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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 28.07.2008
Aktenzeichen: 33 Wx 164/08
Rechtsgebiete: FGG, GG


Vorschriften:

FGG § 13a Abs. 2 Satz 1
GG Art. 19 Abs. 4
Hat das Landgericht eine Betreuungsmaßnahme als ungerechtfertigt aufgehoben und die Erstattung der notwendigen Auslagen des Betroffenen durch die Staatskasse angeordnet, ist eine weitere Beschwerde mit dem Ziel der ausdrücklichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der Betreuungsmaßnahme nicht zulässig. In diesem Fall besteht weder ein allgemeines Bedürfnis für eine Fortsetzungsfeststellung noch ein konkretes Rechtsschutzinteresse des Betroffenen.
Gründe:

I. Auf Anregung einer Klinik wurde mit Beschluss vom 22.1.2008 für den Betroffenen ein vorläufiger berufsmäßiger Betreuer bestellt. Als Aufgabenkreis wurde festgelegt: "Sorge für die Gesundheit des Betroffenen; Aufenthaltsbestimmung; Vermögenssorge; Wohnungsangelegenheiten; Postangelegenheiten".

Auf die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen hob das Landgericht mit Beschluss vom 17.6.2008 die einstweilige Anordnung auf und stellte das Verfahren ein. Die notwendigen Auslagen des Betroffenen wurden der Staatskasse auferlegt.

Zu Begründung führte die Kammer aus: Sie habe nicht die Überzeugung gewinnen können, dass der Betroffene derzeit außer Stande sei, seine Angelegenheiten ganz oder teilweise zu besorgen. Die Voraussetzungen für die Anordnung bzw. Aufrechterhaltung einer Betreuung lägen somit nicht vor.

Hiergegen legte der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen weitere Beschwerde ein, "soweit keine Feststellung getroffen wurde, dass die Anordnung einer Betreuung bereits bei Erlass rechtswidrig war, hilfsweise zum Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde."

II. Das Rechtsmittel ist unzulässig.

1. a) Mit der Aufhebung der vorläufigen Betreuung und Einstellung des Betreuungsverfahrens durch das Landgericht ist dem Beschwerdebegehren des Betroffenen in der Hauptsache entsprochen worden. Das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) sieht für derartige Fälle keine isolierte Feststellung der Rechtswidrigkeit vorangegangener gerichtlicher Entscheidungen vor. Allenfalls kann der Beschwerdeführer grundsätzlich nach Erledigung der Hauptsache sein Rechtsmittel auf die Kosten beschränken (BayObLGZ 1993, 82; BayObLG FamRZ 1998, 1325). Im vorliegenden Fall ist auch ohne entsprechenden Antrag eine derartige Entscheidung bereits aufgrund der für Betreuungsverfahren geltenden Sondervorschrift des § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG ergangen.

b) Allerdings hat die Rechtsprechung im Hinblick auf den notwendigen Rechtsschutz gegen schwerwiegende Grundrechtsbeeinträchtigungen eine Feststellung der Rechtswidrigkeit unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise u. a. dann für geboten erachtet, wenn gegen den Betroffenen eine freiheitsentziehende Maßnahme ergangen war und diese sich im Instanzenzug über ein hiergegen eingelegtes Rechtsmittel aus tatsächlichen Gründen erledigt hat (vgl. z.B. BVerfGE 104, 220/232 f.; BGH Beschluss vom 16.4.2008 - XII ZB 37/08, zit. nach Juris; BayObLG 2002, 304/306; Senatsbeschlüsse in BtPrax 2005, 155 und OLG-Report München 2005, 885; OLG Hamm FamRZ 2008, 1116).

Ob auch in Betreuungssachen eine derartige Entscheidung in Ausnahmefällen geboten sein kann, ist bisher nicht abschließend entschieden worden (vgl. z.B. Senat in BtPrax 2006, 151). Der vorliegende Sachverhalt bietet jedenfalls bereits deshalb keinen Anlass zu einer entsprechenden Entscheidung, weil der Betroffene mit der Aufhebung der Betreuung gerichtlichen Rechtsschutz erhalten hat. Deshalb besteht - anders als in den typischen Fallgruppen der zitierten Rechtsprechung zum Unterbringungsrecht - schon allgemein keine Notwendigkeit, durch eine etwaige Fortsetzungsfeststellung Rechtsfragen zu klären, über die wegen einer vorangegangenen Erledigung keine Entscheidung in der Hauptsache mehr zu treffen war.

c) Deshalb kann auch offen bleiben, ob der Inhalt der Erstbeschwerde überhaupt als Ansatzpunkt einer weiteren Beschwerde mit dem nunmehr verfolgten Ziel geeignet war. Der Beschwerdeschriftsatz vom 3.2.2008 verfolgte nach seinem Wortlaut das Ziel der umgehenden Aufhebung des vormundschaftsgerichtlichen Beschlusses vom 23.1.2008. Ein ausdrücklicher Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit dieses Beschlusses ist ihm nicht zu entnehmen. Der Inhalt der Beschwerde bestimmt aber, welches der verschiedenen möglichen Beschwerdeziele der Betroffene mit dem von ihm eingelegten Rechtsmittel verfolgt. Für den Fall der Freiheitsentziehung hat das BayObLG (BayObLGZ 2002, 304/310) entschieden: Macht der Betroffene ausdrücklich auch die Rechtmäßigkeit der Anordnung und der bisherigen Durchführung der Freiheitsentziehung zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens, hat das Beschwerdegericht auch diese zu überprüfen. Legt er ohne nähere Angaben hierzu sofortige Beschwerde ein, kann im Grundsatz davon ausgegangen werden, dass er nur die Beendigung der Freiheitsentziehung anstrebt. Der Gegenstand des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird dann durch den Gegenstand begrenzt, über den das Beschwerdegericht eine Entscheidung getroffen hat.

Ob dem Landgericht nach diesen Grundsätzen hier überhaupt eine zusätzliche ausdrückliche Entscheidung über die Rechtswidrigkeit der Betreuung angefallen ist, deren Unterbleiben mit der weiteren Beschwerde gerügt werden könnte, mag dahinstehen (für eine entsprechende Auslegung eines allgemein gehaltenen Beschwerdeantrags in Unterbringungssachen OLG Karlsruhe FGPrax 2003, 237 und wohl auch BGH Beschluss vom 16.4.2008 aaO.). Denn aus den dargelegten Gründen besteht kein Anlass, neben einer dem Rechtsmittel in der Hauptsache stattgebenden Entscheidung des Beschwerdegerichts zusätzlich eine ausdrückliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der aufgehobenen Maßnahme durch das Gericht der weiteren Beschwerde für geboten zu erachten.

3. Unabhängig hiervon würde es im vorliegenden Fall auch an einem konkreten Rechtsschutzbedürfnis des Betroffenen fehlen, eine solche Entscheidung herbeizuführen.

a) Das Landgericht hat bereits in den Gründen seiner Entscheidung eingehend dargelegt, dass die rechtlichen Voraussetzungen der Betreuungsanordnung gem. § 1896 Abs. 1 BGB nicht vorlagen. Diese Einschätzung beruhte offenkundig nicht etwa auf Entwicklungen oder Ereignissen, die erst nach dem erstinstanzlichen Beschluss eingetreten waren. Damit ist inzident über die Rechtswidrigkeit der vorläufigen Betreuerbestellung durch das Amtsgericht entschieden worden.

b) Soweit dem Betroffenen im Beschwerdeverfahren Anwaltskosten entstanden sind, hat überdies bereits das Landgericht die insoweit notwendigen Auslagen gem. § 13a Abs. 2 Satz 1 FGG der Staatskasse auferlegt. Damit wird nicht nur der Betroffene von den entsprechenden Kosten freigestellt, sondern auch seinem etwaigen Bedürfnis nach immaterieller Genugtuung entsprochen. Denn mit dieser Entscheidung hat das Beschwerdegericht entsprechend dem Gesetzeswortlaut zum Ausdruck gebracht, dass die vorinstanzliche Anordnung "ungerechtfertigt" war.

c) Der Betroffene will aber darüber hinaus mit seinem weiteren Rechtsmittel klären lassen, ob "möglicherweise zweckfremde Erwägungen zu der Einrichtung einer Betreuung führten" und äußert insoweit die Vermutung, damit habe der Betroffene gehindert werden sollen, Zahlungsansprüche gegen seine Ehefrau gerichtlich geltend zu machen. Die von dem Betroffenen vermisste ausdrückliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der angeordneten vorläufigen Betreuung wäre aber von vornherein nicht geeignet, in irgendeiner Weise einen solchen Verdacht zu erhärten.

d) Soweit der Betroffene sich gegen die Erhebung von Gerichtskosten wenden will, kann er eine Entscheidung nach § 16 KostO erwirken. Hierfür ist eine zuvor ergangene ausdrückliche Feststellung der Rechtswidrigkeit nicht erforderlich.

e) Soweit schließlich Vergütungsansprüche des berufsmäßigen Betreuers entstanden sind, werden diese durch die Aufhebung der Betreuung nicht berührt. Das gilt unabhängig davon, ob deren Anordnung von Anfang an rechtmäßig war oder nicht (vgl. BayObLGZ 1997, 53 = FamRZ 1997, 701; OLG Naumburg FamRZ 1994, 1335; Palandt/Diederichsen BGB 67. Aufl. § 1836 Rn. 14).

Ob der Betroffene bezüglich der gegen ihn festgesetzten Betreuervergütung Schadensersatz oder Freistellung im Wege der Amtshaftung (Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB) beanspruchen könnte, ist im hier anhängigen Verfahren nicht zu entscheiden. Jedenfalls wäre auch für diesen Zweck die vom Betroffenen begehrte Entscheidung über die Rechtswidrigkeit der angeordneten und wieder aufgehobenen Betreuung nicht notwendigerweise vorgreiflich in dem Sinne, dass über eine Schadensersatzforderung nur nach vorheriger ausdrücklicher Feststellung entschieden werden könnte. Überdies wären - sofern die anderen Voraussetzungen einer Amtshaftung bejaht werden könnten - sowohl die Begründung als auch die Kostenentscheidung des landgerichtlichen Beschlusses von dem entscheidenden Gericht zu würdigen. Deshalb kann ein berechtigtes Interesse an einer ausdrücklichen Feststellung der Rechtswidrigkeit auch nicht mit diesem Gesichtspunkt begründet werden.

4. Die Festsetzung des Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde beruht auf § 30 Abs. 2, § 131 Abs. 2 KostO.

Ende der Entscheidung

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