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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 18.05.2005
Aktenzeichen: 33 Wx 13/05
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 22
FGG § 29
FGG § 70b
Ist dem Betroffenen im Unterbringungsverfahren ein Verfahrenspfleger bestellt worden, kann er bei Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde grundsätzlich nicht mit der Behauptung gehört werden, die Unterbringungseinrichtung habe ihm keinen Ausgang zur Einlegung des Rechtsmittels zu Protokoll des Gerichts gewährt. Das gilt jedenfalls dann, wenn er nicht geltend machen kann, dass ihm eine rechtzeitige Kontaktaufnahme mit dem Verfahrenspfleger unmöglich oder unzumutbar war.
Tatbestand:

Am 19.10.2004 beantragte die Betreuerin zu 1 die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung der Unterbringung der Betroffenen in einer beschützenden Abteilung einer Nervenklinik zur Heilbehandlung.

Am 24.11.2004 erließ das Vormundschaftsgericht einen auf § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB gestützten Unterbringungsbeschluss bis längstens 4.1.2005 und bestellte eine Verfahrenspflegerin. Am 4.12.2004 wurde die Betroffene mit polizeilicher Unterstützung in die Nervenklinik gebracht. Bei einer am 7.12.2004 durchgeführten richterlichen Anhörung legte sie mündlich Beschwerde gegen den Unterbringungsbeschluss ein.

Am 13.12.2004 bestellte das Landgericht der Betroffenen anstelle der krankheitsbedingt verhinderten Verfahrenspflegerin einen Rechtsanwalt als Verfahrenspfleger. Dieser Beschluss wurde der Betroffenen mitgeteilt. Am selben Tag hörte der beauftragte Richter der Kammer die Betroffene in Anwesenheit der Betreuerin zu 1, des Verfahrenspflegers, des Oberarztes Dr. R. als Sachverständigen sowie des Stationsarztes Dr. L. an.

Am 14.12.2004 wies das Landgericht die Beschwerde der Betroffenen zurück. Dieser Beschluss wurde ihr am 23.12.2004 zugestellt.

Aufgrund eines weiteren amtsgerichtlichen Beschlusses vom 4.1.2005 wurde die Genehmigung der Unterbringung der Betroffenen bis längstens 17.1.2005 verlängert.

Sofort nach ihrer Entlassung am 14.1.2005 legte sie zur Niederschrift der Rechtspflegerin des Landgerichts gegen den Beschluss des Landgerichts vom 14.12.2004 das Rechtsmittel der sofortigen weiteren Beschwerde ein. Hierbei erklärte sie u. a. wörtlich: "Ich möchte mich mit der sofortigen weiteren Beschwerde gegen die erteilte Genehmigung der Unterbringung in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses wenden."

In einem Schreiben ohne Datum, das bereits am 13.1.2005 beim Rechtsbeschwerdegericht eingegangen war, behauptete sie, es sei der Station der Nervenklinik nicht möglich, eine Pflegekraft zur Begleitung zu Gericht zur Niederschrift einer sofortigen weiteren Beschwerde freizustellen und fügte hinzu: "Das wäre notwendig, weil in die Nervenklinik keine Anwälte kommen."

Die sofortige weitere Beschwerde erwies sich als unzulässig.

Gründe:

a) Zwar führt allein die Erledigung der Hauptsache des Beschwerdeverfahrens (hier: durch einen weiteren Unterbringungsbeschluss des Vormundschaftsgerichts, der die vorläufige Unterbringung der Betroffenen auf eine neue Rechtsgrundlage stellt), nicht zur Unzulässigkeit der nachträglich eingelegten sofortigen weiteren Beschwerde, sofern der Betroffene beantragt, die Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Anordnung - wenn diese bereits Gegenstand der landgerichtlichen Entscheidung war - bzw. der Durchführung der Unterbringung bis zur Erledigung festzustellen (vgl. BayObLGZ 2002, 304 und Beschluss vom 14.10.2002 - 3 Z BR 149/02). Die in Art.19 Abs. 4 FGG verbürgte Effektivität des Rechtsschutzes gebietet es, in den Fällen, in denen der durch die geschlossenen Unterbringung bewirkte tief greifende Eingriff in das Grundrecht der Freiheit beendet ist, die Schutzwürdigkeit des Interesses der Betroffenen an der Feststellung einer Rechtswidrigkeit des Grundrechtseingriffs zu bejahen (vgl. BVerfGE 104, 220/232 f. = NJW 2002, 2456; BayObLG a.a.O; Senatsbeschluss vom 11.5.2005 - 33 Wx 045/05).

b) Jedoch ist hier das Rechtsmittel verspätet eingelegt worden. Da der Beschluss des Landgerichts der Betroffenen am 23.12.2004 zugestellt worden war, lief die zweiwöchige Beschwerdefrist - infolge des auf ihren letzten regulären Tag fallenden gesetzlichen Feiertags - am 7.1.2005 ab.

c) Der Betroffenen konnte auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1, § 29 Abs. 4 FGG gewährt werden.

aa) Hierbei kann dahinstehen, ob die nicht näher belegte und auch nicht gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1 FGG glaubhaft gemachte Behauptung der Betroffenen zutrifft, die Klinik habe ihr keinen Ausgang für die Einlegung einer Beschwerde zur Niederschrift eines der hierfür zuständigen Gerichte ermöglicht.

Eine sofortige weitere Beschwerde kann nicht nur zu Protokoll eines der im Instanzenzug beteiligten Gerichte eingelegt werden (§ 21 Abs. 2, § 29 Abs. 1 FGG) sowie bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk der Betroffene untergebracht ist (§ 29 Abs. 4, § 69g Abs. 3, § 70m Abs. 3 FGG). Sie kann auch durch eine von einem Rechtsanwalt unterzeichnete Beschwerdeschrift erhoben werden (§ 29 Abs. 1 Satz 2 FGG). Zwar sind diese Möglichkeiten gleichrangig (Keidel/Meyer-Holz FGG 15. Aufl. § 29 Rn. 10 m.w.N.), so dass ein Betroffener grundsätzlich nicht darauf verwiesen werden kann, einen Rechtsanwalt zu beauftragen, wenn er stattdessen ein Rechtsmittel zur Niederschrift einlegen will.

Jedoch begründet selbst die glaubhaft gemachte Behauptung, dem Betroffenen sei die Ausführung zur Protokollierung eines Rechtsmittels bei Gericht verwehrt worden, dann keine Verhinderung ohne Verschulden an der Einhaltung der Beschwerdefrist im Sinne von § 22 Abs. 2 Satz 1 FGG, wenn dem Betroffenen ein Rechtsanwalt als Verfahrenspfleger bestellt wurde, dessen Amt nach § 70b Abs. 4 Nr. 1 FGG gegebenenfalls bis zum rechtskräftigen Abschluss des Unterbringungsverfahrens andauert. Denn in diesem Fall kann der Betroffene grundsätzlich innerhalb offener Beschwerdefrist den Verfahrenspfleger um fristwahrende Einlegung des Rechtsmittels durch eine Beschwerdeschrift ersuchen. Es bedarf dann keiner Ausführung aus der Einrichtung, um eine Beschwerde zu Protokoll des Gerichts einzulegen. Deshalb kann die Behauptung eines Betroffenen, ihm sei diese verwehrt worden, erst dann Bedeutung erlangen, wenn er geltend machen kann, der Verfahrenspfleger habe ein Tätigwerden abgelehnt oder eine Kontaktaufnahme mit diesem sei unmöglich oder unzumutbar gewesen. Letzteres könnte vor allem dann in Betracht kommen, wenn dem Betroffenen bekannt ist, dass sich der Verfahrenspfleger gegen die Begründetheit einer von ihm selbst erhobenen Beschwerde ausgesprochen hatte.

bb) Im vorliegenden Fall hätte die Betroffene - unbeschadet der wahlweise bestehenden Möglichkeit, selbst telefonisch oder schriftlich einen von ihr ausgewählten Rechtsanwalt zu beauftragen - auf gleiche Weise an den für sie bestellten Verfahrenspfleger herantreten können. Dieser hätte als Rechtsanwalt in ihrem Namen sofortige weitere Beschwerde einlegen können, ohne dass dieses für sie mit Kosten verbunden gewesen wäre.

Hierauf wurde die Betroffene mit Schreiben des Vorsitzenden hingewiesen. Sie hat keine Gründe dafür vorgebracht, weshalb ihr eine Kontaktaufnahme mit dem Verfahrenspfleger innerhalb der offenen Rechtsmittelfrist mit dem Ziel, diesen zur Einlegung eines Rechtsmittels zu bewegen, nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen sei.

Ende der Entscheidung

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