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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 17.05.2006
Aktenzeichen: 33 Wx 15/06
Rechtsgebiete: BGB, VBVG
Vorschriften:
BGB § 1908i Abs. 1 Satz 1 | |
BGB § 1836 | |
VBVG § 4 Abs. 1 | |
VBVG § 4 Abs. 2 |
Gründe:
I.
Für den Betroffenen wurde am 5.11.2004 die Beschwerdeführerin als berufsmäßige Betreuerin bestellt mit den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung und Entscheidung über die Unterbringung; Gesundheitsfürsorge; Vermögenssorge; Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 2.1.2006 wurde der Aufgabenkreis beschränkt auf Gesundheitsfürsorge und Entscheidung über die Unterbringung und der am 9.12.2004 angeordnete Einwilligungsvorbehalt bezüglich der Vermögenssorge aufgehoben.
Mit Schreiben vom 14.10.2005 beantragte die Betreuerin eine Vergütung aus der Staatskasse für den Zeitraum vom 1.7.2005 bis 30.9.2005 in Höhe von 502,50 Euro. Dabei ging sie davon aus, dass der mittellose Betreute seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Heim hatte. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 19.10.2005 wurde die Vergütung auf 433,20 Euro festgesetzt und der darüber hinausgehende Antrag zurückgewiesen. Da die Betreuerin nicht umsatzsteuerpflichtig sei, sei ihr nur der um die Steuer verminderte Stundensatz von 28,88 Euro statt 33,50 Euro zuzubilligen. Die zugelassene sofortige Beschwerde der Betreuerin wurde mit Beschluss des Landgerichts vom 22.12.2005 unter Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Betreuerin, die eine ungekürzte Betreuervergütung erstrebt.
II.
Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg.
1. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig. Sie wurde vom Landgericht ausdrücklich zugelassen (§ 56g Abs. 5 Satz 2 FGG).
Das Schreiben vom 11.1.2006 an das Landgericht wahrte zwar nicht die Form gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 FGG, weil es nicht von einem Rechtsanwalt unterzeichnet war. Die formgerechte Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde wurde jedoch zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts am 30.1.2006 nachgeholt.
Zu diesem Zeitpunkt war die zweiwöchige Frist zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde gemäß § 29 Abs. 2, § 56f Abs. 5 Satz 1, § 22 Abs. 1 FGG bereits abgelaufen, da die Zustellung des landgerichtlichen Beschlusses bereits am 30.12.2005 erfolgt war. Der Betreuerin konnte jedoch gemäß § 29 Abs. 4, § 22 Abs. 2 Satz 1 FGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erteilt werden. Sie hat glaubhaft dargetan, dass sie ohne ihr Verschulden gehindert war, die Frist für die Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde einzuhalten, weil sie vom Landgericht über die Formerfordernisse nicht belehrt worden war.
2. Die sofortige weitere Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
a) Das Landgericht hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:
Nach § 4 Abs. 2 VBVG würden die Stundensätze in Höhe von (hier) 33,50 Euro "auch Ansprüche auf Ersatz anlässlich der Betreuung entstandener Aufwendungen sowie anfallende Umsatzsteuer" abgelten. Aus dem Wortlaut folge somit, dass nur "anfallende Umsatzsteuer" pauschal abgegolten werde; somit sei eine Umsatzsteuer, die - wie bei der Beschwerdeführerin - gar nicht anfalle, abzuziehen. Diese Auslegung entspreche auch dem Gesetzeszweck. Mit dem 2. Betreuungsrechtsänderungsgesetz habe man die ursprüngliche Vergütung von 23 Euro um ca. 9 % erhöht, die Auslagenpauschale mit 3 Euro je Stunde angesetzt und dazu die Mehrwertsteuer von 16 % geschlagen, woraus sich dann ein Stundensatz von jetzt 33,50 Euro ergebe. Zweck des Gesetzes sei es gewesen, Kosten für den Staat zu sparen. Würde man einem Betreuer, der selbst nicht mehrwertsteuerpflichtig sei, gleichwohl die Mehrwertsteuer zubilligen, dann würde dies zu einer Erhöhung der Vergütung um rund 30 % führen.
b) Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).
aa) Nach § 4 Abs. 1 VBVG beträgt die dem Betreuer nach § 1 Abs. 2 VBVG zu bewilligende Vergütung für jede nach § 5 anzusetzende Stunde 27 Euro. Verfügt der Betreuer über besondere Kenntnisse, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, so erhöht sich der Stundensatz auf 33,50 Euro, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 VBVG). Die Stundensätze nach Abs. 1 gelten auch Ansprüche auf Ersatz anlässlich der Betreuung entstandener Aufwendungen sowie anfallende Umsatzsteuer ab (§ 4 Abs. 2 Satz 1 VBVG).
bb) Ob der Stundensatz aus § 4 Abs. 1 VBVG bei nicht mehrwertsteuerpflichtigen Betreuern um die Umsatzsteuer zu kürzen ist, ist umstritten (für eine Kürzung: AG Ludwigshafen, FamRZ 2006, 361/362; gegen eine Kürzung: Deinert/Lütgens, Die Vergütung des Betreuers 4. Aufl. Rn. 891; HK-BUR/Lütgens § 4 VBVG Rn. 11; Fröschle, Betreuungsrecht 2005 Rn. 245). Nach Auffassung des Senats ist eine Kürzung des Stundensatzes bei nicht mehrwertsteuerpflichtigen Betreuern nicht zulässig. Dies ergibt sich aus Wortlaut und Systematik des Gesetzes und wird auch durch die Gesetzgebungsmaterialien gestützt.
§ 4 Abs. 1 VBVG sieht feste Stundensätze vor. Ausdrückliche Anordnungen über eine Kürzung dieser Sätze für bestimmte Fallkonstellationen enthält das Gesetz nicht. Entsprechend diesem System des "Inklusivstundensatzes" (so die Bezeichnung im Rechtsausschuss des Bundestages, vgl. BT-Drs. 15/4874, Seite 25) bestimmt § 4 Abs. 2 Satz 1 VBVG, dass zusätzliche Ansprüche für Aufwendungsersatz und Umsatzsteuer (abgesehen von Aufwendungen im Sinne von § 1835 Abs. 3 BGB, vgl. § 4 Abs. 2 Satz 2 VBVG) nicht geltend gemacht werden können.
Genau gegenteilig geht der Gesetzgeber bei § 3 Abs. 1 VBVG vor: Hier werden Stundensätze für die Vergütung des Vormunds festgelegt und es ist ausdrücklich ausgeführt, dass eine auf die Vergütung anfallende Umsatzsteuer, soweit sie nicht nach § 19 Abs. 1 UStG unerhoben bleibt, zusätzlich erhoben wird (§ 3 Abs. 1 Satz 3 VBVG). Hieraus ergibt sich auch, dass dem Gesetzgeber der Fall fehlender Umsatzsteuerpflicht bei der Regelung der Vergütung von Betreuern und Vormündern durchaus vor Augen stand.
Das gesetzgeberische System zeigt damit eindeutig, dass für den Vormund eine Netto-Vergütung zuzüglich Umsatzsteuer - soweit erhoben - und für den Betreuer eine Brutto-Vergütung - unabhängig von anfallender Mehrwertsteuer - vorgesehen ist.
Nach Auffassung des Senats lässt sich aus dem Wortlaut "anfallende" Umsatzsteuer in § 4 Abs. 2 entsprechend der oben dargelegten Systematik gerade kein Umkehrschluss darauf ziehen, dass bei nicht anfallender Umsatzsteuer eine Kürzung des Stundensatzes vorgenommen werden solle. In der Gesetzesbegründung heißt es im Übrigen, die Stundensätze würden auch die Erstattung der Umsatzsteuer "abgelten", "wenn eine solche erhoben wird" (BT-Drucks. 15/4874, Seite 31). Diese Formulierung lässt erkennen, dass es gerade nicht darauf ankommen sollte, ob Umsatzsteuer anfiel oder nicht.
Aus den Gesetzgebungsmaterialien ergibt sich darüber hinaus, dass dem Gesetzgeber auch die Möglichkeit unterschiedlicher Mehrwertsteuersätze (nämlich für Berufsbetreuer und Vereinsbetreuer) bewusst war und auch hier keine unterschiedlichen Stundensätze zum Tragen kommen sollten. Eine Bevorzugung der Vereinsbetreuer aufgrund deren niedrigerer Umsatzsteuerbelastung war ausdrücklich gewollt (Ausschuss-Bericht BT-Drucks. 15/4874, Seite 25, 31). Die Betreuungsvereine sollten auf diese Weise eine gezielte Förderung erhalten (vgl. auch Reden der Bundestagsabgeordneten Bätzing und Granold sowie des Parlamentarischen Staatssekretärs Hartenbach in der Plenarsitzung vom 18.2.2005, Plenarprotokoll der 158. Sitzung, Seiten 14827, 14829 bzw. 14866 sowie Rede des Justizministers Gerhards in der Sitzung des Bundesrates vom 18.3.2005, Protokoll der 809. Sitzung des Bundesrats, Seite 77).
Der Gesetzgeber hat damit letztlich nicht nur den Betreuungsvereinen, sondern auch nicht mehrwertsteuerpflichtigen Betreuern, die sich regelmäßig in der Existenzgründungsphase befinden dürften, zu einer Förderung verholfen (so auch Fröschle a.a.O.).
Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 GG) ist nicht gegeben. Zum einen steht es dem Gesetzgeber frei, zur Vereinfachung der Abrechnung Pauschalierungen vorzusehen. Zum anderen gibt es - wie aufgezeigt - sachliche Gründe, die die unterschiedlichen Nettostundensätze rechtfertigen können. Im Übrigen dürfte sich der Einkommensvorteil für nicht umsatzsteuerpflichtige Berufsbetreuer in Grenzen halten, da zum einen (auch) der Differenzbetrag der Einkommensteuer unterworfen ist und zum anderen die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs für Betriebsausgaben entfällt.
Ein Wille des Gesetzgebers zu einer Kürzung der Stundensätze um die Umsatzsteuer ergibt sich auch nicht aus dem Sinn und Zweck des 2. Betreuungsrechtsänderungsgesetzes insgesamt. Ziel der Gesetzesänderung war u.a. eine Pauschalierung der Vergütung der Berufsbetreuer und eine Vereinfachung der Abrechnung (BT-Drucks. 15/4874, Seite 30; BT-Drucks. 15/2494, Seite 1), nicht eine generelle Kürzung.
cc) Der Betreuerin war daher die von ihr beantragte Vergütung uneingeschränkt zuzusprechen. Nachdem die Höhe des der Betreuerin zu bewilligenden Stundensatzes - abgesehen von der Kürzung um die Umsatzsteuer - außer Streit stand, ergibt sich für den Zeitraum vom 1.7. bis 30.9.2005 ein Ansatz von 3 x 5 x 33,50 Euro = 502,50 Euro.
Ende der Entscheidung
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