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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 23.04.2008
Aktenzeichen: 33 Wx 56/08
Rechtsgebiete: FGG
Vorschriften:
FGG § 69g Abs. 1 | |
FGG § 69i Abs. 6 |
Gründe:
I.
Nachdem das Amtsgericht mit Beschluss vom 21.10.2002 für die Betroffene die derzeitige Betreuerin bestellt und der Beteiligte seine zunächst hiergegen eingelegte Beschwerde zurückgenommen hatte, beantragte er mehrfach erfolglos die Entlassung der Betreuerin und seine eigene Bestellung als Betreuer. Einen erneuten Antrag auf Betreuerwechsel vom 28.9.2007 lehnte das Amtsgericht ebenso ab wie die mit Schreiben vom gleichen Tag begehrte Akteneinsicht in die Betreuungsakte der Betroffenen. Mit Beschluss vom 8.2.2008 hat das Landgericht die gegen die Ablehnung des Betreuerwechsels gerichtete Beschwerde verworfen und die Beschwerde gegen die Versagung der Akteneinsicht zurückgewiesen. Mit seinem zu Protokoll des Rechtspflegers beim Amtsgericht eingelegten Rechtsmittel vom 26.2.2008 verfolgt der Beteiligte seine Anträge vom 28.9.2007 weiter.
Die weitere Beschwerde des Beteiligten vom 7.3.2008 richtet sich gegen den Beschluss des Landgerichts vom 25.2.2008, mit dem seine Beschwerde gegen die Verlängerung der Betreuung für die Betroffene durch Beschluss des Vormundschaftsgerichts vom 22.10.2007 verworfen wurde.
II.
Die zulässigen Rechtsmittel des Beteiligten haben in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat seine Entscheidungen im Wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt:
a) Die Beschwerde gegen die Ablehnung des von ihm beantragten Betreuerwechsels sei mangels Beschwerdebefugnis unzulässig. Zwar gehöre der Beteiligte als Sohn der Betroffenen zu dem in § 69g Abs. 1 FGG genannten Personenkreis, dem ein gegenüber § 20 FGG erweitertes Beschwerderecht zustehe. Doch unterfalle die angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts nicht dem abschließenden Katalog der § 69g Abs. 1, § 69i FGG. Auch handle es sich bei dem Rechtsmittel des Beteiligten nicht um eine auf die Betreuerauswahl gerichtete zulässige Teilanfechtung der Betreuerbestellung vom 21.10.2002. Seine Beschwerde gegen die erstmalige Bestellung der Betreuerin habe der Beschwerdeführer zurückgenommen, der nunmehr gestellte Antrag auf Betreuerwechsel sei lediglich als Anregung einer Überprüfung nach § 1908b BGB anzusehen. Insoweit fehle dem Beschwerdeführer ein formelles Antragsrecht. Eine Beschwerdebefugnis nach § 20 FGG sei nicht gegeben.
b) Den Antrag auf Akteneinsicht habe das Amtsgericht zu Recht zurückgewiesen. Der Beteiligte, dem hinsichtlich eines Betreuerwechsels weder ein formelles Antrags- noch ein Beschwerderecht zustehe, sei nicht Verfahrensbeteiligter im Sinne des Art. 103 Abs. 1 GG, so dass er nicht bereits deshalb ein grundsätzlich berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht geltend machen könne. Auch nach § 34 Abs. 1 FGG könne er Akteneinsicht nicht verlangen. Bei der Ermessensentscheidung über die Gewährung von Akteneinsicht sei das Recht der Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu beachten. Zwischen dem Beteiligten und der Betroffenen bestünden erhebliche Spannungen, die bereits zu zivil- und strafrechtlichen Verfahren geführt hätten, weshalb die Betroffene sowohl eine Betreuung durch den Beteiligten als auch Einsicht seinerseits in ihre Betreuungsakten, die zahlreiche höchstpersönliche Daten enthielten, abgelehnt habe.
c) Die Beschwerde des Beteiligten gegen den amtsgerichtlichen Beschluss vom 22.10.2007, mit dem die Betreuung verlängert wurde, sei mangels Beschwerdebefugnis unzulässig. Der Beteiligte gehöre als Sohn der Betroffenen zwar zu dem in § 69g Abs. 1 GG genannten Personenkreis, die Verlängerungsentscheidung unterfalle hier jedoch nicht dem in § 69g Abs. 1 i.V.m. § 69i FGG abschließend geregelten Katalog der privilegiert anfechtbaren Entscheidungen. Die Verlängerung der Betreuung sei auf Antrag der Betroffenen vorgenommen worden, jedoch erfasse § 69i Abs. 6 Satz 1 i.V.m. § 69g Abs. 1 Satz 1 FGG nur die Betreuerbestellung und deren Verlängerung von Amts wegen. Auch nach § 20 FGG sei der Beteiligte nicht beschwerdebefugt, da er durch die Verlängerungsentscheidung in keinem eigenen Recht beeinträchtigt sei. Im Übrigen sei die Verlängerung der Betreuung nach den durchgeführten Ermittlungen auch sachlich nicht zu beanstanden.
2. Diese Ausführungen des Landgerichts halten der rechtlichen Überprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) stand.
a) Die Beschwerde des Beteiligten gegen die Ablehnung eines Betreuerwechsels mit amtsgerichtlicher Entscheidung vom 22.10.2007 hat das Landgericht am 8.2.2008 zu Recht als unzulässig verworfen. Da es sich aus den vom Landgericht dargelegten Gründen nicht um eine auf die Auswahlentscheidung beschränkte Teilanfechtung der Erstbestellung eines Betreuers handelte, kam eine Beschwerdebefugnis nach § 69g Abs. 1 Satz 1 FGG von vornherein nicht in Betracht. Auf die Frage, ob und in welchem Umfang sie im Hinblick auf eine von der Betroffenen selbst beantragte Betreuerbestellung bei der Erstbestellung gegeben gewesen wäre, kam es daher nicht an. Zutreffend hat das Landgericht auch eine Beschwerdebefugnis des Beteiligten nach § 20 FGG abgelehnt.
b) Gegen die Zurückweisung der Beschwerde gegen die Versagung der Akteneinsicht ist aus Rechtsgründen ebenfalls nichts zu erinnern.
aa) Ein Recht auf Akteneinsicht stand dem Betroffenen nicht aufgrund eines Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG zu. In dem Verfahren auf Entlassung der bisherigen Betreuerin gemäß § 1908b BGB und Einsetzung eines neuen Betreuers war der Beteiligte nicht im Sinne der genannten Grundrechtsbestimmung Verfahrensbeteiligter. Formell beteiligt war er nicht, da der Antrag auf Betreuerwechsel - wie vom Landgericht ausgeführt - lediglich eine Anregung an das Gericht bedeutet, zu prüfen, ob der bisherige Betreuer gemäß § 1908b BGB zu entlassen ist. Materiell beteiligt war der Beschwerdeführer ebenfalls nicht, da ihm kein Anspruch auf Betreuerentlassung und eigene Einsetzung als Betreuer seiner Mutter zusteht.
bb) Die Einsicht der Betreuungsakten kann gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 FGG jedem insoweit gestattet werden, als er ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht. Als berechtigt im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 FGG genügt jedes nach vernünftiger Erwägung durch die Sachlage gerechtfertigte Interesse, das auch wirtschaftlicher oder wissenschaftlicher Art sein kann. Es kann auch am Verfahren nicht beteiligten Personen zustehen und insbesondere dann gegeben sein, wenn ein künftiges Verhalten des Antragstellers durch die Kenntnis vom Akteninhalt beeinflusst sein kann (vgl. Keidel/Kahl FGG 15. Aufl. § 34 Rn. 13). Auch bei Vorliegen eines berechtigten Interesses steht die Gewährung von Akteneinsicht nach § 34 Abs. 1 Satz 1 FGG im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Bei der Abwägung sind insbesondere das Recht der Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG sowie schutzwürdige Interessen aus der Persönlichkeits- oder Vermögenssphäre zu beachten (vgl. Keidel/Kahl aaO Rn. 15c). Im Verfahren über die weitere Beschwerde kann nur geprüft werden, ob das Beschwerdegericht die Rechtsbegriffe des berechtigten Interesses, der Glaubhaftmachung oder die dem richterlichen Ermessen gesetzlich gesetzten Schranken verkannt hat (Keidel/Kahl aaO Rn. 24 m.w.N.). Derartige Rechtsfehler des Landgerichts sind nicht ersichtlich.
c) Zutreffend hat das Landgericht auch die Beschwerdebefugnis des Beteiligten gegen den Beschluss des Vormundschaftsgerichts vom 22.10.2007, mit dem die Betreuung unverändert verlängert wurde, abgelehnt.
aa) Für die Verlängerung der Bestellung eines Betreuers gelten gemäß § 69i Abs. 6 Satz 1, 1. Alternative FGG die Vorschriften für die erstmalige Entscheidung, damit auch diejenigen über die Beschwerdebefugnis gemäß § 69g Abs. 1 Satz 1 FGG, entsprechend. Der Beteiligte gehört als Sohn der Betroffenen zu dem von dieser Vorschrift erfassten Personenkreis. Die erweiterte Beschwerdebefugnis bei der Betreuungsverlängerung bezieht sich jedoch ebenso wie der erstmaligen Betreuerbestellung lediglich auf von Amts wegen getroffene Entscheidungen. Ergehen sie - wie hier - entsprechend einem Antrag des Betroffenen, hat es bei der Beschwerdeberechtigung nach § 20 Abs. 1 FGG sein Bewenden.
Bereits die erstmalige Betreuerbestellung war auf Antrag der Betroffenen vorgenommen worden, wie sich aus der Erklärung ihres Enkels vom 9.10.2002 sowie ihren eigenen Einlassungen gegenüber dem Arzt des Gesundheitsamtes und bei ihrer richterlichen Anhörung vom 18.10.2002 ergibt. Im Beschluss vom 21.10.2002 ist deshalb zutreffend vermerkt, dass es sich um eine Betreuung auf Antrag der Betroffenen hanle.
Die Möglichkeit eines Antragsverfahrens auch bei psychischen Krankheiten, geistiger oder seelischer Behinderung soll dem Betroffenen die Akzeptanz der Betreuung und die Zusammenarbeit mit dem Betreuer erleichtern; er braucht daher nicht geschäftsfähig zu sein (vgl. Bienwald u.a./Bienwald Betreuungsrecht 4. Aufl. § 1896 BGB Rn. 61). Der Antrag kann formlos und jederzeit, z.B. auch bei der Anhörung des Betroffenen, bis zum Wirksamwerden der Betreuungsentscheidung gestellt werden (Damrau/ Zimmermann Betreuungsrecht 3. Aufl. § 1896 BGB Rn. 19). Die gesetzlich vorgesehene periodische Überprüfung der Aufhebung oder Weiterführung der Betreuung (§ 69 Abs. 1 Nr. 5 FGG) nimmt das Vormundschaftsgericht von Amts wegen vor.
Auch die Verlängerung einer Betreuung kann auf Wunsch und im Einverständnis mit dem Betroffenen, d.h. entsprechend einem Antrag im Sinne des § 1896 Abs. 1 BGB bzw. nicht von Amts wegen im Sinne des § 69g Abs. 1 FGG geschehen. Entscheidend ist - wie bei der erstmaligen Betreuerbestellung - nicht, ob das Verfahren auf Antrag eingeleitet wurde, sondern ob die (Erstbestellungs- oder) Verlängerungsentscheidung auch ihrem Umfang nach dem Wunsch des Betroffenen entspricht. Kann die angefochtene Entscheidung sowohl auf Antrag als auch von Amts wegen ergehen, so ist - sofern sie wie hier sich nicht ausdrücklich dazu äußert - das Gewollte durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BayObLG vom 16.7.2003, 3Z BR 119/03, zitiert nach juris; Jansen/Sonnenfeld FGG 3. Aufl. § 69g Rn. 18). Durfte die getroffene Entscheidung zwar nicht aufgrund des gestellten Antrags, wohl aber von Amts wegen ergehen, ist in der Regel davon auszugehen, dass das Gericht die Betreuung von Amts wegen eingerichtet hat (BayObLG aaO). Die Unterscheidung ist namentlich dann von Bedeutung, wenn das Gericht den Aufgabenkreis der Betreuung anders fasst als es ein Antrag des Betroffenen vorsieht.
Der Senat vermag dieser Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts nicht zu entnehmen, dass im Hinblick auf das Beschwerderecht in der Regel von einer Entscheidung von Amts wegen auszugehen sei, wenn auch eine derartige Entscheidung ergehen durfte (so aber Sonnenfeld aaO). Dies würde eine Verkürzung des Selbstbestimmungsrechts der Betroffenen bedeuten, die der Gesetzgeber durch die Beschränkung der erweiterten Beschwerdebefugnis Angehöriger auf von Amts wegen ergangene Entscheidungen gerade stärken wollte. Eine unangemessene Einschränkung des Schutzes eines Betroffenen, der Bedeutung und Reichweite seines Antrags zu überblicken vermag (vgl. zu diesem Erfordernis Damrau/Zimmermann aaO Rn. 16; Sonnenfeld aaO), liegt in einer solchen Stärkung seines Selbstbestimmungsrechts nicht.
Hier bestehen gegen die Auslegung der erstinstanzlichen Entscheidung durch das Beschwerdegericht aus Rechtsgründen keine Bedenken. Der bisherige Verlauf des Betreuungsverfahrens und die Äußerungen der Betroffenen während der amtsgerichtlichen Anhörung vor der Verlängerungsentscheidung (sie sei mit der Betreuerin sehr zufrieden und wünsche die Fortführung der Betreuung durch sie) tragen die vom Beschwerdegericht gezogene Schlussfolgerung, derzufolge die Betreuung hier entsprechend dem Antrag der Betroffenen verlängert wurde.
bb) Eine Beschwerdebefugnis nach § 20 Abs. 1 FGG setzt voraus, dass die angefochtene Entscheidung den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt. Die Betreuung und deren Verlängerung greifen ausschließlich in die Rechtssphäre der Betroffenen ein. Dies gilt auch für die Auswahl des Betreuers. Der Beteiligte hat als Sohn der Betroffenen kein eigenes Recht, als Betreuer bestellt zu werden.
cc) Eine grundsätzlich mögliche, auf die Betreuerauswahl beschränkte Teilanfechtung (BGH FamRZ 1996, 607; BayObLG FamRZ 1996, 419/420; Keidel/Kayser FGG 15. Aufl. § 69g Rn. 13) setzt ebenfalls eine Beschwerdebefugnis des Beteiligten voraus, die nach den Ausführungen aa) und bb) nicht gegeben ist.
Ende der Entscheidung
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