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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 22.02.2008
Aktenzeichen: 33 Wx 34/08
Rechtsgebiete: BGB, VBVG


Vorschriften:

BGB § 1835 Abs. 3
VBVG § 5
1. Auch umfangreiche Vermögensverwaltungen im Rahmen der Vermögenssorge des Betreuers sind grundsätzlich von den Stundenansätzen des § 5 VBVG gedeckt.

2. Nimmt eine solche Vermögensverwaltung ein Ausmaß an, dass ihre Wahrnehmung durch den Betreuer billigerweise nicht mehr im Rahmen dieser Vergütung erwartet werden darf, kann der Betreuer Teile dieser Aufgabe gegen Vergütung auf Dritte (Rechtsanwälte, Steuerberater usw.) übertragen oder gegebenenfalls selbst unter Beteiligung eines zu bestellenden Ergänzungsbetreuers eine Vereinbarung hierüber mit dem Betroffenen schließen.

3. Die Abrechnung als Aufwendung im Sinne von § 1835 Abs. 3 BGB nach Honorarordnungen für Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn der Betreuer nicht einer dieser Berufsgruppen zugehörig ist.


Gründe:

I.

Für den vermögenden Betroffenen, der nicht in einem Heim lebte, hat das Amtsgericht am 7.4.2006 eine vorläufige Betreuung zur Kontrolle von Vollmachten eingerichtet mit dem Aufgabenkreis "Geltendmachung von Rechten des Vollmachtgebers gegenüber seinem Bevollmächtigten". Am 6.9.2006 hat es unter Aufhebung der Kontrollbetreuung eine andere berufsmäßige Betreuerin bestellt für die Aufgabenkreise "Aufenthaltsbestimmung; Gesundheitsfürsorge; Vermögenssorge; Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern; Organisation der ambulanten Versorgung; Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post im Aufgabenkreis". Die Betreuung endete mit dem Tod des Betroffenen am 23.12.2006.

Für die Zeit vom 7.9.2006 bis 6.12.2006 beantragte die Betreuerin unter Beifügung einer Einzelaufstellung eine Vergütung und einen Ersatz von Aufwendungen in Höhe von insgesamt 12.437,87 EUR für eine Tätigkeit von 104 Stunden und 22 Minuten zu je 100 EUR. Für die Zeit vom 7.12.2006 bis 16.3.2007 hat sie ohne nähere Begründung und Aufstellung 4.337,79 EUR für eine Betreuungstätigkeit von 35 Stunden und 56 Minuten einschließlich angefallener Aufwendungen verlangt.

Am 7.5.2007 hat das Amtsgericht eine Vergütung für die Betreuerin gegen den Nachlass des Betroffenen in Höhe von 994,40 EUR festgesetzt und den Antrag im Übrigen zurückgewiesen.

Auf die sofortige Beschwerde der Betreuerin hat das Landgericht am 15.1.2008 neben der vom Amtsgericht festgesetzten Vergütung eine Aufwandsentschädigung von 7.854,32 EUR gegen den Nachlass des Betroffenen festgesetzt und die sofortige weitere Beschwerde zugelassen.

Gegen diesen Beschluss wenden sich die Beteiligten, die gemeinsam mit ihrer Schwester Erben nach dem Betroffenen sind, mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde, mit der sie die Wiederherstellung der Entscheidung des Amtsgerichts anstreben.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:

Die Betreuerin sei vom Vormundschaftsgericht als geeignet ausgewählt worden, weil sie über ihre Ausbildung als Dipl.-Betriebswirtin hinaus Berufserfahrung als Vermögensberaterin bei einer Bank habe. Das Vermögen des Betroffenen habe aus breit gestreuten Immobilien, Firmenbeteiligungen und zahllosen Konten im In- und Ausland bestanden. Die erforderliche Vermögensaufstellung sei dadurch erschwert gewesen, dass nicht nur Positionen zu erfassen und zusammenzustellen gewesen seien, sondern zahllose Vorgänge nur mühsam aufzuklären gewesen seien, weil Beteiligte zu Lasten des Vermögens des Betroffenen Verfügungen in ihrem Eigeninteresse getroffen hätten, weswegen auch mindestens ein umfangreiches Ermittlungsverfahren anhängig sei.

Die Betreuerin habe einen unbestrittenen Zeitaufwand von insgesamt gut 140 Stunden gehabt. Hinzu kämen noch Auslagen für Kopien, Porto, Telefon, Fahrtkosten und dergleichen in Höhe von netto 379,36 EUR, die nach dem VBVG ebenfalls nicht erstattet würden. Eine Vermögenshaftpflichtversicherung von nur 2,5 Millionen Euro - ca. 1/4 des Haftungsrisikos der Betreuerin - koste bereits jährlich 2.179,30 EUR, die in Anwendung des VBVG ebenfalls nicht erstattungsfähig wäre.

Die Kammer gehe davon aus, dass der Betreuerin dem Grunde nach ein Aufwendungsersatz nach § 1835 Abs. 3 BGB zustehe, den sie neben der Betreuervergütung geltend machen könne. Als Betriebswirtin mit Berufserfahrung als Vermögensberaterin bei einer Bank verfüge sie über Kenntnisse und Erfahrungen, die andere Berufsbetreuer der höchsten Vergütungsstufe wie etwa Sozialpädagogen oder Rechtsanwälte nicht haben und die dem Betroffenen unmittelbar zugute gekommen seien. Ein anderer Berufsbetreuer hätte sich daher der Hilfe eines Wirtschaftsprüfers oder Steuerberaters bedienen müssen.

Problematisch sei die Abgrenzung des von der Vergütung erfassten und des gesondert abzurechnenden Betreuungsaufwands. Einerseits sei zu berücksichtigen, dass die Pauschalvergütung des VBVG sich auf sämtliche Aufgabenkreise beziehe, der tatsächlich erbrachte Aufwand sich aber nur auf die Vermögenssorge bezogen habe. Die Pauschalierung des VBVG umfasse auch Fälle mit erheblichem Zeitaufwand. Andererseits hätte ein Betreuer, der nicht über die berufliche Qualifikation der Betreuerin verfüge, dem zugezogenen Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater zuarbeiten müssen. Diese Zuarbeit sei wiederum durch die Qualifikation der Betreuerin begünstigt worden, so dass ihr insoweit der Stundenlohn einer Buchhaltungskraft zuzubilligen sei.

Der Aufwendungsersatz berechne sich wie folgt: Ein Zeitaufwand von 40 Stunden sei durch die Pauschalierung des VBVG abgedeckt. Von den verbleibenden 100 Stunden entfielen nach Schätzung der Kammer 50 Stunden auf Zuarbeiten, für die die Bezahlung einer Buchhaltungskraft ausreiche. Die restlichen 60 Stunden erforderten die fachliche Qualifikation eines Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers. Da eine Vergütungsordnung für selbständig tätige Buchhalter, Betriebswirte oder Vermögensberater fehle, greife die Kammer auf die Gebührenordnung für Steuerberater zurück. Für die Tätigkeit einer Buchhaltungsfachkraft halte die Kammer im Rahmen des § 13 Satz 2 StGebV eine Gebühr im unteren Bereich, nämlich 40 EUR pro Stunde, und für die Tätigkeit im Qualifikationsbereich eine solche im oberen Bereich in Höhe von 90 EUR pro Stunde für angemessen. Hieraus errechne sich eine Aufwandsentschädigung von netto 6.500 EUR. Die Auslagen von 379,36 EUR seien ebenfalls zu quoteln. Diese betrage daher 100/140, somit 270,97 EUR. Hinzuzurechen sei die Mehrwertsteuer, die mangels Abgrenzbarkeit einheitlich mit 16% angesetzt werde.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) nicht stand.

a) Der berufsmäßige Betreuer erhält für seine Tätigkeit eine Vergütung nach § 1 Abs. 2, § 4 und § 5 VBVG, wobei damit auch Ansprüche auf Ersatz anlässlich der Betreuung entstandener Aufwendungen sowie anfallende Umsatzsteuer abgegolten sind. Der Stundensatz beträgt 44 EUR für einen Betreuer, der über besondere Kenntnisse verfügt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind und diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder durch eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG.

b) Daneben kann der Betreuer nur Aufwendungen im Sinne des § 1835 Abs. 3 BGB gesondert geltend machen, also Entgelt für Dienste, die zu seinem Gewerbe oder Beruf gehören.

Dabei genügt es für die Berufsbezogenheit, dass der Beruf früher ausgeübt wurde (MüKo/Wagenitz BGB 4. Aufl. Rn 39). Es wird damit dem Betreuer erspart, für eine Dienstleistung, zu der er selbst fachlich in der Lage ist oder wäre, ausgewiesen durch sein Gewerbe oder seinen Beruf, außerhalb der Betreuung stehende Personen zu beschäftigen (Staudinger/ Bienwald BGB Neubearbeitung 2004 § 1835 Rn 36). Erstattungsfähig sind danach diejenigen gewerbe- bzw. berufsspezifischen Dienste des Betreuers, für die ein anderer Betreuer, der die hierfür erforderliche Qualifikation nicht besitzt, berechtigterweise einen entsprechend qualifizierten Dritten hinzugezogen hätte (BayObLG NJW-RR 1999, 6/7 mwN).

b) Das Landgericht hat zu Unrecht der Betreuerin den Ersatz von Aufwendungen gemäß § 1835 Abs. 3 BGB zugesprochen. Zwar wäre dies grundsätzlich von § 56g Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FGG gedeckt gewesen, weil nach dem Tod des Betroffenen eine eigenständige Entnahme von Aufwendungen aus dessen Vermögen nicht mehr möglich war. Der Entscheidung kann jedoch aus nachstehenden Gründen nicht gefolgt werden.

aa) Zutreffend führt das Landgericht aus, dass die Betreuerin wegen ihres Abschlusses als Dipl. Betriebswirtin (FH) und ihrer früheren Tätigkeit bei einer Bank über besondere Kenntnisse verfügt, die das Amtsgericht veranlasst hatten, sie als Betreuerin zu bestellen. Diesem Umstand hat der Rechtspfleger des Amtsgerichts jedoch bereits dadurch Rechnung getragen, dass er gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG den höchsten Stundensatz bei der Festsetzung der Vergütung angewandt hat. Die Vorschrift des § 1835 Abs. 3 BGB dient nicht dazu, erhöhten Zeitaufwand oder besondere Kenntnisse zusätzlich zu honorieren.

Auch wenn man mit dem Landgericht davon ausgeht, dass ein anderer berufsmäßiger Betreuer der höchsten Vergütungsstufe einen Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer hinzugezogen hätte, scheidet eine zusätzliche Festsetzung von Aufwendungen aus.

bb) Die Anwendung des § 1835 BGB scheitert bereits daran, dass die Tätigkeiten der Betreuerin nicht zu ihrem Beruf oder Gewerbe gehören. Die Betreuerin hat weder den Beruf eines Steuerberaters noch den eines Wirtschaftsprüfers ausgeübt. Der Beruf eines Steuerberaters setzt ebenso wie der des Wirtschaftsprüfers eine Zulassung hierzu nach entsprechender Prüfung voraus (§ 35 ff. StBerG, § 1 ff. WPO). In diesen Berufen war die Betreuerin auch früher nicht tätig. Auch das Landgericht geht davon aus, dass die Betreuerin neben ihrem Fachhochschulabschluss lediglich den Beruf einer Bankangestellten im Bereich Vermögensberatung ausgeübt hat. Weder aus den Gründen der Beschwerdeentscheidung noch aus dem übrigen Akteninhalt ergibt sich, dass Tätigkeiten erforderlich wurden, wegen derer man einen Vermögensberater oder einen sonstigen Bankangestellten hätte beschäftigen müssen. Ein Auslagenersatz kann daher bereits aus diesem Grunde nicht zugesprochen werden.

cc) Selbst wenn die Betreuerin Dienste in ihrem Beruf oder Gewerbe geleistet hätte, wäre die Festsetzung von Aufwendungen nach § 1835 Abs. 3 BGB nur möglich, wenn diese Tätigkeiten von der übrigen Führung der Betreuung, insbesondere von den allgemeinen Aufgaben eines Vermögensbetreuers, klar abgrenzbar wären. Dies würde zumindest voraussetzen, dass diese Tätigkeiten von der Betreuerin konkret aufgeführt und in Rechnung gestellt werden. Die Abrechnung vom 16.3.07, mit der die Betreuerin 35 Stunden und 56 Minuten für den Zeitraum vom 7.12.2006 bis zum 16.3.2007, also weit über den Tod des Betroffenen hinaus, geltend macht, lässt nicht erkennen, welche Tätigkeiten sie in diesem Zeitraum ausgeübt hat. Der Abrechnung vom 17.12.2006 über 104 Stunden und 22 Minuten für die Zeit vom 7.9.2006 bis 6.12.2006 ist zwar eine Einzelaufstellung beigefügt. Spezifische Steuerberater- oder Wirtschaftsprüfertätigkeiten sind daraus aber ebenso wenig zu entnehmen wie Tätigkeiten einer Vermögensberaterin oder einer sonstigen Bankangestellten.

dd) Durchgreifenden Bedenken begegnet auch der Versuch der Kammer, berufspezifische Tätigkeiten von den allgemeinen Betreueraufgaben abstrakt abzugrenzen. Die Fiktion des Landgerichts, jede Betreuertätigkeit über die Stundenansätze des § 5 Abs. 1 Satz 2 VBVG hinaus als berufliche oder gewerbliche Dienste der Betreuerin anzusehen, findet im Gesetz keine Stütze. Die Kammer verkennt, dass es sich dabei um Durchschnittssätze handelt und im Einzelfall der Umfang der Betreuung erheblich darunter oder darüber liegen kann. Gerade bei der vom Beschwerdegericht hervorgehobenen Komplexität der Betreuung liegt es nicht fern, dass hier ein gegenüber dem pauschalen Stundenansatz mehrfacher Aufwand erforderlich war. Ein solcher Mehraufwand ist aber ebenfalls durch die Pauschalvergütung abgedeckt.

Zwar ist nicht zu verkennen, dass es bei sehr umfangreichen Vermögensverwaltungen unbillig sein könnte, eine entsprechende und auch mit hoher Verantwortung - nicht zuletzt im Hinblick auf Haftungsrisiken - verbundene Leistung zu den Vergütungssätzen zu erwarten, die ein Betreuer im Regelfall abrechnen kann. Es mag offen bleiben, wann diese Grenze im Einzelfall erreicht sein kann. Erkennt ein Betreuer, dass die besondere Schwierigkeit der Vermögensverwaltung derart aus dem Rahmen üblicher Betreuungen fällt, dass ihre Wahrnehmung zu den allgemein maßgebenden Sätzen billigerweise nicht erwartet werden kann, muss er gegebenenfalls Teile hiervon entgeltlich durch Dritte (Rechtsanwälte, Steuerberater usw.) wahrnehmen lassen. Ist dies nicht möglich oder nicht zweckmäßig, kommt ausnahmsweise in Betracht, nach Bestellung eines Ergänzungsbetreuers eine vertragliche Vereinbarung mit dem Betroffenen zu treffen, wonach die Vermögensverwaltung unter diesen besondern Umständen gesondert vergütet wird. Ohne eine solche Vereinbarung ist aber den zuständigen Gerichten verwehrt, dem Betreuer eine zusätzliche Vergütung mittels einer nicht vom Gesetz gedeckten rechtlichen Konstruktion zukommen zu lassen.

dd) Wie die Kammer zutreffend ausführt, hätte jeder Betreuer bei Beauftragung eines Steuerberaters diesem zuarbeiten müssen. Warum dann die Kammer hier der Betreuerin eine Aufwendungsentschädigung als Buchhaltungskraft zusätzlich zur Betreuervergütung bewilligt, erschließt sich nicht. Selbst wenn die Betreuerin den Beruf einer Buchhaltungsfachkraft ausgeübt hätte, ist nicht ersichtlich, dass hier Arbeiten ausgeführt wurden, die sonst nur einer entsprechenden Fachkraft möglich gewesen wären.

Die Begründung der Kammer, dass die Vorkenntnisse der Betreuerin ihr hierbei zu Gunsten des Betroffenen nützlich gewesen seien, rechtfertigt nicht die Anwendung des § 1835 Abs. 3 BGB, sondern führt lediglich zu den höchsten Stundensätzen der Pauschalvergütung, wie sie vom Rechtspfleger des Amtsgerichts zutreffend angesetzt wurden.

ee) Da die entscheidungserheblichen Tatsachen feststehen, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden und die zutreffende Entscheidung des Amtsgerichts wiederherstellen.

III.

Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1 und Abs. 2 KostO.

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