattin R F überlebt werde, übergebe und hinterlasse ich meiner besagten Gattin hiermit alle meine Rechte, Titel und Anteile an unserem Wohnhaus und alle Automobile und Motorräder, die ich besitze (ausdrücklich einschließlich meiner Oldtimer, zusammen mit allen meinen Haustieren, Haushaltsgütern, Möbeln, Ausstattungen, Zierstücken, Büchern, Bildern, Bedarfsartikeln, Silber, Glas, Porzellan, Verbrauchsgütern, Kleidung, Schmuck, Uhren, persönlichen Effekten und allen anderen Sachen, die persönlicher Natur sind oder zum Haushalt gehören, welcher Art auch immer und wo auch immer gelegen."

In Art. IV des genannten Testaments verfügte der Erblasser weiter, dass der gesamte Rest seines Vermögens nach Bildung eines Trusts an seine Ehefrau übergehen solle. Der Trust sollte durch finanzielle Mittel der Ehefrau aufgefüllt werden. Die Einzelheiten des Trusts sind in Art. V näher beschrieben; die Beteiligte zu 1 sollte nach Ableben der Ehefrau die Hauptbegünstigte des Trusts sein.

Zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung besaßen Herr F F und die Beteiligte zu 2 gemeinsam ein Wohnhaus in den USA und weiteres Vermögen. 1988 hatten sie außerdem das verfahrensgegenständliche Grundstück in Ottobeuren erworben. 1996 übersiedelten sie nach Deutschland, und wohnten auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück. Kurze Zeit später verstarb Herr K F F am 17.8.1996. In der Folgezeit wurde die Beteiligte zu 2 als Eigentümerin des verfahrensgegenständlichen Grundstücks eingetragen.

Die Beteiligte zu 1, die als Begünstigte des in Ziffer V des Testaments bezeichneten Trusts benannt ist, war der Auffassung, es sei hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Grundstücks Vor- und Nacherbfolge angeordnet. Sie beantragte die Eintragung eines Nacherbenvermerks im Grundbuch. Diesen Antrag lehnte das Amtsgericht Memmingen - Grundbuchamt - mit Beschluss vom 27.7.2001 ab. Eine gegen diese Ablehnung eingelegte Beschwerde wies das Landgericht Memmingen mit Beschluss vom 15.1.2002 zurück. Gegen diese Zurückweisung richtet sich die mit Anwaltsschriftsatz eingelegte weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1. Die Beteiligte zu 2 wurde gehört.

II. Die gemäß § 78 GBO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 1 bleibt in der Sache ohne Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Beteiligte zu 2 ist Alleinerbin des Verstorbenen. Ihr wurden zunächst die Vermögensmassen "zugedacht". Hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Grundstückes sei schon deswegen eine Nacherbfolge nicht angeordnet worden, weil jedenfalls dieses Grundstück als Teil eines Vorausvermächtnisses anzusehen sei. Außerdem sei es sehr zweifelhaft, ob die Errichtung bzw. Einrichtung eines Trusts nach amerikanischem Recht der Anordnung der Vor- und Nacherbfolge gleichzusetzen sei, weil der Trustverwalter zwar formal die Verfügungsbefugnis innehabe, die Einzelgegenstände des Trustvermögens jedenfalls wirtschaftlich aber den Bedachten zuzurechnen seien.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand:

a) Das Landgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass gemäß Art. 26 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB für die formelle Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung das Recht am Ort der Errichtung maßgeblich ist. Es spricht nichts dagegen, dass das Testament nach dem Recht von Kansas formgültig errichtet wurde.

Sein materiell-rechtlicher Inhalt richtet sich gemäß Art. 25 Abs. 1 EGBGB nach deutschem Recht, weil der Erblasser bis zu seinem Tode deutscher Staatsangehöriger war. Dieses Erbstatut ist auch für die Testamentsauslegung maßgeblich (BayObLGZ 1986, 466/473). Allerdings sind bei der Ermittlung des Erblasserwillens materiell-rechtliche Grundsätze des amerikanischen Rechts bzw. des Rechts von Kansas zu berücksichtigen, wenn der Erblasser bei Errichtung des Testaments unter ihrem Einfluss stand (BayObLGZ 2003, 62/82). Der Erblasserwille ist dabei möglichst aufrechtzuerhalten, soweit er sich bei deutschem Erbstatut in die Begriffe des BGB "übersetzen", unter Umständen auch erst im Wege der Umdeutung mit den erbrechtlichen Vorstellungen des BGB in Übereinstimmung bringen lässt (BayObLG aaO., S. 83).

b) Es kann vorliegend dahinstehen, ob die Einsetzung der Ehefrau als "executor" nach deutschem Recht in die Einsetzung einer Testamentsvollstreckerin umzudeuten ist. Diese Frage haben die Vorinstanzen ersichtlich bejaht und sich darauf bezogen, dass nach amerikanischem Recht kein direkter Vermögensanfall beim Erben stattfindet, sondern zunächst der Gesamtnachlass vom Executor in Besitz genommen wird, um anschließend dem Erben übertragen zu werden.

Es kann in diesem Zusammenhang weiter dahinstehen, ob die Einsetzung eines Trusts schon deswegen nicht in eine Vor- bzw. Nacherbeneinsetzung umgedeutet werden kann, weil der Trust nicht unmittelbarer dinglicher Rechtsnachfolger an den einzelnen Vermögensgegenständen des Erblassers werden soll, was gegen eine Nacherbeneinsetzung und für ein Nachvermächtnisaussetzung sprechen würde. Das Vermögen soll nämlich nach den Bestimmungen des Testaments zunächst zu Geld gemacht werden und dann erst in den Trust fließen. Eine solche Konstruktion, die dem durch den Trust Begünstigten lediglich einen Zahlungsanspruch in Höhe des Wertes eines etwaigen Erbteils geben würde, stünde im deutschen Recht wohl prinzipiell der Annahme einer Erbeinsetzung entgegen.

Hierbei ist aber zu berücksichtigen, dass die Vermögenszuwendung über einen Trust in den Ländern des angloamerikanischen Rechtsraums schon deswegen nicht der Annahme einer Erbeinsetzung entgegensteht, weil auch der Erbe nicht notwendigerweise dinglicher Rechtsnachfolger des Erblassers wird. Es kann im Übrigen auch nach deutschem Recht wirtschaftlich zum selben Ergebnis führen, ob bei einer angeordneten befreiten Testamentsvollstreckung (§ 2207 BGB) einem Begünstigten lediglich der Anspruch auf Auskehr des Werts der vom Testamentsvollstrecker gezogenen Früchte vermacht wird oder ob er als zwar nicht befreiter Vorerbe eingesetzt wird, ihm aber die Verwaltung des Nachlasses und folglich auch die Verfügung über die Nachlassgegenstände dauerhaft entzogen sind und er deshalb auf den Genuss der vom Testamentsvollstrecker gezogenen Früchte beschränkt ist.

c) Unabhängig von der in der Rechtsbeschwerdebegründung aufgeworfenen Frage, ob in der Bestellung eines Trusts und der Begünstigung der Beteiligten zu 1 in diesem die Anordnung einer Nacherbschaft liegen kann, ist festzustellen, dass das verfahrensgegenständliche Grundstück jedenfalls hiervon deswegen nicht berührt wird, weil es den Gegenstand eines Vorausvermächtnisses zu Gunsten der Beteiligten zu 2 bildet (§ 2110 Abs. 2 BGB).

Dies ergibt sich nicht direkt aus der unmittelbaren Auslegung des Testaments vom 31.1.1992. Dort ist nämlich in Art. III zwar ein Vorausvermächtnis zu Gunsten der Beteiligten zu 2 ausgesetzt, doch umfasst dieses dem Wortlaut nach nur das zum damaligen Zeitpunkt bestehende gemeinsame Haus in den Vereinigten Staaten. Das Testament bedarf jedoch deswegen, weil sich die Lebensverhältnisse des Erblassers zwischen dem Testierzeitpunkt und seinem Todeszeitpunkt ganz erheblich geändert haben, der ergänzenden Auslegung (vgl. Palandt/Edenhofer, Kommentar zum BGB, 65. Aufl., Rn. 8 zu § 2084 BGB; MüKo-Leipold, Rn.71 ff. zu § 2084 BGB). Während nämlich zum Zeitpunkt der Errichtung des anwaltlichen Testaments die Ehegatten noch einen gemeinsamen Wohnsitz in den Vereinigten Staaten hatten und das Haus dort den Lebensmittelpunkt beider bildete, war zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers der gemeinsame Lebensmittelpunkt bereits das verfahrensgegenständliche Grundstück. Gleichzeitig unterlagen die Testamentswirkungen nicht - wie geplant - dem amerikanischen Recht sondern dem deutschen.

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass auch die Umdeutung der Begünstigung der Rechtsbeschwerdeführerin im Wege eines Trusts zur Vorerbeneinsetzung der Beteiligten zu 2 und einer Nacherbeneinsetzung der Beteiligten zu 1 nicht anders als im Wege ergänzender Testamentsauslegung möglich wäre. Die einfache Anpassung der nach deutschem Recht eintretenden Folge an den Erblasserwillen würde nämlich wegen der geschilderten fehlenden dinglichen Wirkung der Vermögensübertragung auf den Trust lediglich zur Annahme eines Nachvermächtnisses mit dem Inhalt der Zuwendung eines Zahlungsanspruches führen.

Zu fragen ist, wie der Erblasser seine Verfügung inhaltlich gestaltet hätte, wenn er bei Errichtung des Testaments die später eingetretene Entwicklung der für ihn relevanten Verhältnisse vorausschauend berücksichtigt hätte. Eine Voraussicht der Zukunft in allen Einzelheiten, d. h. einen allwissenden Erblasser, hat man sich dabei nicht vorzustellen; denn ein solcher hypothetischer Wille wäre realitätsfremd und würde daher nicht dem Sinn der an das Testament und die reale Willensrichtung anknüpfenden ergänzenden Auslegung entsprechen. Vielmehr ist zu erwägen, wie der Erblasser testiert hätte, wenn er die Möglichkeit der späteren Entwicklung in ihren wesentlichen Zügen bedacht hätte (MüKo-Leipold, Rn.78 zu § 2084 BGB)

Aus der Fassung von Art. III des Testaments ist ersichtlich, dass der Erblasser seiner Ehefrau alles dauerhaft hinterlassen wollte, was diese zur Fortsetzung ihres Lebens in der gewohnten Umgebung benötigt. Dazu gehörte über den Inhalt des § 1932 Abs. 1 Satz 1 BGB hinaus neben den offensichtlich wertvollen Automobilen auch der Eigentumsanteil des Erblassers am gemeinsamen Haus.

Es findet sich somit im Testament bereits ein Anhaltspunkt dafür, dass der Erblasser seinen Anteil an der als Wohnung genutzten Immobilie als gemeinsamem Lebensmittelpunkt dauerhaft überlassen wollte. Nachdem zum Zeitpunkt seines Todes dieser gemeinsame Lebensmittelpunkt nicht mehr in den Vereinigten Staaten lag, sondern in Deutschland, ist im Wege ergänzender Testamentsauslegung festzustellen, dass jedenfalls das verfahrensgegenständliche Grundstück einer - möglicherweise - angeordneten Nacherbeneinsetzung entzogen ist.

3. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, weil sich die Kostenfolge direkt aus dem Gesetz ergibt. Die Geschäftswertfestsetzung ist weder angegriffen noch von Amts wegen zu beanstanden.

Ende der Entscheidung

Zurück