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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 22.01.2008
Aktenzeichen: 33 AR 1/08
Rechtsgebiete: FGG
Vorschriften:
FGG § 70 Abs. 3 Satz 1 |
Gründe:
I.
Für den im Bezirk des Amtsgerichts Sonthofen lebenden Betroffenen besteht eine Betreuung, die vom Amtsgericht Meldorf geführt wird, weil diese überwiegend Vermögensinteressen betrifft, die im Bezirk Meldorf besser besorgt werden können.
Nachdem die Betreuerin zu 2 die Genehmigung der geschlossenen Unterbringung des Betroffenen beantragt und mitgeteilt hatte, dass dieser im Bezirkskrankenhaus Kempten untergebracht werden solle, hat das Amtsgericht Meldorf das "Amtsgericht Kempten Zweigstelle Sonthofen" um Übernahme des Verfahrens ersucht. Das Amtsgericht Sonthofen hat die Übernahme abgelehnt.
II.
1. Das Oberlandesgericht München ist zur Entscheidung über die Abgabe des Verfahrens zuständig (§ 70 Abs. 3 Satz 1, 2. HS, § 46 Abs. 2 Satz 1, § 199 FGG, Art. 11a AGGVG). Die Voraussetzungen für eine Entscheidung über die Abgabe nach § 70 Abs. 3, § 46 Abs. 2 Satz 1 FGG liegen vor. Das Amtsgericht Sonthofen hat einer Übernahme des Verfahrens widersprochen.
2. Das Vormundschaftsgericht kann ein Unterbringungsverfahren an das Gericht abgeben, in dessen Bezirk sich der Betroffene aufhält und die Unterbringungsmaßnahme vollzogen werden soll (§ 70 Abs. 3 Satz 1 FGG). Das Gesetz verlangt damit die Zuständigkeit des aufnehmenden Gerichts sowohl für den Aufenthaltsort des Betroffenen als auch für den Ort der beabsichtigten Unterbringung.
a) Das Amtsgericht Meldorf scheint der Meinung zu sein, in Sonthofen bestehe nur eine Zweigstelle des Amtsgerichts Kempten. In diesem Falle wären die Voraussetzungen für eine Abgabe gegeben, da sich der Gerichtsbezirk nicht nach Zweigstellen aufteilt, sondern zum Zuständigkeitsbezirk eines Gerichts auch die räumlichen Bereiche von Zweigstellen gehören. Ob Unterbringungsverfahren in die Zuständigkeit des Hauptgerichts oder in die einer bestimmten Zweigstelle fallen, ist dann Sache der internen Gerichtsorganisation.
Entgegen der Mutmaßung des abgebenden Gerichts befindet sich in Sonthofen keine Zweigstelle des Amtsgerichts Kempten, sondern ein selbständiges Amtsgericht.
b) Nach dem Wortlaut des § 70 Abs. 3 FGG ist daher eine Abgabe nicht möglich, da sich der Betroffene nicht in dem Gerichtsbezirk aufhält, in dem die Maßnahme vollzogen werden soll. Mit "Vollzug" der Maßnahme kann hier nur die Durchführung der genehmigten Unterbringung in der Einrichtung gemeint sein, nicht etwa vorbereitende Tätigkeiten wie eine Anhörung oder die zwangsweise Verbringung in die Einrichtung. Denn hätte der Gesetzgeber dies gewollt, hätte er, ähnlich wie in § 70 Abs. 5 Satz 1 FGG bei der öffentlich-rechtlichen Unterbringung, nicht auf den Ort des Vollzugs, sondern auf den Ort abgestellt, an dem das "Bedürfnis für die Unterbringung" besteht.
c) Auch eine entsprechende Anwendung von § 70 Abs. 3 Satz 1 FGG kommt nicht in Betracht.
Zwar wird vereinzelt (vgl. Dodegge/Roth Betreuungsrecht, 2. Aufl. § 70 FGG Rn 85) die Auffassung vertreten, dass eine Abgabe an das Gericht des Aufenthaltsorts auch möglich sei, wenn der Ort, an dem die Unterbringungsmaßnahme vollzogen werden soll, in einem anderen Amtsgerichtsbezirk liege. Jedoch würde dies eine planwidrige Regelungslücke voraussetzen.
In der bis 30.6.2005 geltenden Gesetzesfassung konnte ein Unterbringungsverfahren nur an das Gericht abgegeben werden, in dessen Bezirk der Betroffene untergebracht war. Mit dem Zweiten Betreuungsrechts-Änderungsgesetz wurden die Abgabemöglichkeiten erweitert: Es ist nun nicht mehr erforderlich, dass der Betroffene bereits im anderen Bezirk untergebracht ist, sondern, es genügt, wenn die Unterbringung dort beabsichtigt ist und er sich im selben Bezirk aufhält.
Der Gesetzgeber wollte mit der Neufassung der Vorschrift zum 1.7.2005 die Abgabemöglichkeit - über die Fälle einer tatsächlich schon begonnenen Unterbringung hinaus - ausdrücklich (nur) erweitern auf diejenigen Sachverhalte, bei denen sich der Betroffene im Bezirk eines anderen Gerichts aufhält und die bevorstehende Maßnahme dort vollzogen werden soll (BT-Drucks. 15/2494 S. 43). Hätte er den Zweck verfolgt, vordringlich die ersten Schritte eines Unterbringungsverfahrens zu erleichtern und deswegen allein auf den Aufenthalt abstellen wollen, so hätte er unschwer das zusätzliche Erfordernis entfallen lassen können, dass im Bezirk des Aufenthalts auch die Maßnahme vollzogen werden soll.
d) Zwar werden hierdurch Fallgestaltungen wie die vorliegende, in denen die Zuständigkeiten nach dem derzeitigen Aufenthaltsort und dem künftigen Unterbringungsort auseinanderfallen, nicht erfasst. Es mag sogar sein, dass es sich - innerhalb der an sich eher seltenen Fallgruppe der längerfristig vorbereiteten und nicht durch einstweilige Anordnung genehmigten zivilrechtlichen Unterbringungsmaßnahmen - um den größeren Anteil handelt, weil im ländlichen Bereich der Einzugsbereich psychiatrischer Kliniken häufig mehrere Amtsgerichtsbezirke umfassen dürfte.
Es liegt aber keineswegs auf der Hand, dass der Gesetzgeber dies übersehen hat und eine nur durch Analogie zu schließende Lücke vorliegt. Das gilt umso mehr, als dann weiterhin zu entscheiden wäre, ob aufnehmendes Gericht das für den Aufenthaltsort oder den Ort der künftigen Unterbringung zuständige Amtsgericht sein solle.
Beide Alternativen bieten keine überzeugenden Vorteile
aa) Hält sich der Betroffene nicht im Gerichtsbezirk des Einrichtungsortes auf, so würde eine Abgabe von dem zunächst das Betreuungsverfahren führenden Gericht an das Gericht des Aufenthalts regelmäßig nicht von Dauer sein. Sie würde vielmehr binnen kurzer Frist eine erneute Abgabe an das Gericht des Unterbringungsortes nach sich ziehen, die nach § 70 Abs. 3 Satz 3 FGG möglich wäre. Denn sobald der Betroffene sich in der Einrichtung befindet, fallen Aufenthalt und Ort des Vollzugs zusammen, mit der Folge, dass § 70 Abs. 3 Satz 1 unmittelbar nach seinem Wortlaut anwendbar ist.
Es erscheint aber wenig zweckmäßig, für die Zeit von der Einleitung einer Unterbringungsmaßnahme bis zum Beginn des Vollzugs ein anderes Gericht als das ursprünglich zuständige Gericht der Betreuung oder das eventuell später zuständig werdende des Unterbringungsortes mit der Sache zu befassen.
bb) Gegen eine Analogie, die alternativ eine unmittelbare Abgabe an das Gericht des beabsichtigten Unterbringungsortes ermöglichen könnte, spricht dessen fehlender Bezug zum Aufenthaltsort des Betroffenen; im Vorfeld einer Unterbringungsmaßnahme kann aber nur die Ortsnähe zum Betroffenen einen Zuständigkeitswechsel rechtfertigen. Zudem würde damit an einen rein subjektiven Umstand angeknüpft, nämlich die Vorstellung des Betreuers über den künftigen Unterbringungsort, ohne dass es darauf ankäme, ob die Unterbringung in dieser Einrichtung überhaupt möglich wäre (anhand von Belegungsplänen oder auch konkreter Auslastung).
3. Daher ist in einem derartigen Fall die Abgabe des Verfahrens über die Unterbringungsmaßnahme ausgeschlossen. Das für die Betreuungssache zuständige Gericht hat das Verfahren fortzuführen, gegebenenfalls unter Ausschöpfung gesetzlich möglicher Rechtshilfeersuchen. Erst wenn der Vollzug einer genehmigten Unterbringungsmaßnahme tatsächlich begonnen haben sollte, ist Raum für eine Abgabe nach § 70 Abs. 3 Satz 1, 1. HS FGG.
Ende der Entscheidung
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