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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 05.06.2009
Aktenzeichen: 33 Wx 279/08
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 104 Nr. 2 | |
BGB §§ 164 ff. | |
BGB § 1896 Abs. 2 S. 2 |
2. Zweifel an der Geschäftsfähigkeit zum Zeitpunkt einer Vollmachtserteilung beeinträchtigen die Eignung der Vollmacht als Alternative zur Betreuung nur dann, wenn sie konkrete Schwierigkeiten des Bevollmächtigten im Rechtsverkehr erwarten lassen (Abgrenzung zu BayObLG FamRZ 1994, 720).
3. Ist eine später erteilte Vollmacht nicht aufzuklärenden Zweifeln an der Geschäftsfähigkeit ausgesetzt, kann nicht ohne weiteres eine inhaltlich abweichende frühere, unzweifelhaft wirksame Vollmacht als zur Betreuungsvermeidung geeignet beurteilt werden.
Wegen der konkreten Gefahr, dass auch der später Bevollmächtigte sich auf die vermeintlich wirksam erteilte Vertretungsmacht beruft und der Rechtsverkehr insoweit ohne eigene Beurteilungsmöglichkeit womöglich mit widersprechenden Erklärungen unterschiedlicher Bevollmächtigter konfrontiert wird, erübrigt dann die zuerst erteilte Vollmacht eine Betreuung nicht.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN BESCHLUSS
Aktenzeichen: 33 Wx 278/08 33 Wx 279/08
Der 33. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Knittel, der Richterin Budesheim und des Richters Dimbeck
am 5. Juni 2009
in der Betreuungssache
auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 und die weitere Anschlussbeschwerde der Betroffenen
beschlossen:
Tenor:
I. Auf die Anschlussbeschwerde der Betroffenen werden der Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 5. November 2008 sowie die Beschlüsse des Amtgerichts Nürnberg vom 15. Februar 2008 und 4. April 2008 aufgehoben. Das Betreuungsverfahren wird eingestellt.
II. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2 wird zurückgewiesen.
III. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 3.000 € festgesetzt.
Gründe:
I. Die Betroffene ist Alleinerbin nach ihrem am 13.5.2006 verstorbenen Ehemann. Die Beteiligten sind deren gemeinschaftliche Kinder. Während sich die Beteiligte zu 1 ihren Pflichtteilsanspruch nach ihrem Vater bereits abgelten ließ, ist der Anspruch des Beteiligten zu 2 noch nicht erfüllt.
Die Betroffene hatte zunächst am 25.8.2006 durch notarielle Urkunde dem Beteiligten zu 2 eine umfassende Vollmacht erteilt. Am 23.11.2006 änderte sie ebenfalls in notarieller Urkunde die Vollmacht in der Weise, dass der Beteiligte zu 2 Verfügungen über Grundbesitz und die Eingehung von Verpflichtungen zur Verfügung über Grundbesitz nur gemeinsam mit der Beteiligten zu 1 vornehmen könne.
Die Betroffene hat sodann unter dem Datum des 30.11.2006 den Beteiligten eine notariell beurkundete Vorsorgevollmacht erteilt, die u.a. folgende Bestimmungen enthielt:
"Ich... erteile hiermit
a) meinem Sohn ... und
b) meiner Tochter ...
und zwar gemeinschaftlich
Vollmacht zu meiner gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung in allen gesetzlich zulässigen Fällen....
V. Für den Fall, dass trotz der vorstehenden Vorsorgevollmacht für mich die Bestellung eines Betreuers notwendig wird, beantrage ich beim zuständigen Gericht, dieses Amt einem der beiden Bevollmächtigten zu übertragen, bzw. diesen zum Betreuer zu bestellen.
VIII. Die Erklärungen in der diesamtlichen Urkunde vom 25.8.2006 samt Nachtrag hierzu vom 23.11.2006 werden voll inhaltlich widerrufen..."
Am 30.8.2007 erteilte die Betroffene eine umfassende notarielle Vorsorgevollmacht allein zugunsten der Beteiligten zu 1. Mit gesonderter Urkunde vom selben Tag widerrief sie sämtliche zuvor erteilten Vollmachten.
Am 12.11.2007 regte der Beteiligte zu 2 beim Amtsgericht an, für die Betroffene einen berufsmäßigen Betreuer zu bestellen, insbesondere für den Aufgabenkreis Vermögenssorge.
Bei der Durchsetzung seines Pflichtteilsanspruchs gegen die Betroffene gebe es erhebliche Probleme; es bestehe der Verdacht, dass sie geschäftsunfähig sei. Angehörige würden wegen erheblicher finanzieller Interessen als Betreuer ausscheiden.
Die Beteiligte zu 1 verneinte in einer Stellungnahme die Betreuungsbedürftigkeit der Betroffenen unter Hinweis auf die Vorsorgevollmacht vom 30.8.2007.
Aufgrund eines eingeholten Sachverständigengutachtens und einer ergänzenden Stellungnahme hierzu ordnete das Amtsgericht am 15.2.2008 eine Betreuung an mit dem Aufgabenkreis "Alle Angelegenheiten inklusive Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post sowie Entscheidung über den Fernmeldeverkehr" und bestellte hierfür einen berufsmäßigen Betreuer. Als spätester Überprüfungszeitpunkt wurde der 15.2.2015 festgelegt.
Hiergegen legte die Beteiligte zu 1 Beschwerde ein mit der Begründung, aufgrund der in der Vorsorgevollmacht vom 30.8.2007 enthaltenen Regelung hätte sie selbst zur Betreuerin bestellt werden müssen. Allenfalls für die Aufgaben "Pflichtteilsansprüche des Beteiligten zu 2 gegenüber der Betroffenen" hätte ein Rechtsanwalt als Betreuer bestellt werden können.
Am 4.4.2008 half das Amtsgericht dieser Beschwerde teilweise insofern ab, als der berufsmäßige Betreuer lediglich für den Aufgabenkreis "Vertretung hinsichtlich der Regelung der Pflichtteilsansprüche des Beteiligten zu 2 einschließlich Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der entsprechenden Post" bestellt werden solle. Für den übrigen bisherigen Aufgabenkreis bestellte das Gericht die Beteiligte zu 1 als Betreuerin.
Diese hielt ihre Beschwerde aufrecht, soweit ihr nicht abgeholfen worden war. Mit einem weiteren Schriftsatz vom 17.4.2008 legte sie gegen den Beschluss vom 4.4.2008 Beschwerde ein mit dem Antrag, ihn aufzuheben bzw. hilfsweise in Abänderung dieser Entscheidung die Beteiligte zu 1 umfassend als Betreuerin zu bestellen.
Auch der Beteiligte zu 2 legte gegen den Beschluss vom 4.4.2008 insoweit Beschwerde ein, als dort für den gesamten übrigen Aufgabenkreis die Beteiligte zu 1 als alleinige Betreuerin bestellt wurde. Er berief sich auf die Vorsorgevollmacht vom 30.11.2006 und ließ ferner vortragen: Eine gemeinsame Betreuung sei wohl nicht praktikabel. Keinesfalls dürfe die Beteiligte zu 1 allein bestellt werden, da eine Interessenkollision im Hinblick auf die bereits vorgenommene Abgeltung ihrer Pflichtteilsansprüche bestehe.
Das Amtsgericht half dieser Beschwerde nicht ab: Eine gemeinsame Betreuung komme im Hinblick auf die Zerstrittenheit der Beteiligten nicht in Betracht. Die Sympathien der Betroffenen lägen eher bei der Beteiligten zu 1.
Auch die Betroffene selbst legte durch ihre Verfahrensbevollmächtigten Beschwerde gegen den Beschluss vom 15.2.2008 ein mit der Begründung, eine Betreuung sei überhaupt nicht erforderlich, da die am 30.8.2007 erteilte Vollmacht wirksam sei. Dieser Ansicht schloss sich auch die Betreuungsstelle an.
Der Beteiligte zu 2 hält die Betroffene hingegen zu diesem Zeitpunkt bereits für geschäftsunfähig.
Selbst im Fall der Wirksamkeit der Vollmacht sei aber eine Betreuung durch einen unabhängigen Betreuer für den Bereich der Vermögenssorge und der Regelung des Pflichtteilsanspruchs des Beteiligten zu 2 erforderlich, da die Beteiligte zu 1 insoweit ungeeignet sei, die Interessen der Betroffenen zu vertreten.
Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens hielt das Landgericht am 5.11.2008 die erstinstanzlichen Beschlüsse vom 15.2.2008 und 4.4.2008 insofern aufrecht, als für die Betroffene eine Betreuung mit dem Aufgabenkreis "außergerichtliche und gerichtliche Vertretung der Betroffenen hinsichtlich der Regelungen der Pflichtteilsansprüche des Sohnes der Betroffenen bezüglich des Nachlasses einschließlich Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der entsprechenden Post" errichtet wurde. Insoweit wurde die Beteiligte zu 1 zur Betreuerin bestellt. Im Übrigen wurden die Beschlüsse aufgehoben und der berufsmäßige Betreuer entlassen.
Das Amtsgericht werde bis spätestens 1.11.2011 über eine Verlängerung der Betreuung zu beschließen haben. Bis zu dieser Entscheidung bestehe die Betreuung fort. Im Übrigen wurden die Beschwerden zurückgewiesen.
Hiergegen legte der Beteiligte zu 2 weitere Beschwerde ein mit dem Antrag, Ziff. I des landgerichtlichen Beschlusses insoweit aufzuheben, als die Tochter der Betroffenen als Betreuerin für den Aufgabenkreis "außergerichtliche und gerichtliche Vertretung der Betroffenen hinsichtlich der Regelungen der Pflichtteilsansprüche des Sohnes der Betroffenen bezüglich des Nachlasses einschließlich Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der entsprechenden Post" bestellt und der berufsmäßige Betreuer entlassen wurde.
Dem trat die Betroffene entgegen und erhob zugleich weitere Anschlussbeschwerde mit dem Antrag, den landgerichtlichen Beschluss sowie die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 15.2.2008 und 4.4.2008 insgesamt aufzuheben. Im Hinblick auf die nach ihrer Auffassung wirksame Vollmacht vom 30.8.2007 benötige die Betroffene überhaupt keine Betreuung.
II. Die weitere Beschwerde und die weitere Anschlussbeschwerde sind zulässig eingelegt.
Jedoch erweist sich nur die weitere Anschlussbeschwerde als begründet.
1. Das Landgericht hat in seiner Entscheidung ausgeführt:
Sämtliche drei eingelegten Beschwerden seien zwar zulässig, jedoch nur zu einem geringen Teil begründet.
Die Betroffene sei derzeit geschäftsunfähig. Dies folge aus dem am 6.8.2008 erstatteten Gutachten des Sachverständigen L. Der Sachverständige sei der Kammer seit langem als erfahrener und kompetenter Gutachter bekannt. Sie schließe sich in kritischer Würdigung den Ausführungen in vollem Umfang an.
Dass die Betroffene derzeit nicht mehr geschäftsfähig sei, werde wohl auch von ihrem eigenen Verfahrensbevollmächtigten und den Beteiligten nicht bezweifelt.
Eine Betreuung sei jedoch nur hinsichtlich des Aufgabenkreises bezüglich des Pflichtteilsanspruchs des Beteiligten zu 2 erforderlich.
Zwar wäre eine Betreuung vollständig entbehrlich, wenn die am 30.8.2007 erteilte Vollmacht wirksam sei. Deren Wirksamkeit könne aber nicht zuverlässig festgestellt werden, wie der Sachverständige Dr. L. in seinem Gutachten ausgeführt habe. Von einer Vernehmung des beurkundenden Notars als Zeugen seien keine weiterführenden Erkenntnisse zu erwarten. Dieser werde erwartungsgemäß bestätigen, dass er die Betroffene im Beurkundungstermin für geschäftsfähig gehalten habe. Notaren fehle aber die psychiatrische Sachkunde zu einer abschließenden Beurteilung dieser Frage.
Nach Überzeugung der Kammer sei hingegen die Vollmacht vom 30.11.2006 wirksam.
Die Kammer lege zugrunde, dass die Betroffene zu diesem Zeitpunkt noch geschäftsfähig gewesen sei. Nach den Ausführungen des Sachverständigen - die in Übereinstimmung mit einem anderweitigen Gutachten vom 19.12.2007 stünden -, handle es sich bei der dementiellen Erkrankung der Betroffenen um einen langsam fortschreitenden Abbauprozess. Der Sachverständige habe nicht einmal mit letzter Sicherheit ausschließen können, dass die Betroffene bei Erteilung der späteren Vollmacht am 30.8.2007 noch geschäftsfähig gewesen sei. Die bestehenden erheblichen Zweifel sprächen zwar gegen die Eignung dieser späteren Vollmacht als Alternative zur Betreuung. Im Umkehrschluss seien aber überzeugende Gründe für die Annahme einer wirksamen Vollmachtserteilung am 30.11.2006 zu erkennen.
Damit sei die an diesem Tag von der Betroffenen zugunsten der beiden Beteiligten erteilte Vollmacht wirksam, mit der sie ihre Kinder zur gemeinschaftlichen Vertretung bestellt habe. Ebenso wirksam sei der in der Urkunde enthaltene Widerruf der beiden früheren Vollmachten vom 25.8.2006 und vom 23.11.2006. Es komme deshalb nicht darauf an, ob die beiden letztgenannten Vollmachten in der späteren Erklärung vom 30.8.2007 wirksam widerrufen worden seien.
Daher sei grundsätzlich die Anordnung einer Betreuung nicht erforderlich. Etwas anderes gelte nur für die Aufgabe "Pflichtteilsanspruch des Beteiligten zu 2", da dieser nicht zugleich bei der Wahrnehmung eigener Interessen sowie in Vertretung der Betroffenen tätig werden könne.
Für diesen Bereich sei die Beteiligte zu 2 als Betreuerin zu bestellen gewesen. In der notariellen Vollmacht vom 30.11.2006 sei der bindende Vorschlag enthalten, im Fall der Notwendigkeit einer Betreuung die Bevollmächtigten zu bestellen. Da der Beteiligte zu 2 denknotwendig als Betreuer ausscheide, sei die Beteiligte zu 1 einzusetzen gewesen. Zudem habe die Betroffene zuletzt gegenüber dem Sachverständigen L.
bekundet, dass ihre Tochter sie vertreten solle.
Anhaltspunkte für eine Ungeeignetheit der Beteiligten zu 1 seien den Akten nicht zu entnehmen. Sie habe notwendige Schritte zur Nachlassbewertung und Ermittlung der Höhe des Pflichtteilsanspruchs eingeleitet. Wenn der Beteiligte zu 2 damit nicht einverstanden sei, müsse er gegebenenfalls einen Anspruch gegen die Betroffene gerichtlich geltend zu machen.
Eine die Einsetzung der Beteiligten zu 1 zur Betreuerin hindernde Interessenkollision liege derzeit nicht vor. Allenfalls dann, wenn eigene Ansprüche der Beteiligten zu 1 in Betracht kämen, könne insoweit die Einsetzung eines familienfremden Betreuers erforderlich werden; dieser sollte dann im Hinblick auf die Komplexität der Materie ein Jurist sein.
Da selbst bei einer etwa notwendigen gerichtlichen Durchsetzung des Pflichtteilsanspruchs die Angelegenheit voraussichtlich in spätestens drei Jahren erledigt sein könne, sei die Frist zur Überprüfung der Betreuungsbedürftigkeit der Betroffenen entsprechend abzukürzen gewesen.
Eine persönliche Anhörung der Betroffenen sei im Hinblick auf ihre Vertretung durch einen Verfahrensbevollmächtigten entbehrlich gewesen.
Eine Kostenerstattung sei wegen des jeweils nur teilweisen Obsiegens bzw. Unterliegens der Beschwerdeführer des Verfahrens nicht veranlasst gewesen.
2. Das hält im Ergebnis rechtlicher Prüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) nicht stand.
a) Ein Betreuer darf nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist (§ 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB). Die Betreuung ist nach Satz 2 der Vorschrift u. a. nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen durch einen nicht von Gesetzes wegen ausgeschlossen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können.
b) Hier hatte die Betroffene der Beteiligten zu 1 am 30.8.2007 eine umfassende Vorsorgevollmacht erteilt, die grundsätzlich nach Inhalt und Reichweite zur Vermeidung einer Betreuung im Sinne von § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB geeignet war.
aa) Durchgreifende Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Vollmacht im Hinblick auf § 104 Nr. 2 BGB bestehen nach Auffassung des Senats - insoweit abweichend von der Einschätzung des Landgerichts - nicht.
(1) Geschäftsunfähig sind Volljährige, wenn sie sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befinden, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist (§ 104 Nr. 2 BGB). Der Betroffene muss danach an einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit leiden. Gleichgültig ist, unter welchen medizinischen Begriff die Störung fällt. § 104 Nr. 2 BGB umfasst nicht nur Geisteskrankheit, sondern auch Geistesschwäche (vgl.
RGZ 130, 71; RGZ 162, 228; BGH WM 1965, 895). Die krankhafte Störung darf nicht vorübergehender Natur sein. § 104 Nr. 2 BGB setzt einen Dauerzustand voraus. Die krankhafte Störung muss die freie Willensbestimmung ausschließen. Das ist der Fall, wenn der Betroffene nicht mehr in der Lage ist, seine Entscheidung von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen (vgl. RGZ 130, 71; BGH NJW 1970, 681; BGH FamRZ 1984, 1003; BayObLG NJW 1992, 2101). Bloße Willensschwäche oder leichte Beeinflussbarkeit genügen nicht, ebenso wenig das Unvermögen, die Tragweite der abgegebenen Willenserklärung zu erfassen (vgl. BGH NJW 1961, 261). Dagegen kann die übermäßig krankhafte Beherrschung durch den Willen anderer die Anwendung von § 104 Nr. 2 BGB rechtfertigen (vgl. RG JW 1938, 1590; OLG Düsseldorf FamRZ 1998, 1064).
Nach allgemeiner Auffassung ist bei einem Volljährigen die Geschäftsfähigkeit als Regel zu unterstellen. Ihr Fehlen ist die Ausnahme. Wer sich auf Geschäftsunfähigkeit beruft, hat daher ihre Voraussetzungen zu beweisen (BGH NJW 1972, 681; BayObLG Rpfleger 1982, 286; OLG Düsseldorf aaO.; Palandt/Ellenberger BGB 68. Aufl. § 104 Rn. 8).
(2) Dass die Betroffene aufgrund ihrer graduell fortschreitenden dementiellen Erkrankung, die sowohl die Sachverständige Dr. W. als auch Gutachter Dr. L festgestellt haben, zum Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer im November 2008 nicht mehr geschäftsfähig war, lässt für sich genommen keinen Rückschluss auf ihren geistigen Zustand zur Zeit der Erteilung der Vollmacht am 30.8.2007 zu.
(3) Der von der Kammer beauftragte Sachverständige Dr. L., ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, hat u.a. aufgrund einer ambulanten psychiatrischen Untersuchung der Betroffenen in seinem zeitnah hierzu erstatteten Gutachten vom 6.8.2008 als Schlussfolgerung ausgeführt:
"Aus Sicht des Unterzeichners spricht viel dafür, dass zum Zeitpunkt der Vorsorgevollmacht am 30.8.2007 bereits erhebliche hirnorganische Beeinträchtigungen vorgelegen haben. Allerdings kann nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden, dass Frau B. bei der Verfügung am 30.8.2007 noch zur freien Willensbestimmung in der Lage war. Geschäftsunfähigkeit der Betroffenen bei der Erteilung der Vorsorgevollmacht kann damit im Ergebnis noch nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden." (4) Der Senat misst ist in diesem Zusammenhang auch den sachverständigen Ausführungen der Medizinaloberrätin Dr. W. vom Gesundheitsamt R. erhebliche Bedeutung bei. Diese hatte die Betroffene am 3.12.2007 in deren Haus untersucht und anschließend zu den Fragen des Gerichts Stellung genommen. In ihrer Stellungnahme vom 19.12.2007 hatte sie zunächst über die Betroffene ausgeführt:
"Sie kann aufgrund der eingeschränkten freien Willensbildung keine von ihren Angelegenheiten selbst besorgen. Die Bestellung eines Betreuers für die Aufgabenkreise alle Angelegenheiten, einschließlich Erbschaftangelegenheiten und Angelegenheiten als Hauseigentümer, ist bei ihr erforderlich." In einer ergänzenden Stellungnahme vom 15.1.2008 teilte die Sachverständige - unter Hinweis auf die Schwierigkeit einer rückschauenden Beurteilung geistiger Funktionen aufgrund einer aktuellen Untersuchung - mit:
"Legt man das Krankheitsbild vom 3.12.2007 zu Grunde, so war die Betroffene am 30.8.2007 geistig in der Lage, ihren Willen bezüglich der Grundsatzentscheidungen - alle bis dahin erteilten Vollmachten zu widerrufen und eine neue Vollmacht zu Gunsten der Tochter auszustellen - frei zu treffen. Sie war nicht in der Lage, die Einzelvereinbarungen und ihre Hintergründe für die Vermögens- und die persönlichen Angelegenheiten, wie in der Vollmacht vom 30.8.2007 ausgeführt, vollständig zu erfassen und hinreichend zu beurteilen. Das trifft insbesondere die Einwilligung in Aufenthaltsbestimmung, Unterbringung und Freiheitsentziehung.
Es sei denn, sie wurde über den Inhalt detailliert, mit sämtlichen Folgen und in einer für sie verständlichen Weise aufgeklärt." Der Senat verkennt bei Würdigung dieser beiden Stellungnahmen der Sachverständigen Dr. W. nicht, dass sie aufgrund ihrer Kürze eher einem ärztlichen Zeugnis angenähert sind und überdies auf den ersten Blick auch nicht frei von einer gewissen argumentativen Widersprüchlichkeit zu sein scheinen. Unterstellt man die Richtigkeit der zuletzt getroffenen Wertung, dass das Krankheitsbild vom 3.12.2007 bei rückschauender Übertragung auf die Situation vom 30.8.2007 jedenfalls im Grundsatz einer freien Willensbildung hinsichtlich der Erteilung von Vollmachten und ihres Widerrufs nicht entgegenstand, mag es überraschen, dass die Sachverständige in ihrer vorherigen Stellungnahme gleichwohl eine Betreuung für alle Angelegenheiten für erforderlich hielt.
Entscheidend ist aber, dass die Sachverständige ebenso wie der Gutachter Dr. L. jedenfalls nicht zum Ergebnis kam, dass die Betroffene mit Sicherheit am 30.8.2007 geschäftsunfähig war.
(5) Die Einschätzung, dass nicht zwingend die Wirksamkeit der an jenem Tag erteilten Vollmacht zu verneinen sei, wird nach Auffassung des Senats auch durch folgende Erwägungen gestützt:
Maßgebendes Kriterium für die Geschäftsunfähigkeit ist nach der bereits oben unter 2. b aa (1) zitierten Rechtsprechung, dass die krankhafte Störung die freie Willensbestimmung ausschließt, der Betroffene also nicht mehr in der Lage ist, seine Entscheidung von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen (vgl. RGZ 130, 71; BGH NJW 1970, 681; BGH FamRZ 1984, 1003; BayObLG NJW 1992, 2101). Nicht einmal das Unvermögen, die Tragweite der abgegebenen Willenserklärung zu erfassen, rechtfertigt für sich genommen die Annahme der Voraussetzungen des § 104 Nr. 2 BGB (vgl. BGH NJW 1961, 261).
Hier hatte die Betroffene zu Zeiten, als ihre Fähigkeit zur freien Willensentschließung noch außer jedem Zweifel stand, bereits dreimal innerhalb eines Vierteljahres denselben Notar aufgesucht, um Vollmachten - wenngleich wechselnden Inhalts - zugunsten der Beteiligten 1 bzw. 2 zu erteilen. Es ist daher zu unterstellen, dass der Betroffenen die grundsätzliche Bedeutung einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht - nicht zuletzt aufgrund der pflichtgemäß erteilten Belehrungen des Notars - bekannt war. Es ist kein überzeugender Grund ersichtlich für die Annahme, dass dieses Wissen und das Bewusstsein der mit einer solchen Erklärung im Grundsatz verbundenen Rechtsfolgen bei der Betroffenen am 30.8.2007 nicht mehr vorhanden waren. Das gilt jedenfalls vor dem Hintergrund der Ausführungen der Sachverständigen Dr. W., deren Untersuchung wesentlich näher an dem maßgebenden Datum lag als die erst neun Monate später gestellte Diagnose des Gutachters Dr. L.
Die Betroffene hat die Vollmacht vom 30.8.2007 ihrer Tochter erteilt. In der zuvor beurkundeten Vollmacht vom 30.11.2006 war diese ebenfalls bereits als gewillkürte Vertreterin bestellt worden, wenngleich noch gemeinschaftlich mit dem Beteiligten zu 2.
Der Wunsch, ausschließlich von ihrer Tochter vertreten zu werden, war durch ein nachvollziehbares Motiv erklärbar, nämlich die vorangegangene Verärgerung über die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen durch den Beteiligten zu 2. Ob diese Verärgerung objektiv berechtigt war, nachdem die Beteiligte zu 1 unstrittig sich bereits ihre Pflichtteilsansprüche hat abgelten lassen, mag dahinstehen. Jedenfalls ist dies ein Indiz dafür, dass ihr Entschluss zu einer erneuten Änderung der Bevollmächtigung nicht etwa auf eine übermächtige Beeinflussung durch Dritte zurückgeführt werden konnte.
Damit sprechen aber gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass der Betroffenen - unbeschadet ihrer nachträglich nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbaren geistigen Verfassung - am 30.8 2007 im Grundsatz bewusst war, der Beteiligten zu 1 erneut eine rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht zu übertragen und dies nicht auf einer Fremdsteuerung ihres Willens beruhte. Dies stützt nach Auffassung des Senats die Annahme der insoweit hinreichenden Geschäftsfähigkeit der Betroffenen als Voraussetzung einer wirksamen erteilten Vollmacht.
Es mag sein, dass die Betroffene entsprechend der Vermutung der Sachverständigen Dr. W. von sich aus nicht alle Einzelheiten der Vollmachtsurkunde verstanden haben mag. Allerdings hat die Medizinaloberrätin selbst eingeschränkt, dass dies von einer für sie nachvollziehbaren Erläuterung abhing. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es zu wesentlichen Aufgaben des Notars im Rahmen von § 17 Abs. 1 BeurkG gehört, den Inhalt verlesener Urkunden auch nach Möglichkeit entsprechend der Verständnisfähigkeit eines Beteiligten zu erläutern. Der beurkundende Notar kannte die Betroffene bereits von drei innerhalb kurzer Zeit vorausgegangenen Terminen, die jeweils Vollmachtsangelegenheiten zum Gegenstand hatten.
Es spricht deshalb die Lebenserfahrung dafür und sind keine triftigen Gegengründe ersichtlich, dass die Betroffene zumindest in den wesentlichen Grundzügen verstanden hatte, welche Befugnisse sie ihrer Tochter als bewusst ausgewählter Vertrauensperson mit der erteilten Vollmacht einräumte.
Nach Auffassung des Senats muss das jedenfalls unter den hier gegebenen besonderen Umständen genügen, um die Wirksamkeit der Vollmacht zugrunde zu legen.
Es wäre überzogen, als Ausweis hinreichender kognitiver Fähigkeiten - im Sinne einer notwendigen Basis der Geschäftsfähigkeit - den Nachweis zu verlangen, dass die Betroffene am 30.8.2007 tatsächlich jede Einzelheit der Urkunde bzw. der hierauf bezogenen Erläuterungen des Notars verstanden hatte. Dies wird von der oben angeführten Definition der Geschäftsunfähigkeit nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht vorausgesetzt. Würde man im Übrigen diese Anforderung allgemein im Rechtsverkehr auch bei sonstigen Beteiligten ohne juristische Ausbildung stellen, wäre wohl ein zahlenmäßig nicht ganz unbedeutender Anteil aller notariellen Beurkundungen dem Verdacht der Unwirksamkeit ausgesetzt.
(6) Die Erwägung, dass eine Vollmacht auch dann wirksam sein kann, wenn sich der Vollmachtgeber ohne ersichtliche fremde Willensbeeinflussung und im grundsätzlichen Bewusstsein der Folgen einer rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht zu einer entsprechenden Beurkundung entschließt, selbst wenn er nicht sämtliche Einzelheiten der rechtssprachlich formulierten Erklärung von sich aus und ohne Erläuterung intellektuell nachvollziehen kann, wird schließlich auch durch folgendes Argument getragen:
Die zivilrechtliche Dogmatik kennt eine partielle Geschäftsfähigkeit, in deren Rahmen ein im Übrigen Geschäftsunfähiger trotz allgemeiner Störung seiner Geistestätigkeit in zumindest einzelnen Lebensbereichen in der Lage ist, seinen Willen frei und unbeeinflusst von der vorliegenden Störung zu bilden und nach der auf diese Weise zutreffend gewonnenen Einsicht zu handeln (vgl. z.B. Wendtland in Beck'scher Online-Kommentar - Hrsg: Bamberger/Roth - Stand: 01.05.2009 - § 104 BGB Rn.11).
Entschieden wurde dies beispielsweise für die Eheschließung gemäß § 1304 BGB (vgl. BayObLGZ 1996, 100 = FamRZ 1997, 294; BVerfG NJW 2003, 1382). Es liegt dann nicht fern, in Übertragung dieses Gedankens auf das Gebiet der Vertretung und Vollmacht die Wirksamkeit einer Bevollmächtigung auch dann zu bejahen, wenn keine Zweifel bestehen, dass der Vollmachtgeber das Wesen seiner Erklärung begriffen hat und diese in Ausübung freier Willensentschließung abgibt, sollte auch seine Geschäftsfähigkeit im allgemeinen Rechtsverkehr nicht mehr gesichert sein.
Hierbei sollte auch bedacht werden, dass die Regeln über die Geschäftsfähigkeit vorrangig dem Schutz der Betroffenen dienen. Die Rechtsfolge der Unwirksamkeit einer Erklärung, die sie in dem in § 104 Nr. 2 BGB beschriebenen Zustand abgegeben oder entgegengenommen haben (vgl. § 105 Abs. 1, § 131 Abs. 1 BGB), soll sie vor Rechtsnachteilen bewahren. Derartige Nachteile sind aber nicht zu befürchten, wenn jemand eine Vertrauensperson bevollmächtigt und hierbei im grundsätzlichen Bewusstsein der Rechtsfolgen der rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht handelt.
Nach Auffassung des Senats ist ein derartiger Beurteilungsmaßstab auch geeignet, die vom Gesetzgeber in zahlreichen Vorschriften aus gutem Grund ermöglichte und begünstigte private Rechtsvorsorge zu stärken (z.B. § 1896 Abs. 2 Satz 2, § 1901a; § 1908f Abs. 1 Nr. 2a BGB; § 68 Abs. 1 Satz 3 FGG; § 4 und § 6 Abs. 1 Satz 2 BtBG).
Denn eine von Gesetzes wegen nicht gebotene restriktive Beurteilung, die die Wirksamkeit einer erteilten Vollmacht schon dann verneinen würde, wenn die Geschäftsfähigkeit im umfassenden Sinne nicht mehr gegeben ist, wäre insoweit in manchen Fällen kontraproduktiv. Sie könnte vereiteln, dass eine von dem Betroffenen ausgewählte Vertrauensperson, die er aus freiem Willen und im grundsätzlichen Bewusstsein der Rechtsfolgen hiermit beauftragt hat, ihn in diesem Sinne wirksam zu vertreten vermag.
(7) Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass diese Erwägungen nur dann zum Tragen kommen können, wenn die zuvor mehrfach betonte Voraussetzung des Bewusstseins von der Bedeutung einer Vollmacht im Einzelfall und der vorausgegangene freie Willensentschluss zu ihrer Erteilung keinem begründeten Zweifel unterliegt.
Dann können leichtere kognitive Defizite, die für sich genommen im allgemeinen Rechtsverkehr die Betonung des Schutzgedankens in den Vordergrund rücken mögen, von geringerem Gewicht sein.
(8) Nach alldem legt der Senat zugrunde, dass nicht nur eine etwaige Geschäftsunfähigkeit der Betroffenen am 30.8.2007 keineswegs nachgewiesen ist. Vielmehr sprechen in der Gesamtschau aller maßgebenden Gesichtspunkte und im Lichte des dargelegten Prüfungsmaßstabs überwiegende Gründe dafür, die Geschäftsfähigkeit der Betroffenen - und damit den ohnehin vom Gesetz unterstellten Regelfall - jedenfalls für die Erteilung der konkret zugunsten der Beteiligten zu 1 erklärten Vollmacht zu bejahen.
bb) Das Landgericht hat zwar diese Frage letztlich offen gelassen, sich aber unter Hinweis auf BayObLG FamRZ 1994, 720 darauf berufen, dass bei Zweifeln an der Wirksamkeit einer Vollmacht diese nicht geeignet sei, eine Betreuung zu vermeiden.
Zwar trifft zu, dass der seinerzeit zuständige 3. Senat des BayObLG in einem Beschluss vom 25.11.1993 aaO. in einem kurzen Hinweis für das weitere Verfahren angemerkt hat: "Die dem jetzigen Betreuer bereits vor mehreren Jahren durch den Betroffenen erteilte Vollmacht steht Entscheidungen nach §§ 1896, 1903 BGB schon deshalb nicht entgegen, weil die Wirksamkeit der seinerzeitigen Vollmachtserteilung nach Auffassung der beiden gerichtlichen Sachverständigen nicht zuverlässig festgestellt werden könne". Dies kann aber jedenfalls unter den Besonderheiten des vorliegenden Falles nicht uneingeschränkt Geltung beanspruchen.
(1) Eine derartige Einschätzung wird im Einzelfall allerdings dann die Vollmacht als gleich geeignete Alternative zur Betreuung ausschließen, wenn absehbar ist, dass der Bevollmächtigte im Rechtsverkehr erhebliche Schwierigkeiten haben wird, die Wirksamkeit der Vollmacht gegenüber mit guten Gründen zu erwartenden Zweifeln Dritter geltend zu machen. Dies wird vor allem in Betracht kommen, wenn es sich um eine privatschriftliche Vollmacht handelt und die Verkehrskreise, denen gegenüber von der Urkunde Gebrauch gemacht werden soll (z.B. Banken, Ärzte, Heimpersonal) aus eigener Kenntnis der gesundheitlichen Entwicklung des Vollmachtgebers substantiierte Bedenken anmelden könnten, ob der Vollmachtgeber zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Urkunde noch die hierfür maßgebenden Anforderungen an die Geschäftsfähigkeit erfüllte. Es liegt auf der Hand, dass es gegen die objektive Eignung einer solchen Vollmacht spricht, wenn der Bevollmächtigte in wesentlichen Handlungsbereichen auf Akzeptanzprobleme bei den in Betracht kommenden Erklärungs- und Geschäftsgegnern stößt.
(2) Auch wenn eine notariell erteilte Vollmacht keineswegs eine Gewähr dafür bietet, dass die Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers über jeden Zweifel erhaben ist, besteht insoweit doch ein Vertrauensvorsprung für den Rechtsverkehr im Vergleich zu einer bloßen privatschriftlich erstellten Urkunde. Jedenfalls dann, wenn nach Abwägung aller Umstände nicht zu erwarten ist, dass die im konkreten Fall beteiligten Verkehrskreise der erteilten Vollmacht mit überwiegender Skepsis begegnen werden, sollten bloße Zweifel im Sinne einer Nichtaufklärbarkeit der Geschäftsfähigkeit nicht zum Ausschluss der Eignung dieser Vollmacht als betreuungsvermeidende Alternative führen können. Das gilt umso mehr, wenn anzunehmen ist, dass die vorliegenden Gutachten möglicherweise einen weit gefassten und undifferenzierten Begriff der Geschäftsfähigkeit ohne Berücksichtigung ihrer Besonderheiten bei der Bevollmächtigung zugrunde gelegt haben.
(3) Hierbei sollte auch folgendes bedacht werden: Der legitime Wunsch, durch Bevollmächtigung Rechtsvorsorge zu treffen, könnte möglicherweise allzu leicht von interessierten Dritten unterlaufen werden, wenn diese im Bedarfsfall den Gebrauch der Vollmacht erschweren, indem sie gezielt den Verdacht verbreiten, die Vollmacht sei möglicherweise im Hinblick auf § 104 Nr. 2 BGB unwirksam. Auch dies spricht dafür, die Annahme einer fehlenden Eignung der Vollmacht nicht bei jedweden Zweifeln an der Geschäftsfähigkeit schematisch zu bejahen, sondern unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles näher zu prüfen.
(4) Die Schlussfolgerung des Landgerichts lässt nicht nur die insoweit erforderliche Differenzierung vermissen. Sie begegnet auch in einer weiteren Hinsicht Bedenken.
Wenn nicht zweifelsfrei feststeht, dass die zuletzt erteilte Vollmacht unwirksam ist, sondern beide Gutachter mit einem unterschiedlichen Grad an Gewissheit nicht ausschließen konnten, dass die Betroffene zum Zeitpunkt ihrer Erteilung noch geschäftsfähig war, überzeugt es nicht, stattdessen die zuvor erteilte und für sich genommen keinen Wirksamkeitszweifeln ausgesetzte Bevollmächtigung für maßgebend zu halten.
Denn immerhin könnte der Gebrauch dieser zeitlich früheren Vollmacht wiederum belastet sein durch einen fortdauernden Streit mit dem später Bevollmächtigten, der womöglich darauf beharrt, seine Vertretungsmacht sei maßgebend, nachdem nicht zweifelsfrei feststehe, dass der Vollmachtgeber zum Zeitpunkt der späteren Beurkundung geschäftsunfähig gewesen sei. Es ist unschwer vorstellbar, welche Konflikte für den Rechtsverkehr entstehen können, wenn sich Geschäftsgegner mit zwei Vollmachtsprätendenten konfrontiert sehen, welche jeweils unterschiedliche Erklärungen abgeben, ohne dass die jeweiligen Adressaten hinreichend sicher einschätzen können, welche der beiden Vollmachten letztlich maßgebend ist.
Nimmt man die mögliche Verunsicherung des Rechtsverkehrs zum Maßstab der Eignung, wäre in dieser Konstellation auch die zuerst erteilte Vollmacht nicht geeignet, die Betreuung zu vermeiden.
c) Somit ist im Ergebnis eine wirksame Bevollmächtigung der Beteiligten zu 1 durch die Erklärung der Betroffenen vom 30.8.2007 anzunehmen. Dies folgt aufgrund der oben dargelegten Erwägungen bereits daraus, dass keiner der beiden Sachverständigen die - offenbar von ihnen in einem weiten Sinne verstandene - Geschäftsunfähigkeit der Betroffenen zu diesem Zeitpunkt positiv festgestellt hat. Bekräftigt wird diese Schlussfolgerung auch dadurch, dass nach Auffassung des Senats hier selbst dann, wenn bei der Betroffenen an diesem Tag bereits ein fortgeschrittener Hirnabbauprozess vorgelegen haben sollte, unter Würdigung aller Umstände nicht gefolgert werden kann, dass ihre Fähigkeit zur freien Willensentschließung bezüglich der Bevollmächtigung ihrer Tochter als Vertrauensperson und das Bewusstsein der hiermit verbundenen Rechtsfolgen entscheidend beeinträchtigt war.
Die damit für wirksam zu haltende Vollmacht ist auch als Alternative zur Betreuung im Sinne von § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB geeignet. Dies kann nicht allein mit dem nicht näher substantiierten Hinweis auf allgemeine Zweifel an der Wirksamkeit in Abrede gestellt werden. Im Übrigen könnte dann in der hier vorliegenden Konstellation zweier unterschiedlicher Vollmachten nicht ohne weiteres die früher errichtete für wirksam gehalten werden.
Schließlich ergeben sich auch keine Bedenken gegen die Geeignetheit der Beteiligten zu 1 als Bevollmächtigte allein aus der finanziellen Interessenlage. Soweit der Beteiligte zu 2 befürchtet, seine Schwester werde die Durchsetzung seiner Pflichtteilsansprüche gegen die Betroffene erschweren, mag dies zu einem Konflikt zwischen ihr und ihm führen, jedoch nicht zu einer Beeinträchtigung ihrer Interessenwahrnehmung für die Betroffene selbst. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Betroffene offensichtlich in Kenntnis der beabsichtigten Geltendmachung dieser Pflichtteilsansprüche durch ihren Sohn eine gewillkürte Vertretung durch die Beteiligte zu 1 wünschte.
Ein Eignungsmangel wäre allenfalls dann denkbar, wenn gewichtige Anhaltspunkte dafür erkennbar wären, dass die Beteiligte zu 1 zuvor bei der Abgeltung ihrer eigenen erbrechtlichen Ansprüche in rechtswidriger Weise gegen die Interessen der Betroffenen gehandelt hätte, so dass dieser nunmehr Schadensersatzansprüche zustünden, deren Durchsetzung durch die alleinige Bevollmächtigung der Beteiligten zu 1 vereitelt würden. Derartige Anhaltspunkte sind aber nicht erkennbar.
Aus diesem Grund war der weiteren Anschlussbeschwerde der Betroffenen stattzugeben und die Beschwerde des Beteiligten zu 2 zurückzuweisen.
3. Der Senat sieht angesichts der Gesamtumstände von einer Auslagenentscheidung nach § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG ab, da eine solche nicht der Billigkeit entspricht.
4. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde beruht auf § 30 Abs. 2 und 3, § 131 Abs. 2 KostO.
Ende der Entscheidung
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