Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 21.11.2006
Aktenzeichen: 33 Wx 223/06
Rechtsgebiete: BGB, VBVG


Vorschriften:

BGB § 1836 Abs. 1 Satz 2
BGB § 1836 Abs. 1 Satz 3
VBVG § 4
VBVG § 3 Abs. 3
Eine in das Ermessen des Vormundschaftsgerichts gestellte Erhöhung des Stundensatzes für Betreuer bei nicht mittellosen Betroffenen und besonderer Schwierigkeit der Betreuungsgeschäfte sieht das Vergütungsrecht anders als für den Berufsvormund nicht vor. Die Voraussetzungen einer analogen Anwendung des § 3 Abs. 3 VBVG sind nicht gegeben, da weder eine planwidrige Gesetzeslücke besteht noch die zu beurteilenden Sacherhalte vergleichbar sind.
Gründe:

I.

Die Beschwerdeführerin ist seit September 2004 als Betreuerin für den vermögenden Betroffenen u. a. für die Aufgaben der Vermögenssorge; Gesundheitsfürsorge; Aufenthaltsbestimmung; Wohnungsangelegenheiten sowie Organisation der ambulanten Versorgung bestellt. Mit Schreiben vom 10.7.2006 beantragte sie für den Betreuungszeitraum 22.3.2006 bis 21.6.2006 eine Vergütung von 1.782 Euro. Der Berechnung lag ein Ansatz von 4,5 Stunden pro Monat zugrunde, da die Betreuung bereits seit mehr als einem Jahr bestand und der Betroffene nach Auffassung der Betreuerin im Vergütungszeitraum nicht in einem Heim lebte. Abweichend von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG verlangte die Betreuerin wegen der besonderen Schwierigkeiten in entsprechender Anwendung des § 3 Abs. 3 VBVG einen Stundensatz von 132 Euro, welcher dem üblichen Stundenhonorar von Diplom-Psychologen und Psychotherapeuten entspreche.

Die erhebliche Schwierigkeit wurde begründet mit der Höhe des Vermögens, das u. a. aus drei Eigentumswohnungen sowie einem Kapital von ca. 400.000 Euro besteht. Außerdem sei die Betreuung auch im Hinblick auf den Gesundheitszustand des Betroffenen überdurchschnittlich schwierig; er leide an einer depressiven Erkrankung, die durch eine Alkoholerkrankung mit entsprechenden körperlichen Folgeleiden überlagert werde.

Das Amtsgericht setzte die Vergütung nach Anhörung der Verfahrenspflegerin unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 44 Euro auf 594 Euro fest und wies den darüber hinausgehenden Antrag zurück. Auf sofortige Beschwerde der Betreuerin bestätigte das Landgericht diese Entscheidung am 4.9.2006. Mit ihrer zugelassenen sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt die Betreuerin ihren ursprünglichen Antrag weiter.

II.

Das gemäß § 56g Abs. 5 Satz 2 statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung auf folgende Erwägungen gestützt:

Das Amtsgericht habe den Stundensatz zu Recht auf 44 Euro festgesetzt. Dies entspreche den hier vorliegenden Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 VBVG (hinsichtlich des Zeitansatzes) sowie des § 4 Abs. 1 Nr. 2 VBVG (bezüglich der Qualifikation der Betreuerin).

Eine analoge Anwendung von § 3 Abs. 3 VBVG auf die Betreuervergütung komme nicht in Betracht, da es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. Das Gesetz über die Vergütung von Vormündern und Betreuern (VBVG) habe zwei unterschiedliche Abrechnungssysteme eingerichtet. Bei Vormundschaften soll bei einem niedrigeren Stundensatz die aufgewandte Zeit vergütet werden, während bei Betreuungen ein pauschaliertes Abrechnungssystem eingeführt wurde. Damit habe der Betreuer hinsichtlich seiner Dokumentationspflichten entlastet und die Prüfung des Vergütungsanspruchs vereinfacht werden sollen. Das durch das VBVG eingeführte Pauschalierungssystem beruhe auf einer rechtstatsächlichen Untersuchung und sehe bewusst nur wenige zahlenmäßig geringe Sonderfälle vor.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

a) Die Vergütung der Berufsbetreuerin für den Betreuungszeitraum vom 22.3.2006 bis 21.6.2006 richtet sich nach §§ 4, 5 VBVG i.V.m. § 1836 Abs. 1 Satz 2 und 3, § 1908i Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Stundenansatz beträgt nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VBVG 4,5 Stunden, der Betreuerin als Diplom-Psychologin steht aufgrund § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG für die Betreuertätigkeit ein Stundensatz von 44 Euro zu.

b) Eine in das Ermessen des Vormundschaftsgerichts gestellte Erhöhung des Stundensatzes für Betreuer bei nicht mittellosen Betroffenen und besonderer Schwierigkeit der Betreuungsgeschäfte sieht das Vergütungsrecht, anders als für den Berufsvormund in § 3 Abs. 3 VBVG, nicht vor.

c) Zu Recht hat das Beschwerdegericht eine analoge Anwendung des § 3 Abs. 3 VBVG auf die Vergütung des Berufsbetreuers eines nicht mittellosen Betroffenen abgelehnt. Die Voraussetzungen einer Analogie liegen nicht vor: Es besteht weder eine planwidrige Regelungslücke noch sind die zu beurteilenden Sachverhalte vergleichbar.

aa) Der Bundesratsentwurf für ein Zweites Betreuungsrechtsänderungsgesetz sah eine einheitliche Pauschalierung bei der Vergütung der Berufsbetreuer nur hinsichtlich des vergütungsfähigen Zeitaufwandes vor. Die Vergütungshöhe sollte sich bei mittellosen Betreuten weiterhin nach § 1 BVormVG, im Übrigen nach den für die Betreuung nutzbaren Fachkenntnissen des Betreuers sowie nach der Schwierigkeit der Betreuungsgeschäfte bestimmen (vgl. § 1908l Abs. 6 des Entwurfs, BT-Drucks. 15/2494 S. 7 f.). Damit sollte das bisherige System beibehalten werden, wonach die festen Stundensätze zwar direkt nur bei der Vergütung des Betreuers aus der Staatskasse Anwendung fanden, nach der Rechtsprechung jedoch auch bei bemittelten Betreuten, die selbst für die Kosten ihrer Betreuung aufkommen müssen, eine wesentliche Orientierungshilfe bildeten, die nur in eng begrenzten Ausnahmefällen überschritten werden dürfe (BT-Drucks. 15/2494 S. 34).

bb) Auf Vorschlag des BT-Rechtsausschusses wurde die Betreuervergütung insgesamt ebenso wie die Vergütung des Berufsvormunds in dem neu geschaffenen Gesetz über die Vergütung von Vormündern und Betreuern (VBVG) geregelt. Dabei wurde für den Berufsbetreuer die Pauschalierung der Stundensätze in § 4 VBVG unabhängig davon eingeführt, ob die Vergütung aus der Staatskasse oder aus dem Vermögen des Betroffenen zu erbringen ist. Gleichzeitig wurde jedoch - abweichend vom Entwurf des Bundesrates - bei der Pauschalierung der vergütungsfähigen Zeit nicht nur nach dem Aufenthaltsort des Betroffenen, sondern auch danach unterschieden, ob es sich um einen mittellosen Betroffenen handelt oder nicht. Bei der Pauschalierung der Stundensätze wurden zwar die bereits im BVormVG geregelten, nach Ausbildungsabschlüssen gestaffelten Vergütungsstufen beibehalten, die einzelnen Beträge jedoch gegenüber den für die Stundensätze der Vormünder geltenden Beträgen angehoben.

Das schon im BR-Entwurf enthaltene System der Pauschalierung sollte beibehalten und ein einfaches, Streit vermeidendes, an der Realität orientiertes und für den Betreuer auskömmliches Abrechnungssystem geschaffen werden (BT-Drucks. 15/4874 S. 31 zu § 5 VBVG). Die Absenkung der Stundenansätze bei mittellosen Betreuten gegenüber bemittelten Betreuten sollte zum einen dem in der Regel geringeren Aufwand, zum anderen den berechtigten Interessen der Staatskasse bei der Gewährung sozialer Leistungen Rechnung tragen (BT-Drucks. aaO S. 32 zu § 5 Abs. 2 und 3 VBVG).

Der Senat vermag bei dieser Sachlage nicht zu erkennen, dass der fehlende Verweis auf § 3 Abs. 3 VBVG im Recht der Betreuervergütung ein zwingend im Wege der Analogie zu schließendes Redaktionsversehen darstellen soll (so Palandt/Diederichsen BGB 65. Aufl. Anhang zu § 1836, § 4 VBVG Rn. 19). Für die schon zahlenmäßig wesentlich geringeren Vormundschaften konnte eine solche Ausnahme durchaus vorgesehen werden, während sie bei den Berufsbetreuungen ein Grundanliegen der Reform, nämlich ein einfaches und Streit vermeidendes System zu schaffen, in Frage stellen würde. Dies dürfte wohl auch ein wesentlicher Grund dafür gewesen sein, dass sich die zunächst im Entwurf enthaltene Abrechnung u.a. nach der Schwierigkeit der Betreuergeschäfte bei bemittelten Betreuten nicht durchsetzen ließ (vgl. Dodegge/ Roth Betreuungsrecht 2. Aufl. Kap. F Rn. 159; Deinert/Lütgens Die Vergütung des Betreuers 4. Aufl. Rn. 888 und 952; Dodegge NJW 2005, 1896/1898).

Eine analoge Anwendung des § 3 Abs. 3 VBVG ist auch nicht etwa deshalb geboten, weil andernfalls eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung der Vergütung des Berufsbetreuers und des Berufsvormunds gegeben wäre.

Für die Betreuervergütung lag mit der "Rechtstatsächlichen Untersuchung zur Qualität von Betreuungen, zur Aufgabenverteilung im Bereich der Betreuung und zum Verfahrensaufwand" des Instituts für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG) eine statistisch hinreichend aussagekräftige Erhebung zum durchschnittlichen Betreuungsaufwand aller untersuchten Verfahren, also sowohl bei mittellosen wie bei vermögenden Betroffenen, vor. Das Ziel, die Vergütung der Berufsbetreuer zu vereinfachen und zu vereinheitlichen, rechtfertigt die Einbeziehung der Betreuung bemittelter Betroffener in die Pauschalierung. Dem Interesse der Berufsbetreuer an tendenziell höherer Vergütung für die gesetzliche Vertretung dieses Personenkreises ist durch die Anhebung des Stundenansatzes in § 5 Abs. 1 VBVG Rechnung getragen. Diese beruht auf einer politischen Entscheidung im Gesetzgebungsverfahren und entspricht nicht der ursprünglichen Konzeption des Bundesratsentwurfs.

Angesichts des vom Gesetzgeber gewollten Unterschieds beider Vergütungssysteme kann von einer nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung der Berufsbetreuer gegenüber den Berufsvormündern keine Rede sein. Der Gesetzgeber hatte offensichtlich die Absicht, für Berufsvormünder die bisherige Konzeption einer Vergütung beizubehalten, die anhand des konkret dargelegten Zeitaufwandes und dem Faktor eines bestimmten Stundensatzes ermittelt wird. Hieraus lässt sich aber nicht etwa schließen, dass ein bestimmtes Element dieses Vergütungssystems - nämlich die ausnahmsweise Erhöhungsmöglichkeit des Stundensatzes bei besonderen Schwierigkeiten - auch auf das systematisch andersartige Vergütungsrecht für Berufsbetreuer übertragen werden sollte und diese vermeintliche Absicht des Gesetzgebers nur versehentlich durch eine unvollständige Verweisung nicht in die Tat umgesetzt worden sei.

3. Die Festsetzung des Wertes für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde beruht auf § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1 KostO.



Ende der Entscheidung

Zurück