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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 20.12.2006
Aktenzeichen: 33 Wx 248/06
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 20 Abs. 1
Der Betroffene ist gegen die Aufhebung der Betreuung beschwerdebefugt, wenn er die Aufrechterhaltung der Betreuung anstrebt (Abgrenzung zu BayObLG MDR 2001, 94).
Gründe:

I.

Mit Beschluss vom 5.7.2004 bestellte das Vormundschaftsgericht dem mittellosen Betroffenen auf dessen Antrag den auch von ihm vorgeschlagenen Betreuer für die Aufgaben der Vermögenssorge sowie der Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern. Am 20.8.2004 erweiterte es den Aufgabenkreis um die Aufenthaltsbestimmung und die Gesundheitsfürsorge. Ferner bestimmte es, dass es bis spätestens 4.7.2005 über die Aufhebung oder Verlängerung der Betreuung entscheiden werde.

Am 13.5.2005 teilte das Gericht dem Betreuer schriftlich mit, dass es nach dem bisherigen Akteninhalt eine Verlängerung der Betreuung für weitere fünf Jahre für wahrscheinlich halte. Sofern kein Beteiligter widerspreche, könne auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens verzichtet werden, wenn ein ärztliches Attest vorgelegt werde, aus dem sich ergebe, dass sich der Umfang der Betreuungsbedürftigkeit offensichtlich nicht verändert habe. Der Betreuer legte mit einem am 30.5.2005 bei Gericht eingegangenen Schreiben eine "fachärztliche Bescheinigung" eines Facharztes für Psychiatrie vor, wonach aufgrund der "rezidivierenden depressiven Erkrankung mit erheblichen depressiven Episoden und starker Somatisierung" des Betroffenen eine Verlängerung der Betreuung um vorerst ein weiteres Jahr im bisherigen Umfang erforderlich sei. Am 27.6.2005 hörte das Vormundschaftsgericht den Betroffenen in Gegenwart des Betreuers an. Hierbei wurde auch über die Notwendigkeit eines weiteren Gutachtens gesprochen. Mit Beschluss vom 29.6.2005 beauftragte das Vormundschaftsgericht den Sachverständigen Dr. B. vom Bezirkskrankenhaus R. mit der Erstellung eines Gutachtens zu den medizinischen Voraussetzungen einer weiteren Betreuung des Betroffenen. Die hiergegen erhobenen Rechtsmittel blieben erfolglos.

Mit Beschluss vom 6.3.2006 hob das Amtsgericht ohne weitere Einholung eines Gutachtens die Betreuung auf und stellte das Betreuungsverfahren ein. Dagegen legte der Betroffene Beschwerde ein mit der Begründung, die Betreuung müsse aufrechterhalten bleiben, da er dem Betreuer vieles verdanke und er befürchte, ohne diesen wieder abzustürzen. Das Landgericht verwarf diese Beschwerde am 16.11.2006 als unzulässig.

Hiergegen richtet sich die am 27.11.2006 zu Protokoll des Rechtspflegers am Landgericht von der Mutter des Betroffenen in dessen Vollmacht eingelegte weitere Beschwerde.

II.

Die formgerecht eingelegte weitere Beschwerde ist zulässig. Die weitere Beschwerde gegen die Verwerfung der Erstbeschwerde ist stets zulässig (BayObLGZ 1991, 1/4). In der Sache führt die weitere Beschwerde zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

1. Das Landgericht hat in seiner Entscheidung ausgeführt, dass die Beschwerde gegen die Aufhebung der Betreuung mangels Beschwerdebefugnis des Betroffenen unzulässig sei.

2. Diese Begründung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

a) Die Zulässigkeit einer Beschwerde gegen eine Verfügung des Gerichts erster Instanz (§ 19 Abs.1 FGG) setzt voraus, dass der Beschwerdeführer durch die Verfügung in einem Recht beeinträchtigt ist (§ 20 Abs.1 FGG). Recht in diesem Sinne ist jedes dem Beschwerdeführer durch die Rechtsordnung zuerkannte und von der Staatsgewalt geschützte private oder öffentliche subjektive Recht (vgl. BGH NJW 1997, 1855; BayObLGZ 1998, 82/84), dagegen nicht schon ein rechtliches oder berechtigtes (wirtschaftliches, ideelles oder sonstiges) Interesse (vgl. BayObLG aaO).

Eine Beeinträchtigung liegt vor, wenn die angefochtene Entscheidung unmittelbar nachteilig in die Rechtsstellung des Beschwerdeführers eingreift, indem sie dessen Recht aufhebt, beschränkt, mindert oder gefährdet, die Ausübung des Rechts stört oder erschwert oder eine Verbesserung der Rechtsstellung vorenthält (vgl. BayObLG aaO; OLG Dresden NJW-RR 1998, 830). Dabei kann nach anerkannten Grundsätzen ein Beschwerderecht grundsätzlich nur aus dem Inhalt der Entscheidungsformel, nicht aber aus der Art der Begründung der angefochtenen Entscheidung hergeleitet werden (BayObLGZ 1975, 420/424 m.w.N.; KG OLGZ 1971, 215/216; Bassenge/Herbst /Roth FGG/RPflG 10.Aufl. § 20 FGG Rn.8; Keidel/Kahl FGG 15.Aufl. § 20 Rn.12). Für die Prüfung der Beschwerdeberechtigung kommt es darauf an, ob ein Recht des Beschwerdeführers beeinträchtigt wäre, wenn die angefochtene Entscheidung sich in seinem Sinn als ungerechtfertigt herausstellen würde (BayObLGZ 1983, 149/150).

b) Nach diesen Grundsätzen ist der Betroffene beschwerdeberechtigt. Wird die Betreuung aufgehoben, ist die Rechtsposition des Betreuten hierdurch negativ betroffen, da er die ihm vom Staat in Form von Rechtsfürsorge gewährte soziale Leistung (BayObLG MDR 2001, 94/95) verliert. Soweit das Landgericht der vorstehend zitierten Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts etwas anderes entnehmen will, verkennt es, dass, anders als hier, im damaligen Verfahren der Betroffene nicht die Fortführung der Betreuung anstrebte.

3. Die Sache ist nicht entscheidungsreif, zumal verschiedene ärztliche Stellungnahmen (Attest des Dr. Dr. Z. vom 27.5.2005, Arztbericht des Bezirksklinikums G. vom 29.8.2006) tatrichterlich zu würdigen sind, die letzte Anhörung des Betroffenen über ein Jahr zurückliegt und nach § 12 FGG weitere Tatsachen festzustellen sind.

III.

Für das weitere Verfahren wird auf folgendes hingewiesen:

Für einen Volljährigen muss ein Betreuer bestellt werden bzw. die Bestellung aufrecht erhalten werden, wenn er aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann, und zwar auch nicht durch einen Bevollmächtigten oder unter Einschaltung anderer Hilfsangebote (§ 1896 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB). Es genügt aber nicht die Feststellung einer der im Gesetz genannten gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Vielmehr muss diese auch konkret festzustellende Auswirkungen auf die Handlungsfähigkeit des Betroffenen bei der Wahrnehmung seiner eigenen Angelegenheiten haben (MünchKomm/Schwab BGB 4. Aufl. Rn. 20; Soergel/ Zimmermann BGB 13. Aufl. Rn. 18; Knittel BtG Rn. 6, jeweils zu § 1896 BGB).

Ist diese nicht beeinträchtigt, besteht ein Betreuungsbedürfnis nicht schon dort, wo auch ein gesunder Volljähriger sich der Hilfe eines anderen (Rechtsanwalt, Steuerberater usw.) bedienen würde oder müsste. Nur wenn der Betroffene psychisch außer Stande ist, solche Hilfe von sich aus in Anspruch zu nehmen oder die Notwendigkeit der Inanspruchnahme zu erkennen, kommt die Anordnung einer Betreuung in Betracht (vgl. BayObLG NJWE-FER 2001, 151; OLG Zweibrücken BtPrax 2004, 155 m.w.N.; Senatsentscheidung BtPrax 2005, 156 und vom 5.10.2005 - 33 Wx 181/05). Fehlt diese Voraussetzung, darf eine rechtliche Betreuung im Regelfall auch nicht auf Antrag des Betroffenen errichtet werden (OLG Zweibrücken aaO m.w.N.; Senatsentscheidungen aaO). Denn der Grundsatz der Erforderlichkeit der Betreuung dient auch dem öffentlichen Interesse daran, erkennbar unnötige Betreuungen zu vermeiden (OLG Zweibrücken aaO; OLG Köln FamRZ 1996, 249; Soergel/Zimmermann § 1896 Rn. 75). Insoweit gilt für psychisch Kranke, bei denen die sonstigen Voraussetzungen des § 1896 Abs. 1, Abs. 2 BGB fehlen, nichts anderes als für psychisch Gesunde. Der Betroffene muss hier auf andere Unterstützungsmaßnahmen (z. B. Beratung nach dem Beratungshilfegesetz, in Bayern auch auf das Sozialrecht erstreckt nach Art. 51 AGGVG; Beratung durch Behörden, Sozialverbände, freie Wohlfahrtsverbände und Arbeitsloseninitiativen; Inanspruchnahme von Hilfe in besonderen Lebenslagen nach SGB XII) verwiesen werden. Es reicht auch nicht aus, dass der möglicherweise an einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung leidende Betroffene nur befürchtet, er werde in Zukunft seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen können.

Das Landgericht wird im Rahmen des § 12 FGG zuminderst eine ergänzende Stellungnahme des Bezirksklinikums G. einzuholen haben, ob der Betroffene psychisch außer Stande ist, solche Hilfe von sich aus in Anspruch zu nehmen oder die Notwendigkeit der Inanspruchnahme zu erkennen. Gegebenenfalls wird der Betroffen auch anzuhören sein.

Ende der Entscheidung

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