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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 06.04.2005
Aktenzeichen: 33 Wx 32/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1896
Hindert eine psychische Erkrankung rechtlich nicht die Besorgung eigener Angelegenheiten des Betroffenen, auch durch Beauftragung und Bevollmächtigung Dritter, kann ihm grundsätzlich kein Betreuer bestellt werden, selbst wenn er dies beantragt (hier: für die Abwicklung einer Rechtsanwaltskanzlei). Der Erforderlichkeitsgrundsatz des Betreuungsrechts dient auch dem öffentlichen Interesse an der Vermeidung unnötiger Betreuungen.
Gründe:

I.

Auf Anregung des Vollstreckungsgerichts leitete das Vormundschaftsgericht im Mai 2004 ein Verfahren mit dem Ziel ein, die Betreuungsbedürftigkeit des Betroffenen zu überprüfen. Mit Beschluss vom 15.9.2004 stellte es das Verfahren ein und lehnte die Bestellung eines Betreuers ab. Die Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht mit Beschluss vom 12.1.2005 zurückgewiesen. Hiergegen legte der Betroffene am 3.2.2005 weitere Beschwerde ein, die auf Bestellung eines Betreuers mit dem Wirkungskreis "Angelegenheiten der ehemaligen Rechtsanwaltstätigkeit und damit verbundene Auseinandersetzungen und Rechtsstreitigkeiten" gerichtet ist. Gleichzeitig hat der Betroffene Prozesskostenhilfe beantragt.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:

Die Voraussetzungen des § 1896 Abs.1 BGB lägen nicht vor, da die bei dem Betroffenen mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmende sog. "schizophrenia simplex" weder die freie Willensbestimmung ausschließe noch den Betroffenen daran hindere, seine Angelegenheiten selbst zu regeln. Dieser Befund ergebe sich aus dem Gutachten des Landgerichtsarztes, der dem Beschwerdegericht seit Jahren als zuverlässiger psychiatrischer Sachverständiger bekannt sei. Die Kammer habe keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Ausführungen, die sich mit der Krankheitsgeschichte des Betroffenen und den bisher eingeholten Gutachten, die zu unterschiedlichen Ergebnissen hinsichtlich der Geschäfts- und Prozessfähigkeit des Betroffenen gekommen seien, ausführlich auseinandergesetzt habe. Die Begutachtung durch einen weiteren Sachverständigen, die der Betroffene wünschte, hat das Landgericht abgelehnt, da dieser keine konkreten Einwendungen gegen den Inhalt des vorliegenden Gutachtens vorgebracht habe. Allein der Umstand, dass er mit einem Teilergebnis des Gutachtens nicht einverstanden sei, rechtfertige nicht die Einholung eines weiteren Gutachtens.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung (§ 27 Abs.1 FGG, § 546 ZPO) stand.

a) Für einen Volljährigen muss ein Betreuer bestellt werden, wenn er aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann, und zwar auch nicht durch einen Bevollmächtigten (§ 1896 Abs.1 Satz 1, Abs.2 BGB). Es genügt also nicht die Feststellung einer der im Gesetz genannten gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Vielmehr muss diese auch konkret festzustellende Auswirkungen auf die Handlungsfähigkeit des Betroffenen bei der Wahrnehmung seiner eigenen Angelegenheiten haben (MünchKomm/Schwab BGB 4.Aufl. Rn.20; Soergel/Zimmermann BGB 13.Aufl. Rn.18; Knittel BtG Rn.6, jeweils zu § 1896 BGB).

Ist diese nicht beeinträchtigt, besteht ein Betreuungsbedürfnis nicht schon dort, wo auch ein gesunder Volljähriger sich der Hilfe eines anderen (Rechtsanwalt, Steuerberater usw.) bedienen würde oder müsste. Nur wenn der Betroffene psychisch außer Stande ist, solche Hilfe von sich aus in Anspruch zu nehmen oder sogar die Notwendigkeit der Inanspruchnahme zu erkennen, kommt die Anordnung einer Betreuung in Betracht (vgl. BayObLG NJWE-FER 2001, 151; OLG Zweibrücken BtPrax 2004, 155 m.w.N.). Fehlt diese Voraussetzung, darf eine rechtliche Betreuung im Regelfall auch nicht auf Antrag des Betroffenen errichtet werden (OLG Zweibrücken a.a.O. m.w.N.). Denn der Grundsatz der Erforderlichkeit der Betreuung dient auch dem öffentlichen Interesse daran, erkennbar unnötige Betreuungen zu vermeiden (OLG Zweibrücken a.a.O.; OLG Köln FamRZ 1996, 249; OLG Hamm FamRZ 2001, 870; Soergel/Zimmermann § 1896 Rn.75).

Allerdings wird auch die Auffassung vertreten, dass sich das Prinzip der Erforderlichkeit, welches auch den Nachrang der Betreuung gegenüber einer Bevollmächtigung einschließt, nicht gegen den Betroffenen wenden dürfe; ihm könne nicht der Schutz des Betreuungsrechts durch eine Obliegenheit zur Erteilung von Vollmachten versagt werden (MünchKomm/Schwab § 1896 Rn.58). In Einzelfällen mag der Betroffene tatsächlich ein berechtigtes Interesse daran haben, einen Betreuer zu erhalten, statt auf die Beauftragung und Bevollmächtigung eines Dritten verwiesen zu werden, etwa bei Fehlen vertrauenswürdiger Bezugspersonen für die Wahrnehmung persönlicher Angelegenheiten oder bei mangelnder Fähigkeit zur notwendigen Überwachung des Betroffenen (vgl. hierzu OLG Hamm a.a.O.). Jedoch darf auch unter dem Gesichtspunkt der Schutzwürdigkeit des Betroffenen eine Bevollmächtigung nicht aus sachfremden Erwägungen abgelehnt werden, etwa um durch Bestellung eines Betreuers Kosten bei einer Vermögensverwaltung zu sparen (Knittel § 1896 Rn.21). Dasselbe hat zu gelten, wenn ein Betroffener mit Rechtsangelegenheiten konfrontiert ist, die er durch Beauftragung von (Verfahrens-)Bevollmächtigten, bei Mittellosigkeit gegebenenfalls unter Bewilligung von Prozesskostenhilfe, wahrnehmen lassen kann. Ihm ist nicht freigestellt, ohne zwingende Gründe hierfür stattdessen eine Betreuung für sich zu erwirken.

b) Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers danach nicht gegeben sind.

Zwar ist nach dem Gutachten des Landgerichtsarztes Dr. H. von einer psychischen Erkrankung des Betroffenen, nämlich einer sog. schizophrenia simplex, auszugehen. Jedoch beeinträchtigt diese nach den Darlegungen des Sachverständigen weder die Willensbestimmungsfreiheit noch die Prozess- und Geschäftsfähigkeit des Betroffenen oder seine tatsächliche Fähigkeit, seine Angelegenheiten selbst zu besorgen.

Die Würdigung von Sachverständigengutachten ist Sache der freien tatrichterlichen Beweiswürdigung und vom Rechtsbeschwerdegericht nur dahin nachprüfbar, ob der Tatrichter den maßgebenden Sachverhalt ausreichend erforscht (§ 12 FGG) und bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat (§ 27 FGG), ob seine Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungsgrundsätze verstößt, ferner ob die Beweisanforderungen vernachlässigt oder überspannt worden sind (vgl. BayObLG FamRZ 1994, 1617/1618; Senatsentscheidung vom 16.2.2005 - 33 Wx 006/05). Eine eigene Beweiswürdigung ist dem Rechtsbeschwerdegericht verwehrt; der vom Tatrichter gezogene Schluss muss lediglich rechtlich möglich, nicht aber zwingend sein (vgl. Keidel/Meyer-Holz FGG 15.Aufl. § 27 Rn.43).

Anhaltspunkte für Rechtsfehler des Beschwerdegerichts sind nicht insoweit ersichtlich. Die Ausführungen des Gutachters, der als Arzt für Psychiatrie über ausgewiesene Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, beruhen auf einer eingehenden persönlichen Untersuchung des Betroffenen und sind schlüssig und widerspruchsfrei. Soweit der Betroffene versucht, seine eigene Würdigung an die Stelle des Beschwerdegerichts zu setzen, kann er damit nicht gehört werden.

Das Beschwerdegericht hat deshalb ohne Rechtsfehler die Geschäfts- und Prozessfähigkeit sowie die tatsächliche Kompetenz des Betroffenen zur Wahrnehmung seiner eigenen Angelegenheiten bejaht und die Bestellung eines Betreuers damit zu Recht abgelehnt.

Der Umstand, dass die Abwicklung seiner Rechtsanwaltstätigkeit und die Führung der damit verbundenen Prozesse für den Betroffenen mühsam sind und er sich subjektiv dadurch überfordert fühlt, genügt für die Bestellung eines Betreuers nicht. Insoweit gilt für psychisch Kranke, bei denen die sonstigen Voraussetzungen des § 1896 Abs.1, Abs.2 BGB fehlen, nichts anderes als für psychisch Gesunde.

Im Übrigen zeigt der Ablauf des Betreuungsverfahrens, dass der Betroffene durchaus in der Lage ist, seine Interessen wahrzunehmen. Im Vordergrund steht sein Bemühen, eine für ihn kostenlose Abwicklung seiner Rechtsanwaltsgeschäfte und Erledigung der ihn betreffenden Prozesse zu erreichen. Solange er diese Möglichkeit durch einen von der Anwaltskammer zu bestellenden Kanzleiabwickler gegeben sah, lehnte er die Anordnung einer Betreuung nachdrücklich ab. Erst als sich herausstellte, dass die Besorgung seiner Angelegenheiten auf diesem Wege nicht zu erreichen ist, verfolgte er die Bestellung eines Betreuers für diese Angelegenheiten im Rechtsmittelwege.

3. Die Ablehnung der Prozesskostenhilfe beruht auf § 14 FGG i.V.m. § 114 ZPO, da das Rechtsmittel keine hinreichende Erfolgsaussicht hat.

4. Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 131 Abs.2, § 30 Abs.3 Satz 1, Abs.2 KostO.

Ende der Entscheidung

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