Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 13.11.2006
Aktenzeichen: 33 Wx 244/06
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1906 Abs. 1
FGG § 70f Abs. 1 Nr. 3
Bejaht das Beschwerdegericht die Notwendigkeit der Unterbringung der Betreuten wegen der Gefahr der Selbsttötung und stützt sich hierbei auf ein hinreichend zeitnah erstattetes erstinstanzliches Gutachten, in welchem der psychiatrische Sachverständige die weitere Unterbringung "zunächst für einen Zeitraum von sechs Monaten" befürwortet, ist die Festlegung der Höchstdauer der genehmigten Unterbringung grundsätzlich an dem Zeitpunkt der Erstattung des Gutachtens auszurichten. Das gilt auch dann, wenn bei der zwei Monate danach stattfindenden Anhörung der Betroffenen eine behandelnde Psychologin erneut "den weiteren Bedarf der Unterbringung auf ca. ein halbes Jahr" schätzt.
Gründe:

I.

Für die Betroffene ist seit 4.8.2000 eine Betreuerin u. a. mit dem Aufgabenkreis der Gesundheitsfürsorge sowie der Aufenthaltsbestimmung und Entscheidung über Unterbringung einschließlich unterbringungsähnlicher Maßnahmen bestellt.

Die Betroffene hielt sich zwischen April 1999 und Mai 2005 insgesamt 15-mal zu überwiegend mehrwöchigen stationären Behandlungen im Bezirkskrankenhaus H. auf.

Auf Antrag der damaligen Betreuerin genehmigte das Amtsgericht M. am 30.8.2005 wegen selbstgefährdender Tendenzen die Unterbringung der Betroffenen in der beschützenden Abteilung eines Alten-/Pflegeheims bis längstens 29.8.2006.

Nach einem Zuständigkeitswechsel genehmigte das Amtsgericht T. aufgrund einer inzwischen eingetretenen akuten Behandlungsbedürftigkeit mit Beschluss vom 6.2.2006 die vorläufige Unterbringung der Betroffenen in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bis 19.3.2006. Am 9.3.2006 erklärte sich die Betroffene mit einer weiteren stationären Behandlung auf freiwilliger Basis im Bezirksklinikum G. einverstanden, worauf das Vormundschaftsgericht am nächsten Tag den Genehmigungsbeschluss bezüglich dieser vorläufigen Klinikunterbringung aufhob.

Seit der letztmaligen Entlassung aus dem Bezirksklinikum befindet sich die Betroffene an ihrem jetzigen Aufenthaltsort.

Das zwischenzeitlich zuständig gewordene Amtsgericht A. holte ein Gutachten über die weitere Notwendigkeit einer geschlossenen Unterbringung ein, bestellte eine Verfahrenspflegerin und hörte die Betroffene persönlich an. Mit Beschluss vom 16.8.2006 hob es die Genehmigung der Unterbringung durch das Amtsgericht M. vom 30.8.2005 auf und ordnete die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses an.

Auf die sofortige Beschwerde der Betreuerin hob das Landgericht nach Anhörung der Betroffenen am 19.9.2006 den angefochtenen Beschluss auf und genehmigte die Unterbringung der Betroffenen in einer psychiatrischen Klinik oder Pflegeeinrichtung bis längstens 14.3.2007.

Hiergegen richtet sich die namens der Betroffenen eingelegte sofortige weitere Beschwerde der Verfahrenspflegerin vom 28.9.2006, mit der sie die Ablehnung der geschlossenen Unterbringung anstrebt.

II.

Die frist- und formgerecht eingelegte sofortige weitere Beschwerde ist zulässig.

Sie ist jedoch überwiegend nicht begründet.

1. Das Landgericht hat in seiner Entscheidung ausgeführt:

Die sofortige Beschwerde der Betreuerin gegen die Ablehnung der Unterbringungsgenehmigung sei begründet, da die Voraussetzungen des § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB vorlägen.

Die Betroffene leide an einer schwerwiegend emotional instabilen Persönlichkeit des Borderline-Typs und damit an einer erheblichen psychischen Krankheit. Dies ergebe sich aus dem zeitnahen Gutachten des erfahrenen Facharztes für Psychiatrie Dr. W. vom 14. 7.2006, das mit der früheren Begutachtung durch die Sachverständige Dr. G. vom August 2005 übereinstimme sowie aus dem bei der Anhörung durch den beauftragten Richter gewonnenen Eindruck.

Die Betroffene könne zur Überzeugung der Kammer ihren Willen nicht frei bestimmen. Sie habe bei der Anhörung über vermehrt auftretende Depressionen berichtet sowie darüber, dass sie zunehmend Stimmen höre, die ihr die Selbsttötung befehlen würde. Die Betroffene fühle sich nach eigenen Angaben psychisch instabil und könne sich den "Befehlen" dieser Stimmen nicht widersetzen. Deshalb habe sie bei der Anhörung selbst um Genehmigung der Unterbringung gebeten und damit zum Ausdruck gebracht, dass sie eine vernünftige, willensgesteuerte Abwägung derzeit nicht vornehmen könne.

Auch die behandelnde Psychologin K. habe in der Anhörung extreme und unvorhersehbare Stimmungsschwankungen geschildert, in denen die Betroffene nicht mehr erreichbar sei. Selbst wenn die Betroffene phasenweise zu einer freien Willensbestimmung fähig sein möge, stelle dies zur Überzeugung der Kammer doch die Ausnahme dar.

Die geschlossene Unterbringung sei auch erforderlich, weil die Gefahr bestehe, dass andernfalls die Betroffene sich selbst verletzen oder töten würde. Dies folge aus den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. W. und der gleichgelagerten Einschätzung der Sachverständigen Dr. G. im vorausgegangenen Gutachten. Diese Gefahrenlage sei auch hinreichend konkret. Das belegten die Krankheitsgeschichte der Betroffenen mit einer Vielzahl notwendiger Klinikaufenthalte und ihr letzter Suizidversuch am 28.6.2006. Es entspreche auch der Einschätzung des Sachverständigen Dr. W. sowie der behandelnden Psychologin. Hinzu komme, dass sich die Betroffene derzeit selbst als instabil und gefährdet einstufe und praktisch das Gericht um Hilfe in Form der geschlossenen Unterbringung gebeten habe.

Die Unterbringung sei nach Auffassung der Kammer für die Dauer von sechs Monaten erforderlich. Dies ergebe sich aus den schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen Dr. W. und der übereinstimmenden Einschätzung der behandelnden Psychologin im Rahmen der Anhörung.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) im Wesentlichen stand, allerdings mit Ausnahme der vom Landgericht genehmigten Höchstdauer der Unterbringung.

a) Der Betreuer darf den Betroffenen freiheitsentziehend nur dann unterbringen, wenn ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht zusteht und das Vormundschaftsgericht bzw. das als Tatsacheninstanz an seine Stelle tretende Landgericht die Unterbringung genehmigt (§ 1906 Abs. 2 Satz 1 BGB). Dieses erteilt die Genehmigung, solange sie zum Wohl des Betroffenen unter anderem deshalb erforderlich ist, weil aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zugefügt (§ 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB) oder weil eine Untersuchung des Gesundheitszustandes, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff notwendig ist, der ohne die Unterbringung des Betroffenen nicht durchgeführt werden kann, und der Betroffene aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann (§ 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Auch eine Unterbringung zur Verhinderung einer Selbstschädigung setzt voraus, dass der Betroffene aufgrund einer Krankheit seinen Willen nicht frei bestimmen kann. Dies sagt das Gesetz nicht ausdrücklich; es ergibt sich aber aus einer verfassungskonformen Auslegung, den der Staat hat von Verfassungs wegen nicht das Recht, seine erwachsenen und zur freien Willensbestimmung fähigen Bürger zu erziehen, zu bessern oder zu hindern, sich selbst gesundheitlich zu schädigen (BVerfGE 22, 180/219 f. = NJW 1997,1795; BayObLGZ 1993, 18/19; BayObLG NJWE-FER 2001, 150; OLG München Beschluss vom 30.3.2005 - 33 Wx 38/05).

b) Das Landgericht ist rechtsfehlerfrei zu der Annahme gelangt, die Betroffene leide an einer psychischen Krankheit, die zugleich ihre Willensfreiheit aufhebe. Diese Feststellung ist gestützt auf die im konkreten Verfahren zeitnah durchgeführte Begutachtung durch den erfahrenen psychiatrischen Sachverständige Dr. W. sowie den persönlichen Eindruck von der Betroffenen, den der beauftragte Richter der Kammer in der ausführlich protokollierten Anhörung vom 14.9.2006 erhalten und vermitteln konnte.

Die Würdigung von Sachverständigengutachten ist Sache der freien tatrichterlichen Beweiswürdigung und vom Rechtsbeschwerdegericht nur dahin nachprüfbar, ob der Tatrichter den Sachverhalt ausreichend ermittelt (§ 12 FGG) und bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat (§ 25 FGG), ob seine Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei ist, nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt, ferner, ob die Beweisanforderungen vernachlässigt oder überspannt worden sind (BayObLG FamRZ 1994, 1617/1618). Insoweit sind Rechtsfehler des Beschwerdegerichts nicht zu erkennen. Das Beschwerdegericht hat sich mit der Krankheitssymptomatik eingehend auseinandergesetzt und sich aufgrund der richterlichen Anhörung im vorläufigen Unterbringungsverfahren selbst einen Eindruck von der Diagnose verschafft.

c) Das Beschwerdevorbringen greift offensichtlich auch nicht die Diagnose der Erkrankung als solche an. Es zieht aber in Zweifel, dass die Krankheit zum Ausschluss der freien Willensbildung bei der Betroffenen geführt habe.

Der Senat hält die Argumentation der Verfahrenspflegerin insoweit für schwerlich nachvollziehbar. Die Betroffene hat in der Anhörung wiederholt geschildert, dass sie zunehmend in sehr quälender Weise Stimmen höre, die ihr unter anderem die Selbsttötung befehlen würden. Auch verspüre sie einen "Schneidedruck". Sie könne nicht sagen, wie sie sich außerhalb der geschlossenen Unterbringung verhalten würde.

Bei diesen "akustischen Halluzinationen imperativen und kommentierenden Charakters" handelt es sich nicht um erstmalige Erscheinungen, wie bereits die Sachverständige Dr. G. im August 2005 gutachtlich festgehalten hat. Dass die Gefahr einer mangelnden Widerstandskraft der Betroffenen gegen diese sie zum Zeitpunkt der landgerichtlichen Anhörung wieder deutlich beherrschenden inneren Zwänge durchaus realistisch ist, beweisen die im Gutachten vom 14.7.2006 erwähnten zahlreichen früheren Suizidversuche, denen ebenfalls vermeintlich gehörte Stimmen vorausgegangen sind.

Zwar haben sich seit dem letzten Versuch der Selbsttötung am 28.6.2006, als die Betroffene aus dem ersten Stock der Einrichtung sprang und sich glücklicherweise nur Prellungen zuzog, offenbar keine weiteren akuten Vorfälle ereignet. Hieraus kann aber angesichts ihrer langen und wechselhaften Krankheitsgeschichte nicht der Schluss gezogen werden, dass die Betroffene derzeit die von ihr selbst geschilderten befehlenden Halluzinationen, die in den Wochen vor der letzten Anhörung vermehrt auftraten, beherrschen könne. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Betroffene im Rahmen ihrer Therapie nach Angaben der Psychologin K. zuletzt Medikamente mit deutlich sedierender Wirkung erhielt und offenbar in der Einrichtung unter verstärkter Beobachtung steht bzw. durch wirksamere Sicherungsvorkehrungen (wie z.B. von innen nicht zu öffnende Fenster) in der geschlossenen Abteilung beschränkt wird.

Ein psychischer Zustand, in dem der oder die Betroffene unter akustischen Halluzinationen mit Selbsttötungsbefehlen leidet und diesen nach eigenem Bekunden keine hinreichende Widerstandsfähigkeit entgegensetzen kann, erscheint als geradezu klassisches Beispiel der fehlenden Fähigkeit zur eigenen freien Willensbildung. In diesem Fall ist eine geschlossene Unterbringung zum Schutz der Betroffenen unter den übrigen Voraussetzungen des § 1906 Abs. 1 BGB nicht nur gerechtfertigt, sondern sogar dringend geboten. Das gilt auch dann, wenn die Beeinflussung durch vermeintlich gehörte Stimmen nicht ständig, sondern nur zeitweilig, in allerdings häufigen und unregelmäßigen Zeitabschnitten, wahrgenommen wird.

d) Die hiergegen gerichteten Angriffe der Beschwerdebegründung gehen fehl. Das betrifft auch die Kritik an der Erwägung des Landgerichts, die Betroffene habe bei der Anhörung praktisch selbst um einen Unterbringungsbeschluss gebeten. Wenn die Verfahrenspflegerin behauptet, die Betroffene habe sich unter Druck und in Anpassung an Wünsche ihrer Betreuerin so geäußert, würde dies eher gegen die Möglichkeit zu eigener unbeeinflusster Willensbetätigung sprechen und damit nicht die Argumentation der Beschwerdeführerin stützen.

Die Beschwerdebegründung rügt schließlich eine vermeintliche Widersprüchlichkeit, die darin liegen soll, dass bei der Betroffenen einerseits ihre Unfähigkeit zur freien Willensbildung als Voraussetzung einer geschlossenen Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 BGB festgestellt werde, andererseits aber die Psychologin K. in der Anhörung ausgeführt habe, die Betroffene sei "derzeit auf freiwilliger Basis hier".

Es entspricht ganz überwiegender und zutreffender Ansicht, dass ein Betreuter rechtswirksam in die Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung einwilligen kann, sofern er mit natürlichen Willen die Tragweite der Maßnahme zu erfassen vermag (vgl. BtG-RegE BT-Drs. 11/4528 S. 146; Palandt/Diederichsen BGB 65. Aufl. § 1906 Rn. 4; Jürgens/Marschner BtG § 1906 Rn. 9 m.w.N; Soergel/Zimmermann BGB 13. Aufl. § 1906 Rn. 15 und 17; Knittel BtG § 1906 BGB Rn. 9 m.w.N.; kritisch hierzu MünchKommBGB/Schwab 4. Aufl. § 1906 Rn. 27). Insoweit gilt ein anderer und niederschwelligerer Begriff des Willens für die positive Zustimmung zu einer Unterbringungsmaßnahme, jedenfalls im Vergleich zu den für ihre Ablehnung erforderlichen Voraussetzungen.

Hätte im Übrigen die Betroffene hier tatsächlich mit natürlichem Willen wirksam in ihre freiheitsentziehende Unterbringung eingewilligt, so würde sich eine gerichtliche Entscheidung nach § 1906 Abs. 1 BGB erübrigen, weil es bereits am Begriff einer freiheitsentziehenden Unterbringung fehlte (vgl. BayObLGZ 1996, 34 = FamRZ 1996, 1375; Knittel aaO). Allerdings kann allein aus der zitierten Äußerung der Psychologin K. nicht ein entsprechender Schluss gezogen werden. An eine solche Einwilligung sind strenge Anforderungen zu stellen. Fragwürdige oder gar fiktive Einwilligungen des Betroffenen genügen nicht, um das Erfordernis der gerichtlichen Genehmigung entbehrlich zu machen. Jedenfalls ist ein bloßes Erdulden der Maßnahme noch kein rechtlich wirksames Einverständnis (Knittel aaO).

Aus dem gesamten Verhalten und den Äußerungen der Betroffenen, die nach den nachvollziehbaren Schilderungen der Psychologin K. und auch nach eigenem Bekunden in einem instabilen psychischen Zustand ist und häufigen Stimmungsschwankungen unterliegt, kann nicht eine dauerhafte und belastbare Einwilligung mit natürlichem Willen in die geschlossene Unterbringung gefolgert werden. Das gilt umso mehr, als die Betroffene zum Ausdruck gebracht hat, dass sie eine gerichtliche Entscheidung wünsche. Eine solche wäre nämlich überflüssig, wenn die Betroffene selbst überzeugt wäre, dass sie auf längere Zeit und ohne entsprechende Stimmungsschwankungen zum eigenen Schutz freiwillig im geschlossenen Bereich der Einrichtung bleiben würde.

e) Das Landgericht hat auch ohne Rechtsverstoß eine konkrete, auf der psychischen Erkrankung beruhende erhebliche Gesundheits- und Lebensgefahr für die Betroffene bejaht. Eine solche Annahme setzt eine Prognose anhand von tatsächlichen Feststellungen voraus. Ob sich aus ihnen eine ernstliche und konkrete Gefahr ergibt, ist eine Frage der tatsächlichen Würdigung. Diese kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur daraufhin überprüft werden, ob sie von irrigen Grundlagen ausgeht oder gegen Denkgesetze verstößt oder ob objektive Schlüsse gezogen werden, die mit einer feststehenden Auslegungsregel oder mit der allgemeinen Lebenserfahrung unvereinbar sind. Für eine einwandfreie Würdigung der Sachlage genügt es, wenn der vom Tatsachengericht gezogene Schluss möglich, wenn auch nicht gerade zwingend ist, mag selbst eine andere Schlussfolgerung ebenso nahe oder noch näher gelegen haben. Mit der weiteren Beschwerde kann also nicht geltend gemacht werden, die tatsächlichen Folgerungen des Tatrichters seien nicht einzig möglichen, nicht schlechthin zwingend (vgl. BayObLG FamRZ 1994, 1617/1618).

Rechtsfehler bei der tatsächlichen Würdigung sind in den Ausführungen des Landgerichts nicht erkennbar. Das Landgericht hat nachvollziehbar und in sich schlüssig die aus der psychischen Erkrankung folgende konkrete Gefahr weiterer Selbsttötungsversuche bzw. Selbstverletzungen gefolgert, denen nur durch eine geschlossene Unterbringung zum Schutz der Betroffenen begegnet werden kann.

3. Allerdings weist die Beschwerdebegründung zu Recht darauf hin, dass das Landgericht eine weitere Dauer der geschlossenen Unterbringung von sechs Monaten - vom Zeitpunkt seiner Entscheidung an - zugrunde gelegt und sich hierbei auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. W. vom 14.7.2006 wie auch der Psychologin K. in der Anhörung vom 14.9.2006 berufen hat.

Die Prognose einer notwendigen Dauer der Unterbringung bis zu dem Zeitpunkt, in dem eine begonnene Therapie Wirkungen zeigt bzw. zumindest eine akute Gefahr der Selbsttötung oder Selbstverletzung abklingt, ist naturgemäß mit Unsicherheiten behaftet. Deshalb kann der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur gewahrt werden, wenn entsprechende ärztliche Einschätzungen kritisch geprüft und jedenfalls als zeitliche Höchstgrenze der für erforderlich gehaltenen Unterbringung angesehen werden (wobei das selbstverständliche Gebot unberührt bleibt, die Maßnahme unverzüglich zu beenden, wenn sie sich aus medizinisch-therapeutischen Gründen als nicht mehr notwendig erweist).

Im vorliegenden Fall konnte sich das Landgericht zwar auch zur Beurteilung der notwendigen Dauer der Unterbringungsmaßnahme auf das zeitnah im erstinstanzlichen Verfahren erstattete Gutachten des Sachverständigen Dr. W. stützen. Wenn dieser aber am 14.7.2006 die weitere Unterbringung der Betroffenen "zunächst für einen Zeitraum von sechs Monaten" als nötig erachtete, um der Betroffenen eine Stabilisierung und ein Abstandnehmen von dem suizidalen Verhalten in ihrer aktuellen Krise zu ermöglichen, rechtfertigt diese Feststellung allenfalls eine Unterbringungsdauer bis 14.1.2007. Jedenfalls konnte das Landgericht nicht unter Berufung auf die Ausführungen des Sachverständigen eine notwendige Unterbringungsdauer bis 14.3.2007 begründen.

Dass die Psychologin K. in der Anhörung vom 14.9.2006 "den weiteren Bedarf der Unterbringung auf ca. ein halbes Jahr" geschätzt hat, erscheint für sich genommen nicht als ausreichende Grundlage, um die Unterbringungsdauer ohne weiteres um zwei Monate zu verlängern. Hierbei wird nicht verkannt, dass Frau K. durch die kontinuierliche Beobachtung der Betroffenen und die enge Zusammenarbeit mit ihr möglicherweise eine zeit- und sachnähere Einschätzung treffen konnte als der Sachverständige Dr. W. Gleichwohl hält es der Senat für geboten, angesichts des erheblichen Eingriffs, der in einer freiheitsentziehenden Unterbringung liegt, deren jeweils zulässige Höchstdauer nur nach der fundierten Prognose im Sachverständigengutachten eines Facharztes für Psychiatrie zu bestimmen. Spricht sich der zuletzt tätig gewordene Sachverständige aber nur für eine Unterbringungsdauer von sechs Monaten nach der Abfassung des Gutachtens aus, bezeichnet dies auch den höchstzulässigen Zeitpunkt, ab dem die Unterbringung entweder zu beenden oder auf eine neue Rechtsgrundlage zu stellen ist.



Ende der Entscheidung

Zurück