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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 12.12.2005
Aktenzeichen: 33 Wx 144/05
Rechtsgebiete: FGG
Vorschriften:
FGG § 68 Abs. 1 Satz 1 |
2. Zwar kann der ausgewählte Sachverständige bei hinreichenden Anhaltspunkten für fehlende Unvoreingenommenheit wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Kein Ablehnungsgrund ist aber die Behauptung, der Betroffene habe bei einem früheren Klinikaufenthalt ärztliche Zwangsmaßnahmen gegen andere Patienten beobachtet und sei deshalb mit einem Gutachter aus dieser Einrichtung nicht einverstanden.
Tatbestand:
Mit Beschluss vom 5.7.2004 bestellte das Vormundschaftsgericht dem mittellosen Betroffenen auf dessen Antrag den auch von ihm vorgeschlagenen Betreuer für die Aufgaben der Vermögenssorge sowie der Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern. Am 20.8.2004 erweiterte es den Aufgabenkreis um die Aufenthaltsbestimmung und die Gesundheitsfürsorge.
Am 13.5.2005 teilte das Gericht dem Betreuer schriftlich mit, dass es nach dem bisherigen Akteninhalt eine Verlängerung der Betreuung für weitere fünf Jahre für wahrscheinlich halte. Sofern kein Beteiligter widerspreche, könne auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens verzichtet werden. Voraussetzung sei allerdings die Vorlage eines ärztlichen Attestes, aus dem sich ergebe, dass sich der Umfang der Betreuungsbedürftigkeit offensichtlich nicht verändert habe. Sollte binnen eines Monats kein Attest eingehen, werde ein Gutachtenauftrag erteilt werden.
Der Betreuer legte mit einem am 30.5.2005 bei Gericht eingegangenen Schreiben eine "fachärztliche Bescheinigung" eines Facharztes für Psychiatrie vor, wonach aufgrund der "rezidivierenden depressiven Erkrankung mit erheblichen depressiven Episoden und starker Somatisierung" des Betroffenen eine Verlängerung der Betreuung um vorerst ein weiteres Jahr im bisherigen Umfang erforderlich sei.
Am 27.6.2005 hörte das Vormundschaftsgericht den Betroffenen in Gegenwart des Betreuers an. Hierbei wurde auch über die Notwendigkeit eines weiteren Gutachtens gesprochen; der Richter kündigte an, dass ein solches erholt werden solle.
Mit Beschluss vom 29.6.2005 beauftragte das Vormundschaftsgericht den Sachverständigen Dr. B. vom Bezirkskrankenhaus R. mit der Erstellung eines Gutachtens zu den medizinischen Voraussetzungen einer weiteren Betreuung des Betroffenen.
Hiergegen erhob der Betreuer zunächst mit einem ebenfalls auf den 29.6.2005 datierten Schreiben Gegenvorstellungen, die sich gegen die Auswahl eines Gutachters aus dem Bezirksrankenhaus richteten. Der Betroffene habe während eines dortigen stationären Aufenthalts "zahlreiche Gewaltübergriffe der Ärzte im Zuge der so genannten Zwangsbehandlung beobachtet und mitgelitten".
Am 11.7.2005 legte der Betreuer gegen die angeordnete Begutachtung Beschwerde ein. Diese sei unverhältnismäßig und entbehrlich. Im Übrigen verwies er auf sein Schreiben vom 29.6.2005. Das Amtsgericht half der Beschwerde nicht ab.
Mit Beschluss vom 25.7.2005 hat das Landgericht das Rechtsmittel als unzulässig verworfen.
Hiergegen richtet sich das am 28.7.2005 zu Protokoll des Rechtspflegers am Landgericht eingelegte weitere Rechtsmittel des Betroffenen, das der Betreuer am 1.8.2005 schriftlich näher begründet hat. Er wandte sich nach wie vor gegen die Begutachtung und hilfsweise gegen die Auswahl des Sachverständigen. Das Rechtsmittel blieb in der Sache ohne Erfolg.
Gründe:
Das Rechtsmittel ist als weitere Beschwerde zulässig, insbesondere formgerecht eingelegt, soweit es sich auf die Anordnung der Begutachtung bezieht. Die weitere Beschwerde gegen die Verwerfung der Erstbeschwerde ist stets zulässig (BayObLGZ 1991, 1/4).
Soweit das Schreiben vom 29.6.2005 als Ablehnung des Gutachters aufgefasst werden kann, ist gegen dessen stillschweigende Zurückweisung durch das Vormundschaftsgericht im Nichtabhilfebeschluss das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde und demgemäß gegen die insoweit bestätigende Entscheidung des Landgerichts die sofortige weitere Beschwerde gegeben (vgl. hierzu BayObLG BtPrax 2003, 267). Auch insoweit ist das Rechtsmittel form- und fristgerecht eingelegt.
Es ist jedoch nicht begründet.
1. Das Landgericht hat in seiner Entscheidung ausgeführt:
Der Beschluss, ein Gutachten eines Sachverständigen über die Notwendigkeit der Betreuung einzuholen, sei mit der Beschwerde nicht anfechtbar. Das gelte auch für ein Gutachten über den Gesundheitszustand des Betreuten im Verfahren über die Verlängerung der Betreuerbestellung. Die Entscheidung stelle nämlich keine die Instanz abschließende Endentscheidung dar, sondern sei lediglich eine sie vorbereitende Zwischenverfügung des erstinstanzlichen Gerichts. Derartige Zwischenverfügungen seien grundsätzlich nicht anfechtbar. Lediglich dann, wenn mit der Entscheidung in Rechte des Betroffenen eingegriffen würde, sei die Beschwerde statthaft. Das sei hier nicht der Fall, da die Zwischenverfügung ein bestimmtes Verhalten des Betroffenen vorerst nicht verlange.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) im Ergebnis stand.
a) Die Anordnung der Begutachtung nach § 68 Abs. 1 Satz 1 FGG ist nach ganz überwiegender Auffassung nicht selbstständig anfechtbar. Es handelt sich hierbei nur um eine Zwischenverfügung, die als solche noch nicht erheblich in Rechte des Betroffenen eingreift (OLG Stuttgart FGPrax 2003, 72; BayObLG FamRZ 2001, 707 und FamRZ 2003, 189 [Ls.]; OLG-Report Köln 2001, 326; OLG Hamm FamRZ 1997, 440; OLG Brandenburg FamRZ 1997, 1019; a. A. Kammergericht FamRZ 2002, 970). Der Betroffene ist allein aufgrund des Beschlusses nicht dazu verpflichtet, sich untersuchen oder begutachten zu lassen; er ist nicht einmal dazu verpflichtet, zu Terminen zu erscheinen, die der beauftragte Sachverständige zur Begutachtung ansetzt.
Allerdings kann das Gericht nach § 68b Abs. 3 Satz 1 FGG anordnen, dass der Betroffene zur Vorbereitung eines Gutachtens untersucht und durch die zuständige Behörde zu einer Untersuchung vorgeführt werde. Diese Anordnung ist nach Satz 2 der Vorschrift nicht anfechtbar. Auch dies spricht dagegen, die wesentlich weniger einschneidende Maßnahme der bloßen Anordnung eines Gutachtens einer gerichtlichen Kontrolle durch die Beschwerdeinstanz zu unterwerfen (vgl. BayObLG FGPrax 2001, 78 [79]; Knittel BtG § 68b FGG Rn. 18).
Deshalb ist die Beschwerde gegen die Anordnung eines Gutachtens als gerichtliche Zwischenverfügung ausnahmslos nicht statthaft. Das gilt unabhängig von den Gründen, die der Beschwerdeführer gegen die Begutachtung anführt. Daher ist es im vorliegenden Fall unerheblich, ob der Betroffene und sein Betreuer die Einholung eines Gutachtens im Hinblick auf das bereits vorliegende Attest für unnötig halten oder einen Widerspruch zwischen früheren gerichtlichen Äußerungen über die Notwendigkeit einer Begutachtung und der später ergangenen richterlichen Verfügung sehen wollen.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass zwar nach § 68b Abs. 1 Satz 2 FGG für die Bestellung eines Betreuers auf Antrag des Betroffenen ein ärztliches Zeugnis genügen kann. Das setzt aber voraus, dass nicht nur der Betroffene auf die Begutachtung verzichtet hat, sondern die Einholung des Gutachtens insbesondere im Hinblick auf den Umfang des Aufgabenkreises des Betreuers unverhältnismäßig wäre. Dies zu beurteilen, obliegt dem anordnenden Gericht. Es hat hierbei zu beachten, dass auch eine vom Betroffenen beantragte Betreuung "erforderlich" sein muss (vgl. Senatsbeschluss vom 6.4.2005 - BtPrax 2005, 156) und zwar in allen in Rede stehenden Aufgabenkreisen. Hält das Gericht für die Anordnung oder Verlängerung die Einholung eines Gutachtens für erforderlich und auch nicht für unverhältnismäßig, kann der Betroffene demgegenüber nicht seine Sicht der Dinge im Rechtsmittelweg zur Geltung bringen.
b) Allerdings geht die Begründung des Landgerichts nicht auch auf das Vorbringen ein, mit welchem der Betreuer die Beauftragung eines anderen Sachverständigen außerhalb des Bezirkskrankenhauses beantragt hat.
Es wäre folgerichtig gewesen, hierin eine gegenüber dem Vormundschaftsgericht erklärte Ablehnung des von diesem beauftragten Sachverständigen zu sehen und das Rechtsmittel des Betreuers insoweit als sofortige Beschwerde gegen die (stillschweigende) Zurückweisung des Antrags im Nichtabhilfebeschluss aufzufassen. Das ist unterblieben, weil das Landgericht offensichtlich übersehen hat, dass der Betreuer in seiner Beschwerde auch auf das Schreiben vom 29.6.2005 Bezug genommen hat. Deshalb fehlt im landgerichtlichen Beschluss eine Auseinandersetzung mit diesem Vorbringen.
Gleichwohl bleibt das Rechtsmittel des Betroffenen auch insoweit ohne Erfolg,
Auf die Ablehnung eines Sachverständigen im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit finden gemäß § 15 FGG die Vorschriften der Zivilprozessordnung, d. h. § 406 ZPO, entsprechende Anwendung.
Abgelehnt werden kann ein Sachverständiger danach nur, wenn Gründe vorliegen, die auch bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, er stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (vgl. OLG Saarbrücken BtPrax 1999, 152 für die Ablehnung des Sachverständigen im Betreuungsverfahren; allgemein zur Sachverständigenablehnung Zöller/Greger ZPO 25. Aufl. § 406 Rn. 8 ff. mit zahlr. Beisp.).
Allein die vom Betroffenen bzw. seinem Betreuer geltend gemachten Gründe, nämlich angeblich beobachtete Zwangsmaßnahmen von Ärzten im Bezirkskrankenhaus gegen andere Patienten, vermögen nicht die Besorgnis einer fehlenden Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit eines dieser Ärzte im Rahmen einer bloßen Begutachtung des Betroffenen für Zwecke seines Betreuungsverfahrens zu rechtfertigen. Eine aus der subjektiven Sicht des Betroffenen möglicherweise nachvollziehbare kritische Einstellung gegenüber beobachteten Behandlungsmethoden, auch wenn der Betroffene mangels Kenntnis der medizinischen Zusammenhänge diese jeweils nicht sachgerecht beurteilen konnte, gibt noch keinen Anlass, auch die Diagnosekompetenz und Unvoreingenommenheit der betreffenden Ärzte in Zweifel zu ziehen. Das gilt hier umso mehr, als der Betroffene die Betreuung nicht etwa ablehnt, sondern ausdrücklich aufrechterhalten wissen möchte. Deshalb kann er nicht einmal geltend machen - was allenfalls eine subjektive Besorgnis der Befangenheit wenigstens plausibel erscheinen lassen könnte -, aus dem Erlebten seien Rückschlüsse auf voreilige, vermeintliche Krankheiten der Untersuchten möglicherweise zu Unrecht bejahende, Diagnosen zu ziehen.
Das Ablehnungsgesuch des Betreuers für den Betroffenen in erster Instanz erweist sich somit als unbegründet. Deshalb ist die Entscheidung des Landgerichts im Ergebnis auch insoweit nicht zu beanstanden, als sie dem - in diesem Punkt als sofortige Beschwerde aufzufassenden - Rechtsmittel des Betreuers nicht stattgegeben hat.
Ende der Entscheidung
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