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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 14.12.2005
Aktenzeichen: 33 Wx 205/05
Rechtsgebiete: BGB, RVG
Vorschriften:
BGB § 1835 Abs. 3 | |
RVG § 1 Abs. 2 | |
RVG § 17 Nr. 4b |
Tatbestand:
Mit Beschluss vom 7.12.2004 ordnete das Amtsgericht die einstweilige Unterbringung des Betroffenen an und bestellte den Beteiligten zu 1, einen Rechtsanwalt, zum berufsmäßigen Verfahrenspfleger. In dem Beschluss ging das Vormundschaftsgericht von der Notwendigkeit rechtsanwaltsspezifischer Tätigkeiten des Verfahrenspflegers aus.
Der Beteiligte zu 1 suchte den Betroffenen im Bezirkskrankenhaus auf, sprach mit der behandelnden Ärztin, nahm zu der einstweiligen Unterbringung Stellung und erhielt Akteneinsicht. An der Anhörung des Sachverständigen zur Frage der endgültigen Unterbringung nahm er ebenso teil wie an der Anhörung des Betroffenen zu dieser Frage. Mit Beschluss vom 10.1.2005 genehmigte das Amtsgericht die Unterbringung des Betroffenen für weitere sechs Monate.
Auf Antrag des Beteiligten zu 1 setzte das Amtsgericht mit Beschluss vom 29.6.2005 dessen Vergütung aus der Staatskasse auf 632,08 EUR gemäß § 67 Abs. 3 Satz 1 FGG, § 18 Nr. 2 RVG i.V.m. Nr. 6300, 6301, 7000, 7002 und 7003 VV-RVG fest. Dabei erkannte das Amtsgericht eine zweifache Verfahrensgebühr nach Nr. 6300 VV-RVG an, weil es sich bei dem Verfahren auf einstweilige Anordnung der Unterbringung um ein von der endgültigen Unterbringung zu unterscheidendes Verfahren handle.
Hiergegen legte der Beteiligte zu 2 sofortige Beschwerde mit der Begründung ein, die Verfahrensgebühr habe nur einmal anerkannt werden dürfen, weil es sich nicht um zwei verschiedene Verfahren handle und ein mit einer zweiten Verfahrensgebühr abzugeltender Mehraufwand des Beteiligten zu 1 nicht entstanden sei. Dieser sei erst im Verfahren über die endgültige Unterbringung tätig geworden.
Mit Beschluss vom 5.10.2005 wies das Landgericht das Rechtsmittel des Beteiligten zu 1 zurück und ließ die sofortige weitere Beschwerde zu. Mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde vom 12.10.2005 verfolgte der Beteiligte zu 2 sein Ziel - die Streichung einer Verfahrensgebühr - weiter. Das zulässige Rechtsmittel hatte in der Sache keinen Erfolg.
Gründe:
1. Die sofortige weitere Beschwerde ist gemäß § 56g Abs. 5 Satz 2, § 69i Abs. 1 Satz 1 FGG statthaft. Das Landgericht hat sie ausdrücklich zugelassen. Der Beteiligte zu 2 hat die sofortige weitere Beschwerde form- und fristgerecht eingelegt (§ 56g Abs. 5 Satz 1, 2, § 69i Abs. 1 Satz 1, § 29 Abs. 1, 2, 4, § 22 Abs. 1 FGG). Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 1 ist eine Begründung bei der weiteren Beschwerde, anders als bei der Revision, für die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht erforderlich, da § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG auf § 551 ZPO gerade nicht verweist (vgl. Keidel/Meyer-Holz FGG 15. Aufl. § 29 Rn. 32 m.w.N.).
2. Das Landgericht hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:
Aufwendungsersatz und Vergütung seien gemäß § 67 Abs. 3 FGG a.F. i.V.m. § 56g Abs. 1 FGG gegen die Staatskasse festzusetzen gewesen. Aufgrund der im Bestellungsbeschluss vom 7.12.2004 begründet getroffenen Bestimmung der Liquidationsmöglichkeit nach dem RVG habe trotz § 1 Abs. 2 Satz 1 RVG die Vergütung entsprechend diesem Gesetz erfolgen können. Dem Beteiligten zu 1 stünden nach den eindeutigen Regelungen in § 17 Nr. 4b und § 18 Nr. 2 RVG zwei Verfahrensgebühren zu. Nach den genannten Bestimmungen handle es sich bei einstweiligen Anordnungen zur vorläufigen Unterbringung und dem Hauptsacheverfahren der so genannten endgültigen Unterbringung um verschiedene Angelegenheiten im Sinne des § 17 Nr. 4b RVG bzw. um besondere Angelegenheiten gemäß § 18 Nr. 2 RVG. Der Beteiligte zu 1 sei sowohl im Verfahren der einstweiligen Anordnung als auch im Verfahren zur endgültigen Unterbringung tätig geworden. Im Verfahren zur vorläufigen Unterbringung habe er nach seiner Bestellung den Betroffenen im Bezirkskrankenhaus aufgesucht, mit der behandelnden Ärztin gesprochen, also Informationen eingeholt und daraufhin seine Stellungnahme zur vorläufigen Unterbringung im Schriftsatz vom 9.12.2004 abgegeben. Nach Zuleitung des ärztlichen Gutachtens vom 15.12.2004, welches sich für eine Verlängerung der vorläufigen Unterbringung ausgesprochen habe, sei der Beteiligte zu 1 in seiner Stellung als Verfahrenspfleger zur Prüfung der sich für einen längeren Zeitraum abzeichnenden Unterbringung aufgerufen gewesen. Hier habe er an zwei Anhörungsterminen teilgenommen und seine Stellungnahme zur endgültigen Unterbringung aus Beschleunigungsgründen zu Protokoll abgegeben.
3. Die Ausführungen des Landgerichts halten rechtlicher Überprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) stand.
a) Zu Recht hat das Landgericht das vor Inkrafttreten des zweiten Betreuungsrechtsänderungsgesetzes maßgebliche Vergütungsrecht auf die Verfahrenspflegschaft angewandt. Gemäß Art. 229 § 14 EGBGB ist in Fällen wie dem hier vorliegenden, in denen der Vergütungsanspruch vor dem 1.7.2005 entstanden ist, das bis dahin geltende Recht anzuwenden.
b) Ebenfalls zutreffend ist die Auffassung des Beschwerdegerichts, im Hinblick auf die Ausführungen des Amtsgerichts im Beschluss vom 7.12.2004 zur Erforderlichkeit anwaltsspezifischer Tätigkeit durch den Verfahrenspfleger sei der Beteiligte zu 1 antragsgemäß nach den Regelungen des RVG zu vergüten gewesen.
Eine verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Zusammenschau von § 1 Abs. 2 RVG (der § 1 Abs. 2 BRAGO entspricht), § 67 Abs. 3 FGG a.F. und § 1835 Abs. 3 BGB soll verdeutlichen, dass der anwaltliche Verfahrenspfleger nicht bereits für die Führung der Verfahrenspflegschaft als solche nach RVG vergütet wird. Unberührt bleibt jedoch ein darüber hinaus gehender Aufwendungsersatzanspruch für die Erbringung von Diensten, für die auch ein nicht anwaltlicher Verfahrenspfleger einen Rechtsanwalt zugezogen hätte. Zur angemessenen Abgrenzung der verfahrenspflegerischen Tätigkeiten empfiehlt es sich, dass das Amtsgericht bereits bei der Bestellung des Verfahrenspflegers - wie hier geschehen - sich dazu äußert, ob anwaltsspezifische Tätigkeiten anfallen werden (BVerfG FamRZ 2000, 1280/1282; vgl. auch BayObLGZ 2000, 162 ff.).
c) Der Senat teilt die Meinung des Beschwerdegerichts, dass es sich bei der vorläufigen Anordnung einer Unterbringung nach § 70a FGG und der so genannten endgültigen Unterbringung nicht um dasselbe Verfahren handelt und der Beteiligte zu 1 auch in beiden Verfahren tätig geworden ist.
aa) Gemäß § 15 Abs. 1 RVG entgelten die Gebühren, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit; nach § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG kann der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern. Entscheidend für den Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts ist daher, ob seine Dienste sich auf "dieselbe" Angelegenheit bezogen haben. Wann es sich um dieselbe Angelegenheit, wann um verschiedene oder besondere Angelegenheiten handelt, regelt - soweit hier von Interesse - das RVG in §§ 16 - 18.
Während § 16 diejenigen Tätigkeiten auflistet, die einer Angelegenheit zugeordnet werden und bei denen es ohne diese Vorschrift zumindest zweifelhaft wäre, ob sie eine gemeinsame Angelegenheit sind oder nicht, führt als Gegenstück hierzu § 17 die Fälle abschließend auf, bei denen es ohne diese Vorschrift zumindest zweifelhaft wäre, ob sie verschiedene Angelegenheiten darstellen. § 18 schließlich listet solche Tätigkeiten auf, die grundsätzlich besondere Angelegenheiten sein sollen, gleichgültig mit welchen anderen Tätigkeiten sie zusammentreffen (vgl. BT-Drucks. 15/1971 S. 145).
§ 17 Nr. 4b RVG bestimmt, dass das Verfahren in der Hauptsache und ein Verfahren über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, einer einstweiligen Anordnung oder einer vorläufigen Anordnung in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit verschiedene Angelegenheiten sind. Der Wortlaut dieser Vorschrift ist eindeutig. Zweifelhaft könnte allenfalls sein, ob sich die Vorschrift nur auf echte Antragsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit bezieht oder auch die Amtsverfahren umfasst, in denen der Antrag eines Beteiligten nur eine Anregung darstellt. Eine derartige Differenzierung erscheint im Hinblick darauf, dass durch die Regelungen in § 17 Nr. 4b und § 18 Nr. 2 RVG die dem Anwalt auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch vorläufige oder einstweilige Maßnahmen entstehende Mehrarbeit vergütet werden sollte, nicht sachgerecht. Auch die Begründung zum Regierungsentwurf zu § 17 verdeutlicht, dass eine solche Differenzierung nicht gewollt war. Danach "sollen künftig auch einstweilige sowie vorläufige Anordnungen in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit besondere Angelegenheiten bilden. ... Die meisten einstweiligen oder vorläufigen Anordnungen in FGG-Verfahren ergehen auf Antrag oder Anregung eines Beteiligten und sind oft mit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe und der Beiordnung eines Rechtsanwalts verbunden. Dieser muss dafür eine erhebliche Vorarbeit leisten, die durchaus mit den Vorbereitungen eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens vergleichbar ist" (vgl. BT-Drucks. 15/1971 S. 191 f.). Der Auffassung von Hartmann, nach der § 17 Nr. 4b lediglich streitige Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit erfasse (vgl. Hartmann Kostengesetze 35. Aufl. 2005 § 17 RVG Rn. 11), kann danach nicht gefolgt werden. Dies gilt in besonderer Weise für Sachverhalte wie den hier gegebenen: Ein Verfahrenspfleger wird nur dann bestellt, wenn von anderer Seite ein Betreuungs- oder Unterbringungsverfahren in die Wege geleitet wurde und der Betroffene in diesem (vorläufigen oder endgültigen) Verfahren seine Interessen selbständig nicht ausreichend wahrnehmen kann.
bb) Der Anspruch auf eine Verfahrensgebühr ist auch im Verfahren der einstweiligen Anordnung entstanden. Vorbemerkung 6 Abs. 2 VV-RVG bestimmt, dass die Verfahrensgebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information entsteht. Das Landgericht hat die entsprechenden Tätigkeiten des Beteiligten zu 1 rechtsfehlerfrei festgestellt.
Ende der Entscheidung
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