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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 24.06.2008
Aktenzeichen: 33 Wx 119/08
Rechtsgebiete: FGG
Vorschriften:
FGG § 19 | |
FGG § 69 Abs. 1 Nr. 5 |
33 Wx 118/08 33 Wx 119/08
Tatbestand:
Auf Anregung des Kreisverwaltungsreferats bestellte das Amtsgericht am 16.11.2006 für die Betroffene einen berufsmäßigen Betreuer mit den Aufgabenkreisen "Gesundheitsfürsorge"; "Vertretung in Verwaltungsverfahren KVR, Fahrerlaubnisbehörde und in ev. gerichtlichen Folgeverfahren. Als Zeitpunkt, zu dem das Gericht über die Aufhebung oder Verlängerung der Maßnahme zu entscheiden hat, wurde der 31.12.2007 festgelegt. Am 5.11.2007 beantragte die Betroffene die Aufhebung der Betreuung. Am 26.11.2007 gab das Amtsgericht ein psychiatrisches Gutachten in Auftrag, um die Notwendigkeit der Verlängerung und Erweiterung der Betreuung zu klären. Gegen diesen Beschluss legte die Betroffene am 5.12.2007 Beschwerde ein. Durch ihren Verfahrensbevollmächtigen erhob sie daneben am 28.1.2008 Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 16.11.2006 mit dem Ziel der Aufhebung der Betreuung. Das Landgericht verwarf am 3.4.2008 die Beschwerde soweit sie sich gegen die Beauftragung des Sachverständigen richtete und stellte die Entscheidung über die Aufhebung der Betreuung bis zu einer Entscheidung des Amtsgerichts über die Verlängerung und Aufhebung der Betreuung zurück. Die weitere Beschwerde wurde hinsichtlich der Begutachtung zurückgenommen, im Übrigen aber aufrechterhalten.
Gründe:
1) Das Rechtsmittel ist zulässig.
Mit der weiteren Beschwerde anfechtbar sind grundsätzlich nur diejenigen Beschlüsse des Landgerichts, durch die über die Beschwerde entschieden worden ist. In Betracht kommen somit in erster Linie das Beschwerdeverfahren abschließende Endentscheidungen (Meyer-Holz in Keidel/Kuntze/Winkler FGG 15. Aufl. § 27 Rn. 5). Diese können sachlich- oder verfahrensrechtlichen, positiven oder negativen Inhalt haben. Anfechtbar sind danach unter anderem Verfügungen, die einen Antrag zurückweisen oder ein Amtsverfahren einstellen. Nicht hierunter fallen dagegen verfahrensleitende Verfügungen, sofern sie nicht unmittelbar in Rechte eines Beteiligten eingreifen (Bassenge/Roth FGG RPflG 11. Aufl. § 19 Rn. 15).
Die Entscheidung des Landgerichts kommt einer das Beschwerdeverfahren abschließenden Endentscheidung auf Ablehnung der Aufhebung der Betreuung gleich. Die Zurückstellung bis zu dem Zeitpunkt, da das Amtsgericht über die Verlängerung und Aufhebung der Betreuung entschieden hat, bedeutet faktisch nicht nur eine zeitweise Verschiebung bis zum Eingang bestimmter Ermittlungsergebnisse, sondern verweigert eine Entscheidung in der Sache endgültig. Kommt das Amtsgericht zu dem Ergebnis, die Betreuung sei aufzuheben, wird die Beschwerde durch Erledigung der Hauptsache unzulässig. Verlängert das Amtsgericht die Betreuung und lehnt damit zugleich die Aufhebung der Betreuung ab, ist die Betreuung auf eine neue vormundschaftsgerichtlich Entscheidung gestützt, gegen die die Betroffene gesondert vorgehen müsste und damit die vorliegende Beschwerde prozessual überholt. Das Landgericht müsste in beiden Fällen keine Sachentscheidung mehr treffen.
2) Die weitere Beschwerde ist begründet.
a) Das Landgericht hat Folgendes ausgeführt:
Es lägen unterschiedliche gutachterliche Feststellungen zur Art der Erkrankung bei der Betroffenen vor. Die Klärung durch ein Sachverständigengutachten vor Entscheidung über die Beschwerde sei sinnvoll. Da der Überprüfungszeitpunkt für die Betreuung darüber hinaus bereits abgelaufen sei, sei die Entscheidung des Amtsgerichts über die Verlängerung und Aufhebung der Betreuung vorrangig. Wenn die Entscheidung des Amtsgerichts vorliege, sei die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 16.11.2006 prozessual überholt.
b) Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand (§ 27 FGG, § 546 ZPO).
Gemäß § 1908d Abs. 1 BGB ist die Betreuung aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen wegfallen. Diese regelt § 1896 Abs. 1 BGB: Kann ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so bestellt das Vormundschaftsgericht auf seinen Antrag oder von Amts wegen für ihn einen Betreuer. Die Bestellung eines Betreuers von Amts wegen, also ohne Antrag des Betroffenen gegen seinen Willen, setzt voraus, dass der Betroffene aufgrund seiner Krankheit oder Behinderung seinen Willen nicht frei bestimmen kann, d.h. nicht in der Lage ist, ihn unbeeinflusst von der Krankheit oder Behinderung zu bilden und nach zutreffend gewonnener Einsicht zu handeln (§ 1896 Abs. 1a BGB; vgl. BGH NJW 1996, 918/919; BayObLG FamRZ 2000, 189; 2002, 703).
Gemäß § 12 FGG hat das Gericht die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zu veranstalten und die geeignet erscheinenden Beweise aufzunehmen. Das Beschwerdegericht tritt in den Grenzen des Rechtsmittels vollständig an die Stelle der Erstinstanz (BayObLG FamRZ 1996, 1023).
Das Landgericht hat den Antrag auf Aufhebung der Betreuung abgelehnt, ohne Feststellungen dazu getroffen zu haben, ob die Voraussetzungen der Betreuung noch vorliegen oder nicht.
Besondere verfahrensrechtliche Vorschriften für die Entscheidung über den Antrag auf Aufhebung der Betreuung, der als Anregung von Amts wegen tätig zu werden aufzufassen ist, bestehen nicht. Die Regelung des § 69i Abs. 3 FGG ist nicht anwendbar, weil sie nur für die dort genannten Fälle gilt, nämlich für die Aufhebung der Betreuung, die Einschränkung des Aufgabenkreises des Betreuers, die Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts oder die Einschränkung des Kreises der einwilligungsbedürftigen Willenserklärungen. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, die Vorinstanzen haben die Betreuung gerade nicht aufgehoben. Die Vorschrift des § 69i Abs. 6 FGG betrifft das Verfahren über die Verlängerung der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts. Sie wäre zwar anzuwenden, wenn eine solche Verlängerung unter Ablehnung eines Antrags auf Aufhebung beschlossen wird (vgl. Bassenge/Roth FGG/RpflG 11.Aufl. § 69i Rn. 13), nicht jedoch, wenn - wie hier - nicht über eine Verlängerung, sondern allein über die Aufhebung der Betreuung zu entscheiden ist.
Hierfür gelten die allgemeinen Grundsätze (§ 12 FGG). Zur Entscheidung über die Aufhebung der Betreuung ist nicht stets ein neues Gutachten zu erholen (BayObLG FGPrax 1995, 52/53). Da jedoch aus Sicht des Beschwerdegerichts unterschiedliche gutachterliche Feststellungen zur Erkrankung der Betroffenen vorliegen, konnte die Aufhebung der Betreuung nicht ohne Klärung der Frage der Erkrankung und ihrer Auswirkungen auf die Fähigkeit der Betroffenen, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln und vor allem auch ihren Willen frei zu bilden, abgelehnt werden. Angesichts des starken Widerstandes, den die Betroffene einer Betreuung entgegenbringt, hätte auch unabhängig von der Frage einer weiteren Begutachtung Veranlassung bestanden, sich mit der Frage auseinandersetzen, ob die Betreuung überhaupt erfolgversprechend ist.
Das Landgericht wird daher ein Gutachten in Auftrag zu geben haben, um die Notwendigkeit der Betreuung unter Klärung etwaiger Widersprüche rechtsfehlerfrei feststellen zu können.
Die Tatsache, dass vom Amtsgericht im Hinblick auf den nach § 69 Abs. 1 Nr. 5 FGG bestimmten und bereits überschrittenen Überprüfungszeitpunkt die Frage der Verlängerung der Betreuung zu entscheiden ist und die dem Beschwerdegericht zukommende Entscheidung nach der Ablehnung der Aufhebung der Betreuung hiermit in sachlichem Zusammenhang steht, berechtigt das Landgericht nicht, die von ihm geforderte Entscheidung nicht zu treffen. Den von ihm angenommenen Vorrang der Entscheidung des Amtsgerichts über die Verlängerung der Betreuung vor derjenigen über die Aufhebung der Betreuung im Beschwerdeverfahren gibt es nicht.
Insoweit besteht auch eine andere Sachlage als in den Fällen einer prozessualen Überholung durch Erledigung der Hauptsache, da die Überschreitung eines erstgerichtlich festgelegten Überprüfungszeitpunkts den wirksamen Fortbestand der Betreuung unberührt lässt. Die Entscheidung des Landgerichts über die Beschwerde gegen die Ablehnung der Aufhebung der Betreuung wird somit nicht durch Zeitablauf bedeutungslos.
Es bleibt der Prüfung des Landgerichts überlassen, inwieweit es auf den Gutachtensauftrag des Amtsgerichts, der bisher wegen des anhängigen Beschwerdeverfahrens nicht ausgeführt wurde, zurückgreifen kann.
Ende der Entscheidung
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