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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 14.12.2005
Aktenzeichen: 33 Wx 52/05
Rechtsgebiete: BVormVG
Vorschriften:
BVormVG § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 |
2. Im Hinblick auf den Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 29.12.1999 - 3Z BR 346/99 besteht jedoch ein Vertrauensschutz für Betreuer, die diese Ausbildung bisher absolviert haben. Ihnen ist daher ein Stundensatz gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BVormVG zu gewähren.
Tatbestand:
Für die Betroffene war in der Zeit vom 9.2.2004 bis 23.3.2004 die Beschwerdeführerin als berufsmäßige Betreuerin bestellt. Mit Schreiben vom 6.4.2004 beantragte sie Vergütung und Aufwendungsersatz für ihre Tätigkeit in Höhe von 708,09 EUR. Dabei legte sie einen Stundensatz von 31 EUR zugrunde. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 2.7.2004 wurde ihr Vergütung und Aufwendungsersatz in Gesamthöhe von 541,36 EUR gewährt und der darüber hinausgehende Antrag zurückgewiesen. Die Weiterbildung der ehemaligen Betreuerin entspreche nicht einer Qualifikation nach § 1 Abs. 1 Ziff. 2 BVormVG. Demgemäß sei nur ein Stundensatz von 23 EUR zugrunde zu legen. Das Landgericht hat diese Entscheidung mit Beschluss vom 18.2.2005 bestätigt. Hiergegen wandte sich die ehemalige Betreuerin mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde, mit der sie ihren ursprünglichen Antrag weiterverfolgte. Das vom Landgericht zugelassene (§ 56 g Abs. 5 Satz 2 FGG) und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel hatte in der Sache Erfolg.
Gründe:
1. Das Landgericht hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:
Ein Stundensatz von 31 EUR sei gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 2 BVormVG dann zu gewähren, wenn der Betreuer über besondere Kenntnisse verfüge, die für die Führung der Betreuung nutzbar seien und wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung einer Hochschule oder durch eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben seien. Die Ausbildung der Betreuerin vermittle ausweislich des von ihr vorgelegten Studienplans besondere Kenntnisse, die für Betreuungen nutzbar seien. Einer abgeschlossenen Hochschulausbildung vergleichbar sei eine Ausbildung jedoch nur dann, wenn sie staatlich reglementiert oder zumindest staatlich anerkannt sei und das durch sie vermittelte Wissen in Breite und Tiefe dem durch ein abgeschlossenes Hochschulstudium erworbenen Wissen entspreche. Abgeschlossen sei eine Ausbildung, wenn ihr Erfolg durch eine vor einer staatlichen oder staatlich anerkannten Stelle abgelegte Prüfung belegt sei. Auch wenn aufgrund des umfangreichen Lehrstoffs und der vorgesehenen Studiendauer von fünf Semestern mit insgesamt 920 Unterrichtseinheiten à 45 Minuten eine Qualifikation erzielt werden könne, die Fachhochschulniveau aufweise, so mangle es dennoch an der staatlichen Reglementierung bzw. Anerkennung. Zwar sei eine staatliche Bildungsstelle, nämlich die Fachhochschule Ravensburg-Weingarten, insofern im Rahmen der Ausbildung mit eingebunden, als sie ausweislich der Stellungnahmen des Leiters des Instituts für Sozialwirtschaft dieser Fachhochschule für die inhaltlich-curriculare Gestaltung der Lehrinhalte sowie für die Durchführung und Überwachung des Prüfungsverfahrens nach Maßgabe einer Prüfungsordnung verantwortlich sei. Dies könne jedoch nicht darüber hinweghelfen, dass Bildungsträger des Ausbildungsganges eine private Einrichtung sei, nämlich die Beruflichen Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft (bfz), und dass die Einbindung der Fachhochschule Ravensburg-Weingarten auf einem privaten Kooperationsvertrag mit diesem Bildungsträger beruhe. Eine staatliche Reglementierung bzw. Anerkennung könne hieraus aber nicht abgeleitet werden.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung im Ergebnis nicht stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).
a) Nach Art. 229 § 14 EGBGB i.d.F. des Zweiten Betreuungsrechtsänderungsgesetzes vom 21. April 2005 (BGBl I S. 1073) richten sich die Vergütungs- und Aufwendungsersatzansprüche von Vormündern, Betreuern und Pflegern, die vor dem 1. Juli 2005 entstanden sind, nach den bis zum Inkrafttreten des Zweiten Betreuungsrechtsänderungsgesetzes vom 21. April 2005 geltenden Vorschriften. Danach ist im vorliegenden Fall folgende Rechtslage zugrunde zu legen:
Die nach § 1836a BGB a.F. aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung beträgt für jede Stunde der für die Führung der Betreuung aufgewandten und erforderlichen Zeit 18 EUR. Verfügt der Betreuer über besondere Kenntnisse, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, so erhöht sich diese Vergütung auf 31 EUR, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder durch eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind (§ 1 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BVormVG a.F., § 1908i Abs. 1 Satz 1 BGB). Besondere Kenntnisse im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BVormVG sind Kenntnisse, die - bezogen auf ein bestimmtes Fachgebiet - über ein Grundwissen deutlich hinausgehen (BayObLGZ 1999, 339 ff.). Für die Führung einer Betreuung nutzbar sind Fachkenntnisse, die ihrer Art nach betreuungsrelevant sind und den Betreuer befähigen, seine Aufgaben zum Wohl des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen und damit eine höhere Leistung zu erbringen (BayObLG aaO). Das Gesetz begnügt sich mit der potenziellen Nützlichkeit dieser Fachkenntnisse; eine konkrete Nutzung des vom Betreuer vorgehaltenen Wissens wird nicht verlangt (BGH FamRZ 2003, 1653). Insoweit sind die Ausführungen des Landgerichts, das vom Vorliegen nutzbarer Kenntnisse ausgeht, nicht zu beanstanden.
b) Einer abgeschlossenen Hochschulausbildung vergleichbar ist eine Ausbildung, wenn sie in ihrer Wertigkeit einer solchen Ausbildung gleichkommt. Davon ist auszugehen, wenn sie staatlich reglementiert oder anerkannt ist und wenn das durch sie vermittelte Wissen in Breite und Tiefe dem durch ein erfolgreich abgeschlossenes Hochschulstudium erworbenen Wissen entspricht (vgl. BayObLGZ 1999, 275/276 f.; BayObLGZ 2000, 248/250). Dabei fallen nach dem Willen des Gesetzgebers unter den Begriff der Hochschule des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BVormVG auch die Fachhochschulen (BT-Drucks. 13/7158 S. 28; vgl. OLG Braunschweig BtPrax 2000, 130). Abgeschlossen ist eine solche Ausbildung, wenn ihr Erfolg durch eine vor einer staatlichen oder staatlich anerkannten Stelle abgelegte Prüfung anerkannt ist (BayObLG aaO).
c) Das Landgericht führt hierzu nachvollziehbar aus, dass es an einer staatlich reglementierten oder anerkannten Ausbildung bei der Betreuerin fehle. Bildungsträger des Ausbildungsganges sei eine private Einrichtung, nämlich die Beruflichen Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft, und die Einbindung der Fachhochschule Ravensburg-Weingarten beruhe auf einem privaten Kooperationsvertrag mit diesem Bildungsträger. Die Auffassung des Landgerichts wird insoweit auch von dem Schreiben der Fachhochschule vom 14.2.2005 gestützt. Dort heißt es, dass das beschriebene Kooperationsmodell mit einem nicht-staatlichen Bildungsträger es leider nicht zulasse, von einer staatlichen Prüfung im formalrechtlichen Sinne zu sprechen.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat der Senat Zweifel, ob die von der ehemaligen Betreuerin absolvierte Ausbildung in Breite und Tiefe dem durch ein erfolgreich abgeschlossenes Hochschulstudium erworbenen Wissen entspricht. Eine Fachhochschulausbildung umfasst regelmäßig mindestens acht Semester und wird mit der mehrere Tage dauernden Diplomprüfung und der Diplomarbeit abgeschlossen. Demgegenüber hat die Ausbildung der Beschwerdeführerin nur eine Dauer von fünf Semestern, die Zahl der Unterrichtseinheiten pro Semester bleibt weit hinter dem bei einem Vollzeit-Fachhochschulstudium Üblichen zurück. Die Prüfung besteht nach dem von der Betreuerin vorgelegten Zeugnis neben unterrichtsbegleitenden Prüfungen nur aus einer Klausur von drei Stunden und einem Kolloquium von 30 Minuten. Der Senat hält daher die von der Beschwerdeführerin absolvierte Ausbildung an sich nicht für einer abgeschlossenen Hochschulausbildung vergleichbar im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BVormVG.
d) Das Landgericht hat bei seiner Entscheidung jedoch nicht berücksichtigt, dass das Bayerische Oberste Landesgericht sich mit einem in Juris veröffentlichten Beschluss vom 29.12.1999 - 3Z BR 346/99 mit der Ausbildung zum Sozialwirt beim Beruflichen Fortbildungszentrum Schweinfurt in Kooperation mit der Fachhochschule Ravensburg-Weingarten (die mit der von der Beschwerdeführerin absolvierten Ausbildung identisch sein dürfte) beschäftigt hat. Nach dem genannten Beschluss sei die Beurteilung des Landgerichts, dass ein Absolvent dieser Ausbildung die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BVormVG erfülle, vom Rechtsbeschwerdegericht nicht zu beanstanden. Das Landgericht in dem damaligen Fall hatte zwar die Defizite gegenüber einer Fachhochschulausbildung gesehen, die Vergleichbarkeit allerdings deswegen bejaht, weil in einem Schreiben des Leiters des Fachhochschulinstituts bestätigt worden sei, dass die inhaltlichen und fachlichen Kriterien sowie die Prüfungsanforderungen auf einem Niveau lägen, das den Standards einer qualifizierten Weiterbildung entspreche, wie sie auch von Fachhochschulen für Berufstätige in vergleichbaren Berufsfeldern angeboten würden. Das Bayerische Oberste Landesgericht stellte hierzu fest, dass die Grenzen des dem Tatrichter zuzubilligenden Beurteilungsspielraums durch diese Bewertung des Landgerichts nicht überschritten worden seien.
Der Senat hält die damalige Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts auf der Grundlage der im hier vorliegenden Fall gewonnenen Erkenntnisse über die Trägerschaft der Ausbildung und die Ausgestaltung der Prüfung aus heutiger Sicht nicht mehr für überzeugend. Es ist aber zu berücksichtigen, dass dieser letztinstanzliche, veröffentlichte Beschluss in gewissem Umfang einen Vertrauensschutz für Absolventen dieser Ausbildung begründete. Es muss davon ausgegangen werden, dass sich der Inhalt des Beschlusses unter Absolventen der vom bfz zusammen mit der FH Ravensburg-Weingarten angebotenen Ausbildung herumgesprochen hat und auch einen Anreiz für die Aufnahme einer entsprechenden Weiterbildung bot. Die ehemalige Betreuerin verweist in ihrem Schreiben vom 14.2.2005 konkret darauf, dass die Ausbildung einer Berufskollegin, die im Bezirk des Amtsgerichts Coburg arbeite, zum Sozialwirt (bfz-FH) mit einem Stundensatz von 31 EUR anerkannt worden sei.
Im Hinblick auf den durch die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts entstandenen Vertrauensschutz erscheint es nicht gerechtfertigt, im vorliegenden Fall einen Stundensatz von 31 EUR zu verweigern. Die Beschwerdeführerin hat ihre Ausbildung zur Sozialwirtin (bfz-FH) erst im Jahre 2001 und damit weit nach der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts begonnen und durfte darauf vertrauen, dass ihr daher der erhöhte Stundensatz zugebilligt werden würde. Dementsprechend waren die Entscheidungen des Amtsgerichts und des Landgerichts zu korrigieren.
Der Senat weist jedoch darauf hin, dass für zukünftige Absolventen der Ausbildung zum Sozialwirt (bfz-FH) ein solcher Vertrauensschutz bei unveränderten Rahmenbedingungen für Ausbildung und Prüfung nicht mehr gewährt werden kann, weil nach Auffassung des Senats die Voraussetzungen für eine Vergleichbarkeit mit einer Hochschulausbildung nicht gegeben sind.
Ende der Entscheidung
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