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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 19.08.2005
Aktenzeichen: 33 Wx 128/05
Rechtsgebiete: BGB, BVormVG


Vorschriften:

BGB § 1836 Abs. 1 Satz 2
BGB § 1836a
BVormVG § 1 Abs. 1
BVormVG § 1 Abs. 3
BVormVG § 2
Der Betreuer eines mittellosen Betroffenen kann allein aufgrund langjähriger Erfahrung auch mit schwierigen Betreuungen nach Ablauf der Übergangsfrist des § 1 Abs. 3 BVormVG keine Erhöhung der Grundvergütung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BVormVG verlangen.
Tatbestand:

Für den Betroffenen war vom 20.1.2004 bis 6.6.2005 der Beteiligte zu 1 als Betreuer bestellt. Der Beteiligte zu 1 beantragte für den Zeitraum vom 1.1.2004 bis 31.12.2004 Vergütung und Auslagenersatz aus der Staatskasse in Höhe von 2.244,81 EUR. Das Amtsgericht setzte hierfür einen Betrag von 1.641,39 EUR fest, wobei es dem Beteiligten zu 1 statt des beantragten Stundensatzes von 25,56 EUR lediglich einen solchen von 18 EUR zubilligte. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das Landgericht nach Anhörung des Beteiligten zu 2 mit Beschluss vom 24.5.2005 zurückgewiesen und die weitere Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen.

Mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt der Beteiligte zu 1 sein Ziel weiter, ihm einen höheren Stundensatz zu gewähren.

Gründe:

Die gemäß § 56g Abs.5 Satz 2, § 69i Abs. 1 Satz 1, § 29 Abs. 1, 2 und 4, § 22 Abs. 1 FGG zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:

Der Beteiligte zu 1 könne als Berufsbetreuer eines mittellosen Betroffenen eine Vergütung aus der Staatskasse gemäß dem Gesetz über die Vergütung von Berufsvormündern verlangen. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BVormVG könne der Beteiligte zu 1 lediglich einen Stundensatz von 18 EUR verlangen. Aufgrund seines Studiums für Maschinenbau habe der Betreuer keine besonderen Erkenntnisse erworben, die für die Führung einer Betreuung von Nutzen sein könnten. Er könne sein Verlangen auf einen höheren Stundensatz auch nicht darauf stützen, dass er im Rahmen seiner Betreuertätigkeit seit 1996 so viele Betreuerkenntnisse erworben habe, dass diese einen erhöhten Stundensatz rechtfertigen würden. § 1 BVormVG stelle für die Erhöhung des Stundensatzes ausdrücklich auf im Rahmen einer spezifischen Ausbildung gewonnene Kenntnisse ab und sei auf den vom Beteiligten zu 1 vorgetragenen Sachverhalt nicht entsprechend anwendbar. Eine Erhöhung des Stundensatzes könne auch nicht aus § 1 Abs. 3 BVormVG hergeleitet werden, da die darin bestimmte Übergangsfrist mit Ablauf der in der Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Nachqualifizierung von Berufsbetreuerin verlängerten Übergangszeit vom 31.12.2002 abgelaufen und auf den hier geltend gemachten Vergütungszeitraum nicht mehr anwendbar sei.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

a) Die hier geltend gemachten Vergütungs- und Aufwendungsersatzansprüche des Beteiligten zu 1 richten sich nach § 1836 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, § 1836a, § 1908i BGB i.V.m. § 1 Abs. 1 BVormVG, da sie bereits vor dem 1.7.2005 entstanden sind, Art.229, § 14 EGBGB.

b) Hat das Amtsgericht festgestellt, dass der Betreuer die Betreuung berufsmäßig führt (§ 1836 Abs. 1 Satz 2, 3 BGB), so ist ihm nach § 1836 Abs. 2 Satz 1 BGB eine Vergütung zu bewilligen. Ist der Betreute wie hier mittellos, kann der Betreuer die Vergütung aus der Staatskasse verlangen. Die Höhe der Vergütung richtet sich in diesem Fall nach § 1 BVormVG (§ 1836a BGB).

aa) Eine Erhöhung der in § 1 Abs. 1 Satz 1 BVormVG geregelten Grundvergütung von 18 EUR pro Stunde setzt voraus, dass der Betreuer über besondere Kenntnisse verfügt, die für die Führung der Vormundschaft nutzbar sind und dass er diese im Rahmen einer der in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 BVormVG umschriebenen Ausbildungen erworben hat.

Der Senat schließt sich der Auffassung des Bayerischen Obersten Landesgerichts an, wonach unter "besonderen Kenntnissen" solche Kenntnisse zu verstehen sind, die - bezogen auf ein bestimmtes Fachgebiet - über ein Grundwissen deutlich hinausgehen, wobei das Grundwissen je nach Bildungsstand bzw. Ausbildung mehr oder weniger umfangreich sein kann (vgl. BayObLGZ 1999, 339). Der Senat teilt auch die Auffassung des Bayerischen Obersten Landesgerichts, dass die Ausbildung zum Diplomingenieur keine besonderen Kenntnisse vermittelt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind (vgl. Beschluss vom 29.12.1999, Az: 3Z BR 348/99 zum Diplomingenieur mit Schwerpunkt Mess- und Regeltechnik mit Pflichtfach "Bürgerliches Recht" und vom 18.10.2000, Az: 3Z BR 195/00 zur Fachrichtung Maschinenbau).

Der Beteiligte zu 1 hat keine Anhaltspunkte vorgetragen, noch sind solche aus den Akten ersichtlich, die es rechtfertigen würden anzunehmen, dass er im Rahmen seiner Hochschulausbildung ausnahmsweise entsprechende besondere Kenntnisse erworben hätte, die eine Erhöhung im Rahmen des § 1 Abs. 1 Nr. 2 oder zumindest Nr. 1 BVormVG rechtfertigen würden.

bb) Der Beteiligte zu 1 stützt sein Verlangen nach Beibehaltung des gegenüber § 1 Abs. 1 Satz 1 BVormVG erhöhten Stundensatzes auf seine im Laufe mehrjähriger Berufserfahrung mit auch sehr schwierigen Betreuungen gewonnenen spezifischen Kenntnisse.

Für die Betreuung nutzbare Fachkenntnisse, die der Betreuer in seiner beruflichen Praxis erworben hat, führen jedoch nicht zu einer Erhöhung seiner Vergütung. Nach § 1 Abs. 1 BVormVG kommt es für die Höhe der Betreuervergütung allein auf die durch Berufs- oder Studienausbildung erworbenen Kenntnisse an. Der berufserfahrene Praktiker kann einen höheren Stundensatz lediglich im Wege von Qualifizierungsmaßnahmen nach § 2 BVormVG erzielen (vgl. MünchKomm/Wagenitz 4.Aufl. § 1836a Rn.24; Staudinger/Bienwald 13.Aufl. 2004, § 1836a Rn.46).

Der Gesetzgeber hat für den Fall, dass die Vergütung wegen Mittellosigkeit des Betroffenen aus der Staatskasse geleistet wird, im Interesse problemloser Handhabbarkeit der Vergütungssätze die Qualifikation des Betreuers nach der Art seiner Ausbildung typisiert (vgl. Bt-Drucks.13/7158, S.14, 28). Der Schwierigkeit der Betreuung kommt in der Regel nur noch mittelbare Bedeutung zu, indem das Vormundschaftsgericht bei der Betreuerauswahl darauf zu achten hat, dass die vom Betreuer vorgehaltenen Fachkenntnisse durch die Schwierigkeit der Betreuung gefordert werden (vgl. Bt-Drucks. aaO).

Dem Berufspraktiker ohne formalen Berufs- bzw. Bildungsabschluss hat der Gesetzgeber in § 2 BVormVG die Möglichkeit einer Nachqualifizierung eröffnet. Damit hat er die Möglichkeit des Erwerbs betreuungsrelevanter Kenntnisse in der Betreuungstätigkeit grundsätzlich anerkannt, ihre vergütungssteigernde Wirkung jedoch vom Erwerb einer formalen Nachqualifikation abhängig gemacht. Für eine Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 2 BVormVG in dem Sinn, dass auch lediglich berufspraktische Kenntnisse als "vergleichbar" anerkannt werden, bleibt nach dem Wortlaut des Gesetzes und dem vom Gesetzgeber verfolgten Gesetzesziel kein Raum. Eine derartige Auslegung ist auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten. Der im BVormVG vorgenommene Ausgleich der Gemeinwohlbelange Rechtssicherheit, Kalkulierbarkeit der Einnahmen und Ausgaben, Entlastung der Gerichte und Begrenzung der Staatsausgaben mit den Erwerbsinteressen der Betreuer, die keine nach § 1 Abs. 1 BVormVG vergütungserhöhende formale Qualifikation nachweisen können, wird verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht. Lediglich für den Fall, dass das Land, in dem der Berufsbetreuer tätig wird, weder eine eigene Nachqualifikation noch eine Anerkennung anderer Nachqualifikationen vorsieht, hat das Bundesverfassungsgericht eine verfassungskonforme Auslegung des § 1 Abs. 1 BVormVG im Einzelfall in dem Sinn für notwendig angesehen, die in einem anderen Land erworbenen Qualifikationen nach § 2 BVormVG als "vergleichbare abgeschlossene Ausbildung" im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 BVormVG zu bewerten (vgl. BVerfG - Kammerbeschluss - vom 6.7.2000, FamRZ 2000, 1277/1280).

Ein solcher Sachverhalt ist nicht gegeben. In Bayern wurde durch Art.6 des Gesetzes zur Ausführung des Betreuungsgesetzes in der Fassung vom 28.6.2000 (GVBl. S.366) i.V.m. mit der Verordnung über die Nachqualifizierung von Berufsbetreuern vom 18.7.2000 (GVBl. S.503) die Möglichkeit entsprechender Nachqualifizierungen und der Anerkennung von in anderen Ländern abgelegten Prüfungen geschaffen.

Dem Beteiligten zu 1 war seit der in seiner Sache ergangenen Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 18.10.2000 bekannt, dass seine Ausbildung als Maschinenbauingenieur nicht als vergütungserhöhend im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 BVormVG anerkannt wurde. Wenn er gleichwohl die seit dem Jahr 2000 angebotene Möglichkeit einer Nachqualifizierung nicht wahrgenommen hat, kann er die Vergütungserhöhung nun nicht auf eine für ihn günstige Auslegung der Vergütungsvorschriften stützen. Abgesehen davon, dass keine verfassungsrechtliche Notwendigkeit hierzu besteht, würde das Begehren des Beteiligten zu 1 zu einer ungerechtfertigten Gleichbehandlung mit erfahrenen Berufspraktikern führen, die sich mit erheblichem Zeit- und Geldaufwand einer Nachqualifizierung unterzogen haben.

cc) Aus der Härteregelung des § 1 Abs. 3 BVormVG lässt sich die vom Beteiligten zu 1 begehrte Rechtsfolge ebenfalls nicht herleiten. Die durch die Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Nachqualifizierung von Berufsbetreuern vom 19.6.2001 (GVBl. S.290) bis zum Ablauf des 31.12.2002 verlängerte Frist ist abgelaufen. Die Härteregelung war von vornherein nur auf Zeit angelegt. Sie sollte es dem Berufsbetreuer ermöglichen, sich auf die veränderte Vergütungssituation einzustellen, z.B. durch Erwerb der vergütungserhöhenden Nachqualifizierung oder indem er die Unkosten in einer Weise reduziert, dass ihm seine Tätigkeit auch bei geringerer Vergütung eine ausreichende Existenzgrundlage verschafft (vgl. BayObLG NJWE-FER 2001, 178/179 m.w.N. = BayObLGZ 2001, 37 ff.).

Aus der früher in einem anderen Betreuungsfall in Anwendung der Übergangsvorschrift des § 1 Abs. 3 BVormVG gewährten Erhöhung des Basissatzes von 18 EUR auf 25,56 EUR kann der Beteiligte zu 1 keinen über die Geltungsdauer der Härteklausel fortwirkenden Anspruch herleiten. Es lag in seiner Verantwortung, die Voraussetzungen für eine Erhöhung des Basissatzes im Wege der Nachqualifizierung nach § 2 BVormVG zu schaffen oder seine Aufwendungen an die zu erwartende geringere Vergütung anzupassen.

Ende der Entscheidung

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