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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 12.10.2006
Aktenzeichen: 33 Wx 163/06
Rechtsgebiete: VBVG, GG


Vorschriften:

VBVG § 5
GG Art. 14 Abs. 1
GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 20 Abs. 1
Die Pauschalisierung des Stundensatzes in der Betreuervergütung ist jedenfalls, soweit sie sich zu Lasten der nicht mittellosen Betreuten auswirkt, verfassungsgemäß.
Gründe:

I.

Für die nicht mittellose Betroffene wurde am 5.12.2005 ein Vereinsbetreuer für alle Angelegenheiten einschließlich Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post bestellt. Mit Schreiben vom 31.3.2006 beantragte der Verein Vergütung für die vom Vereinsbetreuer im Zeitraum vom 6.12.2005 bis zum 31.3.2006 erbrachte Tätigkeit, die er ausgehend von 31,4 Stunden zu einem Stundensatz von 44 EUR auf insgesamt 1.381,60 EUR bezifferte. Diesem Antrag hat der erstinstanzlich als Verfahrenspfleger für das Vergütungsverfahren bestellte Sohn der Betroffenen widersprochen.

Mit Beschluss vom 30.5.2006 hat das Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - die geltend gemachte Vergütung antragsgemäß festgesetzt. Die fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Betreuten wies das Landgericht mit Beschluss vom 23.6.2006 zurück. Gegen diese am 12.7.2006 zugestellte Entscheidung richtet sich die zugelassene sofortige weitere Beschwerde der Betroffenen vom 13.7.2006 mit der Begründung, der Gesetzgeber habe mit der Pauschalierung seinen Spielraum zu Lasten der betreuten Person überschritten.

II.

Die zulässige sofortige weitere Beschwerde ist nur in geringem Umfang begründet.

1. Das Landgericht hat folgendes ausgeführt:

Der mit dem angefochtenen Beschluss festgesetzte Betrag entspreche der gesetzlichen Regelung der §§ 4 f. VBVG. Die weitgehende Pauschalierung diene der Verwaltungsvereinfachung und habe zur Folge, dass der Betreuer keinen konkreten Zeitaufwand mehr belegen und das Gericht diesen auch nicht mehr kontrollieren müsse. Dass der Zeitaufwand höher oder niedriger sein könne, liege in der Natur der Pauschalierung. Verfassungsrechtlich sei dies nicht zu beanstanden, da dem Gesetzgeber insoweit ein weiter Gestaltungsspielraum zustehe. Das Ziel der Vereinfachung der Vergütungsabrechnung liege auch und vor allem im Interesse der Betroffenen. Im Einzelfall eintretende Härten seien nicht derart gravierend, dass dadurch die Grenze der Zumutbarkeit überschritten würde. Eine diese Grenze überschreitende übermäßige Belastung der Betroffenen sei auch vorliegend nicht gegeben.

2. Diese Ausführungen halten im Wesentlichen der rechtlichen Überprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO). Eine Beschränkung gilt nur hinsichtlich der den von Vorinstanzen für richtig gehaltenen Bemessung des Vergütungszeitraums.

a) Der Betreuer hat zu Unrecht mit seinem Antrag bereits jetzt seine Vergütung vom 6.3.2006 bis 31.3.2006 geltend gemacht. Diese hätte ihm das Amtsgericht nur für die Zeit vom 6.12.2005 bis 5.3.2006 bewilligen dürfen; deshalb war der Betrag auf 3 Monate x 8,5 h/Monat x 44 EUR/h = 1.122 EUR zu reduzieren.

Ein Betreuer, der eine nach §§ 4, 5 VBVG pauschalierte Vergütung erhält, kann diese gemäß § 9 Satz 1 VBVG nach Ablauf von jeweils drei Monaten für diesen Zeitraum geltend machen. Bei einer nach dem Inkrafttreten der neuen Vergütungsregelung errichteten Betreuung kann der periodische Abrechnungszeitraum nur mit der wirksamen Bestellung des Betreuers beginnen. Hier wurde der Betreuer am 5.12.2005 bestellt. Der Fristbeginn fiel daher gemäß § 187 Abs. 1 BGB auf den 6.12.2005, wie vom Betreuer richtig angegeben; der Zeitraum endete nach § 188 Abs. 1 BGB mit Ablauf des 5.3.2006. Ab 5.3.2006 konnte für dieses Abrechnungsquartal erstmals ein Vergütungsantrag gestellt werden (vgl. Dodegge/Roth Betreuungsrecht 2. Aufl. Kap. F Rn. 203; Jurgeleit/Maier Betreuungsrecht § 9 VBVG Rn. 7; Fröschle Betreuungsrecht 2005 Rn. 335 - 337). Mit Ablauf des ersten Abrechnungsquartals beginnt nach § 9 Satz 1 VBVG ein neues. Zeitabschnitte, die in diesen nächsten Abrechnungszeitraum fallen, können nicht beliebig, sondern erst nach Ablauf von erneut drei Monaten geltend gemacht werden. Der Betreuer ist zwar - solange er sich im Rahmen der von § 2 VBVG vorgegebenen Frist bewegt - nicht gehalten, bereits jeweils nach einem Abrechnungsquartal den entsprechenden Anspruch geltend zu machen. Er kann auch Ansprüche für sechs, neun oder mehr Monate auf einmal abrechnen. Es ist jedoch nach dem klaren Wortlaut des § 9 Satz 1 VBVG und dem Gesetzeszweck, die Abrechnung für die Gerichte zu vereinfachen, nicht zulässig, Teile von Abrechnungszeiträumen - wie hier den 6. bis 31.3.2006 in Rechnung zu stellen (Senatsentscheidung vom 4.7.2006 - 33 Wx 117/06, zitiert in juris; vgl. auch Fröschle aaO Rn. 335; Deinert/Lütgens Die Vergütung des Betreuers 4. Aufl. Rn.1406, 1407).

b) Für den Zeitraum 6.12.2005 bis 5.3.2006 wurde die pauschale Vergütung nach § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1 VBVG mit 8,5 Stunden je Monat zu 44 EUR richtig festgesetzt. Ausnahmen von der Pauschalierung sieht das Gesetz nicht vor.

c) Die Pauschalierung des § 5 VBVG ist jedenfalls verfassungsgemäß, soweit sie sich zu Lasten der nicht mittellosen Betreuten auswirkt; sie verstößt weder gegen das Grundrecht auf Eigentum der nicht mittellosen Betreuten (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) noch gegen Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG oder Art. 20 Abs. 1 GG (vgl. auch Unruh BtPrax 2005, 121/125).

aa) Die Erhebung von Geldleistungspflichten verletzt nicht das Grundrecht auf Eigentum des Entgeltschuldners. Art. 14 Abs. 1 GG schützt nicht gegen die Auferlegung von Geldleistungspflichten, weil diese nicht mittels eines bestimmten Eigentumsobjekts zu erfüllen sind, sondern aus dem fluktuierenden Vermögen, das kein Eigentum im Sinne dieser Vorschrift ist, bestritten werden (vgl. BVerfGE 95, 267/300; BVerfG NJW 2000, 649). Dies gilt auch, wenn sie in zulässiger Weise pauschaliert werden.

bb) Die der Betroffenen auferlegte Geldleistungspflicht berührt jedoch die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG. Diese ist allerdings nur im Rahmen der allgemeinen Gesetze gewährleistet. Zu diesen zählen sämtliche mit dem Grundgesetz in Einklang stehende Rechtsnormen (vgl. BVerfGE 6, 32/37 ff.; stRspr). Das trifft auch auf die Regelung des § 5 VBVG zu.

Bei der Ordnung von Massenerscheinungen sind typisierende Regeln allgemein als notwendig anerkannt und vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsrechtlich unbedenklich behandelt worden (BVerfGE 17, 1/23; 111, 115/137). Typisierung bedeutet, bestimmte in wesentlichen Elementen gleich geartete Lebenssachverhalte normativ zusammenzufassen. Besonderheiten, die im Tatsächlichen durchaus bekannt sind, können generalisierend vernachlässigt werden. Begünstigungen oder Belastungen können in einer gewissen Bandbreite zum Zweck der Verwaltungsvereinfachung nach oben und unten pauschalierend bestimmt werden. Das ist aber nur zulässig, wenn die mit ihr verbundenen Härten nicht besonders schwer wiegen und nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären (BVerfGE 111, 115/137).

Der Gesetzgeber hat sich durch die Pauschalierungsregelung für den Zeitansatz bezüglich der Betreuervergütung innerhalb dieser vom Bundesverfassungsgericht gezogenen Grenzen gehalten. Die Pauschalierung ohne Ausnahmen ist nicht zuletzt durch das Bestreben gerechtfertigt, einerseits einer übermäßigen Belastung der Länderhaushalte und der nicht mittellosen Betreuten entgegenzuwirken und andererseits die berufsmäßigen Betreuer wie die Gerichte von zeitaufwändiger Abrechnungs- bzw. Überprüfungstätigkeit zu entlasten. Die Neuregelung erscheint auch verhältnismäßig. Der Gesetzgeber hat die Stundenansätze des § 5 VBVG nicht willkürlich, sondern auf Grund empirischer Erhebungen festgesetzt und hierbei umfassend alle Schwierigkeitsgrade berücksichtigt sowie auch auf die Auskömmlichkeit der Vergütung Bedacht genommen (Senatsentscheidung FamRZ 2006, 647 ff).

Mögliche Härten für nicht mittellose Betreute wiegen nicht besonders schwer. Nach den genannten Erhebungen ist im Einzelfall nur eine verhältnismäßig geringe Abweichung vom tatsächlichen Zeitaufwand wahrscheinlich. Selbst wenn ausnahmsweise ein Betreuer einmal in bestimmten Zeitabschnitten in einem begrenzten zeitlichen Umfang tätig werden sollte, der deutlich unter dem gesetzlich festgelegten Stundenansatz liegt, bedeutet die hieraus konkret folgende finanzielle Inanspruchnahme des Betroffenen für ihn keine existenziell spürbare Belastung. Zu bedenken ist auch, dass sich der Zeitansatz in den folgenden Quartalen bis auf 4 1/2 Stunden je Monat verringert.

Wollte man gleichwohl insoweit eine Härte erkennen, wäre sie nur durch Absehen von der Pauschalierung im jeweiligen Einzelfall zu vermeiden, was dem Gesetzeszweck zuwiderlaufen würde.

cc) Auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt insoweit nicht vor. Die Unterscheidung zwischen nicht mittellosen und mittellosen Betreuten, die im Entwurf des 2. Betreuungsrechtsänderungsgesetz noch nicht enthalten war, lässt sich mit den im Durchschnitt anzunehmenden erhöhten Zeitaufwand für nicht mittellose Betreute rechtfertigen. Bei typisierender Betrachtung dürfte der Zeitaufwand für die Vermögenssorge - bei der Betroffenen ist auch diese vom Aufgabenkreis umfasst - in der Regel größer sein als bei mittellosen Betreuten. Damit liegt ein sachlicher Grund für eine andere Behandlung als bei mittellosen Betreuten vor.

Auch die Unterscheidung zwischen Heimbewohnern und nicht im Heim lebenden Betreuten ist sachlich damit zu begründen, dass bei der erstgenannten Personengruppe für den jeweiligen Betreuten ein geringerer Handlungs- und Entscheidungsbedarf in Fragen der Organisation des täglichen Lebens anfällt (vgl. Jurgeleit/Maier aaO § 5 Rn. 15; BT-Drucks. 15/2494 S. 32).

dd) Dem Sozialstaatsgebot wird durch §§ 1836c, 1836d i.V. mit § 1908i Abs. 1 BGB und die darin enthaltenen differenzierten Regelungen über den Einsatz von Einkommen und Vermögen nach Maßgabe des Sozialhilferechts ausreichend genüge getan.

3. Eine Kostenentscheidung nach § 13a Abs. 1 FGG war trotz des einstweiligen Teilerfolgs des Rechtsmittels nicht veranlasst, da die Auferlegung von Kosten auf den Betreuer nicht der Billigkeit entspricht. Die Betroffene begehrte die Herabsetzung der Vergütung des Betreuers als solche und nicht nur die Änderung des Bewilligungszeitraums. Hiermit hatte sie keinen Erfolg.

4. Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Verfahren der weiteren Beschwerde beruht auf § 131 Abs. 1, § 30 Abs. 1 KostO.



Ende der Entscheidung

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