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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 21.03.2007
Aktenzeichen: 33 Wx 13/07
Rechtsgebiete: BGB, VBVG


Vorschriften:

BGB § 1836c
BGB § 1836d
VBVG § 1 Abs. 2 Satz 2
VBVG § 5
Auch nach Inkrafttreten des VBVG zum 1.7.2005 ist die Frage, ob wegen Mittellosigkeit des Betroffenen die Betreuervergütung aus der Staatskasse geschuldet wird, nach den zum Zeitpunkt der Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz geltenden materiellrechtlichen Bestimmungen und den dann gegebenen Einkommens- und Vermögensverhältnissen zu beurteilen. Ob dies auch für die Höhe der anzusetzenden Stunden gilt, bleibt unentschieden (a. A. für den Fall der Festsetzung gegen die Staatskasse OLG Dresden Beschluss vom 19.2.2007 - 3 W 77/07).
Gründe:

I.

Für die Betroffene war vom 16.6.2005 bis 3.8.2005 die ehemalige Betreuerin als vorläufige Berufsbetreuerin bestellt. Der die vorläufige Betreuung aufhebende Beschluss wurde ihr am 8.8.2005 mitgeteilt. Sie beantragte am selben Tag, für den Zeitraum 1.7.2005 bis 31.8.2005 eine Vergütung von 748 EUR gegen die Betroffene festzusetzen. Diesem Antrag gab das Amtsgericht mit Beschluss vom 2.11.2005 in Höhe von 422,40 EUR für den Zeitraum 1.7.2005 bis 4.8.2005 statt. Der Minderbetrag beruht darauf, dass für August 2005 nur anteilig 1,1 statt 8,5 Stunden angesetzt wurden.

Auf die sofortige Beschwerde der Betroffenen, die Mittellosigkeit einwandte, hob das Landgericht am 17.10.2006 den Beschluss des Amtsgerichts auf. Über die mit dem Ziel der Festsetzung einer weiteren Vergütung bis 8.8.2006 gleichzeitig eingelegte sofortige Beschwerde der ehemaligen Betreuerin entschied das Landgericht wegen Nichterreichens der Beschwerdesumme nicht.

Gegen diese Entscheidung legte die ehemalige Betreuerin fristgerecht die zugelassene sofortige weitere Beschwerde ein, mit der sie die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung anstrebt. Ferner beantragte sie die Vergütungsfestsetzung für den Zeitraum 1.7.2005 bis 8.8.2005 in Höhe von 390,13 EUR gegen die Staatskasse; dieser Betrag wurde ihr ohne Festsetzungsentscheidung angewiesen.

II.

Die zulässige sofortige weitere Beschwerde ist unbegründet.

1. Das Beschwerdegericht hat folgendes ausgeführt:

Der Vergütungsfestsetzungsbeschluss für den Zeitraum vom 1.7.2005 bis zum 4.8.2005 sei aufzuheben, da die Vergütung gegen das Vermögen der Betroffenen festgesetzt wurde. Die Vergütung hätte aber nur gegen Staatskasse festgesetzt werden dürfen, da die Betroffene nach den dargelegten aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnissen mittellos gewesen sei. Maßgeblich für die Beurteilung der Mittellosigkeit seien die Einkommens- und Vermögensverhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz und nicht während des Zeitraums, für den die Vergütung beantragt werde.

Das monatliche Einkommen setze sich nach den vorgelegten Unterlagen zusammen aus einer Rente in Höhe von 840,20 EUR, einem Pflegegeld in Höhe von 410 EUR sowie einer Betriebsrente von 27,60 EUR. Unberücksichtigt bei der Ermittlung des einzusetzenden Einkommens bleibe das Pflegegeld, das die Betroffene an ihre Tochter für die Betreuung und Pflege überweise. Der Einsatz des Restbetrages nach Abzug des Grundbetrages sei ihr nur in angemessenen Umfang zuzumuten. Das Sparvermögen von 2.019,61 EUR unterschreite die Schonvermögensgrenze.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand (§ 27 Abs.1 FGG, § 546 ZPO).

a) Der Berufsbetreuer hat Anspruch auf Ersatz der zum Zwecke der Führung der Betreuung gemachten Aufwendungen (§ 1908i Abs. 1 Satz 1, § 1835 Abs. 1 Satz 1 BGB) sowie auf Vergütung seiner Amtsführung (§ 1836 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BGB). Der Anspruch richtet sich gegen den Betreuten, ist jedoch aus der Staatskasse zu befriedigen, wenn der Betreute mittellos ist (§ 1835 Abs. 4 Satz 1 BGB, § 1 Abs. 2 Satz 2 VBVG).

b) Die Frage der Mittellosigkeit ist nach der zu § 1836d BGB entwickelten Rechtsprechung für den gesamten Abrechnungszeitraum einheitlich zu beurteilen (vgl. OLG Frankfurt FamRZ 2001, 1098), wobei grundsätzlich die zum Zeitpunkt der Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz geltenden materiellrechtlichen Bestimmungen zugrunde zu legen sind (vgl. LG Koblenz BtPrax 1999, 113; HK-BUR/Deinert § 1836d BGB Rn. 1; Jürgens BtPrax 1999, 99) sowie die zu diesem Zeitpunkt gegebenen Einkommens- und Vermögensverhältnisse (vgl. BGH NJW 1980, 891/892; BayObLGZ 1995, 395/396; BayObLG FamRZ 2000, 558/559 und FamRZ 2002, 1289; OLG Frankfurt aaO; KG FamRZ 1998, 188 /189). Ist Beschwerde eingelegt, sind die wirtschaftlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung maßgebend, weil diese gemäß § 23 FGG aufgrund des Sachverhalts zu ergehen hat, der zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung gegeben ist (BayObLGZ 1998, 301/304 = FamRZ 1998, 507/508 m.w.N.).

Durch das ab 1.7.2005 geltende 2. BtÄndG ist insoweit keine Änderung eingetreten (ebenso OLG Dresden Beschluss vom 19.2.2007 - 3 W 77/07). Die Regelung des § 1 Abs. 2 Satz 2 VBVG hat deren Vorgängervorschrift § 1836a BGB übernommen, ohne dass eine Änderung beabsichtigt war (vgl. BT-Drucks. 15/4874 S. 30; in diesem Sinne auch Deinert/Lütgens Die Vergütung des Betreuers 4. Aufl. Rn. 1044 ff.). Die Regelung der Mittellosigkeit des Betroffenen als Voraussetzung für die Heranziehung der Staatskasse bezweckt auch weiterhin die Sicherstellung eines solventen Schuldners für den Vergütungsanspruch des Betreuers und den Schutz des mittellosen Betreuten vor finanzieller Überforderung. Diesen Zwecken wird allein dadurch genüge getan, dass für die Frage der Mittellosigkeit auf den Zeitpunkt der letzten Tatsachenentscheidung abgestellt wird und nicht auf den Abrechnungszeitraum. Andernfalls würde der Betreuer nämlich gegebenenfalls auf einen mittellosen Schuldner verwiesen werden; der Festsetzungsbeschluss könnte vielfach überhaupt nicht vollstreckt werden. Auch würde der Betreute finanziell überfordert, zumal ihm zumeist nicht angelastet werden kann, er habe die Mittellosigkeit vorwerfbar durch Verschwendung herbeigeführt.

Allerdings wird teilweise angenommen, auch der Eintritt der Mittellosigkeit gehöre zu den Umständen im Sinne von § 5 Abs. 4 Satz 1, Halbs.1 VBVG, die sich auf die Vergütung auswirken, mit der Konsequenz einer tageweisen Ermittlung der Mittellosigkeit für den entsprechenden Stundenansatzes des Betreuers (vgl. LG München I FamRZ 2006, 970; LG Koblenz NJW-RR 2006, 724). Nach dieser Auffassung bedeutet dies aber nicht, dass auch der Vergütungsschuldner zeitanteilig zu bestimmen ist.

d) Auch aus § 9 Satz 1 VBVG lässt sich entgegen der Ansicht der ehemaligen Betreuerin nicht anderes entnehmen. Sinn dieser Regelung ist nur, ein praktikables Abrechnungsverfahren zu gewährleisten (vgl. Senatsentscheidung BtPrax 2006, 184 ff.)

e) Im vorliegenden Fall wurde aufgrund der Entscheidung des Landgerichts zwar die Vergütung gegen die Staatskasse festgesetzt, hierbei aber der für die Vergütungsbemessung gegenüber vermögenden Betreuten maßgebende höhere Stundensatz zugrunde gelegt. Ob dies dem Gesetz entspricht, ist nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Deshalb war hier nicht zu entscheiden, ob die im Zeitpunkt der letzten Tatsachenentscheidung vorhandenen Einkommens- und Vermögensverhältnisse auch für die Bemessung der nach § 5 VBVG anzusetzenden Zeiten im Fall der Festsetzung gegen die Staatskasse maßgebend sind (verneinend OLG Dresden Beschluss vom 19.2.2007 aaO).

f) Rechtlich nicht zu beanstanden und auch von der Beschwerdeführerin nicht gerügt sind die Ausführungen des Landgerichts zur Mittellosigkeit im Zeitpunkt der Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz (§ 1908i Abs. 1 Satz 1, §§ 1836c, 1836d BGB).

aa) Zu Recht hat das Landgericht das an die Tochter der Betroffenen weitergegebene Pflegegeld unberücksichtigt gelassen. Es kann dahingestellt bleiben, ob wegen der Verweisung des § 1836c Nr. 1 BGB auf § 87 SGB XII die Leistung der Betreuervergütung aus der Staatskasse nach § 13 Abs. 5 Satz 1 SGB XI den Sozialleistungen gleichsteht und deshalb als Einkommen unberücksichtigt bleibt (so LG Koblenz BtPrax 2000, 222); jedenfalls ist der Einsatz des Pflegegeldes für die Betreuungskosten nicht zuzumuten, wenn es an die pflegende Person weitergegeben wird (vgl. auch Knittel BtG § 1836c Rn. 5r).

bb) Soweit der Betroffenen nach Abzug des Grundbetrages noch 185,80 EUR verbleiben, gilt sie unabhängig von der Frage, ob der Einsatz dieses Betrages nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zumutbar ist, jedenfalls nach § 1836d Nr. 1 BGB als mittellos, da mit diesem Betrag allenfalls Raten aufgebracht werden könnten.

cc) Nach den bindenden Feststellungen des Landgerichts unterschreitet das Vermögen der Betroffenen die Schonvermögensgrenze des § 1836c Nr. 2 BGB, § 90 SGB XII.

3. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1 KostO. Das Interesse der ehemaligen Betreuerin bemisst sich im Verfahren der weiteren Beschwerde in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen der für die Zeit vom 1.7.2005 bis 4.8.2005 begehrten Vergütung von 422,40 EUR und dem hierfür aus der Staatskasse ausgezahlten Betrag von 349,07 EUR (390,13 EUR wurden für die Zeit vom 1.7.2005 bis 8.8.2006 bezahlt), also 73,33 EUR.

Ende der Entscheidung

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