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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 05.06.2009
Aktenzeichen: 33 Wx 171/08
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 13a Abs. 2 S. 1
Wird eine Betreuung als ungerechtfertigt aufgehoben und legt das Gericht die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse auf, erfasst das auch die im Verfahren von dem Betroffenen gezahlten Gerichtskosten einschließlich Sachverständigen- und Zeugenentschädigung. Eine Erstattungspflicht besteht hingegen nicht hinsichtlich der vom Betroffenen entrichteten Beträge für Vergütung und Aufwendungsersatz des Betreuers sowie für die gerichtlichen Jahresgebühren der Betreuung.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN BESCHLUSS

Aktenzeichen: 33 Wx 171/08

Der 33. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Knittel, des Richters Dimbeck und der Richterin Budesheim

am 5. Juni 2009

in der Betreuungsangelegenheit

auf die weitere Beschwerde der Betroffenen

beschlossen:

Tenor:

I. Der Beschluss des Landgerichts München I vom 21. Mai 2008 und der Beschluss des Amtsgerichts München vom 15. Januar 2008 werden aufgehoben, soweit der Antrag auf Erstattung von Auslagen für die Entschädigung des vom Gericht bestellten Sachverständigen und von Auslagen für Zeugen und Sachverständige zurückgewiesen wurde.

II. Die Auslagen für die Entschädigung des Gutachters in Höhe von 934,55 € sowie für Zeugen/Sachverständige in Höhe von 29,20 € und für Zustellungen in Höhe von 17,39 € sind der Betroffenen zu erstatten.

III. Im Übrigen wird die weitere Beschwerde zurückgewiesen.

IV. Der Wert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 6.466,67 € festgesetzt.

Gründe:

I. Nach vorangegangener Vormundschaft bestand für die Betroffene eine Pflegschaft im Bereich Vermögenssorge, die als Betreuung weitergeführt wurde. Nachdem die Betreuung zuletzt bis 4.10.2004 verlängert worden war, erteilte die Betroffene am 8.5.2003 Herrn S. eine notarielle Generalvollmacht. Entgegen ihrem Antrag vom 14.7.2004 auf Aufhebung der Betreuung wurde diese durch vormundschaftsgerichtlichen Beschluss vom 22.8.2005 um weitere sieben Jahre verlängert, wobei sich das Gericht u.a. auf ein Sachverständigengutachten vom 13.11.2004 stützte. Der Beschluss vom 29.11.2005, mit dem das Landgericht die Beschwerde der Betroffenen zurückwies, wurde durch Senatsentscheidung vom 22.2.2006 aufgehoben. Das Landgericht hob mit Beschluss vom 17.4.2007 die Betreuung auf und erlegte die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Betroffenen der Staatskasse auf.

Die im Rahmen des Verfahrens zur Verlängerung oder Aufhebung der Betreuung angefallenen Rechtsanwaltskosten in allen Instanzen sowie die Aufwendungen für ein vom Landgericht herangezogenes Privatgutachten der Betroffenen wurden antragsgemäß festgesetzt. Der darüber hinausgehende Antrag auf Hinzusetzung aller weiter gezahlten Gerichtskosten und deren Verzinsung wurde - soweit aus den Akten ersichtlich - nicht verbeschieden.

Mit Anwaltsschreiben vom 10.12.2007 beantragte die Betroffene, ihr die Kosten - insbesondere Betreuervergütung und Gerichtsgebühren - der unbegründet weitergeführten Betreuung in Höhe von insgesamt 6.466,67 € zu erstatten. Ihre Beschwerde gegen die zurückweisende Entscheidung des Amtsgerichts blieb erfolglos. Mit der weiteren Beschwerde hält die Betroffene ihren Antrag auf Erstattung der noch nicht vergüteten Kosten aufrecht.

II. Das zulässige Rechtsmittel ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt:

Zu den notwendigen Auslagen, die das Landgericht mit Beschluss vom 17.4.2007 der Staatskasse auferlegt habe, zählten nicht die Vergütung des Betreuers, die dieser für zuvor erbrachte Leistungen im Rahmen seines Aufgabenkreises von der nicht mittellosen Betreuten erhalten oder habe fordern können. Die Auslagen im Sinne des § 13a Abs. 2 FGG umfassten nicht die Kosten der Betreuung insgesamt, sondern lediglich die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Auslagen. Hierzu zählten in der Regel die gesetzlichen Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, Aufwendungen für Reisen zu einem Termin des Gerichts oder des Sachverständigen, Kosten für eigene Ermittlungen und gegebenenfalls Kosten für die Erstellung eines von einem der Beteiligten beigebrachten Gutachtens. Die Betreuervergütung sei nur insoweit den Auslagen des Betroffenen zuzurechnen, als die Tätigkeit des Betreuers darauf gerichtet gewesen sei, die weitere Betreuung des Betroffenen zu verhindern. Der Vergütungsanspruch des Betreuers im Allgemeinen werde durch eine spätere Aufhebung der Betreuung nicht mehr berührt. Ob gegebenenfalls weitere zivilrechtliche Ansprüche gegen die Staatskasse bestünden, sei nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) nicht in vollem Umfang stand.

a) In Betreuungs- und Unterbringungssachen kann das Gericht die Auslagen des Betroffenen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, ganz oder teilweise der Staatskasse u.a. dann auferlegen, wenn eine Betreuungsmaßnahme nach den §§ 1896 bis 1908i BGB als ungerechtfertigt aufgehoben wird (§ 13a Abs. 2 Satz 1 FGG). Eine solche Entscheidung zugunsten der Betroffenen hat das Landgericht mit Beschluss vom 17.4.2008 getroffen.

b) Dem Betroffenen sind die notwendigen Auslagen zu erstatten. Dazu zählen außergerichtliche Auslagen wie Rechtsanwaltsgebühren und Reisekosten zu Gerichts- und Untersuchungsterminen sowie von ihm zu tragende Gerichtskosten (vgl. hierzu näher Keidel/Zimmermann FGG 15. Aufl. § 13a Rn. 51e; Jansen/von König FGG 3. Aufl. § 13a Rn. 33 jeweils m.w.N.). Denn bei dem Rückerstattungsanspruch hinsichtlich überzahlter Gerichtskosten handelt es sich lediglich um die Kehrseite des Kostenanspruchs (vgl. z.B. BayObLG NJW 1999, 1194/1195; OLG Köln Beschluss vom 22.12.2000 Az. 2 Wx 32/00, zit. nach Juris Rn. 17). Wird wie hier die Bestellung eines Betreuers oder ihre Verlängerung als ungerechtfertigt aufgehoben, so werden (gerichtliche) Auslagen, die im Zusammenhang mit der Vorbereitung oder dem Erlass der Entscheidung stehen, von dem Betroffenen auf keinen Fall erhoben, § 96 Buchst. a KostO. Durften die genannten Auslagen nach § 96 KostO nicht erhoben werden, sind sie, wenn dies dennoch geschehen ist, dem Betroffenen zurückzuerstatten.

c) Die Betroffene hat - wie sich aus den Anlagen zum Schriftsatz vom 10.12.2007 ergibt - die Erstattung der Sachverständigenentschädigung in Höhe von 934,55 €, der Entschädigung von Zeugen/Sachverständigen in Höhe von 29,20 € und von Auslagen für Zustellungen in Höhe von insgesamt 17,39 € beantragt, die sie bzw. ihr Betreuer gemäß Rechnungen der Landesjustizkasse vom 23.2.2005, 31.10.2005, 9.1.2006 und vom 19.10.2007 bezahlt hatte. Diese gerichtlichen Auslagen sind Teil der von der Betroffenen erstatteten Gerichtskosten. Da sie den Zeitraum nach dem ersten Antrag der Betroffenen auf Aufhebung der Betreuung vom 14.7.2004 bis zu deren Aufhebung durch das Landgericht am 17.4.2007 betrafen, sind sie aufgrund der gleichzeitig getroffenen Auslagenentscheidung zu erstatten. In diesem Umfang ist die weitere Beschwerde begründet.

d) Zu den Auslagen gem. § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG sind jedoch weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sinn der Regelung allgemein Vergütung und Aufwendungsersatz zu rechnen, die der nicht mittellose Betroffene dem Betreuer für seine Tätigkeit bis zur Aufhebung oder Einschränkung der Betreuung schuldet (vgl. Senatsentscheidung vom 29.11.2005, Az. 33 Wx 088/05). Gleiches gilt für die von der Betroffenen gemäß § 92 Abs. 1 KostO entrichteten Jahresgebühren für die allgemeine Tätigkeit des Vormundschaftsgerichts in dem Betreuungsverfahren. Hierbei handelt es sich nicht um Auslagen im Sinne des § 13a Abs. 2 Satz 1 FGG, die zur Rechtsverfolgung im Aufhebungsverfahren erforderlich waren. Sie sind vergleichbar der Betreuervergütung. Die Gerichtsgebühr fällt aufgrund der wirksamen Betreuerbestellung und der damit verbundenen Aufsichts- und Beratungstätigkeit des Gerichts an. Die Wahrnehmung dieser Aufgaben bleibt durch die spätere Aufhebung der Betreuung als ungerechtfertigt unberührt. Als zu Beginn des Kalenderjahres fällige (§ 92 Abs. 1 Satz 6 KostO) Jahrespauschale lässt eine Aufhebung oder sonstige Beendigung der Betreuung vor Ablauf des Kalenderjahres die Zahlungspflicht der Betroffenen unberührt.

e) Der Beteiligte hatte Gelegenheit, zu der vom Senat vertretenen Rechtsauffassung Stellung zu nehmen.

3. Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1 KostO.

Ende der Entscheidung

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