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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 25.01.2007
Aktenzeichen: 33 Wx 6/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1908b Abs. 1
1. Ein Betreuer ist nicht allein deshalb als ungeeignet gemäß § 1908b Abs. 1 BGB zu entlassen, weil er lebenserhaltende Maßnahmen gegenüber dem Betroffenen unter Berufung auf dessen unterstellten Willen ablehnt (vgl. OLG Frankfurt NJW 2006, 3463)

2. Die unterlassene Einholung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung vor einem Behandlungsabbruch (hier: Einstellung der Sondenernährung) stellt keinen Pflichtverstoß des Betreuers dar, wenn der Arzt die weitere Behandlung nicht für medizinisch indiziert hält und deshalb nicht "anbietet" (vgl. BGHZ 154, 205).


Gründe:

I.

Die 74-jährige Betroffene wohnt seit 1949 im S.-Stift in N. Sie leidet seit Geburt an einer schweren Intelligenzminderung und ist taubstumm. Eine verbale Verständigung mit ihr ist nicht möglich. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 7.3.1955 wurde Gebrechlichkeitspflegschaft angeordnet, die seit 1.1.1992 als Betreuung weitergeführt wird. Am 18.1.1996 wurde der Beteiligte zu 2, der Bruder der Betroffenen, zum Betreuer bestellt. Als Aufgabenkreise wurden alle Angelegenheiten der Betroffenen nebst Entgegennahme und Öffnen der Post bestimmt. Mit Beschlüssen vom 2.2.2001 und 15.3.2006 wurde die Betreuung, unter Festlegung eines umfangreichen, im einzelnen bestimmten Aufgabenkreises unter Einschluss der Gesundheitsfürsorge, jeweils verlängert, zuletzt mit Fristsetzung zur Überprüfung zum 14.3.2013. Anlässlich der letzten Verlängerung der Betreuung holte das Amtsgericht ein Sachverständigengutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. D. ein. Dieser stellte eine frühkindlich/geburtsbedingte Schädigung des Gehirns fest, die eine ausgeprägte schwere Intelligenzminderung zur Folge hatte, sowie auf Grund eines 2005 erlittenen Schlaganfalls eine erhebliche Bewegungseinschränkung durch eine halbseitige Lähmung.

Im Sommer 2006 verschlechterte sich der Gesundheitszustand der Betroffenen weiter. Im Bezirkskrankenhaus G., wo sie sich vom 8.9.2006 bis 11.10.2006 befunden hatte, war eine Epilepsie, eine progressive subkortikale vaskuläre Enzephalopathie und ein Zustand nach Apoplex mit Resthemiparese diagnostiziert worden, ferner eine Erblindung in Form der sog. Seelenblindheit. Nach der stationären Behandlung hatte ein körperlicher Abbauprozess zu Bettlägerigkeit geführt. Die Betroffene verweigerte u. a. die natürliche Nahrungsaufnahme. Am 24.10.2006 wurde der Betroffenen mit Zustimmung des Beteiligten zu 2 im Krankenhaus eine PEG-Sonde gelegt und die Betroffene über diese ernährt.

Bei einem Besuch am 10.11.2006 wegen einer Freiheitsentziehungsmaßnahme stellte der Vormundschaftsrichter fest, dass die künstliche Ernährung seit 7 Tagen abgebrochen worden war. Er ordnete deren sofortige Wiederaufnahme an und entließ den Beteiligten zu 2 noch am selben Tag im Wege der einstweiligen Anordnung. Zur neuen endgültigen Betreuerin bestellte er die Beteiligte zu 1, eine Berufsbetreuerin. Gleichzeitig ordnete er die sofortige Wirksamkeit dieser Verfügungen an. Gegen diesen Beschluss legte der Beteiligte zu 2 sofortige Beschwerde und Beschwerde ein.

Am 27.11.2006 entließ das Vormundschaftsgericht den Beteiligten zu 2 endgültig und ordnete die sofortige Wirksamkeit dieses Beschlusses an. Zur Begründung ist darin ausgeführt: Der Beteiligte zu 2 habe rechtswidrig ohne vorherige vormundschaftsgerichtliche Genehmigung entschieden, dass bei der Betroffenen lebenserhaltende Maßnahmen (Ernährung mittels einer Sonde) abgebrochen werden. Ein Betreuer, der durch rechtswidrigen Behandlungsabbruch den Tod der Betroffenen herbeizuführen versucht habe, sei schlechthin ungeeignet. Zwischen dem bisherigen Hausarzt und dem bisherigen Betreuer habe eine Konfliktsituation bestanden. Der Hausarzt habe sein Angebot, die Sondenernährung durchzuführen, nie zurückgenommen, sondern sich lediglich der Verweigerung der Einwilligung der weiteren künstlichen Ernährung durch den Betreuer gebeugt. Die von der Beteiligten zu 1 nunmehr beauftragte Ärztin Dr. R. sei der Auffassung, dass die weitere Ernährung mittels Sonde ärztlich indiziert sei. Die Betroffene werde nunmehr weiter ernährt. Ihr gehe es besser.

Auch gegen diesen Beschluss legte der Beteiligte zu 2 sofortige Beschwerde ein.

Das Landgericht hob den Beschluss des Amtsgerichts vom 10.11.2006, soweit die Beteiligte zu 1 als Betreuerin bestellt worden war, und die Entscheidung vom 27.11.2006 auf und entließ die Beteiligte zu 1 als Betreuerin. Ferner stellte es fest, dass hinsichtlich des Beschlusses vom 10.11.2006 das Beschwerdeverfahren erledigt sei.

Gegen diesen am 13.12.2006 zugestellten Beschluss richtet sich die im Namen der Betroffenen am 22.12.2006 eingelegte sofortige weitere Beschwerde der Verfahrenspflegerin, mit der sie die erneute Entlassung des Beteiligten zu 2 und die Wiederbestellung der Beteiligten zu 1 anstrebt.

II.

Die zulässige weitere Beschwerde ist unbegründet.

1. Das Beschwerdegericht hat folgendes ausgeführt: Es habe kein wichtiger Grund im Sinne von § 1908b Abs. 1 BGB zur Entlassung des Beteiligten zu 2 als Betreuer vorgelegen.

Allein der Umstand, dass dieser möglicherweise eine ablehnende Haltung zu lebensverlängernden Maßnahmen bei seiner Schwester habe, führe nicht dazu, dass er als ungeeignet zum Führen der Betreuung angesehen werden könne. Eine Ungeeignetheit des Beteiligten zu 2 als Betreuer ergebe sich auch nicht daraus, dass er einer Einstellung der Sondenernährung ohne vormundschaftsgerichtliche Entscheidung zugestimmt habe. Die in zweiter Instanz durchgeführte Anhörung und Beweisaufnahme habe ergeben, dass eine solche lebenserhaltende oder lebensverlängernde Maßnahme seitens des behandelnden Arztes ab dem 31.10.2006 nicht mehr angeboten worden sei. Sowohl der Beteiligte zu 2 als auch der damals behandelnde Arzt Dr. E. seien übereinstimmend zu der Auffassung gelangt, dass eine weitere künstliche Ernährung über eine Magensonde nicht angezeigt sei. Der Arzt habe die Entscheidung, der Betroffenen die Sondenernährung nicht mehr anzubieten, nach gewissenhafter und ernstlicher Überlegung getroffen. Auch der Beteiligte zu 2 habe ausführlich geschildert, wie es zu der Entscheidung gekommen sei. Er habe auch davon ausgehen können, dass er nach dem mutmaßlichen Willen der Betroffenen handle, da diese weitere Pflegemaßnahmen abgewehrt und die Nahrungsaufnahme verweigert habe.

Eine Vernehmung des Vormundschaftsrichters, der Verfahrenspflegerin und der Berufsbetreuerin sei nicht geboten, da diese bei Gesprächen zwischen dem Arzt und dem Beteiligten nicht zugegen gewesen seien. Die Einholung eines weiteren Gutachtens sei ebenfalls nicht erforderlich, da für die Frage der Geeignetheit des Betreuers die auf Grund ärztlicher Beratung gebildete, subjektive Einschätzung durch den Betreuer entscheidend sei.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand (§ 27 Abs.1 FGG, § 546 ZPO).

a) Der Betreuer ist zu entlassen, wenn seine Eignung, die Angelegenheiten des Betreuten zu besorgen, nicht mehr gewährleistet ist, oder ein anderer wichtiger Grund für die Entlassung vorliegt (§ 1908b Abs. 1 Satz 1 BGB). Die mangelnde Eignung ist ein vom Gesetz besonders hervorgehobener Grund für die Entlassung. In der Regel liegt die Ursache in der Person oder den Verhältnissen des Betreuers, etwa wenn er den ihm zugewiesenen Aufgabenkreis nur unzulänglich (vgl. LG Essen NJW-FER 2000, 258) und unter Gefährdung der Interessen des Betreuten bewältigen kann (BT-Drucks. 11/4528, S. 152 f.) oder wenn er den nötigen Einsatz vermissen lässt (vgl. BayObLGZ 1984, 178/180; Damrau/Zimmermann Betreuungsrecht 3. Aufl. § 1908b BGB Rn. 6). Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist die Entlassung des Betreuers als letzte Maßnahme anzusehen, wenn nicht minder schwere Mittel nach § 1837 BGB ausreichen, um eine etwaige Gefährdung des Wohls des Betreuten zu beseitigen. Das Vormundschaftsgericht hat zuerst die Mittel der Aufsicht und des Weisungsrechts einzusetzen (vgl. BayObLG FamRZ 1998, 1257/1258; FamRZ 2003, 403/404; BtPrax 2004, 153/154). Andererseits verlangt das Gesetz aber nicht den Nachweis mangelnder Eignung, sondern lässt es im Hinblick auf die weitreichenden dem Betreuer eingeräumten Befugnisse und seine Vertrauensposition genügen, wenn konkrete Tatsachen Anlass zu berechtigten Zweifeln an der Eignung geben (BayObLG FamRZ 2003, 786 und 2004, 977).

Bei dem Begriff der Eignung im Sinne von § 1897 Abs. 1 Satz 1, § 1908b Abs. 1 Satz 1 BGB handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Die Beurteilung der (fehlenden) Eignung durch den Tatrichter darf vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf Rechtsfehler überprüft werden, also insbesondere darauf, ob der Tatrichter den Begriff der Eignung verkennt, relevante Umstände unvertretbar über- oder unterbewertet oder bei der Subsumtion wesentliche Umstände unberücksichtigt lässt (vgl. BayObLG FamRZ 2001, 1249/1250; BtPrax 2004, 153/154; Palandt/Diederichsen BGB 66. Aufl. § 1897 Rn. 4).

b) In Anwendung dieser Grundsätze hat das Landgericht zu Recht auf Grund der durch Beweisaufnahme festgestellten Tatsachen den die Entlassung des Beteiligten zu 2 als Betreuer anordnenden Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und die Berufsbetreuerin entlassen. Dem Bruder der Betroffenen als ehrenamtlichem Betreuer kommt grundsätzlich Vorrang vor einer familienfremden Berufsbetreuerin zu (§ 1897 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 6 BGB). Zu einem Betreuerwechsel hätte nur Anlass bestanden, wenn das Einverständnis des Beteiligten zu 1 mit dem Abbruch der Sondenernährung und die unterlassene Anrufung des Vormundschaftsgerichts zur Einholung einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung hierfür rechtswidrig gewesen wären und somit als Ausdruck mangelnder Eignung einen wichtigen Grund zu seiner Entlassung dargestellt hätten. Dem Landgericht ist darin zu folgen, dass dies unter Würdigung aller zum Zeitpunkt der Entscheidung des Betreuers erkennbaren Umstände nicht der Fall ist.

Allein die ablehnende Haltung eines Betreuers zu lebensverlängernden Maßnahmen führt nicht notwendig zu seiner Ungeeignetheit (vgl. OLG Frankfurt NJW 2006, 3436). Es kommt hierzu auf die näheren Umstände, insbesondere die medizinische Indikation für derartige Maßnahmen und gegebenenfalls den wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Betroffenen an.

Der Beteiligte zu 2 hat nach den bindenden Feststellungen des Landgerichts mit dem behandelnden Arzt besprochen, inwieweit eine medizinische Indikation für eine Sondenernährung noch bestehe. Ärztlicherseits wurde seinerzeit die Fortführung der Sondenernährung nicht mehr als medizinisch indiziert angesehen, da aus der Sicht des behandelnden Arztes hierdurch ein sinnvolles Therapieziel nicht mehr erreicht werden konnte, weil das Grundleiden der Betroffenen nach dieser Einschätzung bereits einen "irreversibel tödlichen Verlauf" angenommen hatte (vgl. hierzu BGH Beschluss vom 17.3.2003 BGHZ 145, 205 = NJW 2003, 1568; Hahne DRiZ 2005, 244/245). Dieses von der höchstrichterlichen Rechtsprechung eingeführte Kriterium bedeutet im Übrigen nicht, dass der Sterbevorgang bereits eingesetzt haben müsse (vgl. Hahne a.a.O.; Hufen ZRP 2003, 248/249; Meier FGPrax 2003, 167/168; E. Albrecht/A. Albrecht MittBayNot 2003, 348/353).

Damit fehlte es an einem "Angebot" einer weiteren ärztlichen Behandlung der Betroffenen mit dem Ziel der Lebenserhaltung, wie es in der neueren Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 17.3.2003 a.a.O.; vgl. auch Hahne a.a.O. S. 246) im Wege der Rechtsfortbildung zur Voraussetzung einer Anrufung des Vormundschaftsgerichts erhoben wurde, wenn der Betreuer aufgrund des wirklichen oder mutmaßlichen Willens des Patienten den Abbruch einer solchen Therapie durchsetzen will. Der gegen den Beteiligten zu 2 durch den Vormundschaftsrichter erhobene Vorwurf, der ausschlaggebender Grund für die Entlassung als Betreuer war, ist deshalb schon objektiv unbegründet.

c) Das Landgericht hat die für seine Entscheidung erforderlichen Tatsachen verfahrensfehlerfrei festgestellt und sich hierbei insbesondere auf die Zeugenaussage des seinerzeit behandelnden Arztes Dr. E sowie die Anhörung des Beteiligten zu 2, jeweils im Termin vom 1.12.2006, gestützt.

aa) Die Würdigung von Zeugenaussagen ist Sache der freien tatrichterlichen Beweiswürdigung und vom Beschwerdegericht nur dahin nachprüfbar, ob der Tatrichter den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend erforscht (§ 12 FGG) und bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat, ob seine Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt, ferner ob die Beweisanforderungen vernachlässigt oder überspannt worden sind (BayObLGZ 1993, 18/19 f. m.w.N.). In diesem Rahmen sind Rechtsfehler des Beschwerdegerichts nicht zu erkennen.

Die ausführlichen Angaben des Zeugen Dr. E. im Termin vom 1.12.2006 waren insgesamt widerspruchsfrei und decken sich im Wesentlichen mit der Schilderung des Beteiligten zu 2. Das Landgericht konnte nach seinem persönlichen Eindruck den Zeugen für glaubwürdig halten. Die Aussage steht auch in Einklang mit den vorliegenden Kranken- bzw. Pflegeunterlagen. Soweit die Verfahrenspflegerin geltend macht, die letzte Zeile der Eintragung vom 31.10.2006 - in welcher vermerkt ist, dass die Betroffene im Sterben liege - sei nicht abgezeichnet, kann das Handzeichen am rechten Rand auch die gesamte Eintragung von diesem Tag abdecken. An ein Handzeichen am Rand einer Eintragung sind nicht die gleichen Anforderungen zu stellen wie an eine Unterschrift.

bb) Das Landgericht musste bei der Erforschung des Sachverhalts weder den Vormundschaftsrichter noch die Verfahrenspflegerin als Zeugen vernehmen. Diese waren bei Gesprächen des damals behandelnden Arztes Dr. E. mit dem Beteiligten zu 2 nicht zugegen. Dem Landgericht kann insoweit nicht ein Verstoß gegen den Grundsatz der "Chancengleichheit" (gemeint ist wohl der Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit; vgl. EuGHMR NJW 1995, 1413; BGH Beschluss vom 30.9.2004 - III ZR 369/03, zitiert nach Juris) oder eine Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren vorgeworfen werden. Durch diese Grundsätze ist zwar geboten, im Falle eines sogenannten "Vieraugengesprächs" beide Gesprächpartner anzuhören, auch wenn eine dieser Personen nicht als Zeuge in Betracht kommt (BGH NJW 2003, 3636); nicht aber ist geboten, auch Zeugen zu hören, die zu einem Gespräch direkt keine Angaben machen können.

Im Übrigen hat das Landgericht hat bei der Bewertung der Glaubwürdigkeit des Zeugen Dr. E. auch die schriftlichen Darlegungen des Vormundschaftsrichters und der Verfahrenspflegerin über deren Sicht der Vorgänge und die jeweils ihnen gegenüber gefallenen Äußerungen verwertet.

Ohne Rechtsfehler konnte die Kammer auch bei Wahrunterstellung der dort niedergelegten Schilderungen davon ausgehen, dass der Zeuge damals in Absprache mit dem Beteiligten zu 2 der Auffassung war, es sei keine medizinische Indikation für eine Sondenernährung mehr gegeben, weil kein sinnvolles Therapieziel mehr erreichbar sei, und er diese Ernährung deshalb auch nicht mehr angeboten habe. Wenn der Zeuge Dr. E. am 10.11.2006 gegenüber dem Vormundschaftsrichter und der Verfahrenspflegerin etwas anderes äußerte, ist dies ohne weiteres mit der von allen an diesem Gespräch beteiligten Personen geschilderten emotional angespannten Situation zu erklären. Immerhin wurde dem Zeugen vorgeworfen, an einem Tötungsdelikt beteiligt zu sein. Es ist naheliegend, dass er bei diesem Gespräch, ebenso wie in weiteren öffentlichen Erklärungen, zunächst seine Verantwortung herunterspielen wollte.

cc) Selbst wenn - wie die Verfahrenspflegerin behauptet - die Entscheidung des Arztes von der irrigen Auffassung bestimmt gewesen sein sollte, er dürfe eine indizierte lebensverlängernde medizinische Behandlung nicht mehr durchführen, wenn der Betreuer dies nicht wolle, ist das insoweit unerheblich. Auf Grund der Reaktion des Arztes auf das Gespräch konnte der Beteiligte zu 2 annehmen, dieser sei nun auch aus medizinischen Gründen dafür, die Sondenernährung nicht mehr anzubieten.

dd) Soweit die Verfahrenspflegerin meint, die Angaben des Beteiligten zu 2 und des Zeugen, sie hätten der Betroffenen Schmerz und Leid ersparen wollen, seien schon deshalb unglaubwürdig, da diese keine Schmerzen erleide, spräche die Richtigkeit einer solchen Behauptung nicht zwingend gegen den Wahrheitsgehalt der Aussagen. Unter Leid können nicht nur körperliche Schmerzen, sondern auch das Bewußtwerden einer hoffnungslosen Lage verstanden werden. Die bei der Betroffenen festgestellte sog. Seelenblindheit kann möglicherweise als Indiz hierfür aufzufassen sein.

ee) Das Landgericht hat seine Pflicht, den Sachverhalt ausreichend zu erforschen, auch nicht dadurch verletzt, dass es entgegen dem Antrag der Verfahrenspflegerin kein Gutachten darüber einholte, ob der Abbruch der Sondenernährung medizinisch indiziert gewesen sei oder einen ärztlichen Kunstfehler dargestellt habe, da es hierauf zur Beurteilung, ob der Betreuer geeignet ist, nicht ankam. Maßgeblich für die Eignung des Betreuers ist nicht, ob er die objektiv einzig richtige Entscheidung getroffen hat, sondern ob er auf Grund der ihm Ende Oktober 2006 bekannten Tatsachen und nach eingehender Prüfung der von einem Arzt mitgeteilten medizinischen Gegebenheiten in vertretbarer Weise zu dem Ergebnis gekommen ist, die Behandlung ohne Anrufung des Vormundschaftsgerichts einzustellen. Zur Klärung dieser Frage wäre ein Sachverständigengutachten, das allenfalls rückblickend die medizinische Indikation der Behandlung hätte beurteilen können, nicht nur ein wenig hilfreiches, sondern sogar ein ungeeignetes Beweismittel.

ff) Auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor. Die Verfahrenspflegerin hatte Gelegenheit, in der Anhörung und vor Erlass des Beschlusses Stellung zu nehmen und hat diese auch wahrgenommen. In der Nichterhebung eines Beweises liegt keine Gehörsverletzung, wenn das Landgericht das Beweisangebot mit sachlichen Gründen abgelehnt hat.

d) Ferner ist dem Landgericht darin zu folgen, dass die Entlassung des Betreuers auch deshalb nicht hätte ausgesprochen werden dürfen, weil minder schwere Mittel nach § 1837 BGB ausreichten, um eine etwaige Gefährdung des Wohls des Betreuten zu beseitigen. Das Landgericht hat in tatsächlicher Hinsicht - verfahrensfehlerfrei und damit für das Gericht der weiteren Beschwerde bindend - festgestellt, dass der Beteiligte zu 2 eingesehen habe, in der Einschätzung der Situation einen Fehler gemacht zu haben und deshalb nicht zu erwarten sei, dass er sich über ärztliche Behandlungsangebote und vormundschaftsgerichtliche Hinweise hinwegsetzen werde. Dies gilt umso mehr, als nunmehr Arzt, Betreuer und auch das Heimpersonal sensibilisiert sind und ihnen das Risiko eines Strafverfahrens bekannt ist.

III.

Für das weitere Vorgehen wird unter Berücksichtigung der BGH-Rechtsprechung (BGHZ 154, 205 und BGHZ 163, 195 = NJW 2005, 2385; zusammenfassend Hahne DRiZ 2005, 244) auf folgendes hingewiesen:

1. Der jeweils behandelnde Arzt wird eigenverantwortlich aufgrund seiner Sachkunde und im Rahmen seines Berufsethos zu prüfen haben, ob eine weitere Behandlung unter Einschluss einer lebensverlängernden Maßnahme, zu der auch eine Sondenernährung gehören kann, noch medizinisch sinnvoll ist, so dass ein entsprechendes Therapieziel besteht und diese Behandlung weiterhin anzubieten ist. Bei dieser Entscheidung werden auch die ärztlichen Meinungen in den Gutachten des Dr. H. vom 29.11.2006 und der Landgerichtsärztin vom 12.12.2006 einzubeziehen sein.

2. Kommt der Arzt zu dem Ergebnis, keine derartige Therapie mehr anzubieten, so ist weder eine Zustimmung des Betreuers noch eine Genehmigung des Vormundschaftsgerichts hierfür erforderlich. Ein vormundschaftsgerichtliches Einschreiten käme allenfalls insoweit in Betracht, als bei begründeten erheblichen Zweifeln an der ärztlichen Diagnose der Betreuer gegebenenfalls gehalten wäre, im Interesse der Betroffenen die Erfüllung des ärztlichen Heilauftrags durch die Einforderung bestimmter lebensverlängernder oder -erhaltender Behandlungen durchzusetzen (BGHZ 154, 205/225).

3. Wird die Fortführung der Behandlung ärztlich angeboten, hat der Betreuer sich nach dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen der Betroffenen zu richten. Lässt sich eine vorweg getroffene Willensbestimmung mangels irgendwie geäußerter Meinungen nicht feststellen, ist nach dem anhand der Persönlichkeit der Betroffenen, ihrer Lebensentscheidungen, Wertvorstellungen und Überzeugungen ermittelten individuellen, mutmaßlichen Willen zu entscheiden. Ist auch insoweit keine eindeutige Festlegung möglich, so ist fraglich, inwieweit - unter Vorrang des Schutzes des menschlichen Lebens vor persönlichen Vorstellungen des Arztes, der Angehörigen oder anderer Beteiligter - auf Kriterien zurückgegriffen werden kann, die allgemeinen Wertvorstellungen entsprechen (vgl. BGHSt 40, 257). Im Beschluss vom 17.3.2006 aaO hat der BGH unter Hinweis auf kritische Stimmen im Schrifttum zu diesem Begriff offengelassen, ob es derartige allgemeine Wertmaßstäbe geben kann und nur von einem "Verständnis des Wohls des Betroffenen" gesprochen, "das einerseits eine ärztlich für sinnvoll erachtete lebenserhaltende Behandlung gebietet, andererseits aber nicht jede medizinisch-technisch mögliche Maßnahme verlangt. Ein solches, einem objektiv zu mutmaßenden Willen des Betroffenen angenähertes Verständnis ...böte jedenfalls einen zumindest objektivierbaren Maßstab, der - außerhalb der Spannbreite einer immer möglichen Divergenz in der ärztlichen Indikation - für die Betreuerentscheidung auch in diesem vom Willen des Betroffenen nicht determinierten Grenzbereich menschlichen Lebens eine vormundschaftsgerichtliche Nachprüfung eröffnet." In jedem Fall wäre eine Entscheidung, die auf Abbruch der Ernährung lauten würde, nur mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts zulässig.

4. Das Vormundschaftsgericht trifft insoweit keine eigene Entscheidung für oder gegen lebensverlängernde Maßnahmen. Die Entscheidung hierüber trifft der Betreuer, der sich an den Patientenwillen halten muss. Das Vormundschaftsgericht prüft lediglich, ob die Entscheidung des Betreuers vom wirklichen oder mutmaßlichen Willen der Betroffenen getragen ist. Es muss der Entscheidung des Betreuers gegen eine lebensverlängernde Maßnahme bzw. für einen Behandlungsabbruch zustimmen, wenn der "irreversible tödliche Verlauf" im Sinne der Rechtsprechung des BGH feststeht und die ärztlich beabsichtigte oder bereits angewendete lebensverlängernde Maßnahme dem früher erklärten und fortgeltenden bzw. mutmaßlichen Willen der Betroffenen widerspricht (vgl. Hahne aaO S. 247 m.w.N.).

IV.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 2, 3 KostO.

Ende der Entscheidung

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