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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 09.08.2006
Aktenzeichen: 33 Wx 249/05
Rechtsgebiete: BGB, VBVG
Vorschriften:
BGB § 1908i | |
BGB § 1893 | |
BGB § 1698b | |
VBVG § 5 | |
VBVG § 6 |
2. Soweit der Betreuer nach dem Tod des Betroffenen (über die Abwicklung hinaus) Geschäfte besorgt, die nicht ohne Gefahr aufgeschoben werden können, bis der Erbe anderweitig Fürsorge treffen kann (§ 1698b BGB), sind diese Tätigkeiten auf der Basis einer Einzelaufstellung nach Zeitaufwand konkret zu vergüten.
Gründe:
I.
Für die mittellose Betreute wurde durch Beschluss des Amtsgerichts vom 12.5.1997 der jetzige Beschwerdeführer als Betreuer bestellt. Zuletzt wurde die Betreuung mit Beschluss vom 2.8.2001 verlängert. Am 22.8.2005 verstarb die Betroffene. Für den Zeitraum vom 1.7.2005 bis 30.9.2005 machte der Betreuer einen Aufwand von zwei Stunden pro Monat zu je 44 EUR, insgesamt 264 EUR geltend. Das Amtsgericht hat ihm nur eine Vergütung in Höhe von 154 EUR bewilligt und den darüber hinausgehenden Antrag zurückgewiesen. Durch den Tod der Betreuten am 22.8.2005 sei die Betreuung beendet und ende auch der Anspruch auf Vergütung.
Auf die sofortige Beschwerde des Betreuers bestätigte das Landgericht mit Beschluss vom 29.11.2005 die Entscheidung des Amtsgerichts. Mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt der Betreuer sein Ziel weiter, eine Vergütung für volle drei Monate zu erhalten.
II.
Das zugelassene und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.
1. Das Landgericht hat in seiner Entscheidung ausgeführt:
Dem Berufsbetreuer stehe ein Vergütungsanspruch nur bis zum Ende der Betreuung am 22.8.2005 zu. Es liege eine Änderung der Umstände, die sich auf die Vergütung auswirken, im Sinne von § 5 Abs. 4 Satz 2 VBVG vor, so dass der Stundenansatz zeitanteilig nach Tagen zu berechnen sei. § 5 Abs. 5 VBVG finde keine analoge Anwendung. Eine Regelungslücke liege nicht vor. Dies ergebe sich aus den Gesetzgebungsmaterialien. Der Argumentation des Betreuers, es stelle ein Sonderopfer dar, wenn ohne eine zusätzliche Vergütung Tätigkeiten nach dem Tod der Betreuten noch vorgenommen werden müssten, könne nicht gefolgt werden. Auf der Basis der rechtstatsächlichen Untersuchung seien die Pauschalen so ermittelt worden, dass die Tätigkeiten, die bei Ende der Betreuung anfielen, in angemessener Weise mitbezahlt seien. Der Berufsbetreuer würde seine Pflichten verletzen, wenn er diese notwendigen Tätigkeiten wegen Wegfalls der minutenweisen Abrechnung nicht mehr ausführen würde. Es sei unerheblich, dass die von ihm aufgewendete Arbeitszeit 2,5 Stunden überstiegen habe. § 5 Abs. 5 VBVG habe einen anderen Sinn und Zweck und könne auf die Beendigung der Betreuung durch Tod nicht analog angewendet werden.
2. Dies hält rechtlicher Überprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) stand.
a) Die Vergütung des Betreuers richtet sich in dem hier zu beurteilenden Zeitraum nach §§ 4, 5 VBVG. Dem Beschwerdeführer steht ein Vergütungsanspruch gemäß § 1836 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB, § 1 Abs. 2 VBVG nur bis zum Tod der Betroffenen am 22.8.2005 zu. Weil das Betreuungsverfahren damit endet und dies einen Umstand darstellt, der sich auf die Vergütung auswirkt, ist die Vergütung gemäß § 5 Abs. 4 Satz 2 VBVG zeitanteilig nach Tagen zu berechnen. Der Gesetzgeber hat für den Fall der Beendigung des Betreuungsverfahrens durch Tod des Betroffenen auch eine Anwendung von § 5 Abs. 4 Satz 2 VBVG gewollt. Dies ergibt sich eindeutig aus den Gesetzgebungsmaterialien (vgl. BT-Drucks. 15/2494 S. 34, wo dies in einer Beispielsrechnung eindeutig zum Ausdruck kommt; so auch OLG Köln Beschluss vom 5.4.2006 - 16 Wx 49/06; OLG Dresden Beschluss vom 23.1.2006 - 3 W 1523/05). Die konkrete Berechnung hat das Amtsgericht im vorliegenden Fall rechnerisch zutreffend durchgeführt.
b) Eine weitergehende Vergütung kann der Beschwerdeführer auch nicht aus § 5 Abs. 5 VBVG herleiten. Eine direkte Anwendung dieser Vorschrift kommt nicht in Betracht, weil es nicht zu einem Wechsel von einem beruflichen zu einem ehrenamtlichen Betreuer kam, sondern zu einer Beendigung des Betreuungsverfahrens durch den Tod der Betroffenen. Aber auch eine analoge Anwendung ist nicht zulässig. Voraussetzung für eine analoge Anwendung wäre u.a., dass eine planwidrige Regelungslücke insoweit besteht. Wie bereits dargelegt, hat der Gesetzgeber für den Fall der Beendigung des Betreuungsverfahrens durch Tod des Betroffenen ausdrücklich eine Anwendung von § 5 Abs. 4 Satz 2 VBVG gewollt. Die nach Ende des Betreuungsverfahrens typischerweise zu erfüllenden Aufgaben, insbesondere die Schlussabrechnung (§ 1890 i.V.m. § 1908i Abs. 1 Satz 1 BGB), sind damit als durch die Pauschalsätze von § 4 Abs. 1, Abs. 2, § 5 VBVG abgedeckt anzusehen (so auch OLG Köln und OLG Dresden aaO; Fröschle, Betreuungsrecht 2005 Rn. 361; a.A. Deinert, BtPrax-Spezial 2005, 13/16 f.). Auf die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage, ob die rechtstatsächlichen Untersuchungen des Instituts für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG) insoweit den tatsächlichen Aufwand hinreichend erforscht haben, kommt es nicht an, weil der Gesetzgeber jedenfalls die Regelung in der geschilderten Form ausdrücklich wollte.
c) Ein Anspruch auf eine weitergehende Vergütung ergibt sich auch nicht im Hinblick auf § 1908i Abs. 1 Satz 1, § 1893, § 1698a und § 1698b BGB. Dass der Betreuer in Unkenntnis des Todes der Betroffenen tätig geworden wäre (§1698a BGB), ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Dem Amtsgericht teilte er das Ableben der Betroffenen bereits am nächsten Tag mit. Auch auf § 1698b BGB kann sich der Beschwerdeführer nicht mit Erfolg berufen.
aa) Die genannten Entscheidungen der Oberlandesgerichte Köln und Dresden haben offen gelassen, ob auch Tätigkeiten des Betreuers nach dem Tod des Betroffenen gemäß diesen Vorschriften vergütungspflichtig sein können. Nach der Rechtsprechung zum früheren Vergütungsrecht vor dem 1.7.2005 war auch Zeitaufwand des Betreuers nach dem Tod des Betroffenen vergütungsfähig, soweit er durch Geschäfte entstand, die nicht ohne Gefahr aufgeschoben werden konnten im Sinne des § 1698b BGB (vgl. BayObLG BtPrax 1998, 234/236; 1996, 69/70; OLG Frankfurt FGPrax 2005, 208; Deinert FamRZ 2002, 374). Der Gesetzgeber hat bei der Neufassung des § 1908i BGB durch Art. 1 des 2. BtÄndG vom 21. April 2005 die Verweisung auf § 1893, § 1698a und § 1698b BGB beibehalten. Aus dem VBVG und den Materialien hierzu ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass eine Vergütung für Notgeschäftsführungsmaßnahmen nunmehr ausgeschlossen sein sollte (so auch Dodegge NJW 2005, 1896/1899; LG Stendal FamRZ 2006, 1063).
Nach dem neuen Vergütungsrecht kann eine Notgeschäftsführung im Sinne des § 1698b BGB aber keine Pauschalvergütung nach § 4, § 5 VBVG auslösen. Nachdem es hier um eine eng begrenzte Ausnahmeregelung für Aktivitäten nach dem Ende der Betreuung geht, können diese nicht einer pauschalierten Vergütung unterworfen werden, die auf Durchschnittssätzen beruht. In Analogie zu § 6 VBVG können solche Aktivitäten - ähnlich wie Tätigkeiten eines Betreuers wegen rechtlicher Verhinderung (der ebenfalls nur einen sehr begrenzten Aufgabenkreis hat) - nur auf Grund eines detaillierten Nachweises der Voraussetzungen nach konkretem Aufwand vergütet werden (so auch Bienwald FamRZ 2006, 1065/1066; a.A. LG Stendal aaO).
Nach dem neuen Vergütungsrecht ist insoweit außerdem abzugrenzen von solchen Tätigkeiten, die ohnehin zur Abwicklung der Betreuung erforderlich sind und die - wie oben dargelegt - mit der Pauschalvergütung bis zum Ende der Betreuung bereits abgegolten sind. Dazu gehören neben der Schlussabrechnung auch Informationsschreiben über das Ende der Betreuung an Banken, Versicherungen u.ä. Diese fallen nicht nur beim Ende der Betreuung durch Tod, sondern genauso auch bei einer Aufhebung der Betreuung wegen Wegfalls der Voraussetzungen an. Eine gesonderte Vergütungspflicht über § 1698b BGB kommt insoweit nicht in Betracht.
bb) Der bisherige Vortrag des Beschwerdeführers reicht im vorliegenden Fall nicht aus, um eine Notgeschäftsführung im Sinne des § 1698b BGB zu belegen. Die von ihm umschriebenen Aktivitäten (Gespräche mit Angehörigen und Heim, Schriftverkehr mit Gericht, Versorgungsträgern, Krankenkasse, Arzt und Apotheke) lassen nicht eindeutig erkennen, ob es sich um dringende, unaufschiebbare Geschäfte der Betreuten im Rahmen des Aufgabenkreises des Betreuers handelte, die erledigt werden mussten, bevor die Erben der verstorbenen Betreuten anderweitig Fürsorge treffen konnten. Schreiben an die Versicherungen und Versorgungsträger wären wohl auch bei einer anderweitigen Beendigung der Betreuung erforderlich gewesen, so dass sie nach den obigen Ausführungen nicht gesondert vergütungsfähig sein dürften.
Eine nach den obigen Grundsätzen erforderliche konkrete Abrechnung des Aufwands hat der Betreuer im Übrigen nicht vorgelegt. Es bleibt ihm aber unbenommen, die Voraussetzungen des § 1698b BGB detailliert nachzuweisen und eine entsprechende konkrete Abrechnung seines Aufwands beim Amtsgericht einzureichen.
3. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 30 Abs. 1, 2, § 131 Abs. 2 KostO.
Ende der Entscheidung
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