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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 04.04.2007
Aktenzeichen: 33 Wx 228/06
Rechtsgebiete: BGB, SGB XII


Vorschriften:

BGB § 1836d Nr. 2
SGB XII § 90 Abs. 3
Mit entsprechender Zweckbindung für eine angemessene Bestattungsvorsorge angespartes Vermögen des Betroffenen ist nicht für die Vergütung und den Aufwendungsersatz des Betreuers einzusetzen (Anschluss an OLG Zweibrücken Rpfleger 2005, 666).
Gründe:

I.

Für die Betroffene ist seit dem Jahr 2003 ein berufsmäßiger Betreuer bestellt.

Mit Schreiben vom 5.8.2004 beantragte dieser unter Berufung auf Mittellosigkeit der Betroffenen Vergütung und Aufwendungsersatz aus der Staatskasse in der Gesamthöhe von 1074,24 EUR für den Zeitraum vom 15.1.2004 bis 4.8.2004.

Das Vormundschaftsgericht bewilligte mit Beschluss vom 23.8.2004 den beantragten Gesamtbetrag, allerdings aus dem Vermögen der Betroffenen.

Hiergegen legte der Betreuer sofortige Beschwerde ein. Die Betroffene verfüge derzeit über Bankguthaben von 2.195,90 EUR und über einen Bestattungsvorsorgevertrag mit einem Stand von 2.956,90 EUR. Dieser müsse nach seiner Ansicht nicht etwa zum Zweck der Betreuervergütung gekündigt werden. In einem späteren Schreiben teilte der Betreuer mit, dass der Bezirk die Übernahme der ungedeckten Heimkosten erklärt und hierbei den Bestattungsvorsorgevertrag nicht als verwertbares Vermögen angesehen habe.

Der Beteiligte sprach sich gegen das Rechtsmittel aus, weil das Vermögen aus dem Bestattungsvorsorgevertrag nach seiner Auffassung sozialhilferechtlich einzusetzen sei.

Am 5.7.2006 änderte das Landgericht den erstinstanzlichen Beschluss dahingehend ab, dass für den Betreuer wegen seiner Tätigkeit in der Zeit vom 15.1.2004 bis 4.8.2004 Vergütung mit Aufwendungsersatz in Höhe von 1.074,20 EUR gegen die Staatskasse festgesetzt werde.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die vom Landgericht zugelassene und vom Beteiligten fristgerecht eingelegte sofortige weitere Beschwerde. Der Beteiligte verfolgt weiter das Ziel, unter Anrechnung des Vermögens aus dem Bestattungsvorsorgevertrag die Betroffene als nicht mittellos zu behandeln und daher den Vergütungsanspruch des Betreuers gegen diese und nicht gegen die Staatskasse festzusetzen.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat in seiner Entscheidung ausgeführt:

Die Betroffene sei hinsichtlich der geltend gemachten Aufwendungsersatz- und Vergütungsansprüche als mittellos anzusehen. Sie verfüge nicht über zu berücksichtigendes Einkommen. Ihre Kontoguthaben lägen unterhalb der sozialhilfe-rechtlichen Schonvermögensgrenze.

Der aufgrund eines Bestattungsvorsorgevertrages auf einem bestimmten Sparkonto in Höhe von nunmehr 2967,93 EUR eingezahlte und an den Bestattungsunternehmer abgetretene Betrag sei nicht für Zwecke der Betreuervergütung einzusetzen. Es liege insoweit ein Fall besonderer Härte gemäß § 88 Abs. 3 BSHG (nunmehr § 90 Abs. 3 SGB XII) vor, wenn sich die Aufwendungen in einem angemessenen finanziellen Rahmen hielten und im Fall eines Einsatzes dieser Mittel im Todesfall lediglich ein sog. Armenbegräbnis im Sinne des § 15 BSHG - nunmehr § 74 SGB XII - in Anspruch genommen werden könne bzw. Vermögen einzusetzen wäre, welches zu Lebzeiten als Schonvermögen der Betreuten noch verblieben sei.

Jedenfalls könne nicht gefordert werden, dass Betreute auf eine angemessene Bestattungsvorsorge verzichten, um im größtmöglichen Umfang ihr Vermögen für die Bestreitung künftiger Betreuerkosten anzusparen. Eine derart weitgehende Einschränkung der eigenen Lebensgestaltung, die auch die Vorsorge für ein angemessenes Begräbnis umfasse, könne nicht auf §§ 1836c und 1836d BGB in Verbindung mit den dort in Bezug genommenen sozialhilferechtlichen Vorschriften gestützt werden. Der Bestattungsvorsorgebetrag in der genannten Höhe liege in einem absolut angemessenen, vielleicht sogar recht niedrigen, finanziellen Rahmen. Es sei aktenkundig, dass es ein Anliegen der ledigen und kinderlosen Betroffenen sei, auf dem Friedhof in S. neben ihrer Mutter begraben zu werden. Die Betroffene sei auch in der Vergangenheit zunächst ausreichend vermögend gewesen, um die Betreuervergütung selbst zu bezahlen. Nach alldem liege eine Härte im Sinne des § 88 Abs. 3 BSHG bzw. § 90 Abs. 4 SGB XII vor.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) stand.

a) Aufwendungen des Betreuers zum Zweck der Führung der Betreuung sind nach Maßgabe des § 1835 i. V. m. § 1908i Abs. 1 Satz 1 BGB zu ersetzen. Ist der Betreute mittellos, so kann der Betreuer den Ersatz aus der Staatskasse verlangen (§ 1835 Abs. 3 Satz 1 BGB).

Stellt das Vormundschaftsgericht die Berufsmäßigkeit der Führung der Betreuung nach § 1836 Abs. 1 Satz 2, § 1908i Abs. 1 Satz 1 BGB fest, so hat es dem Betreuer eine Vergütung zu bewilligen (vgl. § 1836 Abs. 2 Satz 1 a.F. BGB; nunmehr § 1 Abs. 2 Satz 1, § 4 VBVG). Ist der Betroffene mittellos im Sinne von § 1836 d BGB, so kann der Betreuer die zu bewilligende Vergütung aus der Staatskasse verlangen (vgl. § 1836 a a.F. BGB; nunmehr § 1 Abs. 2 Satz 2 VBVG).

Der Betreute gilt jeweils als mittellos, wenn er den Aufwendungsersatz oder die Vergütung aus seinem einzusetzenden Einkommen oder Vermögen nicht oder nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann (§ 1836 d Nr. 1 BGB). Sein Vermögen hat der Betreute nach Maßgabe des § 90 SGB XII einzusetzen.

b) Inwieweit der Einsatz von Vermögen, das bindend für eine Bestattungsvorsorge bzw. Grabpflege festgelegt wurde, sozialhilferechtlich zugemutet werden kann, ist strittig. Die grundsätzliche Möglichkeit, es als Schonvermögen anzusehen, wird in der Rechtsprechung jedoch überwiegend bejaht. Nach Auffassung des BVerwG (NJW 2004, 2914) ergibt sich die Verschonung der für die Grabpflege zurückgelegten Mittel unmittelbar aus § 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG - bzw. nunmehr § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII -, weil deren Einsatz eine Härte bedeuten würde. Der Wunsch vieler Menschen, für die Zeit nach ihrem Tod vorzusorgen, sei dadurch zu respektieren, dass ihnen die Mittel erhalten bleiben, die sie für eine angemessene Bestattung und eine angemessene Grabpflege zurückgelegt haben. Es sei deshalb gerechtfertigt, eine entsprechende finanzielle Vorsorge für den Todesfall nach der genannten Vorschrift zu verschonen. Gleicher Ansicht sind das OVG Lüneburg (Nds.Rpfl. 2004, 55 und NDV-RD 2004, 18) sowie im Ergebnis das OVG Berlin (FEVS 492, 218) und das OVG Münster (NVwZ-RR 2004, 360 und Beschluss vom 18.1.2005 - 12 B 2673/04, zit. nach Juris), wobei die letztgenannten Gerichte allerdings zur Begründung darauf abstellen, dass es sich bei den entsprechenden Kosten um solche einer angemessenen Alterssicherung im Sinne von § 90 Abs. 3 Satz 2 SGB XII handle.

In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird die Gegenposition im Wesentlichen vom OVG Koblenz (FEVS 54, 534) und nunmehr vom Schleswig - Holst. LSG (Urteil vom 4.12.2006 - L 9 SO 19/06, zit. nach Juris) vertreten. Eine generelle Härte könne schon deswegen nicht angenommen werden, weil eine Vielzahl von Personen zur Deckung von Bestattungskosten Vermögen ansparten und die Annahme einer Härte nur atypischen Fällen gerecht werden solle. Außerdem verstoße ein Begräbnis, für das der Sozialhilfeträger nach § 74 SGB XII die Kosten zu übernehmen habe, nicht gegen die Menschenwürde. Der Wunsch, Belastungen für die Angehörigen bei der Beerdigung und der späteren Grabpflege zu verhindern, sei sozialhilferechtlich nicht schützenswert (so auch LSG Niedersachsen-Bremen in FEVS 58, 87 für den Einsatz einer Sterbegeldversicherung). Das sozialhilferechtliche Schrifttum teilt überwiegend diese Position (vgl. z.B. Augstein in Fichtner/Wenzel Kommentar zur Grundsicherung 3. Aufl. § 90 SGB XII Rn. 21; Brühl in LPK-SGB XII § 90 Rn. 74; Zeitler in Mergler/Zink SGB XII § 90 Rn. 74).

c) Der Senat hält es jedenfalls bei der entsprechenden Anwendung des § 90 SGB XII auf die Prüfung der Mittellosigkeit bezüglich der Betreuervergütung für geboten, eine Härte nach Abs. 3 dieser Vorschrift im Fall der Heranziehung derartiger Vermögensbeträge zu bejahen und schließt sich damit der Auffassung des OLG Zweibrücken (Rpfleger 2005, 666 = FGPrax 2006, 21) und des OLG Frankfurt FGPrax 2001, 115) an. In Übereinstimmung mit dem OLG Zweibrücken aaO kann hierbei offen bleiben, ob dies allein auf allgemeine Erwägungen zur Begründung einer Härte nach Abs. 3 Satz 1 zu stützen ist oder insbesondere auf die Annahme, dass durch den Zugriff auf den entsprechenden Betrag die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung im Sinne von Satz 2 wesentlich erschwert würde.

Das Recht über die eigene Bestattung zu bestimmen, ist Teil des grundgesetzlich geschützten Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 GG und umfasst auch die Dispositionsfreiheit, bereits zu Lebzeiten für eine angemessene Beisetzung vorzusorgen (OLG Zweibrücken aaO). Dies gilt umso mehr für die von einer Betreuung Betroffenen in vorgerücktem Lebensalter, deren Gedanken bei hinreichender Bewusstseinsklarheit häufig besonders auf den Wunsch nach einem pietätvollen Lebensende fixiert sind. Die Vorstellung, hierfür nicht selbst vorsorgen zu können, kann nachhaltig das Selbstwertgefühl verletzen und lässt sich nach Auffassung des Senats nicht mit der Erwägung abtun, ein aus Mitteln der Sozialhilfe finanziertes Begräbnis verstoße nicht gegen die Menschenwürde. Es kann daher von einem Betreuten nicht gefordert werden, auf eine angemessene Bestattungsvorsorge zu verzichten, um in größtmöglichem Umfang sein Vermögen für die Bestreitung zukünftiger Betreuerkosten anzusparen und sich für den Todesfall auf eine eventuelle Übernahme der Kosten eines häufig sogenannten "Armenbegräbnisses" durch den Sozialhilfeträger nach § 74 SGB XII verweisen zu lassen.

Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass bei Anwendung der Härtevorschrift möglicherweise Angehörige oder Erben geschont würden. Dass einem solchen Einwand in Zusammenhang mit der Haftung für die Betreuervergütung keine ausschlaggebende Bedeutung zukommen kann, erweist sich bereits daran, dass bei der Prüfung der Heranziehung der Erben hierzu die Kosten einer angemessenen Beerdigung vom Aktivvermögen des Nachlasses abzuziehen sind (vgl. BayObLG FamRZ 2002, 699; OLG Düsseldorf FamRZ 2002,1658; OLG Zweibrücken Rpfleger 2004, 488 [Ls]).

Nach Auffassung des BayObLG aaO sind solche Kosten jedenfalls in der Größenordnung bis etwa 3000 EUR ohne weiteres angemessen. Die Nachlassverbindlichkeiten, insbesondere die Beerdigungskosten, sind nicht aus dem Freibetrag des § 102 Abs. 3 SGB XII zu decken. Dieser ist vielmehr dem Erben zusätzlich zu belassen (OLG Düsseldorf aaO). Es erscheint dann aber folgerichtig, die Kosten einer angemessenen Beisetzung nicht allein bei der dargestellten Entlastung der Erben zu berücksichtigen, sondern grundsätzlich eine entsprechende Vorsorge auch dem Betreuten selbst bereits zu Lebzeiten durch entsprechende Freihaltung im Rahmen der Härteregelung des § 90 Abs. 3 SGB XII zugute kommen zu lassen.

d) Die Auffassung des Landgerichts, dass sich ein Betrag in der hier vorliegenden Größenordnung von unter 3000 EUR noch in einem angemessenen Rahmen bewege, ist - auch im Hinblick auf die zuletzt genannten Überlegungen - nicht zu beanstanden.

Gegen die Berücksichtigung im konkreten Fall spricht auch nicht die Art der Anlage des Betrages auf einem Sparkonto, dessen Guthaben zur Sicherung der Ansprüche des Bestatters an diesen abgetreten wurde. Diese Vertragsgestaltung erfüllt nach Ansicht des Senats hinreichend die Anforderungen an eine notwendige Zweckbindung, die es ausschließt, das Guthaben wie sonstiges "freies" Vermögen des Betroffenen zu behandeln, das womöglich nur nach dessen subjektiven Vorstellungen für eine später gewünschte bestimmte Verwendung angespart wird und deshalb nicht einer gesonderten Bewertung als Schonbetrag im Rahmen des § 90 SGB XII unterliegen kann.

3. Die Festsetzung des Geschäftswerts der weiteren Beschwerde beruht auf § 30 Abs. 1, § 131 Abs. 2 KostO.

Ende der Entscheidung

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