Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 31.07.2008
Aktenzeichen: 33 Wx 145/07
Rechtsgebiete: ErbbauRG


Vorschriften:

ErbbauRG § 5 Abs. 2
ErbbauRG § 7 Abs. 2
ErbbauRG § 7 Abs. 3
Bedarf die Belastung eines Erbbaurechts mit einer Hypothek der Zustimmung des Grundstückseigentümers - bzw. des Obererbbauberechtigten -, kann der Erbbauberechtigte diese verlangen, wenn die Belastung u. a. mit den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft vereinbar ist. Das ist nicht der Fall, wenn die Hypothek der Sicherung von Ersatzansprüchen deliktisch Geschädigter gegen den Erbbauberechtigten dienen soll. Deshalb besteht auch kein Recht eines entsprechenden Gläubigers auf gerichtliche Ersetzung der Zustimmung zur Eintragung einer Höchstbetragsarresthypothek, wenn er den vermeintlichen Anspruch des Erbbauberechtigten auf deren Erteilung sich im Wege der Pfändung zur Einziehung hat überweisen lassen.
Gründe:

I. Gegen die Verantwortlichen der A.-AG läuft ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren unter anderem wegen Betrugs. Zur Sicherung der zivilrechtlichen Ansprüche der Geschädigten ordnete das Amtsgericht M. antragsgemäß einen dinglichen Arrest über 100 Mio. EUR in das Gesellschaftsvermögen der AG an. Dieser steht an dem Erbbaurecht der Antragsgegnerin - eingetragen im Grundbuch von A., Bl.1290 - ein Untererbbaurecht zu, das nur mit Zustimmung des Obererbbauberechtigten belastet werden kann. Nach Pfändung und Überweisung des Anspruchs der A.-AG gegen die Antragsgegnerin auf Zustimmung zur Eintragung der Höchstbetragsarresthypothek zugunsten des Antragstellers verweigerte die Antragsgegnerin diesem gegenüber die Zustimmung zur Eintragung einer Arresthypothek in Höhe von 3,2 Mio. EUR. Daraufhin beantragte der Antragsteller, die Zustimmung der Antragsgegnerin als Obererbbauberechtigte zur Eintragung einer Höchstbetragsarresthypothek in Höhe von 1,92 Mio. EUR an dem Untererbbaurecht der A.-AG zu ersetzen und die sofortige Wirksamkeit der Verfügung anzuordnen. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den antragsgemäß erlassenen Beschluss des Amtsgerichts R. vom 12.12.2006 beschränkte das Landgericht mit Beschluss vom 3.5.2007 die Ersetzung der Zustimmung auf eine Höchstbetragsarresthypothek über 873.261,03 EUR. Mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde vom 30.5.2007 verfolgt die Antragsgegnerin ihr Rechtsschutzziel weiter, die Ersetzung ihrer Zustimmung zu verhindern.

II. Das zulässige Rechtsmittel ist in der Sache begründet.

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt:

Für die Beurteilung der Zulässigkeit der Ersetzung der Zustimmung der Antragsgegnerin sei darauf abzustellen, ob die Geschädigten im Rahmen der Zwangsvollstreckung auf das Untererbbaurecht der A.-AG Zugriff nehmen könnten. Nur soweit in das Untererbbaurecht rechtlich zulässig vollstreckt werden könne, sei die Eintragung einer Höchstbetragsarresthypothek zum Zwecke der Sicherung zivilrechtlicher Ersatzansprüche zulässig. Mit den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft sei die Eintragung einer Höchstbetragsarresthypothek lediglich in Höhe von 873.261,03 EUR vereinbar. Der gemäß § 7 Abs. 2 ErbbauVO erforderliche wirtschaftliche Gegenwert zugunsten der Untererbbauberechtigten bestehe nicht in einer etwaigen Befreiung von möglichen Schadensersatzforderungen. Der wirtschaftliche Vorteil bestehe jedoch darin, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die A.-AG Gelder aus der Gesamtschadenssumme von 100 Mio. EUR zur Errichtung des im Rahmen des Untererbbaurechts errichteten Gebäudes verwendet habe. Gegenstand der Schadensersatzansprüche sei mithin unmittelbar der Betrag, der zur Finanzierung des Bauwerks verwendet worden sei. Die Sachlage sei nicht anders zu beurteilen, als wenn ein entsprechendes Darlehen zur Errichtung oder Erhaltung des Gebäudes gesichert werden solle. Die zeitliche Abfolge sei insoweit unschädlich. Die beantragte Höchstbetragsarresthypothek würde allerdings zu einer Überbelastung des Untererbbaurechts führen. Aufgrund des im Beschwerdeverfahren eingeführten Wertgutachtens sei der Wert des Untererbbaurechts mit 2,3 Mio. EUR anzusetzen. Eine Hypothek über 1,92 Mio. EUR entspräche 83 % dieses Verkehrswertes, so dass bei Eintragung einer entsprechenden Höchstbetragsarresthypothek eine unzulässige Übersicherung erfolgen würde. Obergrenze einer genehmigungsfähigen Höchstbetragsarresthypothek sei nach Auffassung der Kammer der Betrag, den die Antragsgegnerin im Höchstfall zu erstatten hätte. Aufgrund des Erbbaurechtsvertrages habe die Antragsgegnerin der A.-AG bei Heimfall des Untererbbaurechts 50 % des Verkehrswertes der baulichen Anlagen zu erstatten, wobei im Fall der Übernahme von Verbindlichkeiten gemäß § 33 Abs. 2 ErbbauVO diese Zahlungen hierauf angerechnet würden. Die Obergrenze der genehmigungsfähigen Höchstbetragsarresthypothek liege bei der Hälfte des Verkehrswertes von 2,3 Mio. EUR abzüglich der bereits eingetragenen Belastungen von 204.372,04 EUR und 72.366,93 EUR mithin bei 873.261,03 EUR.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

a) Gemäß § 7 Abs. 2 des Erbaurechtsgesetzes - ErbbauRG -, das mit Wirkung vom 25.4.2006 an die Stelle der ErbbauVO getreten ist, kann der Erbbauberechtigte von dem Grundstückseigentümer, zu dessen Gunsten eine Belastungsbeschränkung gemäß § 5 Abs. 2 ErbbauRG vereinbart wurde, die Zustimmung zu der Belastung verlangen, wenn diese mit den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft vereinbar und der mit der Bestellung des Erbbaurechts verfolgte Zweck nicht wesentlich beeinträchtigt oder gefährdet wird.

Die Verfügungsbeschränkung nach § 5 Abs. 2 ErbbauRG bezweckt, den Grundstückseigentümer vor einer übermäßigen Belastung des Erbbaurechts zu schützen (vgl. BayObLG 1996, 107/108 = NJW-RR 1996, 975 m.w.N. zur inhaltsgleichen Bestimmung in § 5 Abs. 2 ErbbauVO). Bei einem Heimfall des Erbbaurechts bleiben nämlich Hypotheken grundsätzlich bestehen und belasten das Grundstück (§ 33 Abs. 1 ErbbauRG). Der Grundstückseigentümer kann daher die Zustimmung verweigern, wenn die Belastung mit den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft nicht vereinbar ist und durch die Belastung der mit der Bestellung des Erbbaurechts verfolgte Zweck wesentlich beeinträchtigt oder gefährdet würde (vgl. § 7 Abs. 2 ErbbauRG). Diesen Schutz verdient der Grundstückseigentümer auch dann, wenn die Belastung im Weg der Zwangsvollstreckung vorgenommen werden soll, weil andernfalls die Verfügungsbeschränkung auf diesem Weg umgangen werden könnte (vgl. BayObLG aaO. m.w.N.).

Diese Grundsätze gelten auch im Verhältnis des Unter- zum Obererbbauberechtigten, wobei lediglich dieser, nicht der Grundstückseigentümer zustimmungsberechtigt bzw. - verpflichtet ist (vgl. MünchKommBGB/von Oefele 4. Aufl. § 5 ErbbauVO Rn. 3).

b) Verweigert der Zustimmungsberechtigte die Zustimmung ohne ausreichenden Grund, kann diese auf Antrag durch das Amtsgericht ersetzt werden (§ 7 Abs. 3 ErbbauRG). Antragsberechtigt ist nach dem Wortlaut der Bestimmung der (Unter-) Erbbauberechtigte, aber auch derjenige, der sich den Anspruch im Wege der Pfändung zur Ausübung hat überweisen lassen (MünchKommBGB/Oefele § 7 ErbbauVO Rn. 3). Auch in diesem Fall kann die ohne ausreichenden Grund verweigerte Zustimmung nach der genannten Vorschrift ersetzt werden (vgl. BGH NJW 1987, 1942/1943; OLG Hamm Rpfleger 1985, 291; MünchKommBGB/Oefele § 8 ErbbauVO Rn. 15 je m.w.N.).

c) Ein Anspruch auf Zustimmung bzw. deren Ersetzung besteht hier jedoch nicht, da die Eintragung einer Höchstbetragsarresthypothek zur Sicherung von deliktischen Schadensersatzansprüchen gegen den Untererbbauberechtigten nicht mit den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft vereinbar ist (§ 7 Abs. 2 ErbbauRG).

aa) Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Belastung im Rahmen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Erbbaurechts bleibt und zugleich im Rahmen eines vernünftigen wirtschaftlichen Verhaltens liegt (MünchKommBGB/Oefele § 7 ErbbauVO Rn. 12; OLG Hamm aaO.). Ordnungsgemäßes Wirtschaften erfordert, dass dem (Unter-) Erbbauberechtigten ein wirtschaftlicher Gegenwert für die Belastung zufließt, der sich zu seinem Nutzen hinsichtlich des Bauwerks oder seiner wirtschaftlichen Lage auswirkt und dass keine Überbelastung vorliegt (Staudinger/Rapp BGB 2002 §§ 5-7 ErbbauVO Rn. 27; MünchKomm/BGB Oefele aaO.; OLG Hamm aaO.). Ordnungsgemäßem Wirtschaften entspricht eine Belastung im Regelfall, soweit die Beschaffung von Geldmitteln zum Zweck der Errichtung oder Instandhaltung des Bauwerks notwendig und mit dem Wert des Erbbaurechts vereinbar ist. Aber auch Belastungen, die der (Unter-) Erbbauberechtigte zum Aufbau oder zur Erhaltung seiner Existenz eingeht, können mit den Regeln ordnungsgemäßen Wirtschaftens vereinbar sein, selbst wenn sie mit dem Bauwerk in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen (vgl. OLG Hamm aaO.; MünchKomm aaO.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

bb) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts können die der Untererbbauberechtigten aus möglicherweise strafbaren Handlungen zugeflossenen Gelder nicht einem dinglich zu sichernden Darlehen insoweit gleichgestellt werden, als sie für die Errichtung eines Gebäudes auf dem mit dem Untererbbaurecht belasteten Grundstück verwendet wurden.

Für die Annahme einer derart finanzierten Investition fehlt es bereits an einer ausreichenden tatsächlichen Grundlage. Bei einer Gesamtschadenssumme von ca. 100 Mio. EUR liegt es zwar nahe, dass ein Teil des Geldes zur Baufinanzierung verwendet wurde. Mehr als Vermutungen begründen diese Annahme jedoch nicht. Darüber hinaus ließe sich, selbst wenn das Bürogebäude mit Geldern aus strafbaren Handlungen finanziert worden wäre, deren Umfang und die Zuordnung zu einzelnen Geschädigten nicht feststellen.

Entscheidend ist jedoch, dass auch für den Fall einer derartigen Baufinanzierung die Verwendung der rechtswidrig erlangten Gelder nicht mit der Gewährung eines dinglich zu sichernden Darlehens durch die Geschädigten gleichgesetzt werden kann. Hier sind die Geldbeträge lediglich faktisch für die Immobilienerstellung verwendet worden, ohne dass dies den Geldgebern bewusst oder von diesen bezweckt war. Die Erfüllung etwaiger Schadensersatzansprüche aus unerlaubten Handlungen hat rechtlich und wirtschaftlich eine andere Bedeutung als die vertragsgemäße Rückzahlung einer Darlehensverpflichtung.

cc) Es ist nicht ersichtlich, inwieweit die Belastung des Untererbbaurechts der Erhaltung und Sicherung der wirtschaftlichen Existenz der Berechtigten im vorgenannten Sinne dienen sollte. Angesichts der in Rede stehenden Schadenssumme, die den Wert des Untererbbaurechts bei weitem übersteigt, scheint der wirtschaftlichen Existenz der Berechtigten auch bei Einräumung der geforderten Belastung jegliche Grundlage entzogen.

dd) Auch die amtsgerichtliche Entscheidung vom 12.12.2006 enthält keine tragfähige Begründung für eine Zustimmungspflicht des Obererbbauberechtigten nach § 7 Abs. 2 ErbbauRG. Die bloße Verwertbarkeit des Untererbbaurechts für Dritte als Gläübiger würde auf Seiten des Berechtigten keinen darüber hinausgehenden wirtschaftlichen Gegenwert begründen. Letztlich sieht das Amtsgericht diesen in der etwaigen Befreiung von Schadensersatzansprüchen aus unerlaubter Handlung. Dass dieser allein dem Erbbauberechtigten zugute kommende Vorteil, der keinen Bezug zum Wert und zur Nutzung des Grundstücks selbst aufweist, den Anforderungen des § 7 Abs. 2 ErbbauRG nicht genügt, wurde bereits dargelegt. Die genannte Vorschrift im Zusammenwirken mit § 5 Abs. 2 ErbbauRG mutet dem Eigentümer bzw. Obererbbauberechtigten zu, unter bestimmten Voraussetzungen die Belastung seines Rechts und die damit verbundenen Beeinträchtigungen und Risiken hinzunehmen. Sie ermöglicht aber nicht dem (Unter-)Erbbauberechtigten, für unbegrenzte Schuldzwecke das betreffende Grundstück als Haftungsobjekt seinen Gläubigern zur Verfügung zu stellen und sich somit gegebenenfalls buchstäblich auf Kosten des Obererbbauberechtigten bzw. des Eigentümers zu sanieren.

d) Auf die weiteren Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 ErbbauRG kommt es daher nicht mehr an.

Der Senat verkennt nicht, dass angesichts der außerordentlich hohen Schadenssumme der Ausfall einer Sicherung zumindest für einen Teilbetrag aus Sicht der Geschädigten unbefriedigend ist. Dies ist jedoch eine Folge der rechtlichen Eigenheiten des Erbbaurechts, das wegen der vom Gesetzgeber besonders geschützten Interessen des Grundstückseigentümers bzw. Obererbauberechtigten nur eingeschränkte Belastungsmöglichkeiten bietet, jedenfalls im Vergleich zu denjenigen, die dem Grundstückseigentümer selbst und dessen Gläubigern ggf. zur Verfügung stehen.

e) Die Kostenentscheidung beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG.

f) Die Festsetzung des Geschäftswerts richtet sich nach § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1 KostO.

Ende der Entscheidung

Zurück