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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 22.12.2005
Aktenzeichen: 33 Wx 176/05
Rechtsgebiete: BGB, FGG
Vorschriften:
BGB § 1908d Abs. 1 | |
BGB § 1908d Abs. 2 | |
FGG § 12 | |
FGG § 69i Abs. 3 | |
FGG § 69i Abs. 6 |
2. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Tatrichter zur Aufklärung, ob eine Betreuung weiterhin erforderlich ist, ein Sachverständigengutachten in Auftrag gibt, weil das letzte Gutachten mehr als 1 1/2 Jahre zurückliegt und aus Schreiben des Betroffenen Anhaltspunkte für paranoide Vorstellungen erkennbar sind.
Tatbestand:
Für den Betroffenen ist seit Oktober 2000 ein Betreuer bestellt. Zuletzt wurde die bestehende Betreuung mit Beschluss des Amtsgerichts vom 14.11.2003 verlängert und der Aufgabenkreis verändert. Seither ist als Aufgabenkreis festgelegt: Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung einschließlich der Entscheidung über eine Unterbringung, Vertretung bei Ämtern und Behörden und Vertretung gegenüber Sozialleistungs- und Versicherungsträgern. Mit Schreiben vom 28.10.2004 beantragten die Verfahrensbevollmächtigten des Betreuers die Aufhebung der Betreuung. Das Amtsgericht ordnete daraufhin am 14.2.2005 die Erstellung eines fachärztlichen Gutachtens an. Der Sachverständige wurde beauftragt, festzustellen, ob eine psychische Krankheit bei dem Betroffenen vorliege, ob sich der Umfang der erforderlichen Betreuung verändert habe, ob die Betreuung insgesamt entbehrlich sei, ob der Betroffene geschäftsfähig sei und wie die voraussichtliche weitere Dauer der Betreuungsbedürftigkeit beurteilt werde. Einen Antrag des Betroffenen, die Betreuung ohne ein entsprechendes Gutachten aufzuheben, lehnte das Amtsgericht mit Beschluss vom 2.5.2005 ab. Das Landgericht bestätigte mit Beschluss vom 18.7.2005 diese Entscheidung. Hiergegen richtete sich die weitere Beschwerde des Betroffenen. Die zulässige weitere Beschwerde hatte in der Sache keinen Erfolg.
Gründe:
1. Soweit der Betroffene mit Schreiben vom 14.12.2005 beantragt hat, das Verfahren vorerst bis zum 31.1.2006 ruhen zu lassen, damit er Gelegenheit zu ergänzendem Sachvortrag erhalte, war diesem Antrag nicht zu folgen.
Der Betroffene verweist zur Begründung auf ein von ihm betriebenes Klageerzwingungsverfahren, das die Richter betrifft, die im Februar 2004 eine Beschwerde gegen die Verlängerung der Betreuung zurückgewiesen haben. Über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe in diesem Klageerzwingungsverfahren sei noch nicht entschieden worden.
Ein Anlass, das Verfahren bis Ende Januar ruhen zu lassen, besteht nicht. Der Betroffene hatte bereits seit Einlegung der weiteren Beschwerde mit Schreiben vom 26.8.2005 Gelegenheit zum Sachvortrag und hat dies auch ausführlich genutzt. Dass sich aus der Gewährung von Prozesskostenhilfe im Klageerzwingungsverfahren zusätzlicher Sachvortrag, der im hiesigen Verfahren relevant wäre, ergeben könnte, ist nicht ersichtlich. Gegenstand des Verfahrens der weiteren Beschwerde ist nur die Überprüfung des landgerichtlichen Beschlusses vom 18.7.2005 auf Rechtsfehler. Hierfür ist die Entscheidung im Klageerzwingungsverfahren keinesfalls vorgreiflich im Sinne von § 148 ZPO analog (vgl. Bassenge/Herbst/Roth FGG/RPflG 10. Aufl. § 12 FGG Rn. 20, 21). Ein Grund zur Aussetzung des Verfahrens besteht daher nicht.
2. Das Landgericht hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:
Gemäß § 1908 d BGB sei eine Betreuung aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen wegfielen. Ob die Voraussetzungen für eine Betreuung noch gegeben seien, könne aber grundsätzlich nur ein Sachverständiger feststellen. Lediglich für den Fall, dass die Betreuung aufgrund einer körperlichen Behinderung alleine durch den Antrag des Betroffenen errichtet worden sei, sei diese auf Antrag des Betroffenen wieder aufzuheben. Sei die Betreuung aber - wie hier - aufgrund einer psychischen Krankheit errichtet worden, könne sie nicht ohne weiteres auf Antrag aufgehoben werden. Falls die Voraussetzungen für eine Betreuung weiterhin vorlägen, sei die Betreuung als Amtsbetreuung weiterzuführen. In diesem Falle sei die Erstellung eines Gutachtens nachzuholen, § 69 i Abs. 4 FGG. In den übrigen Fällen - wie hier - stehe die Einholung im Ermessen des Gerichts. Die Ermessensentscheidung des Gerichts könne vorliegend nur auf Ermessensfehler überprüft werden. Solche seien nicht ersichtlich. Zwar sehe § 69 i Abs. 3 FGG Verfahrenserleichterungen für die Aufhebung der Betreuung vor. Ein Sachverständigengutachten sei nach dieser Vorschrift möglich, aber nicht erforderlich. § 69 i Abs. 3 FGG finde aber nur Anwendung, wenn das Vormundschaftsgericht dem Antrag auf Aufhebung der Betreuung entsprechen wolle. Dies sei hier gerade nicht der Fall. Das Amtsgericht orientiere sich an dem Gutachten der Sachverständigen, das eine paranoide Schizophrenie sowie eine Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen attestiere. Aufgrund dieses Gutachtens bestünden Anhaltspunkte dafür, dass der Betroffene auch heute nicht voll geschäftsfähig sei. Dies wolle das Amtsgericht ermessensfehlerfrei zunächst durch einen Sachverständigen klären lassen.
Selbst wenn § 69 i Abs. 3 FGG hier anwendbar wäre, könne vorliegend nicht von einem Sachverständigengutachten abgesehen werden. Ein neues Gutachten sei nämlich dann erforderlich, wenn ein zeitnahes Gutachten nicht vorliege. Das letzte Gutachten sei auf den 8.9.2003 datiert und damit nicht mehr zeitnah.
3. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO). Es ist nicht zu beanstanden, dass Amtsgericht und Landgericht es ablehnten, das Betreuungsverfahren ohne die Anforderung des Gutachtens aufzuheben.
Die Betreuung ist aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen wegfallen (§ 1908 d Abs. 1 Satz 1 BGB). Ist der Betreuer auf Antrag des Betreuten bestellt, so ist die Betreuung auf dessen Antrag aufzuheben, es sei denn, dass eine Betreuung von Amts wegen erforderlich ist (§ 1908 d Abs. 2 Satz 1 BGB).
Im Rahmen der Anhörung am 12.11.2003 hat der Betroffene erklärt, mit einem Betreuer für die dann im Beschluss vom 14.11.2003 festgelegten Aufgabenkreise einverstanden zu sein. Auch wenn der Betroffene den Beschluss des Amtsgerichts vom 14.11.2003 mit Schreiben vom 26.11.2003 angefochten hat, ist der Betroffene gemäß § 1908 d Abs. 2 Satz 1 BGB zu behandeln. Demgemäß wäre die Betreuung nur dann aufzuheben, wenn eine Betreuung nicht von Amts wegen erforderlich ist.
Die Erforderlichkeit der Betreuung hat das Gericht gemäß § 12 FGG von Amts wegen zu ermitteln. Besondere verfahrensrechtliche Vorschriften bestehen für den Fall, dass das Gericht die Betreuung nicht aufheben will, nicht. Insbesondere sind die Regelungen des § 69 i Abs. 3 und Abs. 6 FGG insoweit nicht anzuwenden. Für den Umfang der Ermittlungen des Tatsachenrichters gilt dementsprechend § 12 FGG (vgl. BayObLG FamRZ 1998, 323; FamRZ 1994, 1602). Wenn ein zeitnahes Gutachten nicht vorliegt, ist es im Rahmen des Grundsatzes der Amtsermittlung und im wohlverstandenen Interesse des Betroffenen nicht zu beanstanden, wenn zur Entscheidung über die Aufhebung der Betreuung ein solches Gutachten angefordert wird (vgl. OLG Frankfurt FamRZ 1992, 859).
Das Landgericht hat in seiner Entscheidung vom 18.7.2005 darauf hingewiesen, dass ein zeitnahes Gutachten gerade nicht vorliege. Das letzte Gutachten vom 8.9.2003 ist nicht mehr zeitnah. Dieses Gutachten, das dem Betroffenen eine paranoide Schizophrenie sowie Geschäftsunfähigkeit attestiert, gibt ausreichenden Anlass dafür, durch ein neues Sachverständigengutachten abzuklären, ob sich an dem Gesundheitszustand des Betroffenen seit September 2003 etwas verändert hat. Die zahlreichen bei der Akte befindlichen Schreiben des Betroffenen auch aus der jüngsten Zeit lassen erkennen, dass der Betroffene wohl noch immer unter paranoiden Vorstellungen leidet. Zur Aufklärung, ob eine Betreuung weiterhin erforderlich ist, ist vor diesem Hintergrund ein neues Sachverständigengutachten unerlässlich.
Ende der Entscheidung
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